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Buch lesen: «Der Schut», Seite 12

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Viertes Kapitel: In der Juwelenhöhle

Nach diesem Racheakte des Montenegriners, welchen ich leider nicht hatte verhindern können, kehrten wir zu unsern in der Nähe der Kohlenmeiler versteckten Gefährten zurück. Sie wollten natürlich gern wissen, was geschehen war, und sahen uns, als wir sie erreichten, fragenden Blickes an, erhielten aber weder von mir noch von Osko die erwartete Auskunft.

Vorhin, als ich mich nach dem Meiler geschlichen hatte, war mir eine Pferdespur aufgefallen, welche rechts in die Büsche führte. Ich war ihr nicht gefolgt und beschloß, dies jetzt nachzuholen. Es war während meiner Abwesenheit nichts Störendes vorgekommen, und so meinte ich, meine Begleiter auch noch für einige Minuten stecken lassen zu können.

Ich brauchte der Fährte nicht lange zu folgen, so sah ich die Pferde stehen. Es waren fünf Stück, dabei die beiden Schecken der Aladschy. Man hatte sie also trotz der Ueberzeugung, daß wir das Tal gar nicht erreichen würden, versteckt.

Jetzt war es aber Zeit, uns dem Köhler zu zeigen. Wir stiegen wieder auf und ritten auf die Wohnung desselben zu. Als wir den Rand des Gesträuches erreichten und nun die Lichtung vor uns hatten, stand er mit dem Fremden vor der Türe seines Hauses. Trotz der Entfernung, in welcher wir uns von ihnen befanden, sahen wir deutlich, daß sie über unser Kommen erschraken. Sie wechselten einige hastige Worte und kamen uns dann langsam entgegen. Wir ritten auf sie zu.

»Akschamynys chaïr olsun,« grüßte ich. »Was ist das für ein Haus?«

»Es ist das meinige,« antwortete der Besitzer. »Ich bin Kohlenbrenner und heiße Scharka.«

»So sind wir auf dem richtigen Weg. Erlaubst du uns, abzusteigen und ein wenig zu rasten?«

»Ihr seid mir willkommen. Wohin wird euch eure Reise führen?«

»Wir wollen nach Ibali reiten. Wie weit ist es noch bis dorthin?«

»In drei Stunden könnt ihr dort sein.«

»Und ist der Weg schwer zu finden?«

»Sehr leicht sogar. Aber wollt ihr wirklich nach Ibali?«

»Wir sagen es ja! Warum sollte ich dich falsch berichten, da ich doch beabsichtige, mich bei dir nach dem genauen Weg zu erkundigen?«

Er machte ein ziemlich verblüfftes Gesicht. Nach allem, was er über uns gehört hatte, konnte er nicht denken, daß der angegebene Ort das Ziel unseres Rittes sei. Daß wir diesen Namen nannten, mußte ihm bedenklich erscheinen.

»Was wollt ihr dort?« fragte er.

»Wir wollen dort nur übernachten und dann morgen weiter reiten.«

»Wohin?«

»Ueber die Fanti-Berge nach Lesch (Alessio), welches an der Meeresküste liegt.«

Wir waren während dieser Fragen und Antworten abgestiegen und standen nun den Beiden gegenüber. Also das war der gefährliche Köhler, dem ein Menschenleben als gar nichts galt! Ich hatte ihn vorhin nicht genau betrachten können. Er hatte ein rohes Bulldoggengesicht, dessen Züge zur Vorsicht mahnten. Seiner Schwester, der Kohlenhändlerin, sah er ganz und gar nicht ähnlich.

Der Andere war das Gegenteil von ihm. Auch abgesehen von der Sauberkeit seiner Kleidung hatte er beinahe etwas Nobles an sich. Sein Gesicht war offen und fast mädchenhaft weich geschnitten. Es war mehr als leicht, sich in demselben zu täuschen.

»Was befiehlst du, Herr?« fragte Scharka weiter. »Wollt ihr etwas zu essen haben und vielleicht Wasser für die Pferde?«

»Essen werden wir nicht, aber die Pferde bedürfen eines Trankes. Ist vielleicht eine Quelle vorhanden?«

»Ja, gleich hinter dem Hause. Erlaube, daß ich euch dorthin führe.«

Das Wasser trat nahe dem Hause zu Tage und bildete vor seinem Abfluß ein kleines Becken, welches sich sehr gut zur Tränke eignete. Der Fremde war uns langsam gefolgt. Es sollte ihm natürlich kein Wort unseres Gespräches verloren gehen.

Wir nahmen den Pferden die Gebisse aus den Mäulern und ließen sie trinken. Dabei erkundigte sich der Köhler, welcher seine große Spannung nicht zu verbergen vermochte:

»Es kommt so selten jemand in diese einsame Gegend, daß ihr es verzeihen werdet, wenn ich gern wissen will, wen ich vor mir habe.«

»Dein Wunsch ist ganz gerechtfertigt. Wir sind fremd in diesem Lande und kommen von Edreneh, um nach Lesch zu reiten, wie ich dir bereits sagte. Und da du weißt, wer wir sind, wirst du es erklärlich finden, daß wir nun auch erfahren wollen, wer der Effendi ist, welcher uns so erstaunt betrachtet.«

Ich hatte nicht zu viel gesagt, denn es lag noch weit mehr als bloßes Erstaunen in dem Gesicht des Fremden. Sein Blick ging zwischen mir und meinem Rappen hin und her, und zwar mit einem Ausdruck, als ob er uns beide für blaue Wunder halte. Daß wir dem Tod geweihte Männer jetzt so heil und munter vor ihm standen, schien für seinen Verstand ein zu großes, ein nicht zu lösendes Rätsel zu sein, obgleich er vorhin erst noch an dem Gelingen des Ueberfalles gezweifelt hatte. Er und der Köhler betrachteten uns als Leute, welche ganz unbegreiflicherweise dem sichern Grab entstiegen waren.

»Ja, das kannst du erfahren,« antwortete Scharka. »Dieser Effendi ist ein Alim (* Gelehrter, plur. Ulema.) aus Dzsakova, welcher sich, grad so wie ihr, auf der Reise befindet.«

»Ein Alim! So hat er die Universität besucht, und weil auch ich ein Alim bin, freilich ein Alim meines Heimatlandes, so freue ich mich außerordentlich, ihn kennen zu lernen. Er hat das Aussehen eines großen Gelehrten, und ich hoffe, mich von ihm belehren lassen zu können. Allah grüße dich!«

Ich trat zu dem sogenannten Alim und reichte ihm in möglichst freundlicher Weise meine Hand. Er legte verlegen die seinige hinein und antwortete:

»Ja, ich bin in Stambul gewesen und habe studiert, doch führe ich nicht gern gelehrte Gespräche.«

»Warum nicht? Der Baum, welcher Früchte trägt, soll dieselben nicht für sich behalten. Sie werden ja erst dadurch nützlich, daß sie genossen werden. Wie der Baum seine Früchte nicht selbst verzehren kann, so sind auch die Früchte deines Studiums nicht für dich, sondern für Andere vorhanden, denen sie zum Segen gereichen. Also du kommst aus Dzsakova. Wohin wird dein Weg dich von hier aus führen?«

»Nach Köprili.«

»So hättest du über Perserin und Uskub reiten sollen. Das war der beste und kürzeste Weg.«

»Das weiß ich wohl, aber ich bin eigentlich ein Ehli wasf ül arz (* Geolog.) und ritt in die Berge, um interessante Steine zu suchen.«

»So! Ich habe mir das Steinesuchen als eine mühselige und schmutzende Arbeit gedacht. Dein Anblick bekehrt mich zu einer ganz andern Ansicht. Deine Wissenschaft ist eine hoch interessante. Sie läßt uns in Allahs Schöpfungswerkstatt blicken. Sieh dieses Tal mit seinen Trümmern und den gewaltigen granitnen Umfassungsmauern! Welcher Ibtida wakyti (** Entstehungsperiode.) wird dieses Gestein wohl sein Dasein verdanken?«

Bei dieser Frage wurde sein Gesicht glühend rot. Er war weder Geolog, noch kam er aus Dzsakova. Auch ich beabsichtigte in diesem Augenblick keineswegs, nach Ibali zu gehen. Wir logen eben beide einander herzhaft an, was moralisch zwar nicht schön zu nennen ist, hier aber auf beiden Seiten recht triftige Gründe hatte.

Er sann und sann und brachte endlich die Worte zum Vorschein:

»Alles Wissen ist nichts vor Allahs Auge. Er hat die Steine gemacht, nicht wir. Darum sollen wir auch nicht darüber nachdenken, wie sie entstanden sind.«

Sehr richtig! Nur braucht es da eben keine Geologen zu geben. Der Köhler schien das zu begreifen, denn auch er ließ ein breites, verlegenes Lächeln sehen und beeilte sich, meine Aufmerksamkeit von den Kenntnissen des Alim abzulenken, indem er sagte:

»Ihr seid so fremd im Lande und sucht euch doch selbst den Weg! Das ist sehr kühn von euch. Andere würden sich einen Führer nehmen. Warum habt ihr das nicht getan?«

Jetzt brachte er das Gespräch dahin, wo er es haben wollte. Er mußte natürlich erfahren, wie es gekommen war, daß wir zunächst überhaupt und dann auch ohne den Konakdschi bei ihm angelangt waren.

»Eure Führer sind nicht zuverlässig,« antwortete ich ihm.

»Nicht? Wie so?«

»Wir hatten einen, der uns alles Gute versprach. Er wollte uns bis hierher bringen, denn er kannte dich sehr gut.«

»Ein Bekannter von mir? Wer sollte das gewesen sein?«

»Der Wirt des Treska-Konaks.«

»Den kenne ich allerdings. Er ist ein braver und zuverlässiger Mann. Wie kommt es, daß er sich nicht bei euch befindet?«

»Er ist schändlicherweise zurückgeblieben, noch ehe wir das Ziel erreichten.«

»Das wundert mich sehr von ihm. Was hat er denn für einen Grund gehabt?«

»Frage ihn selbst, wenn du ihn einmal triffst. Es sind über diese Angelegenheit gar nicht viel Worte gemacht worden. Ich vermute aber, daß es eine Gesellschaft gegeben hat, die ihm lieber gewesen ist, als die unserige. Zu ihr hat er sich höchst wahrscheinlich begeben.«

»Welche Leute waren das?«

»Du kennst sie jedenfalls nicht.«

»Nun, ich bin doch mit vielen Leuten bekannt!«

»Mit denen aber wohl nicht, die ich meine, denn du scheinst ein braver und ehrlicher Mann zu sein.«

»Und das waren die Betreffenden wohl nicht?«

»Nein, sie sind Diebe und Räuber. Es sind zwei Brüder, welche Aladschy genannt werden, und es waren noch einige Andere dabei.«

»Aladschy?« meinte er kopfschüttelnd. »Diesen Namen kenne ich allerdings nicht.«

»Das habe ich mir gedacht.«

»Aber so wundert es mich sehr von meinem Bekannten, dem Konakdschi, daß er sich zu ihnen begeben hat. Er scheut alles, was gegen die Gebote des Koran und des Großsultans ist.«

»Wenn das bisher so war, so ist es eben nun anders geworden.«

»Wo befinden sich denn diese Räuber?«

»Das hat er mir natürlich nicht gesagt. Vielleicht teilt er es dir mit, wenn du ihn fragst.«

»So sage mir doch nur, an welchem Ort er euch verlassen hat!«

»Wer kann das genau sagen! Es war in einem Hohlweg. Wir sind aber durch so viele Täler und Schluchten gekommen, daß wir sie gar nicht gezählt haben.«

Er sah mir nachdenklich in das Gesicht. Die dumme Art meiner Antwort harmonierte wohl nicht mit der Vorstellung, welche er sich von mir gemacht hatte.

»Wo seid ihr in der letzten Nacht geblieben?« erkundigte er sich weiter.

»Bei Junak, deinem Schwager.«

»Bei dem?« rief er im Ton herzlichster Freude. »So seid ihr mir doppelt willkommen! Wie hat euch Junak gefallen?«

»Ganz so gut wie seine Frau, deine Schwester.«

»Das freut mich sehr. Es sind außerordentlich liebe, wenn auch arme Leute. Ihr werdet bei ihnen sehr gut aufgehoben gewesen sein?«

»Ja, es hat uns niemand etwas getan.«

Er schien einen langen, ausführlichen Bericht zu erwarten. Ich gab ihm aber die letztere Antwort in kurzem Ton und wendete mich von ihm ab. Trotzdem fragte er noch:

»Wie kommt es aber, daß der Konakdschi euch grad zu mir führen sollte?«

»Er sollte nicht, er wollte. Er sprach von der außerordentlichen Schönheit der Gegend, von den gewaltigen Felsen und von vielem anderen.«

Da winkte der Alim dem Köhler heimlich zu, was ich aber doch bemerkte, und fragte:

»Hat er euch nicht auch von der berühmten Höhle erzählt, welche sich hier befindet?«

»Er hat uns sogar aufgefordert, Scharka zu bitten, daß er uns dieselbe zeige.«

»Wißt ihr alles, was man sich von ihr erzählt, auch das von den Juwelen?«

»Alles.«

»So will ich euch gestehen, daß auch ich nur wegen dieser berühmten Höhle hierhergekommen bin. Scharka zeigt sie nicht gern; aber ich bat ihn so lange, bis er mir versprach, mich hinein zu führen. Ich glaube, er wird auch euch die Erlaubnis geben.«

»Nun,« meinte ich gleichmütig, »alles, was man von ihr berichtet, halte ich für Märchen. Ob ich sie sehe oder nicht, das ist mir gleichgültig.«

»So darfst du dir's nicht denken!« fiel er schnell ein. Und nun begann er eine lange Aufzählung der Herrlichkeiten, welche die Höhle enthalten sollte. Scharka stimmte so eifrig ein, daß auch ein Dummkopf hätte merken müssen, es sei ihr sehnlicher Wunsch, uns diesen berühmten Ort zu zeigen. Wir waren dem uns gelegten Hinterhalt entronnen; der Höhle aber sollten wir nicht entgehen. Der Köhler hatte ja dem Andern gesagt, auf welche Weise wir dann umgebracht werden sollten.

Ich tat, als hätte ich mich überzeugen lassen, und sagte schließlich:

»Nun, wenn es wirklich so ist, so will ich sie mir ansehen. Wann willst du sie uns zeigen?«

»Sogleich, wenn es dir gefällig ist.«

»Gut, so komm!«

Ich machte einige Schritte; aber Scharka hielt mich zurück:

»Willst du sie denn allein sehen?«

»Ja. Meine Gefährten interessiert das nicht.«

»O, grad sie werden davon auf das höchste entzückt sein!«

Und nun stellte er es mir vor, welch eine Sünde ich begehen würde, wenn ich den Anderen nicht erlaubte, die gebotene Pracht zu sehen. Es mußte ihm natürlich daran liegen, daß keiner zurückblieb. Wenn wir nicht alle in die Höhle gingen, war ihr Plan unausführbar.

Auch jetzt tat ich, als ob ich mich überzeugen ließe, und gab den Andern die Erlaubnis, mich zu begleiten.

»Aber eure Gewehre könnt ihr nicht mitnehmen,« sagte er.

»Warum nicht?«

»Weil sie euch hinderlich wären. Der Eingang zur Höhle ist nicht bequem. Man muß auf dem Boden kriechen, bevor man hinein gelangt.«

»Gut! So lassen wir die Gewehre da. Wir hängen sie an die Sattelknöpfe.«

»Auch die Messer und Pistolen!«

»Das ist doch nicht nötig.«

»Sogar sehr! Wie leicht geht eine Pistole los, und wie leicht verletzt man sich mit einem Messer, wenn man auf dem Bauch kriecht und dabei diese Waffen im Gürtel hat!«

»Du hast recht. Legen wir also alle unsere Waffen zu unseren Pferden!«

Meine Gefährten sahen mich erstaunt an, aber sie folgten doch meinem Beispiel. Der Köhler warf dem »Gelehrten« einen triumphierenden Blick zu.

»Jetzt kommt!« forderte er uns auf. »Ich will euch den Eingang zeigen.«

Er schritt grad auf den Meiler zu, und wir folgten ihm. Ich hatte also vorhin recht gehabt, als ich mir den Meiler in Verbindung mit dem Eingang dachte. Bei demselben angekommen, wendete er sich zu uns:

»Hier wird kein Mensch die Türe zu der berühmten Höhle vermuten. Sie ist aber doch da. Paßt einmal auf!«

Der Meiler sah aus wie jeder andere Meiler, ein kegelförmiger Aufbau von Hölzern, ringsum mit einer Erdschicht bedeckt. Scharka bückte sich nieder und entfernte an einer Stelle in der Nähe des Bodens diese Schicht. Es kamen einige Bretterstücke zum Vorschein, welche er auch wegnahm, und nun sahen wir eine Oeffnung von der Größe, daß ein starker Mann hindurchkriechen konnte.

»Das ist der Eingang,« sagte er. »Kriechen wir nun hinein!«

Er trat zurück und gab mir einen Wink, daß ich zuerst hineinkriechen sollte.

»Du bist der Führer,« sagte ich. »Krieche voran.«

»Nein,« wehrte er ab. »Der Vornehmste geht voran.«

»Der bin ich nicht. Der Vornehmste ist dieser gelehrte Alim, welcher die Wasf ül arz studiert hat. Ihm gebührt also die Ehre.«

»Nein, nein!« rief der gute Mann erschrocken. »Du bist gelehrter als ich; das habe ich bereits gehört. Ueberdies seid ihr hier fremd, und es ist die Pflicht der Höflichkeit, Fremden stets den Vortritt zu lassen.«

»Nun, so wollen wir einmal probieren.«

Ich bückte mich nieder und blickte hinein. Man konnte nicht weit hineinsehen, aber es genügte doch, um mich zu orientieren. Ich stand wieder auf, schüttelte den Kopf und sagte:

»Es ist ja ganz und gar finster darin!«

»O, wenn wir drinnen sind, werde ich sogleich Licht machen,« antwortete der Köhler.

»Das glaube ich gern. Was wirst du denn anzünden?«

»Kienspäne.«

»Befinden sich solche in der Höhle?«

»Ja.«

Ich war überzeugt, daß er eine Lüge sagte. In einer Höhle, in welcher Gefangene festgehalten werden, bewahrt man kein Material auf, mit welchem diese unter Umständen imstande wären, sich Licht zu machen.

»Das ist gar nicht nötig,« sagte ich. »Es ist ja hier im Meiler Kien genug vorhanden, um Feuer zu machen. Hast du Feuerzeug bei dir?«

»Ja; Tschakmak, Süngür und Kükürd (* Feuerstahl, Schwamm und Schwefel.), alles, was ich brauche, um die Späne anzuzünden.«

»Gibt es denn keine Kibritlar (** Zündhölzer.)? Die sind doch viel bequemer!«

»Die sind hier so schwer zu bekommen, daß ich sie niemals kaufe.«

»So! Und doch hast du solche!«

»Nein, Herr, ich habe keine.«

»Sonderbar! Wer muß sie da hereingesteckt haben?«

Ich bückte mich nieder und brachte mehrere Zündhölzer zum Vorschein, welche ich vorher im Innern des Loches zwischen dem Holz hatte stecken sehen.

»Das – das . – sind wirklich Kibritlar!« rief er, sich erstaunt stellend. »Sollte einer meiner Knechte solche besitzen und sie hereingesteckt haben?«

»Du hast Knechte?«

»Ja, vier. Da ich die Kohlen nicht in dem Wald, sondern nur hier auf diesem Platz brenne, brauche ich diese Leute zum Herbeischaffen des Holzes.«

»Nun, so ist der betreffende Knecht ein außerordentlicher Pfiffikus, welcher es versteht, eine Sache so vorteilhaft wie möglich einzurichten.«

»Wie meinst du das?«

»Nun, wenn wir hier hereingekrochen sind, so dauert das Feuermachen mittels Stahl und Schwamm so lange, daß wir inzwischen Lunte riechen und wieder herauskriechen können. Mit einem Streichhölzchen aber ist es augenblicklich getan.«

Er erschrak, und ich bemerkte trotz seines rußigen Gesichtes, daß er sich entfärbte.

»Herr!« rief er, »ich verstehe dich nicht. Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Soll ich dir das wirklich erst sagen?«

»Ja, sonst weiß ich es nicht.«

»Nun, sieh doch, wie schön du den Eingang aus lauter Tschyra (* Kienholz.) zusammengesetzt hast, welches sofort brennt und einen solchen Qualm entwickelt, daß ein jeder, welcher wieder herauskriechen wollte, augenblicklich ersticken müßte. Und dieses Holz liegt auf einer Strohunterlage, an welche man das Zündholz hält. Wenn das die Herrlichkeiten sind, welche wir anstaunen sollen, so bedanken wir uns recht sehr. Wir haben keineswegs die Absicht, uns in der Juwelenhöhle ersticken und braten zu lassen.«

Er starrte mich einen Augenblick lang wie gedankenlos an. Dann rief er zornig:

»Was fällt dir ein! Willst du mich für einen Mörder erklären? Das dulde ich nicht. Das erfordert Rache! Ich bin bis aufs Blut beleidigt. Komm, Marki, sie gelangen nicht zu ihren Waffen. Schießen wir sie nieder!«

Er wollte fortlaufen, zu unsern Pferden hin. Der »Gelehrte«, welcher jetzt Marki genannt wurde, schickte sich an, ihm zu folgen. Da zog ich die beiden Revolver heraus, welche ich in die Tasche gesteckt hatte, und gebot:

»Halt! Keinen Schritt weiter, sonst schieße ich euch nieder! Von solchen Schurken, wie ihr seid, läßt man sich nicht betrügen.«

Sie sahen die auf sie gerichteten Läufe und blieben stehen.

»Ich – ich – wollte nur scherzen, Herr!« stieß der Köhler hervor.

»Ich auch. Man kann sich ja auch einmal zum Spaß eine Kugel in den Leib jagen lassen. Es ist das freilich nicht jedermanns Sache; aber wenn es euch so beliebt, dann könnt ihr es haben.«

»Es war nur Zorn über die Beleidigung!«

»Nun denn, wenn du zornig bist, dann scherzest du? Da bist du wirklich ein außerordentlich seltener Mensch!«

»Du hast doch vorhin gesagt, daß du mich für einen guten Menschen hältst!«

»Allerdings, aber man kann sich täuschen.«

»Habe ich euch nicht ganz freundlich empfangen?«

»Ja, und dafür bin ich dir dankbar. Wegen dieses Empfanges will ich das jetzt Geschehene vergessen; aber es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, daß uns, so lange wir hier ausruhen, niemand gefährlich werden kann. Setzt euch hier auf die Bank! Meine Begleiter werden dort auf dem Holzklotz Platz nehmen und denjenigen von euch, welcher Miene macht, aufzustehen, ohne weiteres erschießen.«

Ich winkte Osko und Omar. Sie setzten sich auf den Klotz, nachdem sie vorher die sämtlichen Waffen geholt hatten. Derselbe lag ungefähr zwanzig Schritt von der Bank entfernt. Die Beiden konnten also den Köhler und den Alim mit ihren Flinten leicht im Schach halten. Den Letzteren hingegen war es möglich, sich miteinander zu unterhalten, ohne von den ersteren gehört zu werden. Das war es, was ich bezweckte.

»Herr, das haben wir nicht verdient,« murrte Scharka. »Du trittst ja wie ein Räuber auf!«

»Nicht ohne Grund. Das weißt du am besten.«

»Ich kenne keinen Grund. Daß ich zornig gewesen bin, darf dich nicht wundern. Nun soll ich hier vor den Mündungen der Gewehre sitzen, auf meinem eigenen Grund und Boden? Das ist mir noch nicht passiert!«

»Es wird nicht lange dauern. Wir werden bald aufbrechen. Hoffentlich machst du deinen Fehler dadurch gut, daß du uns den besten Weg nach Ibali beschreibst.«

Seine Augenlider zuckten leise; er konnte sich doch nicht ganz beherrschen und die Freude verbergen, die er bei meiner Frage empfand.

»Ja, das tue ich gern,« sagte er.

»Nun, wie reiten wir?«

»Du wirst bemerken, daß dieses Tal zwei Ausgänge hat, einen nach Süden und einen nach Westen. Letzterem müßt ihr folgen. Ihr kommt dann wieder in ein Tal, welches viel länger und breiter ist, als dieses hier. Da gibt es Wagengeleise, welche von dem Fuhrwerk Junaks stammen. Ihr folgt denselben, bis ihr an eine Höhe gelangt, die sich quer vor euch legt. Dort teilen sich die Geleise. Rechts dürft ihr nicht reiten, sondern nach links, denn das ist die Richtung nach Ibali.«

»Und wohin führt rechts der Weg?«

»Ueber den Drin nach Kolutschin. Weiter brauche ich euch den Weg nicht zu beschreiben, denn wenn ihr diesem linken Geleise nur immer folgt, so kommt ihr auf die erwähnte Höhe und seht von da oben Ibali unten vor euch liegen.«

»Schön! Und wohin kommt man, wenn man der südlichen Talöffnung folgt?«

»Nach Podalista-Han.«

»Dorthin führt uns unsre Absicht freilich nicht. Und nun kannst du mir noch einen Gefallen tun. Ich möchte mir für kurze Zeit etwas von dir borgen.«

»Was, Herr?«

»Ein kleines Gefäß, in welches ich einige schwarze Sümüklü bödschekler (* Schnecken.) tun kann.«

»Sümüklü bödschekler?« fragte er erstaunt.

»Ja, ich habe gesehen, daß es hier im Tal solche gibt.«

»Es gibt hier sehr viele davon; aber wozu brauchst du diese Tiere?«

»Mein Pferd leidet an einer kleinen Sowuk alma (** Verschlagung.), und du wirst wissen, daß die Schnecken ein sehr gutes Mittel gegen dieses Uebel sind.«

»Ja, das ist wahr. Man muß dem verschlagenen Pferd die Nüstern mit dem Schaum der Schnecken bestreichen. Aber das allein hilft noch nicht. Es gehört auch das Kraut der Nahanaha (*** Minze, Mentha.) dazu, welches man dem Pferd zum Fressen gibt.«

»Das weiß ich wohl. Ich werde suchen, diese Pflanze zu finden. Also. hast du ein Gefäß?«

»Ja, im Hause steht ein kleiner, eiserner Topf; den magst du nehmen. Du wirst ihn in der Nähe des Herdes stehen sehen.«

Er tat jetzt außerordentlich gefällig. Ich ging in das Haus und fand den kleinen Topf. Als ich wieder herauskam, bat ich Halef leise, den Bärenspeck zu sich zu stecken. Der Hadschi sollte mit mir gehen.

»Also ich werde mich jetzt für kurze Zeit mit diesem meinem Begleiter entfernen,« warnte ich den Köhler. »Versuche ja nicht, diese Bank zu verlassen! Auch wenn deine Knechte kämen, könnten sie dich nicht unterstützen, denn sie würden sich in die Gefahr begeben, selbst erschossen zu werden. Ich habe die geladenen Gewehre gesehen, welche in deiner Stube hängen. Die beiden Wächter werden jedem eine Kugel geben, der Miene macht, das Haus zu betreten.«

Wir ließen unsere Gewehre bei Osko und Omar liegen; nur die Revolver und die Messer nahmen wir mit. Dann entfernten wir uns nach der Mitte des Tales zu, ganz entgegengesetzt der Richtung, welche eigentlich in meiner Absicht lag.

»Willst du wirklich Schnecken und Minze suchen, Sihdi?« fragte mich Halef.

»Fällt mir gar nicht ein!«

»Warum schleppst du diesen Topf mit?«

»Er soll uns als Leuchter dienen. Wir untersuchen die Höhle.«

»Ah! Da sollten wir doch dort durch den Meiler kriechen!«

»Nein. Wir steigen in der Rieseneiche, welche da oben steht, hinab. Der Köhler darf keine Ahnung haben, daß wir die Höhle besichtigen wollen.«

»Kennst du den Weg?«

»Ich denke, ja. Komm schnell, damit wir keine Zeit verlieren. Ich will die beiden Schurken zuvor belauschen. Jetzt in den ersten Minuten nach unserer Entfernung werden sie sich unterhalten.«

»Kannst du sie behorchen?«

»Ja, ich habe es bereits getan und werde euch dann erzählen, was ich hörte. Den Weg nach Ibali hat uns der Köhler natürlich falsch beschrieben.«

»Meinst du das wirklich?«

»Gewiß. Ibali liegt grad im Süden von hier. Dorthin und nicht nach Podalista-Han führt die südliche Talöffnung. Das Geleise, welchem wir folgen sollen, zieht rechts, wie ich vermute, allerdings nach Kolutschin, wie der Köhler sagte, und dieser Richtung werden wir folgen, denn da geht es nach Rugova, wohin ich will. Das links abzweigende Geleise aber, welches er uns als das richtige bezeichnete, würde uns wahrscheinlich in eine Falle bringen, welche er uns legen will. Ich habe es am Zwinkern seiner Augen gesehen. Dieser Mensch soll uns nicht betrügen.«

Jetzt waren wir dem Köhler und dem Alim aus den Augen, und wir konnten nun nach links abbiegen. Da stand ein alter, höchst urwüchsig gebauter Wagen, an welchem sich fast gar keine Eisenteile befanden. Das war wohl derjenige, von welchem der Kohlenhändler gesprochen hatte.

Nun drängten wir uns durch die Büsche und kehrten in die Nähe unseres Ausgangspunktes, also des Meilers, zurück, doch so, daß wir nicht bemerkt werden konnten. Dort führte ich Halef auf den erwähnten schmalen Pfad, welcher sich zwischen den Büschen und der Felswand hinzog, und hieß ihn, auf mich zu warten.

Ich schlich bis zum Meiler hin, wo ich schon vorher gewesen war, und lauschte. Ja, sie sprachen miteinander, aber leise, so daß ich nichts Deutliches hören konnte. Natürlich wiederholte ich mein voriges Experiment, indem ich leise bis unter den Goldregen kroch, und nun konnte ich ihre Worte besser vernehmen.

Leider hatte ich vielleicht grad die Hauptsache versäumt, doch was ich hörte, war immerhin von Wichtigkeit für mich; denn als ich mich auf der Erde gemächlich eingerichtet hatte, hörte ich den »Gelehrten« sagen:

»Und wie kamst du auf den Gedanken, sie nach Westen zu weisen? Dahin muß ich ja auch.«

»Natürlich mußt du hin, und ich begleite dich. Meine Knechte gehen auch mit, denn du kennst die Oertlichkeit nicht. Das Geleise, welches ich ihnen als das richtige bezeichnet habe, ist das falsche. Es führt sie in eine lange Schlucht, welche keinen Ausgang hat.«

»So kehren sie einfach um.«

»Allerdings; aber dann sind wir auch schon dort. Es ist ein Weg, den wir ausgefahren haben, um Meilerholz herbeizuschaffen. Wenn sie ihm von da an, wo er die Schlucht erreicht hat, eine halbe Stunde gefolgt sind, halten sie vor einer Felswand, an deren Fuß sich ein tiefer Teich gebildet hat. Sie müssen zurück und brauchen wieder eine halbe Stunde, um aus der Schlucht zu kommen. Das gibt uns mehr als genug Zeit, ihnen zu folgen und uns an einem geeigneten Ort zu verstecken. Von da aus schießen wir sie nieder.«

»Das könnten wir vielleicht schon hier tun, noch bevor sie aufbrechen «

»Nein. Wenn nur ein Einziger von ihnen entkommt, ist alles verraten. Sobald sie sich entfernt haben, gebe ich meinen Knechten das Zeichen. Sie brauchen kaum fünf Minuten, um bei uns zu sein. Wir besteigen die Pferde der Aladschy und der Andern und folgen diesen Wichten auf der Ferse. Gewehre habe ich genug. Daß dieser Deutsche sie sehen mußte! Daran hatte ich freilich nicht gedacht, als ich ihn in das Haus schickte «

»Ich weiß überhaupt nicht, was ich von ihm denken soll.«

»Ich werde auch nicht klug aus ihm.«

»Einmal macht er ein ganz dummes Gesicht und spricht die Worte eines Albernen, und dann wieder hat er ganz das Aussehen eines Mannes, vor dem man sich nicht genug hüten kann. Aber siehst du, daß ich recht hatte! Der Ueberfall ist mißlungen.«

»Das kann ich nicht begreifen. Selbst wenn der Konakdschi so dumm gewesen ist, die Fremden zu verlassen, sind diese doch durch die Schlucht des Teufels gekommen, wo sie von unsern Freunden bemerkt werden mußten. Diese müssen geschlafen haben.«

»Oder der Deutsche hat sie überfallen!«

»Das ist völlig undenkbar. Erstens hatte er ja gar keine Ahnung, daß er angegriffen werden sollte. Zweitens wußte er den Aufstieg nicht. Und drittens, wenn er beides gewußt hätte, wäre dennoch der Ueberfall seinerseits unmöglich gewesen. Es könnte nur eine Erstürmung stattgefunden haben. Dabei wären aber diese Wichte alle ums Leben gekommen. Man hätte sie natürlich von oben herab totgeschossen. Die Sache ist mir ein unlösbares Rätsel.«

»Es wird sich bald aufklären.«

»Natürlich! Ich würde selbst nach der Bastei gehen oder einen meiner Knechte hinschicken; aber wir können doch nicht fort. Diese verdammten beiden Schufte lassen ja kein Auge von uns und haben die Finger stets am Drücker.«

»Wollen doch einmal versuchen, ob sie mit sich reden lassen.«

»Ich versuche es nicht. Wage du es!«

»Wollen sehen!«

Der Alim machte eine langsame Bewegung zum Aufstehen. Da aber hörte ich Oskos befehlende Stimme:

»Nieder!«

Zugleich sah ich, zwischen den Beinen der Beiden hindurch blickend, daß Osko und Omar ihre Gewehre an die Backen nahmen. Der Gelehrte sank wieder nieder und rief:

»Darf man sich denn nicht wenigstens einmal rühren?«

»Nein, auch nicht sprechen. Noch ein Wort, so schießen wir.«

Die Beiden machten sich in Flüchen und Verwünschungen Luft; ich wußte nun, daß ich mich auf die Wachsamkeit der Gefährten verlassen konnte, und kroch langsam aus den Büschen zurück, um mich zu Halef zu begeben.

»Hast du etwas gehört?« fragte dieser, als ich bei ihm anlangte.

»Ja, aber davon später. Komm schnell!«

Wir folgten dem Pfad und sahen bald, daß ich ganz richtig vermutet hatte, dieser schmale Weg führe zur Höhe. Er lenkte in einen Felsenriß, in welchem er als steile Zickzacklinie empor stieg.

Als wir oben anlangten, waren vielleicht sechs bis acht Minuten vergangen. Da sahen wir zwischen größeren Bäumen zahlreiche Stöße von Meilerholz aufgeschichtet. Der Schlag von Aexten ließ auf die Anwesenheit von Menschen schließen.

»Das sind die Köhlerknechte,« sagte Halef. »Hoffentlich überraschen sie uns nicht!«

»Ich möchte es nicht befürchten. Sie sind rechts da drüben; wir aber müssen nach links, wo du den Wipfel der Eiche hoch emporragen siehst.«

In dieser letzten Richtung war der Wald ganz geflissentlich von der Axt verschont geblieben. Der Köhler hatte sich wohl gehütet, die Stelle zu lichten, wo sein Geheimnis verborgen lag. Die Bäume und Büsche standen im Gegenteil so dicht beisammen, daß wir uns zuweilen nur mit Gewalt hindurchzuzwängen vermochten.

Endlich hatten wir die Eiche erreicht. Sie war von sehr bedeutendem Umfang. Der Stamm schien gesund zu sein. Die mannsstarken Wurzeln, welche streckenweit zutage traten, ließen keine Höhlung erkennen. Aber als ich den Baum umschritt, erblickte ich ungefähr in dreifacher Manneshöhe ein Loch, das groß genug war, einen Mann hindurchzulassen.