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Am Rio de la Plata

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»So dürfen wir nicht dorthin zurück, was wir ja auch gar nicht beabsichtigen, sondern wir müssen schleunigst nach der Grenze!«

»Wie wollen Sie das anfangen?«

Er hatte schnell gesprochen. Jetzt kratzte er sich hinter dem Ohre und antwortete viel langsamer:

»Ja, ja, da haben Sie recht. Daran dachte ich ja gar nicht. Die Ausgänge sind doch besetzt. Sollte es keine Hilfe geben?«

»Pah! Man bekommt uns noch lange nicht. Vor Anbruch des Tages wird sich freilich nicht viel thun lassen, denn wir müssen sehen, gegen wen wir uns zu verteidigen haben. Allzulang aber dürfen wir uns auch nicht verweilen, sonst zieht man noch mehr Truppen herbei, so daß dann ein Entkommen ganz und gar unmöglich ist. Wir werden also am besten den Tagesanbruch abwarten.«

»Sind Sie denn so gewiß, daß es uns dann gelingen wird?«

»Ich denke es. Geht es nicht auf die eine Weise, so wird es auf die andere erzwungen.«

»Aber meinen Sie denn wirklich, daß wir es mit vierhundert Mann aufzunehmen vermögen? Das wäre doch ein außerordentliches Selbstbewußtsein!«

»Ich habe es. Wenigstens ist mir bis jetzt noch nicht bange. Für Sie ist die Hauptsache, daß Sie Ihre Botschaft glücklich fortgebracht haben, und ich hoffe, daß es dem Neger gelungen ist, nach dem Flusse zu gelangen.«

»Aber wie wollen Sie es denn anfangen, beim Tagesgrauen durch diese Leute zu entkommen?«

»Entweder geschieht es ganz offen oder heimlich. Werden erst sehen.«

Bis jetzt hatte nur der Oberst gesprochen. Nun fragte der Kapitän Turnerstick, welcher unser Spanisch nicht sogleich verstand, was wir so eifrig zu besprechen hätten. Als ich es ihm erklärte, meinte er zornig:

»Schon wieder! Diese Schufte mögen uns doch einmal in Ruhe lassen! Wir haben ja gar nichts mit ihnen zu schaffen und wollen auch nichts von ihnen wissen. Wenn sie uns nicht fortlassen, nun, so habe ich verschiedene Dutzende von Patronen für die Revolver und auch für das Gewehr, welche ich glücklich durch die Nässe gebracht habe. Fangen lasse ich mich nicht wieder und erschießen nun vollends nicht. Ich habe keine Lust, hier in diesem Camp zu allen meinen Vätern versammelt zu werden!«

Und sein Steuermann fügte seinerseits hinzu, indem er seine gewaltigen Hände freundlich anschaute:

»Jetzt endlich könnte es die ersehnte Gelegenheit geben, einige von diesen Menschenkindern zwischen die Finger zu bekommen. Ich freue mich darauf!«

Jetzt kam der Ranchero aus dem Hause. Er wollte zu uns, damit der Soldat, den er erwartete, dadurch Veranlassung bekäme, auch nahe an uns heranzutreten und uns genau zu betrachten. Eben sahen wir auch diesen Mann durch einen der Kaktusgänge herankommen. Er trug die Kleidung eines Gaucho.

»Steuermann,« flüsterte ich Larsen schnell zu, »wenn ich Ihnen einen Wink gebe, nehmen Sie den Ranchero schnell beim Kragen, doch so, daß er nicht schreien kann!«

»Soll geschehen, Herr!« nickte der Riese.

Der Ranchero war nun da. Er that, als ob er den Gauchosoldaten erst jetzt bemerke und wendete sich zu ihm:

»Was willst du? Diese Sennores brauchen nichts.«

»Ich wollte nur fragen, ob ich ihr Pferd vielleicht hinaus zum Camp auf die Weide bringen soll.«

»Nein,« antwortete ich. »Es bleibt bei uns, wo es sich in größerer Sicherheit befindet.«

»Wer sollte ihm draußen etwas thun? Raubtiere giebt es hier ja nicht.«

»Aber Raubmenschen.«

»Auch nicht. Pferdediebe sind seit Menschengedenken nicht hier gewesen. Und selbst wenn so ein Kerl käme, halten wir Gauchos so gut Wache, daß er sich unverrichteter Dinge wieder zurückziehen müßte.«

»Aber wenn nun ihr selbst es auf das Pferd abgesehen hättet?«

»Wir?« fragte er lang gedehnt und im Tone des Erstaunens.

»Ja, ihr!«

»Sennor, wir stehen im Dienste des Ranchero und werden doch seine Gäste nicht in Schaden bringen! Uebrigens sind wir ehrliche Leute, und keiner von uns hat jemals ein Pferd gestohlen.«

»Das glaube ich nicht. Es würde euch sehr lieb sein, das einzige Pferd zu bekommen, welches wir haben. Ich kann mir das denken.«

»Sie irren sich sehr!«

»Sie kennen mich ja und wissen also, daß ich mich nicht irre.«

»Ich? Sie kennen?! Ich habe Sie noch niemals in meinem Leben gesehen.«

»Sie wissen es nur zu genau. Ihr Lieutenant hat Sie gesandt.«

»Lieutenant? Wer ist das?«

»Der Gaucho, welcher vor einigen Minuten hier war. Er hat Sie hergesandt, um sich zu überzeugen, daß ich wirklich derjenige bin, für den ihr mich haltet.«

»Davon weiß ich kein Wort!«

»Wissen Sie auch nichts davon, daß Sie sich noch vor einigen Tagen bei Lopez Jordan befunden haben?«

»Ist mir nicht eingefallen!«

»Sie sahen uns, als wir aus dem Hause nach dem Brettergebäude geführt wurden, in welchem wir während der Nacht bleiben sollten?«

»Nein.«

»Sie befanden sich sogar unter den Leuten, welche uns bedrohten und nur auf den strengen Befehl des uns begleitenden Rittmeisters zurückwichen?«

»Sennor, ich habe keine Ahnung davon!«

»Sie sind wirklich Gaucho im Dienste dieses Ranchero?«

»Ja.«

»Nun, so werden Sie sich auch nicht scheuen, unserer Einladung zu folgen und während der Nacht hier bei uns im Schuppen zu bleiben.«

»Gern! Vorher aber muß ich noch einmal in den Corral!«

»Das ist nicht nötig. Aus einem Corral können die Pferde nicht ausbrechen; sie befinden sich da ganz sicher. Sie bleiben also sogleich bei uns, um uns Gesellschaft zu leisten.«

»Aber es kann Ihnen doch sehr gleichgültig sein, ob ich bei Ihnen schlafe oder anderswo!«

»Nein! das ist uns eben nicht gleichgültig. Sie sollen uns dadurch beweisen, daß Sie wirklich Gaucho sind und zu diesem Ranchero gehören.«

Der Mann hatte keine andere Waffe als sein Messer bei sich. Er konnte uns keinen Widerstand leisten. Meine Gefährten hatten um ihn und den Ranchero einen Kreis geschlossen. Der Steuermann stand hinter dem letzteren und ich vor dem Soldaten.

»Wozu ein solcher Beweis?« fragte dieser. »Mein Herr hier kann es mir bezeugen.«

»Ja, Sennores,« fiel der Ranchero ein. »Sie haben diesen braven Gaucho in einem ganz falschen Verdachte.«

»Der Verdacht ist richtig,« antwortete ich ihm. »Und nicht er allein, sondern auch Sie selbst stehen unter demselben. Haben Sie nicht gehört, daß ich einen Lieutenant erwähnte, welcher soeben auch als Gaucho hier gewesen ist?«

»Das ist eben ein ganz gewaltiger Irrtum Ihrerseits.«

»So ist wohl auch alles das, was Sie mit ihm in der Stube gesprochen haben, Irrtum gewesen?«

»Was?«

»Daß Sie zunächst Ihrer Frau befohlen haben, die Schlafkammer nicht eher zu verlassen, als bis es ihr erlaubt wird? Sie wollten diese Maßregel treffen, damit Ihr braves Weib nicht erfahren solle, welche Schlechtigkeiten hier unternommen werden.«

»Welche Schlechtigkeiten wären das? Ich muß mir solche Reden verbitten!« brauste der Ranchero auf.

»Nicht so laut, Sennor! Ist es nicht eine Schlechtigkeit, wenn jemand seine Gäste an das Messer liefern will?«

»Wer ist dieser Jemand?«

»Sie sind es!«

»Nein und abermals nein!«

»Pah! Sie sprachen von einem Sergeanten, von Boten, welche fortgeschickt worden sind, von zweihundert Soldaten, welche hier die Ausgänge besetzt halten, von abermals zweihundert, welche noch kommen wollen, von diesem Manne hier, welcher nachschauen solle, ob wir wirklich diejenigen sind, welche Jordan so gar zu gern fangen will! Wollen Sie auch jetzt noch leugnen?«

»Sie haben gehorcht?« fragte er betroffen.

»Allerdings, und ich habe ein jedes Wort gehört.«

»Das war nur Scherz. Gehen Sie nach jeder Richtung. Sie werden keinen einzigen Soldaten finden!«

»Danke! Ich würde Ihnen geradezu in die Hände laufen.«

»Nein. Es ist wahr!«

»Nun, wenn Sie das so fest versichern, so kann es Ihnen ja sehr gleichgültig sein, wenn wir auch Sie auffordern, die ganze Nacht bei uns im Schuppen zu bleiben.«

»Das geht nicht. Ich muß natürlich in meiner Wohnung sein.«

»Damit machen Sie sich verdächtig!«

»Meinetwegen. Lassen Sie mich fort!«

Er wurde zornig.

»Bleiben Sie nur!« lachte ich ihm in das Gesicht. »Der Lieutenant sagte Ihnen vorhin, daß wir wahre Teufel seien. Sie aber hielten es für leicht, uns zu ergreifen. Sie werden jetzt erfahren, daß er recht gehabt hat. Sie bleiben bei uns!«

»Und wenn ich nicht will?« fuhr er auf.

»So werden wir Sie zwingen.«

»Ich gehe!«

»Versuchen Sie es!«

Er wollte fort. Ich gab dem Steuermann den Wink, und dieser nahm ihn bei Brust und Rücken, eine Hand vom, die andere hinten, daß ihm der Atem ausging und er kein Wort mehr sagen konnte.

»Soll ich ihn zerquetschen, Sennor?« fragte mich der Riese.

»Nein. Aber binden müssen wir ihn, an den Händen und den Füßen.«

Larsen legte den Ranchero auf den Boden nieder. Sogleich waren Riemen genug da, ihn zu fesseln. Er konnte wieder Atem schöpfen, stöhnte ängstlich auf, wagte aber nicht zu rufen, da der Yerbatero ihm das Messer vor die Brust hielt. Der Soldat hatte das mit angesehen, ohne sich von der Stelle zu rühren. Es war, als ob er vor Schreck sich gar nicht mehr bewegen könne.

»Aber, Sennor!« rief er jetzt aus. »Was thun Sie da? Der Ranchero ist doch Ihr Feind nicht!«

»Pah! Er ist es ebenso, wie Sie es sind. Oder wollen Sie leugnen, daß Sie nicht Gaucho, sondern Soldat sind?«

»Lassen Sie mich fort von hier,« antwortete er, ohne auf meine Frage ein direktes Wort zu sagen. Er machte eine Bewegung, als ob er sich schnell entfernen wolle; ich hielt ihn aber beim Arme zurück und sagte:

»Nicht so plötzlich, mein Lieber! Sehen Sie diesen Revolver! Sobald Sie ohne meine Erlaubnis noch einen Schritt thun, sitzt Ihnen die Kugel im Kopfe! Wir sind nicht Leute, welche Spaß mit sich treiben lassen!«

Jetzt bekam er Angst.

 

»Sennor,« sagte er in bittendem Tone, »was kann ich dafür? – Bin ich schuld? – Muß ich nicht gehorchen?«

»Das weiß ich, und darum soll Ihnen kein Leid geschehen, obgleich Sie als Spion zu uns gekommen sind. Wenn Sie meine Fragen der Wahrheit gemäß beantworten, so soll Ihnen nichts geschehen; ich werde Sie sogar zurückkehren lassen. Aber sobald ich Sie auf einer Lüge ertappe, ist es um Sie geschehen. Wollen Sie aufrichtig antworten?«

»Ja, Sennor!«

Der Mann war kein Held. Daß er zu uns geschickt worden war, hatte er nicht etwa seinem Mute, sondern nur dem Umstande zu verdanken, daß er uns kannte. Sein Blick irrte von einem zum andern und blieb angstvoll auf unsern Waffen haften.

»So sagen Sie mir, wo Lopez Jordan sich jetzt befindet!« forderte ich ihn auf.

»Noch im dermaligen Hauptquartiere.«

»Major Cadera?«

»In Parana. Er leitet die Truppen, welche Sie auf den Schiffen suchen sollen.«

»Wie viele Leute sind jetzt am Rancho beisammen?«

»Vierhundert.«

»Wer kommandiert sie?«

»Ein Major.«

»Ist Antonio Gomarra, der frühere Besitzer dieses Rancho, mit dabei?«

»Ja. Als Führer, da er diese Gegend genau kennt. Er hat den Rang eines Oberlieutenants.«

»Warum kam er nicht zum Rancho?«

»Weil wir ihn noch mit den andern zweihundert Mann erwarten.«

»Wo wollten Sie hin?«

»Ueber die Grenze nach Corrientes, Pferde zu holen und Soldaten zu werben.«

»Das heißt so viel wie Pferde stehlen. Ich weiß es. Sind noch andere Trupps hier in der Nähe?«

»Nein.«

»Aber es könnten schnell welche herangezogen werden?«

»So schnell nicht. Es würde wohl einige Tage dauern.«

»Ist Euer Major bei Euch oder kommt er erst?«

»Er ist da, rechts am Ausgange der beiden Corrals.«

»Wie hat er seine Truppen verteilt?«

»An jedem Ausgange fünfzig.«

»Patrouillieren sie?«

»Nein. Dann wären sie ja nicht da, wenn Sie durchbrechen wollten.«

»Sehr klug! Wie werden die zweihundert verteilt, welche noch kommen?«

»Gerade auch so, so daß vor jedem Durchgange zwischen den vier Corrals je hundert Mann stehen.«

»Das ist dumm, sehr dumm! Auf diese Weise kommen wir nicht durch!«

Ich sagte das im Tone des Bedauerns, ja sogar im Tone großer Besorgnis. Der Mann fiel schnell ein:

»Da haben Sie sehr recht, Sennor. Sie können uns unmöglich entkommen.«

»Das scheint wirklich so. Hm! Mit hundert Mann nehmen wir es freilich nicht auf!«

»Nein. Und dazu kommt noch ein wichtiger Umstand, welchen Sie nicht vergessen dürfen. Sobald Sie auf der einen Seite durchbrechen wollen, ruft der Major die Besatzung der drei andern Ausgänge herbei. Sie haben dann alle vierhundert Mann gegen sich.«

»Pah! So gescheit ist der Mann nicht!«

»O doch! Ich habe ja gehört, was er sagte.«

»Er wird Ihnen, der Sie ein gewöhnlicher Soldat sind, doch nicht etwa seine Dispositionen mitteilen?«

»Nein. Aber ich hielt in der Nähe, als er den andern Offizieren seine Befehle gab. Da hörte ich es.«

»Caspita! Das ist allerdings sehr schlimm! Wir können ausbrechen, wo wir nur wollen, so haben wir vierhundert Mann gegen uns! Da werden wir augenblicklich zusammengeschossen!«

»Ganz gewiß, Sennor! Darum rate ich Ihnen, sich lieber gleich freiwillig zu übergeben.«

»Freiwillig?« brummte ich, indem ich mir den Anschein gab, als ob ich im höchsten Grade verdrießlich sei. »Das hätte ich nicht gedacht! Ich wollte mich meiner Haut wehren.«

Es gelang mir, ihn durch dieses Verhalten irre zu machen.

Dieser Schwachkopf nahm alles für bare Münze und glaubte nun gar, mir gute Lehre geben zu können.

»Es ist das Klügste und Allerbeste, was ich Ihnen raten kann, Sennor,« sagte er in einem plötzlich sehr zutraulichen Tone. »Sie können wirklich nicht fort, denn Sie sind ja von allen Seiten so gut eingeschlossen, daß wohl keine Ratte oder Maus hindurch könnte. Befolgen Sie also meinen Rat. Ich meine es sehr gut mit Ihnen; das können Sie mir glauben. Es ist sonst keine Rettung vorhanden.«

»Hm! Sie scheinen allerdings recht zu haben. Wir sind da ganz ahnungslos in eine schlimme Falle gegangen. Dennoch möchte ich mich nicht so ohne allen Widerstand ergeben. Es muß doch noch irgend ein Rettungsweg vorhanden sein. Wie nun, wenn wir ganz ruhig hier sitzen bleiben?«

»So kommen wir herein.«

»Wir postieren uns an die vier Corralgänge und verteidigen dieselben.«

»Bitte, Sennor, wie wollen Sie das denn eigentlich anfangen?« lachte der gute Mann in überlegener Weise.

»Sehr einfach. Wir sind doch bewaffnet!«

»Wir auch. Durch jeden Gang kommen hundert Mann von uns. Sie aber haben diesen hundert kaum drei entgegen zu stellen. Es bleibt Ihnen wirklich nichts anderes übrig, als sich zu ergeben.«

»Das will ich mir doch erst noch einmal überlegen.«

»Thun Sie das! Aber es wird wohl vergeblich sein. Vielleicht giebt Ihnen der Herr Major eine kurze Bedenkzeit. Soll ich ihn fragen?«

»Jetzt noch nicht. Sie sind ja noch nicht bei ihm!«

»So senden Sie mich hin!«

Es schien ihm sehr darum zu thun zu sein, möglichst schnell von uns fortzukommen, obgleich unser Aussehen bedeutend weniger drohend war, als vorher. Sobald ich eine scheinbar bedenkliche Miene angenommen hatte, thaten auch meine Gefährten ganz so, als ob sie nun von großen Befürchtungen erfüllt seien und den Gedanken an Rettung aufgeben wollten. Sie verstellten sich natürlich ebenso, wie ich mich selbst verstellte. Was mir der Mann mitteilte, war nicht nur nicht beunruhigend, sondern sogar sehr beruhigend für uns. Es erschien mir jetzt als eine ziemlich leichte Sache, uns aus dieser Falle zu ziehen. Dennoch sagte ich auch jetzt in sehr bedenklichem Tone zu dem Soldaten:

»Ich kann hin- oder hersinnen, so ersehe ich keinen Ausgang. Sie haben uns geradezu überrumpelt!«

»Nicht wahr?« lachte er gemütlich. »Ja, wir wissen einen Lasso zu werfen!«

»Befanden Sie sich denn so gar sehr in der Nähe?«

»Ja. Wir wollten eben nach dem Rancho, um da Nachtlager zu machen. Wir hatten unsre Quartiermacher vorausgeschickt.«

»Ah! Unter denen der Sergeant war?«

»Ja. Sie gingen natürlich nicht als Soldaten, denn man muß vorsichtig sein.«

»Warum hatten Sie denn gerade diesen Rancho gewählt?«

»Er war uns vom Führer vorgeschlagen worden, welcher ihn ja ganz genau kannte, da er bis vor kurzer Zeit Besitzer desselben gewesen war.«

»Und Ihre Pferde haben Sie in den Corrals untergebracht, wie sich ja von selbst versteht?«

»Nein. So dumm waren wir nicht. Das hätten Sie ja doch bemerken müssen.«

»Was hätte das geschadet?«

»Sie hätten ja gesehen, daß Truppen einrückten, und wären uns da ganz gewiß entflohen. Darum haben wir die Pferde außerhalb der Corrals gelassen, welche nun freilich leer stehen. «

»Leer? Die Tiere des Ranchero befinden sich doch wohl jedenfalls darinnen?«

»Nein, sie wurden still fortgetrieben, um den unsrigen Platz zu machen.«

»Ah so! Nun, dann können Sie ja Ihre Pferde in die Umzäunung treiben, da es nichts mehr zu verraten giebt. Wir wissen ja nun, daß Sie sich hier befinden und uns eingeschlossen haben.«

»Auch das werden wir wohl schwerlich thun. Wie nun, wenn es Ihnen gelingt, sich durchzuschlagen? Man muß eben mit allem rechnen. Man ist ja Soldat!«

»Nun, was meinen Sie?«

»Dann können wir Sie nicht verfolgen, denn ehe jeder sein Tier aus den Corrals gefunden hat, sind Sie ja über alle Berge fort.«

»Hm! Auch das ist richtig. Ich sehe jetzt, wie klug Ihr Major seinen Plan angelegt hat. Sie können ihm meinetwegen sagen, daß ich ihn für einen außerordentlich gescheiten Mann halte!«

»Danke! Werde mich hüten! Er braucht nicht zu wissen, wie lange und was ich hier geschwatzt habe.«

»Auch wieder richtig! Aber es giebt wohl doch noch ein Mittel, mich zu wehren. Soeben fällt es mir ein. Ich habe ja Geiseln.«

»Ah so! Etwa mich?«

»Nein. Ich habe Ihnen ja versprochen, Sie fort zu lassen.«

»Der Major würde Sie meinetwegen auch nicht verschonen. «

»Das glaube ich selbst. Ja, wenn Sie ein hoher Offizier wären! Ich habe aber doch Personen, wegen deren Ihr Kommandant Rücksicht gebrauchen muß. Ich werde sie Ihnen jetzt zeigen.«

»Wohl den Ranchero hier? Auf den wird der Major nicht allzu viel geben.«

»So hole ich die andern. Der Herr Oberst Alsina, dessen Namen ich nun wohl nennen kann, weil er doch erkannt worden ist, mag Sie indessen weiter fragen.«

Der Oberst wollte jedenfalls gern möglichst viel über Jordan und seine Pläne wissen; darum konnte ich mir denken, daß er diesen Soldaten auszufragen beabsichtige. Konnte er von demselben auch nichts Direktes erfahren, so war es doch möglich, aus den Angaben und Antworten dieses Mannes indirekte Schlüsse zu ziehen.

Ich ging in den Rancho, und zwar nach der Schlafstube. Als ich die Thüre derselben öffnete, war es dunkel darinnen. Aber der Schein der Stubenlampe war hinreichend, mir zu zeigen, daß die Frau noch wach sei. Sie bewegte sich. Als sie sah, daß ein Fremder dastand, fragte sie erschrocken:

»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«

»Ich will Sie zu Ihrem Manne holen.«

»Ich komme gleich!«

»Bringen Sie auch die Kinder und einige Betten mit in den Schuppen.«

»Warum?«

»Die Offiziere werden das ganze Haus haben wollen, und so giebt es hier keinen Platz für Sie.«

»Ich komme gleich, Sennor.«

Sie hielt mich nicht für einen Soldaten. Sie mußte mich ja bei unserer Ankunft gesehen haben. Da sie jetzt glaubte, daß ich im Auftrage des Militärs handle, konnte sie also noch gar nicht wissen, daß die Soldaten unsere Gegner seien. Ihr Mann hatte alles vor ihr geheim gehalten.

In so einem Rancho schläft man nur selten entkleidet. Die Frau war sofort fertig, mir zu folgen. Sie lud einige Decken auf und rief die Kinder zu sich. Wir gingen hinaus.

Ich führte sie in den Schuppen und ging so an ihrer Seite, daß sie ihren noch an der Erde liegenden Mann nicht sehen konnte. Drin machte sie sich dann für sich und die Kinder das Lager zurecht, und ich winkte einen der Yerbateros an die Thüre, welcher darüber wachen sollte, daß sie sich nicht entferne. Ebenso winkte ich den Indianer zu mir und erkundigte mich bei ihm:

»Glauben auch Sie, daß Sie sich in Gefahr befinden?«

»Natürlich, ich und meine Mutter. Mitgegangen, mitgefangen.«

»Hm! Angst brauchen Sie aber nicht zu haben. Was für ein Mann ist denn eigentlich Ihr Verwandter, der frühere Besitzer dieses Rancho? Ein böser Mensch?«

»O nein. Er ist nur sehr ernst und verschlossen. Es wurde ihm ein Bruder getötet, den er sehr lieb gehabt hat. Seit jener Zeit ist er Menschenfeind.«

»Und Anhänger von Jordan?«

»Wie er dazu kommt, das weiß ich wirklich nicht. Er ist niemals der Anhänger einer Partei gewesen.«

»Sie sagten, er sei Indianer?«

»Ja, gerade wie ich.«

»Nun, Jordan scheint den Indianern große Vorteile und Freiheiten vorzuspiegeln. Da ist es kein Wunder, wenn er unter ihnen Anhänger findet. Aber begeistert kann der Mann doch nicht sein!«

»Man weiß es nicht, da er zum Oberlieutenant gemacht worden ist. So etwas pflegt nicht ohne Eindruck zu sein.«

»Was war er früher?«

»Chinchilla-Jäger.«

Die Chinchilla gehört zu den Wollmäusen, lebt in bedeutender Höhe in den Anden und wird unter großen Gefahren wegen ihres wertvollen Pelzwerkes gejagt. Hatte sich der Ranchero mit der Jagd dieser Tiere beschäftigt, so besaß er also Eigenschaften, welche man zu achten und anzuerkennen hatte.

»Ich werde ihn mir schicken lassen,« sagte ich zu dem Indianer, »um zu unterhandeln.«

»Diesen Wunsch wird man erfüllen; nur wird es zu nichts führen.«

»Ich weiß das; aber ich habe eine gewisse Absicht dabei.«

Jetzt trat ich wieder zu dem Feuer, an welchem der Oberst noch mit dem Soldaten sprach. Aus der befriedigten Miene des ersteren war zu ersehen, daß seine Erkundigungen wohl nicht so ganz ohne Resultat gewesen seien. Als ich kam, machte er mir Platz und sagte:

»Es wird wohl dabei bleiben, Sennor, daß wir uns ergeben müssen. Diese Leute sind uns an Zahl weit überlegen.«

»Ja,« nickte ich. »Und dazu haben sie ihre Vorkehrungen so außerordentlich gut unternommen und getroffen, daß kein Mensch entkommen kann, ohne kämpfen zu müssen.«

»Was thun wir also?«

»Nun, haben Sie denn gar so große Lust, möglichst bald Gefangener von Jordan zu sein?«

»Das freilich nicht. Ich möchte mich gerne meiner Haut wehren. Es geht aber nicht. Und mich ganz unnötigerweise und ohne den geringsten Erfolg in den Tod stürzen, das kann mir doch auch nicht einfallen.«

»Mir ebensowenig. Aber ich habe da ein Mittel entdeckt, wenigstens einen Angriff abzuwehren und Zeit zur Verhandlung zu gewinnen. Der Ranchero ist gefangen, und soeben habe ich auch seine Frau und Kinder in den Schuppen geschafft. Sobald man uns überfällt, werden wir diese Personen erschießen.«

 

»Alle Wetter! Das ist freilich ein sehr guter Gedanke!«

»Nicht wahr? Ich bin vollständig entschlossen, diese Leute zu töten, sobald der Feind hier durch einen der vier Gänge brechen oder eine Kugel nach uns senden sollte!«

»Qué desgracia – welch ein Unglück!« stieß der Ranchero hervor.

»Sie sind selbst schuld daran!« antwortete ich ihm. »Sie haben den Verräter gegen uns gespielt. Wir waren Ihre Gäste, und Sie lieferten uns dem Feinde aus. Nun hängt Ihr Leben an einem einzigen Haare. Larsen, schaffen Sie ihn fort, und bringen Sie ihn zu seiner Frau! Aber diese muß auch gebunden werden, damit sie nicht etwa auf den dummen Gedanken geraten kann, ihm die Fesseln zu lösen.«

»Soll besorgt werden, Sennor!«

Nach diesen Worten nahm der riesige Steuermann den Ranchero auf die Schulter und trug ihn in den Schuppen. Ich aber wendete mich an den Soldaten:

»Sie sehen, wozu wir entschlossen sind. Seien Sie überzeugt, daß wir thun, was ich gesagt habe.«

»Das ist Mord, Sennor!« antwortete er. »Und Sie verbessern sich dadurch Ihre Lage nicht. Sie können höchstens die Entscheidung um einige Stunden hinausschieben.«

»So ist wenigstens Zeit gewonnen.«

»Die Ihnen aber nichts nützen wird!«

»Wollen sehen. Uebrigens ist dies nicht das einzige, was ich thun will. Ich bin erbötig, mit dem Major zu unterhandeln und seine Bedingungen zu hören.«

»Soll ich ihm das sagen?«

»Ja. Ich bitte Sie darum. Warten Sie aber noch einen Augenblick! Ich wünsche, daß er seinen Führer, den Oberlieutenant Sennor Gomarra sendet.«

»Warum gerade diesen?«

»Weil er die Gegend und die hiesigen Verhältnisse genau kennt. Was er sagt, muß also doppelten Wert für uns haben.«

»Das gebe ich zu und werde also Ihren Wunsch dem Major mitteilen.«

»Und sodann – doch, ich will mich erst mit dem Obersten besprechen.«

Ich wandte mich an den letzteren, nahm ihn einige Schritte beiseite und sagte ihm leise, wie er sich jetzt verhalten solle. Dann thaten wir, als ob wir uns eifrig und mit halber Stimme besprächen, und endlich sagte der Oberst wie im Eifer und zwar so, daß der Soldat es hörte, aber scheinbar ohne es hören zu sollen:

»Darauf gehen sie nicht ein!«

»Sie müssen!«

»Nein! Wir können sie nicht zwingen.«

»So überfallen wir sie, höchstens eine Stunde, nachdem der Unterhändler sich entfernt hat. Aber reden Sie doch nicht so laut, denn dieser Kerl darf das nicht hören!«

Wieder sprachen wir leise; dann that ich, als ob ich zornig werde und sagte lauter und für den Soldaten hörbar:

»Es ist gar nicht schwer und gefährlich!«

»Sogar sehr! Wir können alle miteinander erschossen werden!«

»Ja, wenn die Kerle aufpaßten. Aber ich wette, daß sie müde werden. Wir kommen ganz plötzlich und schnell über sie.«

»Nach welcher Richtung?«

»Nach Süd, weil da das Schiff liegt, mit welchem wir fort wollen. Wir werfen uns plötzlich zwischen die beiden Corrals, zwischen denen der Gang südwärts führt. Binnen einer Minute haben wir uns durchgeschlagen.«

»Hm! Es mag vielleicht gehen.«

»Auf alle Fälle geht es; es muß ja gehen. Aber sprechen Sie nicht so laut! Der Mann könnte es hören, und dann würde er es verraten. In diesem Falle würde es dann keine Rettung für uns geben.«

Wir gaben uns noch für ein kleines Weilchen den Anschein, als ob wir miteinander verhandelten, dann wendeten wir uns zu den andern zurück. Um die Lippen des Soldaten spielte ein triumphierendes Lächeln. Er war vollständig überzeugt, in unser tiefstes Geheimnis eingedrungen zu sein. Die Art und Weise, wie wir das ausgeführt hatten, hätte wohl auch einen Klügeren, als dieser war, zu täuschen vermocht. Unsere Unterhaltung hatte einen so natürlichen Anstrich gehabt, daß nur schwer auf eine beabsichtigte Täuschung zu schließen war.

»Ich bin mit diesem Sennor einig geworden,« sagte ich zu dem Manne. »Er hat sich auch entschlossen, daß wir unterhandeln. Der Major soll uns sagen, wen er überhaupt gefangen nehmen will.«

»Alle natürlich, alle!«

»Oho! Es sind auch Männer bei uns, mit denen er gar nichts zu schaffen hat.«

»Das weiß ich nicht. Das ist seine Sache.«

»Und das Lösegeld will ich wissen.«

»Das wird’s nicht geben, weil er die Gefangenen abzuliefern hat.«

»Das wollen wir doch sehen. Also sagen Sie dem Major, daß wir nur Sennor Gomarra als Parlamentär haben wollen!«

»Wenn er nun nicht darauf eingeht, sondern einen andern schickt?«

»So behalten wir diesen als Gefangenen, als Geisel bei uns. Nur Sennor Gomarra lassen wir wieder fort, weil er der Freund unseres Führers ist. Er weiß vielleicht schon, daß dieser sich hier befindet, nämlich Gomez, sein Anverwandter.«

»Er wird es wohl gleich bei seiner Ankunft erfahren haben. Soll ich auch noch anderes melden?«

»Ja. Gomarra soll allein kommen, ohne alle Begleitung.«

»Das versteht sich ganz von selbst.«

»Sagen Sie ferner, daß wir die vier Ausgänge der Kaktushecken, welche nach dem Rancho münden, besetzen werden, um jeden niederzuschießen, welcher sich zu uns wagt. Ich betrachte nämlich die Zeit zwischen jetzt und dem Ende unserer Verhandlung als die Zeit des Waffenstillstandes, während welcher jede Feindseligkeit zu unterbleiben hat. Sollte das nicht beobachtet werden, so würden wir den Unterhändler augenblicklich erschießen. Jetzt gehen Sie!«

»Gott sei Dank!« rief er tief aufatmend. »Endlich, endlich!« Als er verschwunden war, fragte der Oberst:

»Sennor, Sie scheinen einen Rettungsplan zu haben?«

»Einen ganz vortrefflichen. Wir rücken aus, vielleicht noch während der Verhandlung.«

»Das ist doch nicht möglich!«

»Sogar sehr wahrscheinlich. Wenigstens beabsichtige ich es.«

»Zwischen Absicht und Ausführung pflegt ein bedeutender Weg zu sein.«

»Hier nicht.«

»So! Aber wohin?«

»Nach Nord.«

»Also nicht nach Süd! Sie sagten vorhin doch so?«

»Weil ich diesen Mann täuschen wollte. Man wird nun südwärts die meisten Leute stellen. Uebrigens wäre es eine Dummheit, nach dieser Richtung zu fliehen, da wir ja nach Corrientes, also nach Norden wollen und es uns überhaupt versagt ist, zum Schiffe zurückzukehren.«

»Ganz recht! Aber in welcher Weise?«

»Nun, durchbrechen.«

»Das kostet Blut!«

»Allerdings.«

»Ah, ich begreife Sie. Sie werden einen Scheinangriff nach Süd unternehmen, aber sich dann schnell nach Norden wenden?«

»Dieses letztere jedenfalls.«

»Also eine Finte! Sie denken, daß die nordwärts postierten Soldaten ihren Ort verlassen, wenn sie im Süden die Schüsse hören?«

»Wahrscheinlich. Wir können dann recht gemächlich fort. Wir gehen durch die Kaktushecken.«

Er war starr vor Erstaunen.

»Ah – — – so! Glauben Sie denn, daß dies gelingt?«

»Ja. Wenn der Major seine bisherigen Dispositionen nicht verändert, so muß es gelingen, und zwar sehr leicht.«

»Man wird auf uns schießen!«

»Das bezweifle ich. Man schießt nicht auf jemand, den man weder sieht, noch hört.«

»Sennor, Sennor, stellen Sie sich die Sache nicht so leicht vor!«

»Das pflege ich nie zu thun. Ich male mir im Gegenteile alles schwer aus, um dann nicht enttäuscht zu werden. Hören Sie!«

Indem ich meine Ausführung mit den erklärenden Handbewegungen begleitete, fuhr ich fort:

»Die Besitzung bildet ein großes Viereck, welches aus wieder vier zusammengeschobenen Vierecken besteht, in deren Mittelpunkte, da, wo sie mit den Ecken zusammenstoßen, der Rancho liegt. Diese Vierecke sind durch vier gradlinige Wege voneinander getrennt, welche alle zum Rancho führen. Sie sind ferner von Kaktushecken umgeben, welche Ausgänge nur hier gegen den Rancho und gegen die äußern Ecken haben. Es stoßen also hier am Rancho vier Ausgänge aufeinander; an den Grenzen der Corrals aber sind nur die Ecken zu öffnen. Nun aber hat der Major die Wege besetzt; es steht zu erwarten, daß er auch die Ecken besetzt hat, da wir sonst so einen Ausgang öffnen und entfliehen könnten. Die ganze Linie des einzelnen Corrals ist aber nicht besetzt. Posten stehen an den Ecken und Gängen, dazwischen aber niemand. Und da müssen wir hindurch.«

»Aber wenn Sie ein Loch in den Kaktus machen, zerreißen Sie sich die ganze Haut!«

»Bei meinem ledernen Anzuge? Sie werden sehen, wie glatt das geht. Ich habe das nicht zum erstenmal unternommen. Doch still, ich höre Schritte!«

Es war eigentümlich, daß es mir gar nicht einfiel, die Mündungen der Gänge zu besetzen. Eigentlich konnte es gar keine größere Unvorsichtigkeit geben. Aber ich hatte die feste Ueberzeugung, daß man wenigstens jetzt an keinen Angriff denken werde. Und wie leicht hätte man uns überwältigen können! Die Soldaten brauchten nur eben leise herbeizuschleichen und über uns herzufallen. Jeder Widerstand unsererseits wäre vergeblich gewesen. Statt dessen kam ein einzelner Mann langsamen Schrittes herbei. Er trug keinerlei Waffen an sich, wie das von einem Unterhändler sich ganz von selbst versteht. Seine lange, hagere Gestalt steckte in keiner außergewöhnlichen Kleidung. Er trug den ordinären GauchoAnzug. Um seinen breitkrämpigen Hut hatte er ein buntes Tuch gebunden, welches unter dem Kinn fest geknüpft war. Die Züge waren indianisch, sehr ernst, ja finster. Sein großes Auge schien gar nicht freundlich blicken zu können, zeigte aber ungewöhnliche Intelligenz und Willenskraft.