Einer der auszog, um reich zu werden

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Einer der auszog, um reich zu werden
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Aus der Serie »Erfolgreich in China«

Einer der auszog, um reich zu werden

Band 1 »Die Kaiserin von Suzhou«

Alle Chinesen essen Hunde und Katzen!

Franz, ein deutscher Geschäftsmann, der geschäftlich und privat in China Fuß fassen möchte, räumt auf humorvolle Art mit Irrtümern über China auf. Das Land wird den Europäern und der westlichen Welt in einer Weise näher gebracht, wie es kein Reiseführer schafft.

Der Alltag mit seiner Frau Hong und ihrer Familie wartet mit spannenden Geschichten auf und das eine oder andere Fettnäpfchen lässt sich trotz aller Warnungen nicht umgehen.

Die Ehe der beiden ist alles andere als harmonisch, denn immer wieder prallen die verschiedenen Kulturen aufeinander, aber für beide ist das kein Grund aufzugeben. Ihr Leben ist angefüllt mit Gedanken und Gesprächsstoff über Geld, Glück, Intrigen, Liebe, Macht, Sex und Business.

E-book im Epub-Format

ISBN 978-3-939366-04-1

Table of Contents

Eine Brust am Morgen vertreibt alle Sorgen

Hast du einen Ladyboy in den Taschen, hast du immer was zum Naschen

Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff

Duschen zu zweit spart Wasser und Zeit

Lieber heimlich schlau als unheimlich dumm

Wer zuletzt lacht, denkt zu langsam

Es gibt auch ein Leben nach dem Geburtstag

Der Auftrag aus dem Land des Exportweltmeisters

Halt Stopp. Keiner bewegt sich. Ich habe mein Gehirn verloren!

Auf die Dauer hilft nur Power

Ins Land der Franken fahren

Der Kampf mit dem Bauträger

Danksagung

Für Zheng

Bibliografische Information:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, siehe http://dnb.ddb.de.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung für externe Links ist stets ausgeschlossen.

Copyright© der Originalausgabe 2017 beim GTEC Verlag, 96277 Beikheim, Bayern, Deutschland.

Illustrationen, Grafiken: GTEC Verlag

Cover-Gestaltung: Claudia Speckmann

Redaktion: Manuela Lohse

© 2017 GTEC Verlag Shanghai

Internet: www.gtec.asia

Der Autor:

KangHan YUAN, geboren in Deutschland, leitete verschiedene internationale Projekte bei namhaften Originalherstellern in Europa, Amerika und Asien. Seit über 20 Jahren berät, trainiert und unterstützt er Unternehmen bei deren Qualitätssicherungs-, Einkaufs- und Verhandlungsaktivitäten in Asien, hauptsächlich in den Bereichen Automobilbau, Maschinenbau, Elektrik und Elektronik. Durch seine beruflichen Tätigkeiten in Japan, Korea, China, Malaysia, Vietnam und Indien zählt der Umgang mit der asiatischen Kultur und der chinesischen Mentalität zu seinen Stärken. Seit 2005 arbeitet er als General Manager in China und hat seitdem sehr gute Kenntnisse in Recht, Personal und Compliance (Regeltreue) gewonnen. Seit 1999 hat er zahlreiche Vorträge gehalten und erfolgreich Veröffentlichungen auf Deutsch und Englisch als Buch, E-Book und Hörbuch umgesetzt.

Kontakt zum Autor über Email: contact@gtec.asia

Vorwort

Franz und Hong – ein Deutscher, eine Chinesin, ein gemeinsames Leben … Kann das gut gehen?

Kulturelle Unterschiede sind gerade zwischen Europa und Asien recht groß, viele Vorurteile machen ein Miteinander schwer und der Tritt ins berühmte Fettnäpfchen ist nahezu unausweichlich.

Aber es gibt auch die Beispiele, bei denen es funktioniert. Das gibt Hoffnung. Auch Franz will es wagen und vor allem sich selbst beweisen, dass alles möglich ist. Er ist ruhig und gelassen, ein Arbeitstier, will sein Glück im Geld finden, ist aber manchmal etwas zu naiv, um es zu behalten. Er liebt die Wärme, gewürztes Essen und hübsche Frauen.

Nun zu Hong, sie hat einen hohen IQ. Sie ist unberechenbar, aufbrausend und permanent auf Provokation getrimmt. Sie liebt die Kälte, süßes Essen und sich selbst. Zudem ist sie misstrauisch und gut als Detektivin. So entdeckt sie nach und nach die Geheimnisse ihres Ehemannes.

Bei all diesen Unterschieden gibt es zwei Gemeinsamkeiten: Beide sind egoistisch und dominant.

Tauchen Sie ein in humorvolle und spannende Geschichten um Geld, Glück, Intrigen, Liebe, Macht, Sex und Business. Lassen Sie sich von einem interkulturellen und aktionsreichen Leben zwischen Ost und West mitreißen und lernen Sie alles, was Sie wissen müssen, um sämtliche Hürden im privaten und beruflichen Alltag in China geschickt zu umschiffen.

Natürlich sind alle Personen- und Firmennamen sowie einige Orte frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sowie mit Namen von chinesischen oder deutschen Firmen rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Shanghai, im Sommer 2017

KangHan YUAN

Alle Provinzen sowie die wichtigsten Gebirge in China und die Meere von China (Quelle: GTEC Verlag):


Alle wichtigsten Städte und Flüsse in China(Quelle: GTEC Verlag):


Eine Brust am Morgen vertreibt alle Sorgen

Mein Wecker zeigt ein Uhr morgens im Januar 2014. Trotz der frühen Stunde fühle ich mich wohl, denn eine heiße Plastikwärmflasche wärmt meine Füße und meine Frau Hong liegt neben mir.

»Hong« bedeutet »Rot«. Viel hat mir Hong über ihre Geburt bisher nicht erzählt, aber die Farbe Rot war zum damaligen Zeitpunkt, als ihre Eltern noch als Beamte und Parteimitglieder für die chinesische Regierung gearbeitet hatten, sehr bedeutend und wurde daher mit dem Namen ihrer Tochter verewigt.

Hong ist mit ihren 1,60 Metern Körpergröße fast zwanzig Zentimeter kleiner als ich, hat eine gute Figur und ihre Stimme klingt etwas tiefer als die der meisten Chinesinnen. Aber sie verwahrt sich dagegen, dass es sich um eine Raucherstimme handelt, denn sie hat nie geraucht. Ihre Erklärung ist ungleich interessanter, denn sie führt die stimmliche Rauheit auf ihre Kindheit zurück, in der sie tagsüber von ihrer Mutter getrennt bei Verwandten gewesen war, da ihre Eltern während der Kulturrevolution unzählige Stunden auf dem Feld gearbeitet und lange Wege dorthin zurückgelegt hatten. Offenbar fehlte Hong die mütterliche Zuneigung, was sie durch andauerndes Schreien unmissverständlich kund tat und so Heiserkeit provozierte.

Glücklich zu sein ist das Wichtigste, habe ich gestern Abend noch zu meiner Frau gesagt. Und das versuche ich täglich umzusetzen. Ich lebe seit Mitte des letzten Jahres in Taicang, einer kleineren chinesischen Stadt im Norden von Shanghai. Je nach Tageszeit kann man die Metropole mit dem Auto in ein oder zwei Stunden Fahrtzeit erreichen. Trotzdem war ich in den vergangenen drei Tagen nicht zuhause, denn ich bin zurzeit beruflich sehr eingespannt. Zwei Tage lang habe ich meine Lieferanten besucht, ihre Werke besichtigt und dabei Verbesserungsvorschläge gemacht, Wichtiges notiert und Vorlagen ausgefüllt. Zudem war ich gestern noch im Büro der Asienzentrale in Shanghai.

Heute wird es nicht besser, denn ich muss schnellstens die Kosten von Einkaufsteilen kalkulieren und die Entscheidungsfindung für die anstehenden Vorstandssitzungen in der deutschen Hauptniederlassung vorbereiten. Hierzu arbeite ich mit den leitenden Einkäufern der einzelnen Warengruppen zusammen.

Im Moment bin ich als Kostenreduzierer im Einkauf bei der Firma Schluckauf eingestellt, die in Shanghai, Taicang und Anting agiert, und habe einen üblichen lokalen Arbeitsvertrag wie die hier lebenden Chinesen auch. Aber ich war clever und habe neben der Übernahme der Wohnungsmiete auch einen Mittelklassedienstwagen von Shanghai-Volkswagen mit Chauffeur herausgehandelt, mit der Begründung, mich dann besser auf meine Arbeit konzentrieren zu können. Um selbst in China ein Fahrzeug lenken zu dürfen, muss man extra einen chinesischen Führerschein machen, denn weder der deutsche noch ein internationaler Führerschein gelten hier. Für Chinesen in Deutschland ist das wesentlich einfacher, zumindest für das erste halbe Jahr, denn hierfür genügt ein vom Notar beglaubigter chinesischer Führerschein. Da sag noch einer, die Deutschen wären bürokratisch.

 

Da ich vor sechs Jahren den chinesischen Führerschein gemacht habe – bei Vorlage des deutschen Führerscheins wird übrigens nur die Theorie-Prüfung verlangt –, weiß ich, dass die Prüfungsfragen den deutschen sehr ähnlich sind, aber dennoch unterscheiden sich die Verkehrsregeln. Den Arbeitgebern ist das bewusst, und da sie ihre Mitarbeiter lieber bei der Arbeit in ihren Firmen als bei langwierigen Diskussionen mit den chinesischen Behörden sehen, akzeptieren sie solche extravaganten Wünsche. Als Ausländer in China muss man wissen, dass man nicht nur bei einem Unfall, sondern auch bei generellem Kontakt mit der Polizei meist auf sich alleine gestellt ist, was sich durch sprachliche Hürden oft als sehr zeitintensiv erweist. Das musste ich bereits mehrfach am eigenen Leib erfahren, so zum Beispiel in meiner früheren Firma, für die ich ab 2008 in Shanghai und Suzhou gearbeitet hatte, aber ich will noch nicht zu viel verraten, erst einmal der Reihe nach.

In meiner jetzigen Firma habe ich zwei Büros, eins in Shanghai und eins im Produktionswerk in Taicang. Da ich neu bin, sind mir meine Aufgaben und die Prozessabläufe noch nicht ganz klar. Vor allem weiß ich nicht, welchen Nutzen ich für die einzelnen Chefeinkäufer eigentlich habe, denn mein Team und ich werden erst spät in den Arbeitsablauf eingebunden. Ob absichtlich oder nicht sei einmal dahingestellt, doch so gerate ich unter Druck, rechtzeitig gute Arbeitsqualität an die Zentrale zu liefern.

Als Hong vor ein paar Tagen zu ihren Eltern nach Suzhou gefahren war, war ich noch unterwegs gewesen. Die Stadt Suzhou mit ihren etwa zehn Millionen Einwohnern liegt ungefähr zwei Busstunden westlich von Taicang in der Nähe des drittgrößten Binnensees der Volksrepublik mit dem Namen Tai-See und wird wegen ihrer vielen Kanäle auch liebevoll »Venedig des Ostens« genannt. Die gute Anbindung durch Schnellzüge, Autobahn und Kaiserkanal lässt Suzhou in der Riege der schnellwachsenden Städte des modernen Chinas, den sogenannten Boomtowns, mitspielen. Auch im Ranking um die ältesten Städte im Yangtze-Becken steht diese Stadt mit ihrer mehr als zweitausendfünfhunderjährigen Geschichte recht weit oben und gilt als Wiege der Wu-Kultur, die mit der Gründung der Stadt durch den legendären König Helu von Wu begann. Gern erinnere ich mich an die fantasievolle Geschichte, die meine Frau mir mal erzählt hat, denn ihr Familienname ist Wu und sie nimmt diese Zusammegehörigkeit als Anlass, sich als Kaiserin von Suzhou zu bezeichnen. In einem kleinen Ort im Bereich Suzhou trugen alle den Nachnamen Wu und einst wurde Jingniang Wu, ein von dort verschlepptes Mädchen, von Kaiser Song, einem tapferen, mutigen Krieger, gerettet. Der Weg zurück zum Dorf war weit und die beiden hatten während der Reise eine Affäre, aus der ein Baby hervorging … Hongs Ur-Großmutter. Glücklicherweise weigerte sich Kaiser Song trotz der Drohungen des Vaters, Jingniang Wu zu heiraten, und so behielt dieser Familienzweig den Nachnamen Wu. Allerdings haben sich Kaiser Songs Gene, besonders die kämpferischen Erbanteile, auch ohne Namensänderung durchgesetzt und machen mir bisweilen zu schaffen.

Nun zurück zur wahren Geschichte der Stadt. Seit Urzeiten als Zentrum von Handwerk und Handel bekannt bekam Suzhou einen besonderen Aufschwung mit der Fertigstellung des Kaiserkanals, der längsten von Menschenhand erbauten Wasserstraße der Welt, die auf diesem Weg Bejing mit Hangzhou über etwa zweitausend Kilometer miteinander verbindet. So gelang es Suzhou, sich als »Seidenhauptstadt« durchzusetzen, aber auch neben der Seidenproduktion die Fortschritte der Hightech-Industrie bis in die heutige Zeit nicht zu vernachlässigen. Touristen zieht es eher in die sehenswerte, Wolkenkratzer freie Altstadt, denn hier ist die maximale Bauhöhe von Gebäuden noch immer auf vierundzwanzig Meter beschränkt. Einige Stadtparks haben es sogar geschafft, ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen zu werden. Das große Los ist ein hùkǒu aus dieser Altstadt, ein »eingetragener ständiger Wohnsitz« von unschätzbarem Wert, den kein Inhaber wie die beneidenswerte Hong jemals aufgeben würde, auch bei einem Umzug nicht. In Deutschland hängt man eher nicht an einem Hauptwohnsitz und lässt sich als Student mit Gutschein gespickten kleinen Gefälligkeiten auch gern mal von einem Wechsel überzeugen.

Im Suzhous Norden haben Hongs Eltern vor einigen Jahren zu erschwinglichen Preisen ein Reihenhaus gekauft und sind dort eingezogen. Seit der Eröffnung einer Metrostation im letzten Jahr ganz in der Nähe sind die Immobilienpreise drastisch gestiegen. Wertsteigerung par excellence – welch Glück für die Familie.

Die Zeit ohne mich war Hong wohl zu einsam, daher machte sie sich auf den Weg zu ihren Eltern. Wobei die Sehnsucht wohl mehr am elterlichen Verwöhnprogramm und nicht so sehr an meiner Abwesenheit lag. »Der Vorteil des Daseins als Einzelkind liegt darin, dass die Eltern einen von morgens bis abends mit Essen und Trinken verwöhnen«, erzählte mir Hong in ihrer unverblümten Art. Im elterlichen Heim gehört Hong ein Arbeits- und Schlafbereich in ruhiger Lage in den obersten Stockwerken, getrennt von ihren Eltern, die sich meist im Wohnzimmer und der Küche aufhalten.

Aufgrund der Lage im Inneren der Wohnsiedlung ist es besonders nachts recht ruhig und es lässt sich gut leben. Ein paar Pflanzen schmücken die Treppe zur Terrasse, mehr Garten gibt es nicht. Über die Terrasse, die ein kleiner Hund namens »bingjiling« bewacht, und die Bewohner freudig bellend begrüßt, erreicht man durch die Eingangstür direkt das Wohnzimmer. Meine Schwiegeeltern haben ihren Hund auf Deutsch Eiscreme genannt, weil er so gerne das kalte Element schleckt, und gut erzogen, so daß er auch ins Haus darf.

Kaum hat man das Haus betreten, tauscht man Straßenschuhe gegen Hauspantoffeln, denn Schmutz und Dreck sind auch in einem chinesischen Haushalt nicht gern gesehen. In Deutschland befänden wir uns nun im Erdgeschoss, aber in China hat man diese Etage einfach übersprungen und betritt durch die Eingangstür grundsätzlich den ersten Stock. Dann wird wie auch in Deutschland üblich aufwärts gezählt und in den höheren Ebenen finden wir die Küche, das elterliche Schlafzimmer und Hongs Räume, die seit unserer Heirat auch irgendwie auch mir gehören. Li Gengnan, mein Schwiegervater, leistet sich neben dem Schlafzimmer einen Kalligrafie-Raum, in dem er, wie der Name vermuten lässt, seinem Hobby der Kalligrafie frönt. Allerdings gleicht dieser Raum trotz Schreibtisch und Bürostuhl mehr einem Atelier als einem schnöden Büro, denn ursprünglich war er ein Balkon, der durch Überdachung und Rundumverglasung zum Wohnraum umfunktioniert wurde. Statt Computer, Drucker, Tastatur und Maus ist der Schreibtisch mit Schreibpinsel, Stangentusche, Reibstein und Papier bestückt, um der seit Jahrtausenden geltenden chinesisches Tradition gerecht zu werden. Ein paar Lehrbücher runden das künstlerische Ambiente ab.

Hong und ich lernten uns vor zwei Jahren in Suzhou kennen, als ich von Shanghai beruflich dorthin umziehen musste. Der deutsche Pfarrer in Shanghai hatte zwischen uns vermittelt, damit ich bei der Wohnungssuche nicht allein auf weiter Flur stand. Damals hatte sie noch bei ihren Eltern gewohnt, an der Universität Suzhou Rechtswissenschaften unterrichtet und die Professoren unterstützt. Die Arbeit wurde relativ schlecht bezahlt, sie bekam 5.000 RMB im Monat, einschließlich aller Versicherungen und Steuern bei zwei Tagen Anwesenheit pro Woche. Renminbi mit der Abkürzung RMB ist die chinesische Volkswährung und wird auch Yuan genannt. Die fünftausend RMB sind umgerechnet knapp sechshundertfünfzig Euro, was man nicht gerade als großzügiges Einkommen ansehen kann. Allgemein werden Beamte im Vergleich zu Angestellten in der Privatwirtschaft schlechter bezahlt, wen wundert es da, dass einige auf Korruption zurückgreifen.

Trotz des geringen Verdienstes drängten Hongs Eltern darauf, diese Stelle nicht aufzugeben, um den Pensionsanspruch aufrechtzuerhalten, denn die Pensionen für Staatsbedienstete werden in China wiederum gut bezahlt. Um mich bei meinem Vorhaben unterstützen zu können, hat Hong auf Antrag eine unbefristete Pause an der Universität genehmigt bekommen.

Nach den Lieferantenbesuchen und einer Unterhaltung am Mittag mit meinem Chef im Büro habe ich mich von meinen Schwiegereltern bewirten lassen und bin dann mit Hong nach Hause gefahren.

Meine Schwiegermutter Wu Meilan hatte die Vermittlung unserer Doppelhaushälfte übernommen und Li Gengnan hatte den Kontakt zum Makler hergestellt. Bei dieser Aktion wurde mir klar, dass ich ohne Beziehungen in China nicht weit komme oder für jede Kleinigkeit teuer zahlen muss.

Auch in punkto Benennung spart man nicht, denn während in Deutschland doch eher pompöse ausladende Gebäude als Villen bezeichnet werden, gibt es in China neben freistehenden Villen auch Doppelhaus- und Reihenhausvillen.

Unser gemietetes Haus liegt wie sieben weitere Villen in einer kleinen, ruhigen Wohnanlage mit Pförtner abseits der Hauptstraße, hat einen kleinen Garten und ist erst acht Jahre alt.

Das sind schon alle Vorteile, denn die Fenster sind nur einfach verglast und eine Fußbodenheizung wie im Haus meiner Schwiegereltern sucht man hier vergebens. Übrigens ist es südlich des Changjiang-Flusses, im Westen als Yangtze bekannt, nicht üblich, dass Häuser mit Heizungen ausgestattet sind, denn aufgrund von Sparmaßnahmen und der Tatsache, dass in dieser Region selten Temperaturen unter null Grad Celsius herrschen, hat die chinesische Regierung in den 1950er Jahren dies so festgelegt. Aber jeder weiß, dass selbst zehn Grad plus nicht besonders kuschelig sind. Also gibt es drei Möglichkeiten. Nummer 1: frieren – nicht erstrebenswert. Nummer 2: Fußbodenheizung, wenn man es sich leisten kann wie Hongs Eltern. Nummer 3: Klimaanlagen, die auch heizen können.

Glücklicherweise haben wir Nummer 3 in unserem Haus zur Verfügung, was Hong am gestrigen Abend gleich ausnutzte, als wir im kalten Inneren unserer Behausung angekommen waren. Während sie zusätzlich noch Tee kochte, trug ich meine Reisetasche in mein Arbeitszimmer im dritten Stock. Die Teezubereitung ist eine Kunst und wird manchmal regelrecht zelebriert. Traditionell wird Tee durch einen Aufguss aus Blättern der Teepflanze hergestellt, aber Hongs Eltern verwenden zusätzlich auch andere Pflanzenteile wie Knospen, Blüten, Früchte und dergleichen. Während ich Grünen oder Kräutertees bevorzuge, liebt Hong Früchtetees. Interessanterweise wird Schwarzer Tee in China als Roter Tee bezeichnet. Sogar Gelber Tee ist ein Bestandteil der Teelisten, allerdings hat er den Weg in den Großhandel noch nicht gefunden, da er lange Zeit nur im Geheimen auf kleinen Inseln hergestellt wurde.

Vor Weihnachten flogen Hong und ich nach Deutschland, wobei ich eine Woche unserer Reise nutzte, um in der Zentrale von Schluckauf in Ingolstadt zu arbeiten. Jeden Morgen joggten wir gemeinsam vor dem Frühstück durch die Stadt und auf beleuchteten Wegen in Parkanlagen. Dabei stellten wir fest, dass die frische und kalte reine Luft eine Wohltat im Gegensatz zu der Luft in China war. Anschließend fuhren wir zu meinem Vater und meiner Schwester nach Oberfranken in den nördlichsten Zipfel Bayerns, um dort ein paar Tage zu bleiben, Hong evangelisch taufen zu lassen und kirchlich getraut zu werden.

Im Juni 2013 sind wir auf dem chinesischen Standesamt in Nanjing getraut worden und haben auch dort alle notwendigen Unterlagen bekommen. Hong war es wichtig, zu unserer ausladenden Hochzeitsfeier in China ihre ganze Verwandtschaft einladen zu können und somit das Gesicht zu wahren, daher feierten wir letzten Oktober im großen und teuren Stil in Suzhou. Die Wortwahl ist hier ernst zu nehmen, da über dreihundert Gäste geladen waren und alle in Hotels untergebracht und kaiserlich bewirtet wurden. Ich bin meinen Schwiegereltern noch immer dankbar, dass sie die komplette Finanzierung übernommen haben, denn das hätten Hong und ich uns niemals leisten können. Natürlich musste ich auch sämtlichen Anverwandten vorgestellt werden, da bot die Feier eine sehr gute Gelegenheit. Ich hielt eine Rede auf Chinesisch, für die ich lange vorher geübt hatte. Mein amerikanischer Chef von Schluckauf und ein reiselustiges befreundetes Ehepaar aus Deutschland, die ich eingeladen hatte, waren sichtlich beeindruckt. Da meiner Verwandtschaft die Reise nach China zu strapaziös war, versprach ich, auch in Deutschland eine Feier zu geben. Obwohl ich schon seit fünf Jahren in China lebe und arbeite und vorher einige Volkshochschulkurse besucht hatte, reichen meine Chinesisch-Kenntnisse noch immer nicht, um mich mit allen fließend unterhalten zu können. Zudem gibt es in China, wie in Deutschland auch, viele Dialekte, und der Suzhou-Dialekt meiner Verwandtschaft ist für mich gänzlich unverständlich.

 

Zwischen den Jahren trafen Hong und ich uns mit meinem Sohn Daniel aus erster Ehe und mit einigen alten Freunden, da mir die Verbindung zu diesen Menschen in Deutschland wichtig ist. Silvester feierten wir in Bietigheim, einer Kleinstadt in der Nähe von Stuttgart, wo ich seit Jahren ein Apartment vermiete. So nutzten wir gleich die Gelegenheit, die Mieter zu besuchen und am traditionellen Silvesterlauf durch die Stadt teilzunehmen.

Als ich vor vielen Jahren dort in einer französischen Firma als Lieferantenentwickler arbeitete, schloss ich mich einer Laufgruppe an, die für Zehn-Kilometer- bis Halbmarathon-Läufe trainiert. Obwohl ich die Teammitglieder nur einmal im Jahr sehe, haben wir noch guten Kontakt. Zum Glück konnte ich Hong von den gesundheitlichen Vorteilen dieses Sports überzeugen. Da sie früher in der Schule Staffel gelaufen ist und darin auch gut war, wie sie mir erzählte, war das auch nicht allzu schwierig.

So ein gedanklicher Ausflug lenkt sehr schön von den alltäglichen Notwendigkeiten ab. Gestern musste ich mich dazu zwingen, endlich mein Büro aufräumen, um gut gewappnet ins neue Arbeitsjahr zu starten. Zur Belohnung schaltete ich später am Abend den Fernseher ein und stellte mit einigem Verdruss fest, dass kein einziges Programm zu sehen war. Etwas hilflos wandte ich mich an meine Frau, die mir ohne Umschweife erklärte, dass es nicht sinnvoll sei, die monatliche Fernsehgebühr zu zahlen, wenn man im Ausland unterwegs ist und kein chinesisches Fernsehen empfangen kann. Hongs Logik ist manchmal sehr speziell. Einem Deutschen würde nie einfallen, seinen Fernsehanschluss bei vorübergehender Abwesenheit zu kündigen, wobei das in Deutschland ohnehin schwierig sein dürfte. Aber bei allem Unverständnis bin ich doch stolz auf meine Frau, die mitdenkt und unnötige Kosten vermeiden möchte.

Doch gestern Abend war die Fernsehrechnung immer noch nicht bezahlt, also blieb uns nichts anderes übrig, als eine alte DVD anzusehen. Dazu tranken wir einen speziellen Tata-Tee, eine pulvrige Mischung mit natürlichem Geschmack verschiedener Kräuter wie Tulsi (indischer Basilikum), Brahmi (Feenkraut), Kardamon und Ingwer, den ich letztes Jahr von einer Dienstreise aus Indien mitgebracht hatte.

Hong ist sehr impulsiv und wechselt oft unvermittelt die Themen, so dass es mir manchmal schwerfällt, ihren Gedankengängen zu folgen. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie etwa zwanzig Jahre jünger ist als ich. Auch in diesem Augenblick blieb sie sich treu, als sie während des Films plötzlich fragte: »Was sind deiner Meinung nach die häufigsten Geschenke, die männliche Chinesen einander schenken?«

Ich wunderte mich nicht über diese weithergeholte Frage und tippte auf Wein, Bücher und Tee. Doch ich lag falsch.

»Wein, Armbanduhren und Reisen«, korrigierte mich Hong.

Bei den Frauen war ich nicht besser dran. Meine Vermutung war Essen, Reisen und DVDs, doch meine Frau belehrte mich eines Besseren und nannte Blumen, Armbanduhren und Wein. Gut, zur Kenntnis genommen.

Wir schauten weiter den Film »Der Teufel trägt Prada« und – passend dazu – begann eine kurze Diskussion über Geld und Reichtum, die mit Hongs nicht sehr geistreichem Statement »Lieber reich und gesund als arm und krank« endete.

Trotz der nächtlichen Stunde begab ich mich ins Arbeitszimmer, um meinen Laptop einzurichten und meine E-Mails zu lesen. Eine Nachricht sprang mir ins Auge: Eine Bank sandte mir Übersichten zu meinen Investmentfonds und zu meinem Entsetzen erkannte ich, dass eine der Geldanlagen deutliche Wertverluste erlitten hatte. Ich erinnerte mich an die E-Mail eines Verwalters aus Australien vor einiger Zeit, der mich darüber informierte, dass eine Firma Konkurs angemeldet hatte und er nun mit der Prozessabwicklung beauftragt worden war. Natürlich hatte ich mich daraufhin gleich bei meinen beiden britischen Finanzberatern Alan und Michael aus Shanghai gemeldet, aber sie schickten eine Entwarnung: Meine Geldanlage sei nicht betroffen.

Hong kam zur Tür herein und stocherte ein bisschen herum, frage dies und das, suchte wohl das Gespräch. Ich nutzte die Chance und bat sie um Rechtsberatung.

»Meine australischen Fonds sind ins Bodenlose gefallen, aber meine Finanzberater versicherten mir, die Geldanlage sei gegen Wertverluste geschützt. Das heißt, wenn im schlimmsten Fall kein Geld erwirtschaftet werden sollte, bekäme ich zumindest mein angelegtes Kapital zurück. Da der Fond von der Deutschen Bank verwaltet und von einer der ältesten australischen Fondsgesellschaften aufgelegt wird, könne ich auch weiterhin Vertrauen haben. Aber nach der heutigen Nachricht traue ich dem nicht mehr.«

»Falls die Firma in Australien doch pleitegehen sollte, könntest du zumindest die Finanzberater-Firma in Shanghai verklagen. Doch zuvor müsstest du dich nach einem anderen Berater umsehen, der die Verwaltung der Fonds offiziell übernimmt. Privatpersonen dürfen nicht unmittelbar Geschäfte mit Finanzinstituten abwickeln«, klärte mich Hong auf und bot mir weitere Hilfe an, wenn ich alle relevanten Unterlagen zusammengesucht hätte. Mit der Deutschen Bank hatte sie schon ihre Erfahrungen gemacht, denn als Hong in Deutschland gelebt hatte und eines Tages Geld bei eben diesem Kreditinstitut abheben wollte, erklärte man ihr anhand ihrer Kontoauszüge, das kein Geld mehr verfügbar wäre. Hong war sich sicher, ihr Konto nicht bis zum letzten Cent geleert zu haben, und ihr Kampfgeist war geweckt. Akribisch wie ein Detektiv agierte sie und deckte letztendlich alles auf. Teilnahmelisten bestätigten, dass Hong die Abhebung in Frankfurt nicht hatte durchführen können, weil sie nachweislich im Unterricht in Bonn gesessen hatte, um für die Zugangsprüfung zur Erlangung der Hochschulreife zu büffeln. Zum damaligen Zeitpunkt hatte sie in einer WG mit zwei Arabern und einer Chinesin gewohnt. Die Chinesin, die natürlich die chinesischen Schriftzeichen perfekt beherrschte, hatte Hongs Daten kopiert und so mit Hilfe der gefälschten Unterschrift ihre Identität am Schalter in der Frankfurter Filiale vorgetäuscht. Wie für Asiaten Europäer alle gleich aussehen, fällt Deutschen bei asiatischen Menschen eine Unterscheidung schwer, so dass der Schwindel nicht aufflog. Da Hong keine Unterstützung seitens der Deutschen erfuhr, musste sie sich alles allein erarbeiten und erreichte tatsächlich die Erstattung des gestohlenen Geldes. Zudem war sie nun so gut vorbereitet, dass sie problemlos die Zulassungsprüfung bestand.

Bevor ich meiner Frau ins Bett folgte, musste ich mich noch schnell über die aktuellen Aktienkurse informieren. Momentan laufen die Kurse noch bis Mitternacht über den Ticker. Alles im Minus. Ich hörte die Worte meiner Finanzberater: Kein Grund zur Besorgnis, das kann ja mal passieren, ich brauchte nur etwas Geduld und müsste warten, bis sich das Blatt wendete. Ich ging auch ins Bett, doch so leicht wollte sich keinen Schlaf einstellen.

Hong dreht mir den Rücken zu. Mit meiner Linken umfasse ich ihre linke Brust, die genau in meine Hand hinein passt.

Schon in meiner Hochzeitsrede in Deutschland nach der kirchlichen Trauung habe ich klargemacht, dass es mir gar nicht so wichtig ist, ob chinesische Frauen der Statistik nach die kleinsten Brüste auf der Welt haben. Im Gegenteil: Wie bereits erwähnt passt die Brust meiner Frau genau in meine Hand und so fühle ich mich am wohlsten, etwas anderes möchte ich gar nicht.

Mit den Brüsten meiner Frau in den Händen überlege ich, was in China alles anders ist als in Deutschland. Wenn ich das Gartenschloss links herum drehe, schließt es zu, rechts herum geht es auf. Will ich warm duschen, muss ich blau aufdrehen, bei kalt rot. Für Weihnachten werden die Kirchen gelb geschmückt, in Deutschland weiß. Bei Konferenzen zwischen Beamten und Firmenvertretern wird in China viel geschmeichelt und umgarnt, in Deutschland eher über Zahlen, Daten und Fakten geredet. In China sind WeChat und Weibo in, im Westen Twitter und Instagram. Wenn die Börse rot zeigt, steigen die Kurse, bei Grün geht es bergab.

Mittlerweile ist es sechs Uhr morgens. Draußen zwitschern schon die Vögel. Ich glaube, so etwas wie »Gib mir Schokolade« zu verstehen. Das geht eine ganze Zeit so. Muss das eine Nacht gewesen sein! Was hat der Vogel nur getrieben? Daraufhin zwitschert ein anderer Vogel. Es klingt nach »Fladenbrot …«