JENSEITS

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JENSEITS.

Sternenwege. Himmelsland.

Der Mystiker Jakob Lorber (1800-1864)

Spirituelle Wege. Band 1

ISBN

Impressum

Jutta Ströter-Bender

JENSEITS.

Sternenwege. Himmelsland.

Der Mystiker Jakob Lorber (1800-1864)

Spirituelle Wege. Band 1

Covergestaltung und Photo. Jutta Ströter-Bender

2020

Neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

INHALTSVERZEICHNIS

Zum Verständnis von Jakob Lorber

Ein persönlicher Traum

JAKOB LORBER

Leben und Werk

Die Jenseitsbücher

Das 19. Jh. als Epoche von bedeutenden Offenbarungen

DAS INNERE WORT

Die Stimme von Jesus im Herzen

Die Bildsprache im Inneren Wort

Die Philosophie von den Entsprechungen

HINÜBERGEHEN

Sterben

Gedankenflut und Dunkelheit

Das Wirken der Engel

Seelenleib und Seelenkleid

Vom Traum zum Leben

Das große Mittelreich

ANKOMMEN IM JENSEITS

Im Licht der Geistigen Sonne

Ankommen: Im Paradies

Von den Sphären der Heiligen

Zur Geistigen Wiedergeburt

Himmlische Ehen

Leben in Vollendung

IM HIMMEL

Der Abend

Im Mittag

Im ewigen Morgenrot

Das Himmlische Jerusalem

Von der Macht der Engel

IM GEISTIGEN KOSMOS

Das jenseitige Kinderreich

Der Planetenweg der jungen Seelen

Sonnen-und Sternenwelten

HÖLLEN

Die Hölle als Zustand

Wege in die Unterwelt

Die drei Grade der Hölle

Rettung aus der Dunkelheit

VERBINDUNGEN ZUM JENSEITS

Gebet und Fürsprache

Traum und Vision

Das Vorlesen der Heiligen Schrift für die Armen Seelen

Betrachtung von Entsprechungsebenen

WIEDERKOMMEN – Reinkarnation

NACHWORT

Heilige Orte. Wo sich Diesseits und Jenseits verbinden

Literatur. Autorin

Zum Verständnis von Jakob Lorber

Von der Stimme Gottes in seinem Herzen inspiriert, schrieb der Musiker Jakob Lorber (1800-1864) aus der Steiermark von seinem 40. Lebensjahr an bis zu seinem Tod eine Fülle von prophetischen Werken über die Geheimnisse in der göttlichen Schöpfung. Dazu gehören auch einige Bände über "Das Jenseits", die in ihrer übergreifenden Vision einzigartig sind. Die prophetische Schau ist dabei aus christlicher Perspektive verfaßt, zumeist ist es die göttliche Stimme durch Jesus Christus, die Jakob Lorber die Worte in seine Schreibfeder diktiert. Dennoch sind diese visionären Schriften relativ unbekannt, auch wenn sie in zahlreichen Sprachen übersetzt wurden und ein reiches Schrifttum vorliegt. Dieses Band möchte eine Einführung in seine Darstellung der jenseitigen Welten geben und einen ersten Einblick in die Komplexität seiner Werke.

Im Licht der Nahtodforschung und der Vergleiche mit den Jenseitsvorstellungen anderer Religionen (beispielsweise des Buddhismus) können die bei Lorber geschilderten Phasen des Sterbens und jenseitigen Weiterentwicklung der Seelen in einem erweiterten Zugang gesehen werden. Es geht in seinen Jenseits-Büchern um die Geheimnisse vom Leben nach dem Leben und um die Erfahrungen, die mit dem Hinübergang in eine andere Dimension verbunden sind. Kein individuelles Leben ist sinnlos, so die tröstende Botschaft Lorbers, jeder Mensch wird von Gott in seiner Liebe auf eine besondere Weise geführt, auch nach seinem Tod. Niemand wird alleingelassen, und das, was auf Erden nicht vollendet wurde, darf im Jenseits unter neuen Möglichkeiten weitergeführt werden.


Jakob Lorber (Foto undatiert). Quelle: Briefe Lorbers (1931), Neu Salems Verlag

Allerdings waren die Aussagen seiner Schriften von Anfang an umstritten. Das lag unter anderem daran, daß die Texte von Lorber nicht nur Einblicke in den Himmel und die Sphären des Jenseits enthalten, sondern eine komplexe kosmologische Theologie eröffnen. Zugleich geben sie aus einer spirituellen Weltsicht heraus eine Fülle von kritischen Anmerkungen zum politischen Geschehen der Zeit wie auch zur Struktur der römisch-katholischen Kirche wieder.

Kirchenfrommen Lesern und Leserinnen seiner Epoche mag das Werk "Bischof Martin" (1847/48), in dem der durchaus schwierige jenseitige Läuterungsweg eines katholischen Bischofs beschrieben wird, wie eine Gotteslästerung erschienen sein. Für Bürgerliche und Königstreue war es eine Provokation, im Werk über "Robert Blum" (1858/51) nachzulesen, wie dieser Revolutionär, der 1848 standrechtlich in Wien erschossen wurde, nach seiner jenseitigen Hinwendung zu Gott im Himmel freudig begrüßt wird.

In den Texten tritt uns Jesus Christus als Bruder und Freund, als persönlicher Begleiter des Lebens gegenüber. Diese Botschaft im Sinne des Neuen Testaments stand jedoch dem Hierarchie- und Obrigkeitsdenken seiner Epoche entgegen, zumal an zahlreichen Stellen die Bedeutung der persönlichen Freiheit des Menschen hervorgehoben wird. Wichtige Passagen seiner Schriften waren daher seiner Zeit weit voraus.

Die Inhalte der prophetischen Bücher sind jedoch durchgängig in ein reiches und überaus kreatives Vokabular des 19. Jahrhunderts und der Lebenswelt von Jakob Lorber gekleidet. (vgl. Burtscher. 2018; S.29) Das macht die Lektüre des Werkes nicht einfacher, weil die historische Dimension der Sprachgestaltung mit bedeutenden spirituellen Inhalten eine Art Symbiose eingeht. Auch die Deutung der Geschlechterverhältnisse ist partiell von der Enge seiner Zeit geprägt. Hier bedarf es einer zukünftigen kritischen Auseinandersetzung mit dem Werk dieses bedeutenden Mystikers.

Allerdings von einer geradezu überraschenden Modernität ist ein besonderes Element im "medialen" Stil von Lorber, in dessen Schriften unterschiedliche Sehweisen, Perspektiven auf ein und dasselbe spirituelle Phänomen ineinander "verschachtelt" aufgezeigt werden. Darin sind Erkenntnisse der zeitgenössischen Philosophie und Psychologie vorweggenommen, daß jeder Mensch durch die innere Verfassung seiner Wahrnehmung das eigene Welterleben konstruiert. Die "Art der Liebe" und der Neigungen, die jeder Mensch in sich trägt, so Lorber, machen ihn zum "Schöpfer seiner eigenen Welt", seines eigenen "Himmels" oder "Hölle", auch beim Hinübergehen in das Jenseits.

Manchen Leser und manche Leserinnen mag die besondere Wortwahl und die ausführlichen, nach heutigem Verständnis oft langatmigen Beschreibungen in Lorbers Werk erstaunen. Sie stammen aus einer spirituellen Weltsicht der Ewigkeit, in der die Zeit keine Rolle spielt. Um sich auf seine Schriften einzulassen, braucht es die Bereitschaft zur Konzentration, denn die Darstellung der spirituellen Phänomene entfaltet sich Seite über Seite, Kapitel um Kapitel oft nur langsam, um dann folgend das gleiche Phänomen wieder von einer ganz anderen Seite aufzufächern.

Jakob Lorber selbst beschreibt sich als einen einfachen, schwachen "Knecht des Wortes", dem Gott durch einen Engel, in seinem Namen, die Feder diktiert hat. Gerade in einer Zeit, in der Schnelligkeit und Kürze die Wahrnehmungsgewohnheiten prägen, können einzelne Passagen aus seinen Schriften eine heilende Wirkung entfalten. Sie regen an, aus der Ruhe und Stille heraus die Phänomene des Lebens und des Lebens im Jenseits zu betrachten und die Wortwahl von Engeln und Himmelsbewohnern in sogenannten "Entsprechungsbildern" kennenzulernen.

Die Jenseits-Werke, die Jakob Lorber als Medium niederschrieb, begreifen sich durchaus als Anleitungen auf dem spirituellen christlichen Weg. Sie enthalten, wenn auch in ihrer etwas altertümelnden, bildreichen Sprachführung, wesentliche Elemente der traditionellen Sterbe- und Andachtsbücher, in denen es darum ging, eine religiöse Vorbereitung auf einen "guten" Hinübergang zu treffen, und in diesem Sinne bereits das diesseitige Leben auszurichten. Dabei sind seine Betrachtungen bedeutsam, wie sehr sich die einzelnen irdischen und jenseitigen Sphären gegenseitig durchdringen. Das Wissen um die Prozesse des Sterbens, der Blick auf die jenseitigen Welten, so der Mystiker, hilft bei der Gestaltung des irdischen Lebens. Es macht aber auch den Weg zu Gott leichter und bereitet das zukünftige Eingehen in die Ewigkeit vor:

"Wohl dem, der sie (diese Schriften) mit redlichem Herzen betrachtet und sein Leben danach einrichtet! Er wird dereinst auch diesen Weg zu machen haben, ... Hat er ihn schon auf Erden getreu getan, wird er dereinst nur einen sehr kurzen Weg wandeln." (Von der Hölle bis zum Himmel. Robert Blum. 1963; Bd. 2. Kp. 303. 494)

Ein persönlicher Traum vom Jenseits

Mein erster Zugang zu den Schriften von Jakob Lorber bahnte sich während der Jugendzeit an, allerdings lange, bevor ich ein Buch von ihm in den Händen hielt. Es war ein Traum während einer schweren Erkrankung, die mich an die Grenze zwischen Leben und Tod gebracht hatte. Allerdings konnte ich zu der Zeit den Traum weder deuten noch richtig verstehen. In diesem Traum löste sich meine Seele von meinem Körper:

„Ich flog gen Sonnenuntergang über meine Heimstadt weit hinweg, in eine unbekannte Ebene hinein. Dort gelangte ich in ein gelbliches, wüstenähnliches Höhlen Gebiet, in dem Menschen lebten. „Wer seid ihr?“ fragte ich. Sie schauten mich an. „Wir sind die Toten. Und du bist eine von uns!“ „Nein“, sagte ich erschrocken und flog wieder fort.

 

Das Traumgeschehen ging weiter: „Ich gelangte in ein seltsames Hügelland. Auf jedem Hügel stand ein einfaches Haus. Ich ging in eines hinein. Eine kleine Frau kam mir entgegen, das Gesicht zum Teil wie hinter einer Maske versteckt. Es war meine 1967 verstorbene Großmutter Katharina, zu der ich jedoch während der Kindheit ein eher distanziertes Verhältnis gehabt hatte. Die Großmutter kam auf mich zu, sichtlich berührt. „Mein Kind, was tust du denn hier? Wo ist deine Mutter?“ „Ihr geht es gut, Oma,“ antwortete ich verwundert. „Aber was machst du denn hier?“ Ich blickte mich in dem kargen Raum um. Er war hell, ganz spärlich mit einem alten Stuhl und Tisch möbliert. Auf dem Tisch lag aufgeschlagen ein sehr umfangreiches, sehr altes Buch mit großen Buchstaben, eine Bibel. „Ich studiere das Wort Gottes“, war ihre Antwort, ein wenig streng, so wie sie vormals in ihrem irdischen Leben gewesen war. „Wie langweilig!“ dachte ich. Mir war, als müßte ich doch noch etwas außerhalb erledigen. Ich verabschiedete mich von der Großmutter und verließ das Haus. Meine nackten Füße hinterließen Spuren auf Wegen in hellem, goldenen Sand und Schnee. Es war windig. Der Rückweg zu diesem Haus im eigentümlichen Hügelland war verschwunden...“.

Während meiner Kindheit hatte ich gerade zu dieser Großmutter keine besonders enge Verbindung gehabt, auch wenn ich immer die Sommerferien bei ihr verbrachte. Sie war sehr gradlinig und herb gewesen. Sie hatte mir das Lesen mit der Begründung verboten, das es mich als Mädchen auf dumme Gedanken bringen würde, und das hatte ich nie vergessen. Erst sehr viel später, lange nach ihrem Tod, konnte ich sie, mit Rückblick auf ihr Schicksal in den Weltkriegen, sehr viel besser verstehen

Was aber hatte es mit dieser Traumbegegnung, den Landschaften dieses Traumes und dem eigentümlichen Häuschen, dem einfachen Tisch und der großen, alten Bibel auf sich? Zuerst einmal vergaß ich das ganze Geschehen, nach dem ich wieder gesund geworden war.

Einige Jahre später - ich war auf den geistigen Weg gekommen und las eine Fülle von religiösen Büchern, wurden mir auch die Schriften von Jakob Lorber empfohlen. Als erstes Buch kaufte ich, weil mir der Titel gefiel: "Die Geistige Sonne. Mitteilungen über die Lebensverhältnisse des Jenseits“. Ich schlug das Buch wahllos auf und las folgende Stelle:

„... denn im ewigen Morgen in der beständigen Gegenwart des Herrn wohnt man nicht ... in Palästen, sondern in gar einfachen Hütten ... Der Seligkeitsgrad hier ist um ebensoviel erhabener, um wieviel er derjenigen Herrlichkeit und Pracht nach Außen nachsteht ... diese Wohnungen sind Entsprechungen der wahren Demut ...“. (Die Geistige Sonne. 1955; Bd. 1. Kp. 45.17, 46.10, 61.16)

Plötzlich stand mir wieder der Traum mit seinen Bildern vor Augen, die verstorbene Großmutter im jenseitigen Hügelland, in ihrem einfachen Haus, versunken in das Studium des Wortes Gottes. Hatte ich etwa in diese himmlische Sphäre während meines Grenzzustandes zwischen Diesseits und Jenseits blicken dürfen?

Ich stieß auf eine weitere Passage, die mir die Bedeutung der alten Bibel mit ihren großen Buchstaben und die Freude der Großmutter am Studium der heiligen Worte erklärte.

„... ich habe es euch ja vorausgesagt, daß ihr nicht vorschnell urteilen sollet. Hier liegt der Wert eines Dinges allzeit nur im Inwendigen und nie im Auswendigen. Darum ist auch das Inwendige allzeit erhabener und wunderbar großartiger als das Äußere, denn es verhält sich hier also wie das Wort Gottes auf der Erde. Schlicht und prunklos steht dasselbe durch den Buchstaben im Buche. So aber jemand in das schlichte Wort durch die enge Pforte der demütigen Liebe dringet, zu welch einer Wunderfülle gelangt er in einem einzigen Worte Gottes, das einfach und prunklos steht im Buche, aus Buchstaben zusammengesetzt.“ (Die Geistige Sonne. 1955; Bd. 1. Kp. 10.11)

In den folgenden Kapiteln über die Jenseitsschau von Jakob Lorber wird aufgezeigt, daß es gar nicht so einfach für die verstorbenen Seelen ist, in dieses Hügelland im Geistigen Morgen, zu gelangen, - denn es gehört zum höchsten Himmel.

JAKOB LORBER

Leben und Werk

Graz am 15. Mai 1840: Es war noch früher Morgen, ein schöner Frühlingstag kündigte sich an. Während draußen der Gesang der Vögel schon länger über den Dächern der Stadt zu hören war, begann sich der Musiker Jakob Lorber in seinem kärglich eingerichteten Zimmer für das Morgengebet vorzubereiten. In der Ecke standen Kisten, Koffer und seine Geige gepackt, bereit für den Umzug nach Triest. Dort wartete für Jakob Lorber nach langen Jahren des Wartens und voller Entbehrungen eine feste Anstellung als Kapellmeister am Stadttheater. Mit dieser angesehenen Position würde er sich endlich in einem ruhigeren Lebensabschnitt befinden. Dann wäre es ihm auch möglich, in den Ehestand zu treten, eine Familie zu gründen und zu ernähren.

Während sich Lorber voller Dankbarkeit in das Morgengebet vertiefte, vernahm er in der Gegend seines Herzens plötzlich eine deutliche Stimme. Die Stimme war in ihm, und dennoch war es nicht seine Stimme der Gedanken. Ganz klar hörte er die Worte: “Steh auf, nimm deinen Griffel und schreibe!” Lorber suchte Papier und seine Feder. Dann setzte er sich nieder und folgte beobachtend wie auch ergriffen dieser geheimnisvollen inneren Ansprache. Die Stimme offenbarte sich ihm als das als das lebendige Wort Gottes durch Jesus Christus - und Lorber begann folgende Sätze niederzuschreiben:

“So sprach der Herr zu und in mir (Jakob Lorber) für jedermann, und das ist wahr getreu und gewiß:

1. Wer mit Mir reden will, der komme zu Mir, und Ich werde ihm die Antwort in sein Herz legen; jedoch die Reinen nur, deren Herz voller Demut ist, sollen den Ton Meiner Stimme vernehmen.

2. Und wer Mich aller Welt vorzieht, Mich liebt wie eine zarte Braut ihren Bräutigam, mit dem will Ich Arm in Arm wandeln. Er wird mich allzeit schauen wie ein Bruder den anderen Bruder, und wie Ich ihn schaute schon von Ewigkeit her, ehe er noch war.

3. Den Kranken aber sage: sie sollen sich in ihrer Krankheit nicht betrüben, sondern sollen sich ernstlich an Mich wenden und sollen Mir ja ganz trauen. Ich werde sie trösten, und ein Strom des köstlichen Balsams wird sich in ihr Herz ergießen, und des ewigen Lebens Quelle wird unversiegbar in ihnen offenbar werden; sie werden genesen und werden erquickt werden wie das Gras nach einem Gewitterregen.

4. Die Mich suchen, denen sage: Ich bin der wahre Überall und Nirgends. Überall bin Ich, wo man mich liebt und meine Gebote hält, - nirgends aber, wo man mich nur anbetet und verehrt. Ist denn die Liebe nicht mehr denn das Gebet, und die Haltung der Gebote nicht mehr denn die Verehrung?! Wahrlich, wahrlich sage Ich dir: Wer mich liebt, der betet Mich im Geiste an, und wer Meine Gebote hält, der ist´s, der Mich in Wahrheit verehrt! Meine Gebote aber kann niemand halten als nur derjenige, der Mich liebt; der Mich aber liebt, hat kein Gebot mehr als dieses, daß er Mich liebt und Mein lebendiges Wort, welches das wahre, ewige Leben ist.

5. Den Schwachen aber tue kund aus Meinem Mund: Ich bin ein starker Gott. Sie sollen sich alle an Mich wenden; Ich werde sie vollenden. Aus dem Mückenfänger will Ich einen Löwenbändiger machen, und die Furchtsamen sollen die Welt zerstören, und die Starken der Erde sollen zerstreut werden wie Spreu.” (Die Haushaltung Gottes. 1981; Bd. 1. S. 11)

Es waren die ersten Absätze zum großen Werk “Die Haushaltung Gottes” (erste Auflage 1852), die Jakob Lorber hier niederschrieb. Mit diesem Ereignis geschah in dem vierzigjährigen Lorber eine entscheidende Wandlung. Auch wenn er vorher bereits ein religiöser Mensch gewesen war, änderte er nun seine Lebensziele und trat nach dieser inneren Begegnung mit Jesus den Weg der Nachfolge an. Das bedeutete für ihn: Abschied, Verzicht von seinen weltlichen Lebenszielen, der lang ersehnten Anstellung in Triest. Lorber wurde, wie er sich nannte, zu "einem Schreibknecht Gottes", zu einem bedeutenden Propheten des 19. Jahrhunderts. Er blieb in seiner bescheidenen Stube in Graz und begann, täglich die Botschaften Gottes in sich zu vernehmen und aufzuschreiben.

Kindheit und Werdegang

Wer war Jakob Lorber, was zeichnete seine Persönlichkeit aus? Schon zu seinen Lebzeiten wurde er von seinen Freunden mit Staunen beobachtet. Über seinen Lebensweg besitzen wir Informationen durch seinen Freund, den Lyriker und Novellisten Karl Gottfried Ritter von Leitner (1800-1890). Wenige Jahre vor seinem Tod, 1884, zeichnete von Leitner ein biographisches Erinnerungsbild Lorbers auf und gab zugleich als langjähriger Freund eine umfangreiche Darstellung seines spirituellen Lebensweges.

Am 22. Juli des Jahres 1800 wurde Jakob Lorber in Kanischa (im heutigen Österreich) geboren. Seine Eltern stammten aus bäuerlichen Familien. Der Vater, hochmusikalisch und kulturell interessiert, bewirtschaftete zwei Weinberge. Als Kapellmeister leitete er die in seiner Region beliebte Musikgruppe der “Schwarzenbacher”, was der Familie willkommene Nebeneinkünfte einbrachte. Jakob Lorber hatte noch drei jüngere Brüder. Er selbst zeigte im Erlernen der verschiedensten Instrumente früh eine außergewöhnliche Musikbegabung. Doch erst relativ spät, mit neun Jahren, wurde ihm der Besuch der Dorfschule möglich gemacht. Da er durch seine Intelligenz und vielfältigen Begabungen auffiel, wurde ihm vorgeschlagen, Volksschullehrer zu werden. Mit siebzehn Jahren zog Lorber in die nahe gelegene Stadt Marburg, um mit der Ausbildung zu beginnen. Nach seinem Abschluß nahm er dann, wie es damals üblich war, eine erste Anstellung als Lehrergehilfe, wir würden heute sagen, Referendar, an. In St. Johann im Saggatale bemerkte der Kaplan seine Fähigkeiten, gab ihm Lateinunterricht und ermutigte ihn, Priester zu werden.

Um dieser Berufung zu folgen, kehrte Lorber zurück nach Marburg und besuchte fünf Jahre lang das Gymnasium. Zur Finanzierung des Lebensunterhalts gab er Musikunterricht und spielte für ein kleines Honorar die Orgel während der täglichen Gottesdienste. Nach erfolgreichem Schuljahren übersiedelte der junge Mann 1824 nach Graz, um weiter ein Gymnasium zu besuchen. Dort aber reichten die geringen Einkünfte für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten und Schulgebühren nicht mehr aus, zugleich hatte er Schwierigkeiten, sich mit den viel jüngeren Schulkameraden auseinanderzusetzen. Er suchte sich daher in Graz eine Anstellung als Hauslehrer und brach die Schullaufbahn ab.

Nach fünf Jahren Unterrichtstätigkeit in einer angesehenen Familie, im Jahr 1829, begann Lorber sich doch um seine Zukunft und die Möglichkeit einer festen Anstellung zu sorgen. Er machte eine zusätzliche Ausbildung als Hauptschullehrer, die er mit den besten Noten abschloß. Da jedoch die Stellenlage schwierig und eine erste Anstellung nicht in Aussicht war, fühlte er sich entmutigt und gab dieses Ziel wieder auf. Er wandte sich ganz dem Musikunterricht zu (Gesang, Violine, Klavier), begann Lieder und Konzertstücke zu komponieren. Dabei gelangte er in einen Freundeskreis Gleichgesinnter, die im kulturellen Leben der Epoche teilweise bekannt waren. Er konzertierte mit Anselm Hüttenbrenner (einem Freund von Franz Schubert). Zwischen beiden entstand eine lebenslange Freundschaft.

Für Jakob Lorber war die Musik das Wichtigste im Leben. Im Inneren befand er sich jedoch auch auf der Suche nach einer Vertiefung seines geistig-religiösen Weges. Er las Werke bedeutender Mystiker, so von Jakob Böhme und Emmanuel Swedenborg. Am meisten zur Hand aber nahm er die Bibel. Zusätzlich hatte er ein besonderes Interesse an der Astronomie:

“An heiteren Sommerabenden, oft auch erst spät in sternhellen Nächten, wanderte er, seinen Tubus an einem Bande zur Seite hängen habend, mit einem oder anderen seiner Freunde vor die Stadt hinaus...Hier betrachtete er dann selbst und zeigte auch seinen Begleitern mit immer erneutem Interesse den narbenvollen Mondball, den Jupiter mit seinen Trabanten, den Saturn mit seinem Lichtringe, die übrigen Planeten und den sich wunderbar auftuenden Sternenhimmel von Myriaden leuchtender Weltkörper, zu welchen sich die Milchstraße und die Nebelflecke vor dem Objektivglase seines Tubus in das Unendliche auseinanderbreiteten.....ein all dieser Hinneigung zur Erforschung der tiefsten Geheimnisse ernstester Art blieb Lorber von aller Kopfhängere stets weit entfernt; vielmehr war und blieb er im täglichen Umgange immer ein heiterer Gesellschafter, nur daß sich, wie er später mitteilte, um diese Zeit bei ihm allmählich bedeutungsvolle Träume einstellten, von denen er die ihm wichtiger scheinenden fortan aufzuschreiben anfing.” (Ritter von Leitner. 1969; S. 13 f.)

 

Jakob Lorber bewunderte den genialen Geiger Paganini, sein großes Vorbild. 1828 konnte er den Meister in Wien persönlich begegnen und erhielt Unterricht bei ihm. Bald debütierte er an der Mailänder Scala mit einem eigens komponierten Violinkonzert. Im Laufe der folgenden Jahre wurden seinen Musikveranstaltungen immer wieder große Anerkennung und Erfolg zuteil, aber eine feste Anstellung als Musiker ließ auf sich warten, das Problem der Existenzsicherheit blieb bestehen. Im Jahre 1840 erhielt Jakob Lorber völlig unerwartet und zu sehr guten Konditionen das Angebot für eine Anstellung als 2. Kapellmeister am Theater von Triest, das er dann jedoch wegen seiner prophetischen Berufung ausschlug.

Das Leben als "Schreibknecht Gottes"

Tag um Tag, die folgenden 24 Jahre, schrieb Lorber, zumeist vormittags, Stunde um Stunde nieder, was ihm die Stimme Christi diktierte.

“Lorber begann dieses Schreibgeschäft, welches von nun an die Hauptaufgabe seines Daseins blieb, fast täglich schon morgens vor dem Frühstück, welches er in seinem Eifer nicht selten ganz unberührt stehen ließ. Dabei saß er, meistens mit einer Mütze auf dem Kopfe, an einem kleinen Tischchen, im Winter knapp neben dem Ofen, und führte in sich gekehrt, mäßig schnell, aber ohne je eine Pause des Nachdenkens zu machen oder eine Stelle des Geschriebenen zu verbessern, ununterbrochen die Feder, wie jemand, dem von einem anderen etwas vorgesagt wird.” (Ritter von Leitner. 1969; S. 15)

Seine bescheidene Existenz bestritt Lorber in Graz weiterhin als Musiklehrer. Hin und wieder wurde diese Tätigkeit durch das Ausführen von Geschäften für seine Brüder in Oberkärnten wie auch von Konzertreisen in andere Städte unterbrochen. Auf diesen Reisen wanderte er mit Vorliebe in den Bergen. Die einfachen Zeichnungen, die er dort anfertigte, geben seine klare, ruhige Natursicht wieder, seine Andacht im Erleben der Bergwelt. (vgl. auch Kp. Heilige Orte) Die häufigen Reisen störten Lorber zunehmend im täglichen Aufnehmen der geistigen Niederschriften, um das er seinen gesamten Tagesablauf gruppierte. Seite um Seite fügten sich im Laufe der Jahre zu einem erstaunlichen visionären Werk zusammen, daß bald auch im Kreise seiner Freunde und Verehrer "Neuoffenbarung" genannt wurde.

Mit seinen Schriften erhob Lorber keineswegs den Anspruch, nur ein Wort der Bibel aufzuheben. Vielmehr betrachtete er die durch ihn geoffenbarten Kundgaben als eine Erweiterung der Gegebenheiten und Geheimnisse, die bereits in der Heiligen Schrift angedeutet sind. Er verstand sich auch nicht als Begründer einer neuen christlichen Kirche oder sogar einer neuen Religion, wie beispielsweise der in seiner Epoche wirkende Bahá’u’lláh (vgl. folgendes Kp.).

Um Jakob Lorber bildete sich bald ein enger Freundeskreis, der für die Bewahrung und Vervielfältigung seiner Schriften, der sogenannten Neuoffenbarung, sorgte. Diese wurden publiziert und diese in die Welt hinaus gesandt. Briefe mit Anfragen um persönliche Botschaften erreichten Lorber. Seine Antworten: Trostworte von Jesus Christus, Prophezeiungen, Mahnungen und ärztliche Ratschläge füllen gleichfalls Bände. Sie haben neben der privat-historischen Ebene zugleich auch eine weiterführende Dimension wie beispielsweise die folgende Botschaft, welche Ritter von Leitner für seine gesundheitlichen Probleme erhielt:

“... Mache dich auf einige Wochen von deinem Weltgeschäfte los und mache eine Reise in Meine freie Schöpfung. Das wird dich stärken in allem! – Denn siehe, in den Städten der Welt bin Ich wie ein kleines, oft ganz versiegendes Bächlein. Auf dem freien Land bin Ich wie ein Strom. Und über den Bergen bin Ich wie ein Meer – und das der Menschen wegen. Daher gehe zum Strome, gehe zum Meere, so Dir das Bächlein manchmal versiegt! Da wirst du viel Heilung und Stärkung finden. Ich habe es auch ja allen gesagt, daß ihr gerne auf die Berge gehen sollet! – Warum befolget ihr so wenig Meinen Rat und wollet lieber krank als gesund sein im Geiste wie im Leibe!” (Ritter von Leitner. 1969; S. 84)

In seiner konfessionellen Zugehörigkeit blieb Jakob Lorber der katholischen Kirche verbunden, auch wenn er zu Lebzeiten gerade aus kirchlichen Kreisen heftige Anfeindungen erleben mußte, da er dort aus seiner geistigen Sicht heraus viele Mißstände erkannte und in seinen Schriften explizit benannte. Um öffentliches Aufsehen zu umgehen, suchte Lorber daher in Bezug auf seine prophetische Arbeit die größte Zurückgezogenheit.

Trotz seiner intensiven geistigen Arbeit wurde er dabei keineswegs zu einem “ätherischen Wesen”: “Seine mehr als mittelgroße und gedrungene Gestalt hatte sogar eine gewisse Derbheit an sich. Der Kopf war ziemlich groß, die Stirne hoch und breit, die Lippen voll, alle Gesichtsformen sanft abgerundet, die Miene freundlich und die graublauen Augen von einer wohlwollenden Milde beseelt... Wenn er sich mit seiner geliebten Violine produzierte, erschien er in tadellosem schwarzen Anzuge, für gewöhnlich aber vernachlässigte er sich in der Kleidung. Und wenn dieser unscheinbare Mann mit langsamem, etwas schwerfälligem Gange die Straße einherschritt, ahnte wohl niemand in ihm den Mittler jener geheimnisvollen Kundgebungen, die schon Tausende von Druckseiten füllten... jedoch war er selbst noch während der Zeit, da er sein ernstes Schreibgeschäft betrieb, ein guter Gesellschafter. Wenn er sein Tagewerk vollendet hatte, liebte er es, den Abend in der Gesellschaft von Befreundeten bei einem Glase heimischen Weines heiter zu verbringen.” (Ritter von Leitner. 1969; S. 22)

Die Armut war nicht immer leicht zu tragen. Eine Erbschaft von 12000 Gulden war bald an Bedürftige verteilt. Zur Unsicherheit der Lebensverhältnisse gehörte manche “verdrossene” Stunde. Aber Gott gab ihm dazu folgende Botschaft:

“Siehe! Mein Knecht (Lorber) ist wahrlich Mir zuliebe arm; denn er könnte sehr reich sein, da er als Tonkünstler auch durch Meine Gnade die besten Fähigkeiten dazu besitzt. Aber er schlug Anstellungen und sehr vorteilhafte Anträge aus – alle aus großer Liebe zu Mir. Und hat er 2 Gulden Geldes, so begnügt er sich mit 40 Kreuzern und 1 Gulden 60 Kreuzer verteilt er unter die Armen.

Darum habe Ich ihm auch alle Schätze der Himmel eröffnet. Jeder noch so weit entfernte Stern ist ihm so bekannt wie diese Erde. Er kann mit dem Auge seines Geistes jene beschauen und bewundern nach Herzenslust; aber ihn kümmert nun derlei wenig, weil Ich allein ihm alles in allem bin!” (zitiert in Ritter von Leitner. 1969; S. 38)

Mit zunehmenden Alter wurde die finanzielle Situation schwieriger. Der Freundeskreis wurde zur alleinigen Hilfe.

Heimgang

Zu Beginn des Jahres 1864 begann Jakob Lorber Ahnungen zu äußern, er werde das Jahr 1865 nicht mehr erleben. Am 24. August 1864 lag er nach einer längeren Erkrankung plötzlich im Sterben. Seine engsten Freunde eilten in seine Wohnung, um Abschied zu nehmen. Nach einem schweren Gewitter mit heftigem Regensturm, das gerade über Graz niedergegangen war, klarte sich der Himmel auf.

“Lorber, welcher sich wieder etwas erholt hatte, ließ nun seine Lage im Bette verändern, indem er, der zehn Jahre lang mit den Füßen gen Westen gekehrt die Nachtruhe gepflogen, sich in der Art betten ließ, daß nun sein Scheitel nach dieser Weltgegend gerichtet und sein Antlitz dem Sonnenaufgange zugewendet war... und nach einer Viertelstunde war der Knecht Gottes sanft entschlummert und sein längst einer höheren Welt angehöriger Geist in die ewige Heimat zurückgekehrt.” (Ritter von Leitner. 1969; S. 21)

Auf dem schlichten Gedenkstein, der die Grabstätte auf dem St. Leonhard Friedhof in Graz bis heute ziert, sind folgende Worte des Apostel Paulus aus dem Neuen Testament eingraviert: “Wir mögen leben oder sterben, so sind wir des Herrn.” (Neues Testament Römer Brief 14:8)

Auch nach dem Tode von Jakob Lorber blieb der prophetische Geist in seinem Freundeskreis lebendig. Durch Gott folgte die Berufung neuer sogenannter "Wortknechte" oder "Wortkinder", die sein Werk in aller Stille und Verborgenheit fortführten. Als Lorber starb, war sein Hauptwerk „Johannes. Das Große Evangelium“ noch unvollendet. 27 Jahre später erhielt der Schauspieler und Schriftsteller Leopold Engel von Gott den Auftrag, die Niederschrift fertigzustellen. Auch soll aus dem engeren Lorberkreis an dieser Stelle die Hebamme Johanne Ladner (1824-1886) genannt sein, deren Durchgaben in den drei Bänden "Vaterbriefe" erhalten sind, und deren prophetische Sprache und Duktus ungleich sanfter und freundlicher sind (vgl. die Ausgaben von 1933). Bis heute existieren im kleinen Rahmen von sogenannten Lorberianern oder Lorber Freund*innen kleinere Hauskreise, in denen das Wort Gottes für alle Interessierten ohne weltanschauliche Einengung gelesen oder prophetisch weitergegeben wird. Lorbers Schriften waren bereits in den frühen Jahren durch engagierte Förderer verlegt worden. Trotz Anstrengungen der Zensur und Geldproblemen wuchs der Freundeskreis seines Schrifttums. Heute ist es der Lorber-Verlag in Bietigheim, der die Herausgabe der Schriften betreut und die Werke in zahlreiche Sprachen übersetzt hat. (vgl. zur Geschichte der Lorber-Bewegung Burtscher. 2018).

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