Waffen wurden wenige mitgenommen, aber eine Kammer mit Pulver gefüllt, was beunruhigen konnte; denn die einzige Kanone an Bord konnte solches Bedürfnis nicht haben. Ebenso wurde für riesenhafte Sägen gesorgt und starke Werkzeuge, wie Hobel, bleierne Keulen, Handsägen, enorme Beile usw., dazu eine ansehnliche Menge Sprengzylinder, womit man das ganze Zollgebäude Liverpools in die Luft sprengen konnte, Raketen und Kunstfeuer zu Signalen, Fanale aller Art.
Die zahlreichen Zuschauer auf den Kais von New-Princes-Docks bewunderten ferner ein langes Walfischboot von Mahagoni, eine Pirogue von Blech mit Guttapercha3 bezogen, und eine Anzahl Halkett-boafs, Kautschuküberzüge, welche man durch Aufblasen in Canots verwandeln konnte. Jeder fühlte sich umso mehr beunruhigt, als mit der sinkenden Flut der Forward zu seiner geheimnisvollen Bestimmung abzufahren im Begriff war.
1 Kontor, Niederlassung eines Handelsunternehmens <<<
2 Mischung aus zerstoßenem Dörrfleisch und Fett, die die Indianer Nordamerikas als Reiseproviant und Notration nutzten. <<<
3 gummiartiger, kautschukähnlicher Naturstoff <<<
Das Schreiben, welches Richard Shandon acht Monate zuvor erhalten hatte, lautete wörtlich:
Aberdeen, den 2. August 1859.
»Herrn Richard Shandon, Liverpool.
Mein Herr!
Gegenwärtiges soll Sie in Kenntnis setzen, dass sechzehntausend Pfd. Sterling dem Bankhause Marcuart & Cie. in Liverpool zugestellt worden sind. Hier beifolgend eine Reihe von Anweisungen mit meiner Unterschrift, mit welchen Sie über Summen bis zu dem gedachten Betrag verfügen können.
Sie kennen mich nicht; darauf kommt wenig an. Ich kenne Sie, und das ist die Hauptsache.
Ich biete Ihnen die Stelle des Unterbefehlshabers an Bord der Brigg Forward zu einer Expedition, die lang und gefährlich sein kann.
Lehnen Sie ab, so ist’s nichts. Nehmen Sie an, so sollen Sie fünfhundert Pfund als Gehalt empfangen, und nach Verlauf jedes Jahres, solange die Unternehmung dauert, soll Ihr Gehalt um ein Zehntel erhöht werden.
Die Brigg Forward existiert noch nicht. Sie müssen sie noch bauen lassen, sodass sie spätestens zu Anfang April 1860 in die See stechen kann. Hierbei folgt ein detaillierter Plan mit Aufriss. Sie haben sich pünktlich daran zu halten. Das Schiff soll in den Werften der Herren Scott & Cie. gezimmert werden, mit welchen Sie sich darüber zu benehmen haben.
Ich empfehle Ihnen ganz besonders die Bemannung des Forward; sie wird bestehen aus einem Kapitän, der bin ich, einem Lieutenant, Sie, einem dritten Offizier, einem Rüstmeister, zwei Maschinisten, einem Eismeister, acht Matrosen und zwei Heizern, zusammen achtzehn Mann, inbegriffen den Doktor Clawbonny aus dieser Stadt, welcher zu gehöriger Zeit bei Ihnen erscheinen wird.
Die zur Teilnahme an der Expedition des Forward berufenen Leute müssen Engländer sein, frei, ohne Familie, unverheiratet, nüchtern (denn geistige Getränke und selbst Bier werden an Bord nicht geduldet), bereit alles zu unternehmen und alles zu ertragen. Sie werden dieselben vorzugsweise aus Leuten von sanguinischer Leibesbeschaffenheit wählen, welche eben deshalb das Lebensprinzip tierischer Wärme in höherem Grade in sich enthalten.
Sie bieten ihnen das Fünffache ihres gewöhnlichen Soldes, mit einer jährlichen Zulage von einem Zehntel. Bei Beendigung der Unternehmung werden jedem derselben fünfhundert Pfund zugesichert, und zweitausend Pfund Ihnen. Diese Gelder werden von den obgedachten Herren Marcuart & Cie. bezogen.
Diese Unternehmung wird lange dauern und voll Strapazen, aber ehrenvoll sein. Sie haben sich also nicht zu besinnen, Herr Shandon.
Antwort poste restante1 Göteborg (Schweden) unter K. Z.
P. S. Sie werden künftigen fünfzehnten Februar einen großen dänischen Hund mit herabhängenden Lefzen, schwärzlich fahl mit schwarzen Querstreifen empfangen. Sie wollen ihm an Bord eine Stätte anweisen und ihm Gerstenbrot vermischt mit Brühe von Talgbrot zum Futter geben. Den Empfang des Hundes melden Sie nach Livorno unter gleichen Buchstaben wie oben.
Der Kapitän des Forward wird zu passender Zeit sich einfinden und zu erkennen geben. Im Augenblick der Abfahrt werden Sie neue Instruktionen bekommen.
Der Kapitän des Forward
K. Z.«
1 postlagernd <<<
Richard Shandon war ein guter Seemann; er hatte lange Zeit Walfischfänger in den Nord-Polarmeeren kommandiert und dabei in ganz Lancaster einen fest begründeten Ruf gewonnen. Ein solcher Brief konnte mit Recht tiefen Eindruck machen; dies geschah denn auch bei ihm, doch blieb er kaltblütig.
Er befand sich zudem in den gewünschten Verhältnissen; weder Frau, noch Kinder, noch Verwandte; ein freier Mann, wie irgend einer. Da er also mit niemand zu beraten hatte, begab er sich stracks zu den Bankiers Marcuart & Cie.
»Wenn das Geld da ist«, sagte er sich, »kommt das übrige von selbst.«
Er wurde in dem Bankhause mit den Rücksichten empfangen, welche man einem Manne zollt, auf den sechzehntausend Pfund ruhig in einer Kasse warten. Als dieser Punkt im reinen war, ließ sich Shandon ein Blatt weißes Papier geben und meldete mit derber Seemannshandschrift seine Annahme unter der angegebenen Adresse.
Noch denselben Tag setzte er sich mit den Schiffbaumeistern zu Birkenhead in Verbindung, und vierundzwanzig Stunden nachher lag bereits der Kiel des Forward der Länge nach auf den Stapelblöcken des Zimmerplatzes.
Richard Shandon war ein Junggeselle von vierzig Jahren, kräftig, energisch und tapfer, drei Vorzüge eines Seemanns, denn sie verleihen Zuversicht, Nachdruck und Kaltblütigkeit. Er war als ein eifersüchtiger und schwer zu befriedigender Charakter bekannt, daher auch nie von seinen Matrosen geliebt, vielmehr gefürchtet. Dieser Ruf ging übrigens nicht soweit, dass er ihm Mühe verursacht hätte, seine Mannschaft zusammenzubringen, denn man wusste, dass er gewandt sich aus der Not herauszuziehen vermochte.
Shandon besorgte, die geheimnisvolle Seite möge geeignet sein, ihn in seinem Vorgehen zu hemmen.
»So ist’s denn auch am besten«, sagte er sich, »nichts laut werden zu lassen; es gibt Seehunde, die möchten auch das Weil und Warum der Sache wissen, und da ich nichts weiß, so wäre ich sehr in Verlegenheit, ihnen zu antworten. Dieser K. Z. ist sicher ein sonderlicher Geselle; aber schließlich kennt er mich und rechnet auf mich: Das genügt. Sein Schiff soll hübsch hergerichtet werden, und ich will nicht Richard Shandon heißen, wenn es nicht die Bestimmung hat, das Eismeer zu befahren. Aber das wollen wir unter uns behalten.«
Darauf ließ sich Shandon angelegen sein, seine Mannschaft aufzubringen, und zwar genau unter den vom Kapitän vorgeschriebenen Bedingungen.
Er kannte einen wackeren, sehr ergebenen Burschen, der ein guter Seemann war, James Wall mit Namen. Derselbe mochte dreißig Jahre alt sein und hatte schon mehrmals die nördlichen Meere besucht. Shandon bot ihm die Stelle eines dritten Offiziers an, und James Wall nahm ohne weiteres an; es war ihm nur um die Fahrt zu tun. Shandon setzte ihm die Sache im Detail auseinander, und ebenso einem gewissen Johnson, den er zu seinem Rüstmeister machte.
»Ein groß’ Glück ist’s nicht«, erwiderte James; »so viel wert als sonst etwas. Handelt sich’s darum, die nordwestliche Durchfahrt zu suchen, so kann man wieder heimkehren.«
»Nicht immer«, erwiderte Meister Johnson; »aber es ist das doch kein Grund, um die Fahrt nicht zu machen.«
»Übrigens, irren wir nicht in unsern Vermutungen«, fuhr Shandon fort, »so muss man zugeben, dass die Fahrt unter günstigen Umständen vor sich geht. Der Forward wird ein vorzügliches Schiff sein, und mit einer guten Maschine versehen kann er weit fahren. Wir brauchen nur achtzehn Mann im ganzen.«
»Achtzehn Mann«, versetzte Meister Johnson; »so viel hatte der Amerikaner Kane an Bord, als er seine berühmte Fahrt nach dem Pol unternahm.«
»Es ist immer höchst auffallend«, fuhr Wall fort, »dass ein Privatmann noch einmal den Versuch macht, durch das Meer von der Davis- zur Behrings-Straße zu dringen. Die zum Auffinden des Admirals Franklin ausgeschickten Expeditionen haben England schon über siebenhundertundsechzigtausend Pfund gekostet, ohne zu irgendeinem praktischen Resultat zu führen! Wer zum Teufel kann nochmals sein Vermögen an eine solche Unternehmung setzen?«
»Vor allem, James«, erwiderte Shandon, »räsonieren wir über eine bloße Vermutung. Ob wir wirklich in die nördlichen oder südlichen Polarmeere fahren werden, weiß ich nicht. Vielleicht handelt sich’s darum, eine neue Entdeckung zu versuchen. Übrigens soll über kurz oder lang ein gewisser Doktor Clawbonny sich einfinden, der wird ohne Zweifel mehr davon wissen und Auftrag haben, uns darüber zu unterweisen. Werden schon sehen.«
»So warten wir also ab«, sagte Meister Johnson. »Ich meinesteils will nun tüchtige Untergebene aufsuchen, Kommandant, und was ihr Prinzip der Lebenswärme, wie der Kapitän sagt, betrifft, so will ich zum voraus dafür einstehen. Sie können sich auf mich verlassen.«
Dieser Johnson war ein sehr schätzbarer Mann; er war mit der Schifffahrt in den hohen Breitengraden vertraut. Er hatte sich als Quartiermeister an Bord des Phönix befunden, welcher zu den im Jahre 1853 zum Aufsuchen Franklins entsendeten Expeditionen gehörte; dieser wackere Seemann war sogar beim Tod des französischen Lieutenants Bellot zugegen, welchen er bei seiner Fahrt durch die Eisberge begleitete. Johnson kannte das Matrosenpersonal zu Liverpool, und machte sich sogleich ans Werk, seine Leute zusammenzubringen.
Shandon, Wall und er hatten solchen Erfolg, dass schon in den ersten Dezembertagen ihre Mannschaft vollständig beisammen war; doch ging es nicht ohne Schwierigkeiten ab; viele, die wohl durch die hohe Löhnung sich anlocken ließen, wurden doch durch die unbestimmte Zukunft der Expedition abgeschreckt, und mancher ließ sich zwar entschlossen anwerben, kam aber nach einiger Zeit wieder, um sein Wort und Draufgeld zurückzugeben. Alle versuchten übrigens durch das Geheimnis zu dringen, und drängten den Kommandanten Richard mit Fragen; derselbe verwies sie an Meister Johnson.
»Was willst du, dass ich dir sagen soll, mein Freund!« erwiderte der letztere unabänderlich. »Ich weiß nicht mehr als du. Jedenfalls wirst du dich in guter Kameradschaft befinden mit unerschrockenen Gesellen, die nicht wanken; das ist schon etwas! Also nicht so viel Bedenken! Es gilt annehmen oder lassen!«
Und die meisten nahmen an.
»Du begreifst wohl«, fügte manchmal der Rüstmeister bei, »dass mir die Wahl wehe tut. Eine so hohe Löhnung, wie man sie noch niemals erlebt hat, mit der Gewissheit, bei seiner Rückkehr ein hübsches Kapital beisammen zu haben, so etwas kann doch wohl anziehen.«
»Allerdings«, erwiderten die Matrosen, »das ist sehr verführerisch! Ein gutes Auskommen bis ans Ende seiner Tage!«
»Ich will indes nicht verhehlen«, fuhr dann Johnson fort, »dass die Unternehmung langwierig, mühevoll und gefährlich ist; das steht ausdrücklich in unseren Instruktionen; also muss man sich wohl merken, wozu man sich verbindlich macht; sehr wahrscheinlich, alles Menschenmögliche zu versuchen und vielleicht noch mehr! Also hast du nicht Mut im Herzen, einen erprobten Charakter, hast du nicht den Teufel im Leibe, magst du dir nicht sagen, dass zwanzig gegen eins du dabeibleiben kannst, kurz, ist es dir darum zu tun, dass du deine Haut lieber an dem Ort lässest, wie an einem anderen – so kehre mir den Rücken und überlass deinen Platz einem kühneren Gesellen!«
»Aber doch, Meister Johnson«, fuhr der Matrose, wenn ihm so zugesetzt wurde, fort, »Sie kennen doch wenigstens den Kapitän?«
»Kapitän ist Freund Richard Shandon, bis dass ein anderer an seine Stelle tritt.«
Das war auch wohl die Meinung des Kommandanten; er gab sich gern der Idee hin, dass er im letzten Moment seine genauen Instruktionen über das Reiseziel erhalten und dann Chef an Bord des Forward bleiben werde. Er verbreitete auch gern diese Meinung, sei’s im Gespräch mit seinen Offizieren, sei’s im Verlauf der Schiffbauarbeiten.
Shandon und Johnson hielten sich strenge an die hinsichtlich der Gesundheit der Mannschaft gegebenen Vorschriften; dieselbe hatte ein befriedigendes Aussehen; ihre elastischen Glieder, ihre klare und blühende Hautfarbe zeigte, dass sie die strengste Kälte auszuhalten fähig waren. Es waren zuversichtliche und entschlossene Männer, energisch und von dauerhafter Leibesbeschaffenheit.
Matrosenunterhaltung über den Forward
Die gesamte Mannschaft gehörte dem protestantischen Religionsbekenntnis an; das gemeinsame Gebet, das Bibellesen trägt oft dazu bei, widerwärtige Gemüter in Eintracht zu halten und zurzeit der Entmutigung aufzurichten. Shandon wusste aus Erfahrung, wie ersprießlich diese Gewohnheiten in ihrem Einfluss auf die Sittlichkeit einer Mannschaft sind.
Hierauf besorgten Shandon und seine beiden Offiziere die Verproviantierung, wobei sie sich streng an die Instruktionen des Kapitäns hielten, welche klar, präzis und ins einzelne gehend waren und die Quantität wie Qualität der geringsten Artikel vorschrieben. Die empfangenen Anweisungen setzten den Kommandanten instand, jeden Artikel bar zu bezahlen, mit einem Diskont von acht Prozent, welchen Richard Shandon pünktlich zugunsten des K. Z. eintrug.
Mannschaft, Proviant, Ladung, alles war im Januar 1860 bereit und fertig. Shandon fand sich tagtäglich zu Birkenhead ein.
Am 23. Januar vormittags befand er sich seiner Gewohnheit nach auf einer der breiten Dampfbarken, welche an beiden Enden mit einem Steuer versehen unablässig die Überfahrt von einem Ufer der Mersey ans andere besorgen; es herrschte damals einer der gewöhnlichen Nebel, welcher die Bootsleute des Flusses nötigte, sich des Kompasses zu bedienen, obwohl die Überfahrt kaum zehn Minuten währt.
Indessen, so dick dieser Nebel war, sah Shandon durch denselben hindurch einen Mann von untersetzter Statur, etwas dick, mit feinen, munteren Gesichtszügen und freundlichem Blick, der auf ihn zuging, seine beiden Hände ergriff und mit einer Wärme und Vertraulichkeit schüttelte, die, wie die Franzosen sich ausdrücken »ganz südlich« war.
Ankunft des Doktor Clawbonny
Aber war dieser Mann auch nicht aus dem Süden, so kam er doch eben von dort; er sprach und gestikulierte flink; sein Gedanke machte sich Luft um jeden Preis; seine Augen, klein wie die eines Mannes von Geist, sein großer, beweglicher Mund gaben der Überfülle des Inneren einen Ausweg; er sprach so viel und so lebhaft, dass Shandon, offen gestanden, nichts davon verstand.
Doch erkannte der Schiffslieutenant sogleich den kleinen Mann, obschon er ihn nie gesehen hatte; und als dieser einmal Atem holte, äußerte Shandon:
»Der Doktor Clawbonny?«
»Er selbst, in eigner Person, Kommandant! Seit einer vollen Viertelstunde suche ich Sie, frage allerwärts nach Ihnen! Sie sind es also, Kommandant Richard Shandon? Sie sind’s leibhaftig? Keine Mythe also? Ihre Hand, Ihre Hand! Dass ich sie nochmals drücke. Wenn es nun einen Kommandanten Richard Shandon gibt, so gibt es auch eine Brigg Forward unter seinem Befehl; und wenn er abfährt, wird er den Doktor Clawbonny mitnehmen.«
»Jawohl, Doktor, ich bin Richard Shandon, es existiert eine Brigg Forward, die wird abfahren!«
»Das ist logisch«, erwiderte der Doktor. »Darum bin ich auch so froh, auf der Höhe meiner Wünsche! Seit langer Zeit wartete ich auf eine solche Gelegenheit voll Sehnsucht, eine solche Reise zu machen. Nun, mit Ihnen, Kommandant …«
»Gestatten Sie …« sagte Shandon.
»Mit Ihnen«, fuhr Clawbonny fort, ohne ihn zu hören, »werden wir gewiss weit fahren, und keinen Fußbreit weichen.«
»Aber …« versetzte Shandon.
»Denn Sie haben schon Proben abgelegt, Kommandant, und ich weiß, was Sie geleistet haben. Ah! Sie sind ein stolzer Seemann!«
»Wollen Sie die Güte haben …«
»Nein, ich will Ihre Kühnheit, Ihre Tapferkeit und Geschicklichkeit nicht einen Augenblick in Zweifel gezogen haben, nicht einmal von Ihnen! Der Kapitän, der Sie zu seinem Stellvertreter gewählt hat, versteht sich darauf, dafür bürg’ ich!«
»Aber darum handelt sich’s nicht«, sagte Shandon ungeduldig.
»Und warum handelt sich’s denn? Sie lassen mich lange schmachten.«
»Sie lassen mich ja nicht reden, zum Henker! Sagen Sie mir nur freundlicherweise, Doktor, wie sind Sie dazu gebracht worden, an der Expedition des Forward teilzunehmen?«
»Nur durch einen Brief, den ich hier Ihnen vorweise; er ist sehr lakonisch, aber hinreichend!«
Mit diesen Worten überreichte er Shandon das Schreiben, welches also lautete:
»Inverneß, den 22. Januar 1860.
An den Doktor Clawbonny, Liverpool.
Wenn der Doktor Clawbonny sich für eine lange dauernde Expedition auf dem Forward einschiffen will, kann er sich dem Kommandanten Richard Shandon vorstellen, welcher dafür instruiert ist.
Der Kapitän des Forward.
K. Z.«
»Der Brief ist diesen Vormittag angekommen, und ich bin schon bereit, an Bord des Forward zu gehen.«
»Aber doch«, fuhr Shandon fort, »wissen Sie, Doktor, worin der Zweck dieser Reise besteht?«
»Durchaus nicht; aber was liegt daran? Gehe ich nur irgendwohin. Man nennt mich einen Gelehrten; der bin ich nicht, Kommandant, ich weiß nichts, und wenn ich einige Bücher schrieb, die Absatz finden, so tat ich nicht wohl daran, das Publikum ist wohl so gütig, sie zu kaufen. Ich weiß nichts, sag’ ich Ihnen; nur das weiß ich, dass ich nichts weiß. Nun bietet man mir an, meine Kenntnisse zu vervollständigen, oder, besser gesagt, mir erst Kenntnisse zu erwerben in Medizin, Chirurgie, Geschichte, Geografie, Botanik, Mineralogie, Konchyliologie,1 Geodäsie,2 Chemie, Physik, Mechanik, Hydrografie. Nun, ich nahm’s an und versichere Sie, dass ich mich nicht bitten lasse!«
»So wissen Sie also nicht«, fuhr Shandon verdrießlich fort, »wohin der Forward gehen soll?«
»O ja, Kommandant, er fährt dahin, wo es etwas zu lernen, zu entdecken, sich zu belehren, zu vergleichen gibt, wo man andere Sitten, andere Länder, andere Völker trifft, um sie bei ihren Verrichtungen zu studieren; er fährt, mit einem Wort, dahin, wo ich noch niemals gewesen bin.«
»Aber spezieller?« rief Shandon.
»Spezieller«, erwiderte der Doktor, »ich hörte sagen, er fahre in die Nordmeere. Gut, ich bin es zufrieden nach Norden!«
»Sie kennen doch«, fragte Shandon, »den Kapitän des Schiffes?«
»Im mindesten nicht! Aber, Sie dürfen mir’s glauben, ’s ist ein wackerer Mann!«
Als der Kommandant und der Doktor zu Birkenhead ausgestiegen waren, machte jener diesen mit der Sachlage bekannt, und dieses Geheimnis entzündete die Fantasie des Doktors. Beim Anblick der Brigg war er über die Maßen erfreut. Seit diesem Tag wich er Shandon nicht von der Seite und besuchte jeden Morgen den Rumpf des Forward.
Auch wurde er besonders beauftragt, die Einrichtung der Pharmazie an Bord zu überwachen.
Denn dieser Clawbonny war Arzt, und sogar ein guter Arzt, aber mit wenig Praxis. Im fünfundzwanzigsten Jahre ein Doktor wie alle anderen, war er im vierzigsten ein echter Gelehrter; sehr gekannt in der ganzen Stadt, wurde er ein einflussreiches Mitglied der literarischen und philosophischen Gesellschaft zu Liverpool. Sein kleines Vermögen gestattete ihm, unentgeltlich Rat zu erteilen, der darum nicht minder Wert hatte; geliebt, wie es einem ausnehmend liebenswürdigen Mann gebührte, fügte er nie jemand ein Leid zu, nicht einmal sich selber; lebhaft und redselig, wenn man will, aber das Herz in der Hand, reichte er diese jedermann.
Als sich in der Stadt das Gerücht von seiner Aufnahme an Bord des Forward verbreitete, boten seine Freunde alles auf, ihn zurückzuhalten; aber das bestärkte ihn nur umso mehr in seinem Vorhaben. Wenn aber der Doktor irgendwo Wurzel gefasst hatte, gehörte viel dazu, um ihn wieder von diesem Boden auszureißen!
Von diesem Tage an nahmen die Vermutungen und Befürchtungen in steigendem Maße zu; aber das hinderte nicht, dass der Forward am 5. Februar 1860 vom Stapel lief. Zwei Monate später war er zum Auslaufen bereit.
Am 15. Februar, wie das Schreiben des Kapitäns angekündigt hatte, wurde auf der Eisenbahn von Edinburgh nach Liverpool ein Hund dänischer Rasse an Richard Shandon überschickt.
Das Tier schien tückisch, scheu, selbst ein wenig schlimm, mit einem eigentümlichen Blick. Auf seinem kupfernen Halsband war die Inschrift Forward. Der Kommandant wies ihm sogleich an Bord seine Stätte an und meldete den Empfang unter den angegebenen Buchstaben an Livorno.
So war also bis auf den Kapitän die Bemannung vollständig. Sie bestand aus:
1. K. Z., Kapitän;
2. Richard Shandon, Kommandant;
3. James Wall, dritter Offizier;
4. Doktor Clawbonny;
5. Johnson, Rüstmeister;
6. Simpson, Harpunier;
7. Bell, Zimmermann;
8. Prunton, erster Maschinist;
9. Plover, zweiter Maschinist;
10. Strong (Neger), Koch;
11. Foker, Eismeister;
12. Wolsten, Waffenschmied;
13. Bolton, Matrose;
14. Garry, Matrose;
15. Clifton, Matrose;
16. Gripper, Matrose;
17. Pen, Matrose;
18. Waren, Heizer.
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