Vier Jahre in der Stonewall Brigade

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Vier Jahre in der Stonewall Brigade
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John Overton Casler

Vier Jahre in der Stonewall Brigade

Ein Soldat der 33rd Virginia Infantry erinnert sich an den Amerikanischen Bürgerkrieg

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Übersetzers

Vorwort des Autors

Kapitel 01: Der unvermeidbare Krieg

Kapitel 02: Ich werde Soldat in Thomas J. Jacksons Brigade

Kapitel 03: Die Erste Schlacht von Manassas

Kapitel 04: Briefe von Colonel Cummings, Captain Barton und meiner Wenigkeit

Kapitel 05: Vorpostendienst – General Jackson wird befördert und verlässt seine Brigade

Kapitel 06: Der Shenandoah-Feldzug – Die Schlacht von Kernstown

Kapitel 07: Von McDowell nach Harper's Ferry

Kapitel 08: Die Schlachten von Cross Keys und Port Republic – Unterwegs nach Richmond

Kapitel 09: Savage Station – Malvern Hill – Ein friedliches Treffen im Brombeerfeld

Kapitel 10: Die Schlacht von Cedar Mountain – Der Tod von General Winder

Kapitel 11: Die Zweite Schlacht von Manassas

Kapitel 12: Die Schlachten von South Mountain und Antietam – Jackson erobert Harper's Ferry

Kapitel 13: Lieutenant Blues Erkundungstrupp

Kapitel 14: Kriegsgericht

Kapitel 15: Die Schlacht von Chancellorsville – Der Tod von General Jackson

Kapitel 16: Von Culpeper nach Carlisle

Kapitel 17: Die Schlacht von Gettysburg – Rückzug

Kapitel 18: Ich werde festgenommen – Erschießung von Deserteuren

Kapitel 19: Der Mine Run-Feldzug

Kapitel 20: Die große Schneeballschlacht – Die Schlachten in der Wilderness und bei Spotsylvania

Kapitel 21: Rückkehr zu Kompanie A – Die Schlachten von Bethesda Church

Kapitel 22: Die Zweite Schlacht von Cold Harbor – Zusammenlegung der Brigaden

Kapitel 23: Schlachten im Shenandoah-Tal – Earlys Rückzug

Kapitel 24: Die Schlacht von Cedar Creek

Kapitel 25: Der Letzte von Kompanie A – McFerns Gefangennahme

Kapitel 26: Ich werde gefangen genommen

Kapitel 27: Der Marsch in die Gefangenschaft – Fort McHenry

Kapitel 28: Lee kapituliert – Lincoln wird ermordet – Meine Freilassung

Kapitel 29: Ich kehre nach Hause zurück – Weder ein Held noch ein Feigling

Anhang

B: Gefechtsberichte der 33rd Virginia Infantry

Schlacht von Kernstown

Shenandoah-Feldzug

Halbinsel-Feldzug

Schlacht von Cedar Run

Zweite Schlacht von Manassas

Schlacht von Ox Hill, Maryland-Feldzug

Schlacht von Fredericksburg

Schlacht von Chancellorsville

Gettysburg-Feldzug

Mine Run-Feldzug

Das Ende der Stonewall Brigade

Impressum neobooks

Vorwort des Übersetzers

Widmung

Dieses Werk ist in respektvoller Ergebenheit gleichermaßen den "Jungs in Grau" wie den "Jungs in Blau" gewidmet, die beide für eine Sache kämpften und litten, welche sie als gerecht erachteten.

"Unser Schlachtruf wird nie mehr erschallen,

Uns're Kriegsflaggen sinken herab,

Uns're zornigen Stimmen verhallen

Und wir werden zu Brüdern im Grab.

Möge Gott die Erlösung uns schenken,

Möge ewig die Nachwelt gedenken

In Liebe und Trauer der Blauen,

In Trauer und Liebe der Grauen."

Der Autor

"Ich bin ein großer Freund der Wahrheit, besonders hinsichtlich der historischen Fakten. Möge stets die Wahrheit ans Licht kommen, ganz gleich, wem sie nützt oder schadet. Künftige Generationen haben ein Recht auf die Wahrheit."

John O. Casler

Als die alternden Veteranen des Sezessionskrieges in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in größerer Zahl beginnen, ihre Memoiren und Kriegserinnerungen zu Papier zu bringen, tun sie dies aus den verschiedensten Beweggründen, jedoch nur selten, um ihren Beitrag zu einer objektiven Geschichtsschreibung zu leisten. Die Mehrheit der literarisch mehr oder minder begabten Verfasser drängt es mit fortschreitendem Alter, "ihre Geschichte" zu erzählen und der Nachwelt zu versichern, dass sie "ihren Teil beigetragen" haben. Verständlicherweise fühlen sie sich dabei dem eigenen Ansehen ebenso verpflichtet wie dem Andenken an die alten Kameraden und so ist die Versuchung groß, möglichst den gesellschaftlichen Erwartungen an den "tapferen, treuen Soldaten" zu entsprechen, indem sie die positiven Aspekte betonen und die negativen Seiten des Kriegserlebnisses abmildern. Während diese Erinnerungen lesenswerte historische Zeugnisse darstellen, so sind es die vergleichsweise seltenen Werke, welche die Perspektive des Zeitzeugen mit der Faktentreue des Historikers und erzählerischer Begabung verbinden, die allgemein den "Klassikern" der Bürgerkriegsliteratur zugerechnet werden.

Einer dieser unbestrittenen Klassiker des Genres ist "Vier Jahre in der Stonewall Brigade" von John Overton Casler (1838-1926). Casler ist zu Beginn des Krieges 23 Jahre alt. Die jugendliche Wanderlust hat den jungen Farmerburschen aus dem heimatlichen Virginia nach Missouri verschlagen, doch als er die Unabwendbarkeit des Krieges erkennt, kehrt er zum Schutze seines Heimatstaates an die Ostküste zurück, wo er sich zu Kompanie A der 33rd Virginia Infantry meldet. Bereits einen knappen Monat später erlebt der frische Rekrut seine Feuertaufe in der Ersten Schlacht von Manassas, wo sich sein Regiment und seine Brigade einen Ruf erwerben, der sich im Laufe des Krieges zur Legende auswächst. Es ist ein Ruf, den die jungen Farmer- und Handwerkerburschen aus dem ländlichen Virginia teuer erkaufen müssen. Casler erweist sich rasch als unabhängiger Freigeist, der sich ausschließlich seinem eigenen moralischen Kompass verpflichtet sieht; die Befehle fremder Autoritäten nimmt er nicht ungeprüft hin. Hierin ist er ganz "Rebell". Er folgt seiner Brigade und ihrem legendären Kommandeur Thomas J. "Stonewall" Jackson durch Schlacht um Schlacht, dient zeitweise im Pioniercorps seiner Division und wird Zeuge, wie seine Kompanie und sein Regiment in zahllosen Gefechten allmählich aufgerieben werden, bis sie schließlich fast nur noch auf dem Papier bestehen. Wenige Monate vor Kriegsende gerät Casler in Gefangenschaft und wird nach Fort McHenry gebracht, wo er unter sadistischen Wärtern und mörderischen Haftbedingungen zu leiden hat. Nach dem Kriege fällt dem von seinen Erlebnissen gezeichneten Casler die Rückkehr in einen geordneten Lebenswandel schwer. Er widmet einen beträchtlichen Teil seiner Energien dem Aufbau diverser Veteranen-Vereinigungen, darüber hinaus tritt er eher unkonventionell in Erscheinung: Ein Veteranenheim in Richmond verweigert ihm wegen Trunkenheit und unflätiger Beleidigung der Anstaltsleitung die weitere Unterbringung; in einer finanziellen Notlage täuscht er den eigenen Tod vor, um die Familie in den Genuss einer Lebensversicherungspolice zu bringen, doch der verwegene Plan misslingt.

 

In dieser Lebenssituation greift Casler auf Drängen seines Freundeskreises zur Feder und beginnt, sich seine Kriegserlebnisse von der Seele zu schreiben, ohne einen Gedanken an irgendjemandes Reputation zu verschwenden. Casler lobt und tadelt nach bestem Wissen und Gewissen, nicht aus Sympathie oder Antipathie. Als eifriger Leser der Erinnerungsliteratur seiner ehemaligen Kameraden wird er sich bald bewusst, dass er mit seiner schonungslos offenen, keinem Pathos verpflichteten Schreibweise eine Lücke in der Geschichtsschreibung des einfachen Soldaten geschlossen hat, doch der außerordentliche Erfolg seines Buches trifft ihn doch überraschend. Es erreichen ihn zahllose Briefe von Veteranen aus Nord und Süd gleichermaßen, welche in Caslers Buch ihre eigenen Erlebnisse wiedererkennen und in der schnörkellosen Wahrheit seiner Zeilen Hilfe bei der Bewältigung ihrer eigenen Vergangenheit finden.

Casler räumt "Pracht, Pomp und Rüstung des glorreichen Kriegs" wenig Raum ein; er schildert das hastige Verscharren verbrannter Leichen, die Erschießung von Deserteuren, den Zerfall von Disziplin und Hoffnung, die allzu menschlichen Schwächen der Soldaten, das Leid der Zivilbevölkerung, die Narben, welche der Krieg an Leib und Seele hinterlässt. Dabei bleibt er weitestgehend sachlich; die Bewertung des Geschilderten überlässt er dem Leser.

Auch Jahrzehnte nach dem Tod des letzten Veteranen hält Caslers Buch den prüfenden Blicken der Historiker stand und gilt unzweifelhaft als ein Standardwerk des Genres. Douglas Southall Freeman, Historiker und pulitzerpreisgekrönter Autor des mehrbändigen Werkes "R. E. Lee: A Biography", bezeichnet Caslers Erinnerungen treffend als ein "Gegengift gegen die exzessive Heroisierung der konföderierten Army of Northern Virginia" und gelangt zu dem Schlusse: "Eine objektive Betrachtung dieser Armee ist ohne Caslers Perspektive schlicht unmöglich."

Florian Dexheimer

Vorwort des Autors

Bevor ich diese Memoiren der geneigten Leserschaft unterbreite, möchte ich ausdrücklich betonen, dass jedes Wort in dem vorliegenden Buche nach meinem besten Wissen und Gewissen wahr ist. Ich war Augenzeuge oder direkter Teilnehmer aller darin geschilderten Ereignisse, mit Ausnahme einiger weniger Begebenheiten, von denen ich in Gesprächen mit meinen Kameraden erfuhr, an deren Wahrheit ich jedoch keinen Zweifel hege. Ferner möchte ich zu meiner Verteidigung anführen, dass ich weder ein Schriftsteller bin, noch einer meiner Vorfahren jemals durch literarische Exzellenz aufgefallen wäre. Die Niederschrift dieses Buches war das erste und wohl auch einzige Mal, dass ich die Gelegenheit und das Bestreben hatte, meiner Nachwelt etwas von bleibendem Interesse zu hinterlassen. Ein jeder, der die literarische Qualität dieser Memoiren kritisieren möchte, mag dies gerne tun.

Zu Beginn des Krieges führte ich, wie es bei vielen jungen Burschen auf beiden Seiten üblich war, ein Tagebuch, tat dies jedoch nicht so gewissenhaft, wie ich es mir anfangs vorgenommen hatte. Zudem gingen mehrere Seiten verloren, weswegen ich meine Kriegserinnerungen nicht in strikter Tagebuchform veröffentlichen kann. Ich habe aber selbstverständlich weitestgehend auf meine alten Aufzeichnungen zurückgegriffen, etwa, um mich einiger Ortsnamen und Daten zu versichern. Mir wäre damals niemals in den Sinn gekommen, dass ich meine gekritzelten Zeilen jemals veröffentlichen könnte, denn ich führte lediglich ein Tagebuch, damit meine Eltern und meine Schwestern im Falle meines Todes Gewissheit über meine Zeit in der Armee erlangen könnten (sofern es sie jemals erreicht hätte).

Das Ende des Krieges liegt nun schon mehr als ein Vierteljahrhundert in der Vergangenheit und seitdem haben viele meiner Freunde mein altes Tagebuch gelesen und mich gedrängt, meine Erlebnisse aus dem Kriege der Nachwelt zugänglich zu machen, solange es mir noch möglich sei und meine Erinnerungen noch nicht vom allzu fortgeschrittenen Alter getrübt seien.

Über die Ursachen des Krieges oder moralische Fragen von Recht und Unrecht werde ich mich nicht ereifern. Meine Geschichte ist nicht mehr und nicht weniger als die sachliche Schilderung der Erlebnisse eines jener "einfachen Burschen in Grau", die zu tausenden die Reihen der Regimenter füllten.

Ich habe im Laufe der Jahre unzählige von Offizieren verfasste Abhandlungen über den Krieg im Allgemeinen und die Feldzüge und Schlachten im Speziellen gelesen, in denen die hohen Tiere ihre Sicht der Dinge darlegen. Ich kann mich hingegen nicht entsinnen, jemals einer ausführlichen Schilderung des Kriegsverlaufes aus der Feder eines einfachen Soldaten begegnet zu sein. Es herrscht wahrlich kein Mangel an Lehrschriften über Militärtaktik, meist verfasst von Männern, die niemals auch nur einen Schuss abgefeuert haben, aber mir ist kein Buch bekannt, dessen Hauptaugenmerk auf dem Kriegsalltage des einfachen Soldaten ruht.

Vorliegendes Buch soll diese Lücke schließen und ich denke, sowohl die Jugend als auch die alten Soldaten werden etliche Dinge von Interesse in seinen Zeilen finden. Ich bin zuversichtlich, dass die ergrauten Veteranen jenes Konfliktes als Zeugen für die Wahrheit meiner Geschichte dienen werden.

Die außerordentlich große Beliebtheit der Erstauflage meines Buches hat mich dazu veranlasst, vorliegende erweiterte und überarbeitete Neuauflage zu veröffentlichen, welche nach sorgfältiger Arbeit nun ein noch umfassenderes Zeitzeugnis für künftige Generationen darstellt.

John Overton Casler

Kapitel 01: Der unvermeidbare Krieg

Es ist nicht das Anliegen des Verfassers, seiner Schilderung der Ereignisse während des vierjährigen Ringens zwischen dem Norden und dem Süden eine detaillierte Analyse der Ursachen des Konfliktes voranzustellen. Es ist dies die Aufgabe der Geschichtsschreibung und deren bisherige Versuche erfolgten je nach Sichtweise und Parteilichkeit der jeweiligen Autoren.

Als die Mason-Dixon-Linie festgelegt wurde, war das Land bereits in zwei mächtige und grundverschiedene Fraktionen gespalten, welche teils gegensätzliche Ansichten bezüglich der Machtausübung der Regierung und der Wirtschaftspolitik der Nation vertraten. Diese Gegensätze waren dermaßen stark ausgeprägt, dass selbst ein unbedarfter Beobachter nicht nur einen internen Konflikt, sondern auch einen unvermeidbaren Krieg und das daraus resultierende Blutvergießen vorausahnen konnte. Von dieser Stunde an verfestigten sich die beiden Fraktionen und steuerten der finalen Auseinandersetzung entgegen, deren letztlicher Ausbruch zeitlich ungewiss, doch trotzdem unausweichlich war. Dabei zeigte sich keine der beiden Seiten kompromissbereit. Es ist wahr, dass eine von ihnen aggressiv und die andere defensiv agierte, doch die Verteidigung war ebenso erbittert wie der Angriff entschlossen war. Im Norden wie im Süden wurde gleichermaßen an die niedersten Instinkte der Menschen appelliert und auf beiden Seiten galt es als die patriotische Pflicht der Männer, um des Heimes, Herdes und Vaterlandes willen zur Waffe zu greifen. Heim und Herd der Südstaatler befanden sich südlich der Mason-Dixon-Linie, jene ihrer einstigen nordstaatlichen Brüder nördlich davon.

Es ist wahr, dass es in beiden Fraktionen etliche Männer gab, deren Patriotismus weitsichtiger war als "Nord" und "Süd" und diese sahen dem nahenden Konflikt mit düsteren Vorahnungen entgegen. Sie waren bereit, im Namen des Friedens und einer für beide Seiten akzeptablen Politik ihre Stimme zu erheben, denn ihre Vaterlandsliebe war stärker als die sektionale Uneinigkeit. Der Sturm der entfesselten Leidenschaften und Vorurteile fegte ihre Bemühungen jedoch mühelos hinfort. Ihre Stimmen verstummten und hilflos sahen sie die Katastrophe nahen. Der Würfel war geworfen, die Linie in den Sand gezogen, das Machtwort gesprochen und keines Sterblichen Hand vermochte dem Orkane mehr Einhalt zu gebieten und die Flut einzudämmen.

Als dann schließlich die Stunde gekommen war, kamen selbst die zögerlichsten Männer nicht umhin, sich jener Seite anzuschließen, welcher sie sich gemäß ihrer Gefühle oder Interessen zugehörig fühlten. Es gab keine gemäßigte Position mehr, an der sie festhalten konnten; der Krieg erzwang ihre Entscheidung und wenn sie diese nicht selbst zu treffen vermochten, so entschied das Schicksal für sie. "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!" lautet das erbarmungslose Motto in Zeiten des Kampfes und diesem Grundsatze mussten die Männer sich beugen, ob sie nun wollten oder nicht. Gleich einer fürchterlichen Lawine rissen die Ereignisse sie mit sich fort.

Die Vereinigten Staaten waren jung und ihre Söhne noch viel jünger. Ein jeder von ihnen fühlte sich als sein eigener König und der Ausdruck "Amerikaner" galt als gleichbedeutend mit "freier Mensch". Dieses Geburtsrecht hielten sie mit Stolz heilig und seine Verletzung war eine Beleidigung ihrer Ehre und der innersten Grundsätze ihres Landes. Ein jeder begann, sich der vermeintlichen, endlos langen Reihe vergangener Schmähungen durch die Gegenseite zu entsinnen und die Glut des Geistes von 1776 wurde zu einer lodernden Flamme angefacht. Der Donner der Kanonen von 1812 hallte über die Felder South Carolinas und wurde als trotziges Echo von den Bergen New Hampshires zurückgeworfen, wo sich das Blut der Söhne Neuenglands erhitzte. Die jungen Männer, erfüllt von kriegerischem Eifer, sahen vor dem inneren Auge ihre Flagge, wie sie von starken Armen in der Schlacht von Chapultepec bis in die Hallen des Montezuma getragen wurde. Die eigenen Waffen hatten auf jedem Schlachtfelde den Sieg davongetragen und niemals war das Schwert mit einem Widersacher gekreuzt worden, ohne dass der Sieg auf dem Fuße gefolgt war. Der amerikanische Adler, dieses stolze, erhabene Tier, war eines jeden Burschen gefiederter Freund und jeder von ihnen fühlte sich verantwortlich, dass dieser Vogel weiterhin frei über den klaren, sonnigen Himmel gleiten könne.

Jeder junge Bursche hielt sich für einen unabdingbaren Wächter der Freiheit und den Beschützer der amerikanischen Lebensart. Keiner von ihnen hielt inne, um das alte Sprichwort zu bedenken: "Es ist kein schlimmerer Krieg als zwischen Blut und Blut." Mit derart beseelten Herzen konnte es nicht verwundern, dass auf den ersten Ruf zu den Fahnen hin tausende Männer von den Prärien des Staates Texas, den Baumwoll- und Reisfeldern South Carolinas und den Hügeln des alten Virginia zu den Waffen eilten und den Kampf geradezu herbeisehnten. Im Norden wie im Süden fühlten die jungen Burschen ihre Arme gestärkt und ihre Nerven gestählt und scharten sich mit unerschütterlichem Selbstvertrauen um ihre Banner.

Das erste, gedämpfte Grollen des Krieges rollte über unser gesamtes, großes Land, vom Atlantik zum Pazifik und vom Golf von Mexiko zu den Großen Seen. Die Zeit für ruhige, nüchterne Besinnung war vorüber, es war dies nicht die Stunde kritischer Selbstreflexion. Von Hügeln und Tälern schallte der Lärm des Krieges und die Nation erzitterte unter dem Gleichschritt der Armeen. Gleich einem trunkenen, wutentbrannten Mob, welcher, einem unbekannten Antriebe folgend, einem ungewissen Ziele entgegenstrebt, so brüllten die sich sammelnden Truppen: "Zu den Waffen! Zu den Waffen!"

In der Zeit zwischen Abraham Lincolns Wahlsieg im November 1860 und dem tatsächlichen Ausbruch des Krieges befand sich das Land in einem Zustande fiebriger Erregung und der geringste Anlass fachte die Leidenschaften weiter an. Die Ereignisse überschlugen sich und die Leidenschaft entriss dem Verstande die Krone, um sie sich selbst aufzusetzen. Finsterste Vorurteile gingen im ganzen Lande von Mund zu Mund und ließen die Flammen des Konfliktes in jedem Staate auflodern.

Am 20. Dezember 1860 erklärte ein in South Carolina zusammengetretener Sonderkonvent einstimmig, dass jener Staat fürderhin nicht mehr der Union angehöre. Am 09. Januar 1861 trat Mississippi aus dem Staatenbund aus, gefolgt von Florida am 10., Alabama am 11., Georgia am 19. und Louisiana am 26. des Monats. Am 01. Februar erklärte Texas seinen Austritt. So hatten binnen drei Monaten nach Abraham Lincolns Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten alle "Kernstaaten" des Baumwollanbaus einmütig die Union verlassen und sämtliche innerhalb ihres Staatsgebietes befindlichen Militäreinrichtungen der Zentralregierung besetzt, mit Ausnahme derer im Hafen von Charleston, South Carolina. [Anm. d. Übers.: Fort Pickens, Fort Taylor und Fort Jefferson an bzw. vor der Küste Floridas widersetzten sich wiederholten Kapitulationsaufforderungen und verblieben bis zum Kriegsende in den Händen der Union.]

 

Während eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Virginias mit dem Süden sympathisierte, so musste doch bedacht werden, dass der Staat unmittelbar an die freien Staaten angrenzte und diese prekäre Lage ließ die Menschen zögern, ehe sie schließlich doch entschlossen Partei ergriffen. Virginia unternahm sogar den Versuch, als Schlichter zu fungieren und die Streitigkeiten und Wunden der Vergangenheit beizulegen, um den drohenden Krieg noch abzuwenden. Doch diese Bemühungen waren mehr als vergebens, sie waren hoffnungslos. Der Sturm zog bereits auf, die schwarzen Gewitterwolken der Leidenschaft und des Hasses hatten sich bereits auf beiden Seiten zusammengezogen und spien sich trotzigen Zorn entgegen.

Zwei immense Vulkane in Nord und Süd hatten bereits zu lange unter dem Druck der aufgestauten Glutmassen gezittert und gegrollt. Nun brachen die unterdrückten Leidenschaften hervor, die geborstenen Krater spuckten Feuer und Flamme und sengende Lavaströme überrollten die schwächlichen Versuche der gemäßigten Vermittler. Das Blut war erhitzt und man löste den niedersten Instinkten die Fesseln. Die Geschicke des Landes wurden in die Hände eines ungewissen Schicksals gelegt. Als Virginia zögerte, entschieden äußere Mächte in seinem Namen und trieben die Willigen wie die Unwilligen in den Krieg.