Moritz von Sachsen (1521-1553)

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Diese Berater und Helfer hat Moritz während seiner Regierung ohne Änderung von seiner Seite her in Dienst behalten. Neue sind hinzugetreten, doch deshalb hat er sich nicht von den bisherigen Männern getrennt. Es ist bemerkenswert, dass sich Moritz im Laufe seiner Regierung nie von einem seiner Mitarbeiter im Streit auf Dauer getrennt hat. Er war bald selbstbewusst und bald regierungserfahren genug, um sich gegenüber seinen Räten immer behaupten zu können. Schon 1542 nimmt Moritz gegen den Rat von Georg von Karlowitz am Türkenfeldzug teil. Der Gedanke, dass Komerstadt der bestimmende Denker, die „graue Eminenz“ hinter Moritz gewesen ist, wäre nicht leicht zu beweisen, weil Moritz auch vieles völlig allein und ohne ihn verhandelt hat.

Sehr bald gliederte Moritz seine Staatsverwaltung und übertrug jeweils bestimmte Bereiche besonderen Räten. Der schon unter Herzog Georg evangelische Komerstadt wurde mit den Kirchen- und Schulsachen betraut. Miltitz war der „Finanzminister“, der sich vor allem um die Geldbeschaffung für Truppen bemühen musste. Christoph von Karlowitz hat die Gesandtschaften bei den Habsburgern, besonders beim französisch sprechenden Kaiser ausgeführt, weil er als Gelehrter Latein und durch seine Zeit in Frankreich Französisch sprach. Das Amt eines Kanzlers, das schon seit dem 15. Jahrhundert am sächsischen Hof bestand, war in der Regierungszeit Moritz’ immer in der Hand eines Juraprofessors. Zuerst wurde es von Dr. Simon Pistoris ausgeübt, dann kurze Zeit von Dr. Ludwig Fachs und schließlich vom hochgebildeten Dr. Ulrich Mordeisen, der sich in der ihm übertragenen Professur in Leipzig immer vertreten ließ.

Aus vorbereiteten Texten, Korrekturen der Räte und den fürstlichen Entscheidungen sehen wir etwas von der Arbeit der Räte zusammen mit Moritz. Leider gibt es fast keine Protokolle von Beratungen des engsten Kreises, wie sie etwa am Heidelberger Hof geführt wurden. Aber es findet sich nicht selten die Wendung Wir haben im Rate befunden …, die auf kollegiale Beschlüsse der am Hof anwesenden Räte mit dem Fürsten weist. Der Geist einer Erneuerung bestimmte das Handeln und Planen des sächsischen Hofes mit den anwesenden Räten und den Räten, die von Haus aus jeweils zu besonderen Aufträgen gesandt wurden.

Mit seinen Räten gemeinsam wollte Moritz die Verwaltung des Staates, die Kirche und die Ausbildung der Jugend zu neuen Formen führen. Sogar für das System der Länder des Reiches und wahrscheinlich als Fernziel zuletzt auch für das der Staaten Europas in ihrem Umgang miteinander bedachte man neue Formen und Möglichkeiten. Die gemeinsame Mühe um sinnvolle Verwaltung und tragfähige Gestaltung hat die Männer mit Herzog Moritz und wohl auch untereinander verbunden.

Moritz war bestrebt, fähige Leute an sich zu binden. Die neu gegründeten Schulen sorgten mit der Universität in Leipzig für Nachwuchs. Moritz wollte andere Meinungen hören und suchte eher Kompromisse als scharfe, einseitige Entscheidungen. Seine fremden Gesprächspartner waren manchmal erstaunt über seine offene und ergebnisorientierte Gesprächsführung.96 Das wird gegenüber den Räten nicht anders gewesen sein. Von den Gesprächen nach der neuen Kanzleiordnung gibt es keine Notizen. Noch weniger sind Notizen von den politischen Plänen vorhanden. Komerstadt, Ernst von Miltitz, fast immer auch Ulrich Mordeisen und die beiden Geheimschreiber Damian von Sibottendorf und Johann Jenitz waren an Beratungen beteiligt. Sicher ist jedenfalls, Moritz ließ sich beraten.

Auch mit seiner Frau scheint Moritz vieles bedacht zu haben. Sie wachte über seine geheimsten Akten in einer Schlafzimmertruhe. Nach seinem Tode wird Agnes nachgesagt, als sollte hochgemelte witwe ein boser zorniger helteuffel (Lichtteufel oder Höllteufel?) sein, die sich bei leben Ihres herren allerlei regirung angemast.97 Sie hatte wohl mit Moritz politische Gespräche geführt, die nicht vielen am Hofe mitgeteilt wurden, und sie ist Moritz auch in politischen Fragen Partnerin gewesen. Noch wenige Tage vor seinem Tod schickte Moritz ihr mit dem Boten ein großes, versiegeltes Paket mit Briefen, damit es durch den Krieg nicht verloren ginge, das sie geheim aufbewahren und niemandem ohne Moritz’ schriftlichen Befehl weitergeben soll.98 Ein eigenhändiger Brief von Agnes zeigt eine klare Schrift, die der von Moritz ähnlich ist. Sie wusste ihre Anliegen kurz und deutlich zu sagen.99 Als Moritz den Text des Passauer Vertrag nach Dresden geschickt hatte, schreibt er ihr, August werde sie diesen lesen lassen.100 Sie nahm also Anteil am Erfolg der Politik ihres Mannes.101 Agnes wusste zu lesen und zu denken, in ihrem Nachlass ist ein Kramfaß mitt Büchern.102 Buchhändler transportierten damals ihre Ware in diesen Fässern über Land. Sophia von Miltitz war die Hofmeisterin der Kurfürstin. Das passte dazu, dass der Schwiegersohn von Ernst von Miltitz der Gesandte des Kurfürsten nach Frankreich war. Sophia von Miltitz war maßgeblich an einer großen Sammlung von Rezepten beteiligt, die samt ihrer Fortsetzung noch in der Heidelberger Universitätsbibliothek zu finden ist.

Auf dem Weg zum neuen Staat

Was die Stände des Landes, die durch Rat und Bürgermeister verwalteten Städte, die Zünfte und die Gewerke des Bergbaus und die Nachbarschaften der Dörfer nicht unter sich klären konnten, mussten die Amtleute und nach ihnen die herzogliche Kanzlei lösen. Moritz regierte aber nicht nur durch die Behandlung von immer neuen Einzelfällen. Er suchte grundlegende Lösungen zu finden. Dabei war er zu Innovationen bereit, wie es dem humanistischen Denken seiner Zeit entsprach. Erneuerung als durchgehender Zug seines Handelns findet sich bei Moritz bis in die Nebendinge. Schon in seiner ersten Anordnung, als er nur in Vertretung seines Vaters handelte, ehe er sich am 10. August 1541 wieder nach Marburg wandte, gab er genauere Vorschriften für die Verwaltung. Die ausgehenden Schreiben sollten in ihrem Text in Kopialbücher verzeichnet werden. Es sollte nichts ohne die Kenntnis seines Vertreters Graf Kaspar von Mansfeld abgesandt werden.

Moritz wusste, wie wichtig eine genau geführte Verwaltung war. Er hatte die solide Führung einer Kanzlei bei Herzog Georg erlebt. Das wandte er nun in seiner Regierung an. Er hatte ja auch führende Räte von Herzog Georg übernommen. Nach dem sehr persönlichen Regiment zur Zeit Herzog Heinrichs durch dessen Gemahlin Katharina versuchte Moritz zur geordneten Kanzleiform Herzog Georgs zurückzukehren.

Schon am Ende des ersten Jahres seiner Regierung wurde am 1. Juli 1542 eine neue Münzordnung erlassen. Durch die reichen Silbervorkommen des Erzgebirges konnten die Wettiner einen guten Silbergehalt ihrer Münzen garantieren. Den Münzgehalt stimmte Moritz vorher mit dem ernestinischen Vetter Kurfürst Johann Friedrich ab. Sie waren zusammen am erzgebirgischen Silberbergbau beteiligt. Der sächsische Bergbau brachte ungefähr zwei Drittel der gesamten Silberproduktion (19850 Tonnen) im Römischen Reich Deutscher Nation zutage. Beide wollten die Einfuhr geringerwertiger „böser“ Münzen in die Lande der wettinischen Staaten verhindern.

Die Münzordnung benutzte die Einteilung in neun Kreise, die Herzog Georg 1503 besonders für die Einberufung der Landstände gebildet hatte. Die Aufseher und Exekutoren dieser Kreise mussten nun auch für die Einhaltung der Münzordnung sorgen. Für die großen Bergstädte Annaberg, Marienberg und Schneeberg wurden Amtsverweser für die Bergverwaltung eingesetzt. 1547 wurde dann das Oberbergamt in Freiberg diesen vorgeordnet. Dieses Oberbergamt ist die tiefe Wurzel der heutigen Bergakademie in Freiberg. Damit wächst 1547 hier zum ersten Mal das dreigliedrige Modell für alle staatliche Verwaltung unter Moritz. Darin werden mittlere Behörden über den Ämtern einer Oberbehörde untergeordnet. Die Verwaltung des Staates lief in drei Stufen auf der Ebene der Ämter, der Kreise und der Oberbehörden wie dem Oberbergamt in Freiberg seit 1547, dem Oberhofgericht in Leipzig ab 1548, den Konsistorien in Leipzig ab 1543 und ab 1545 in Meißen.

Die neue Landesordnung vom 21. Mai 1543 behandelte zwei selbstständige Themen nebeneinander. Sie versuchte einmal, die durch die Reformation der alten Kirche nun fehlenden Bereiche in der geistlichen Gerichtsbarkeit und der schulischen Ausbildung zu regeln. Sie machte außerdem auch Versuche einer Wirtschafts- und Arbeitsgesetzgebung und der Regelung der städtischen Handwerke. Der größere Teil der Landesordnung aber galt den Schulen und der Universität.103 Die Kanzleiordnung vom Jahre 1547 setzte diese Linie der Ordnung des Landes nach dem Schmalkaldischen Kriege fort.

Erstmals im Reich wurde die Schule in einem alle Landesteile eines Fürstentums umfassenden System durch eine staatliche Ordnung geregelt. Die albertinische Regierung hatte unter Moritz erkannt, dass der Staat sich im eignen Interesse um die ganze Ausbildung – an der Schule und der Universität – kümmern müsse. Für das Land war außerdem die Bildung möglichst vieler Begabungen und nicht nur die der regierenden Schichten nötig. Die bisherigen Klosterschulen waren mit den Klöstern zu Ende gegangen. Nur die größeren und reicheren Städte unterhielten Lateinschulen, deren Wirkung aber auf die eigene Stadt begrenzt war.

Als Ersatz für die Klosterbildung und zur Erweiterung des Angebotes der städtischen Schulen wurden die neuen Landesschulen, später Fürstenschulen genannt, in jedem der drei Bistümer gegründet, die zum albertinischen Gebiet gehörten. Sie wurden in ehemaligen Klöstern eingerichtet und dazu von Einkünften mehrerer alter Klöster unterhalten. Die „Leges Komerstadtii“, die von Komerstadt verfasste Ordnung über die Versorgung der Schüler dieser Internatsschulen, mussten jährlich den Schülern verlesen werden. Bis in die Gegenwart ist dieser Brauch aufrecht erhalten worden.

 

Im Bereich von Naumburg war es Pforta, das seinen Klosternamen dadurch zu Schulpforte erweiterte. Für das Bistum Meißen entstand die Schule im Meißner Kloster St. Afra. Beide bestanden seit 1543. Die anfangs in Merseburg geplante dritte Schule wurde 1550 im alten Augustinerkloster zu Grimma begonnen. Moritz gründete damit als erster Fürst in Deutschland staatliche Schulen. Ihr Lehrplan war vom Humanismus bestimmt. Latein war auch die tägliche Umgangssprache der Schüler. Wer von den Schülern vergaß, diese Sprache aller europäischen Universitäten auch im Alltagsleben der Schule zu gebrauchen, wurde mit einem Pensum bestraft, dem Auswendiglernen eines lateinischen Textes. Die drei Schulen standen für begabte Adels- und Bürgersöhne des ganzen Landes offen, nicht nur wie bisher für Schüler eines Klosters oder einer Stadt. Die Zahl der ihm zustehenden Plätze war für jeden Ort festgelegt. Insgesamt sollten in den drei Schulen 230 Stipendiaten aufgenommen werden, von denen ein Drittel dem Adel vorbehalten blieb. Nicht nur für Unterhalt und Kleidung, sondern auch für Papier und Bücher wurde jedem Einzelnen Geld bereitgestellt. Die Kosten wurden jeweils von den Gütern mehrerer ehemaliger Klöster erbracht. Die sächsischen Schulen wurden Vorbild für die Württemberger Klosterschulen.

Dazu parallel wurde die Universität Leipzig humanistisch gestaltet und neu ausgestattet.104 Diese Neuordnung der Universität besonders durch Caspar Borner kam fast einer Neugründung gleich. Durch den streng altgläubigen Kurs Herzog Georgs hatte sie die meisten ihrer Hörer verloren. Sie konnte sich neben der Leucorea in Wittenberg, die zur größten Universität im Reich aufgestiegen war, nicht behaupten. Die erneuerte Universität erhielt in Leipzig 1543 das bisherige Dominikanerkloster mit allen seinen Besitzungen als Unterkunft, obwohl es auch die Stadt Leipzig wie alle anderen Klöster der Stadt für sich kaufen wollte. Außerdem wurden der Universität 2000 Gulden im Jahr zur Verfügung gestellt. Joachim Camerarius, ein Freund Melanchthons, wurde durch Moritz als führender Gelehrter für Leipzig gewonnen. Johann Pfeffinger, als Superintendent in Leipzig eingeführt, wurde der führende Theologe an der Universität. An drei Stellen in der Stadt richtete die Universität den Studenten einen Mittagstisch, eine Mensa ein, für die 600 Gulden jährlich aus der fürstlichen Kasse kamen. Die entsprechende Neuausstattung der evangelischen Zentraluniversität Wittenberg erfolgte sofort nach der Übergabe der Kurlande und der Kurwürde an Moritz 1547.105 Die Universität Wittenberg hatte alle Zuwendungen aus dem ernestinischen Staat verloren, denn Johann Friedrich d. Ä. erstrebte eine neue Hochschule in Jena.


Kurfürst Moritz im Hof der ehemaligen Landesschule Grimma, heute Gymnasium St. Augustin

Seine abschließende und dann weitwirkende Gestaltung erfuhr das System der albertinischen Regierung erst nach dem Schmalkaldischen Krieg in der Kanzleiordnung vom 5. August 1547106 und der Hofordnung vom 23. September 1548107. Moritz ordnete auf dem Landtag im Juli 1547 das gesamte Staatsgebiet in fünf Kreisen neu unter Einschluss der bis dahin ernestinischen Gebiete, die durch den Schmalkaldischen Krieg erworben worden sind. Die fünf Kreise waren: Meißnischer, Leipziger, Thüringer und Kurkreis, danach noch der Gebirgische Kreis. Sie wurden ohne Rücksicht auf die alte Gliederung zwischen dem albertinischen und ernestinischen Teil Sachsens gebildet. Gleichzeitig wurde die zentrale Verwaltung des Kurstaates durch die neue Kanzleiordnung auf ein System umgestellt, das an diesen Gebieten und an Sachen orientiert war. In der Kanzlei war für jeden Kreis ein besonderer Sekretär zuständig, wodurch die eingegangenen Sachen für jeden Kreis getrennt, aber von allen anwesenden Räten gemeinsam beraten und beschlossen wurden.

Die Beratungen fanden ihr Ergebnis in den ausgefertigten Schreiben, die in Abschriften oder den Kopialbüchern in der Kanzlei blieben. Gesprächsprotokolle kommen kaum vor. Die vorangehenden oder am Ende zu fällenden Entscheidungen, die diesem wohlgeordneten Apparat die Richtungen setzten, haben bei Moritz, dem Kanzler und wenigen Räten neben Moritz gelegen. Für ganz geheime Pläne wie die spätere Erhebung gegen den Kaiser 1552 hat Moritz allerdings die Kanzlei umgangen und den Schriftverkehr im Schlafzimmer seiner Gemahlin in einer Lade aufbewahrt.

Den Räten in der Kanzlei als der Zentrale der Staatsverwaltung waren zum Teil bestimmte Aufgaben zugewiesen, wie oben zu den Räten gesagt. Als Kollegium aber berieten alle Räte am Hof die eingehenden Fragen aller Kreise gemeinsam. Neben den Hofräten, die den täglichen Regierungsdienst in der Kanzlei, den Empfang der ankommenden Gesandten, der auswärtigen Staatsdiener und der Bittsteller versahen, gab es die bereits erwähnten Räte von Haus aus. Alle, die sonst kamen, durften die Kanzlei nicht betreten, sondern mussten in Stuben davor angehört werden. Nur den in der Kanzlei Tätigen stand die Kanzlei offen. Diesen waren dort private Tätigkeiten wie Singen oder Saitenspiel untersagt.

Die Kanzlei war ein für die Öffentlichkeit geheimer Bereich. Sogar die Bücher für die Abschriften der ausgehenden Schreiben wurden für die Kreise jeweils getrennt von einem bestimmten Schreiber geführt. Für die Religions-, Kirchen und Schulsachen und für die auswärtigen Angelegenheiten und außerdem für die ernestinischen Fragen bestanden besondere Bereiche der Kanzlei. Die Auswärtigen Schreiben und die Antworten dazu mussten sofort geheftet werden. Von diesen Schreiben gibt es heute noch im Dresdener Hauptstaatsarchiv viele Bände im ursprünglichen Zustand. Durch diese Geheimhaltung konnten sich leicht phantasievolle Gerüchte über die Absichten der sächsischen Politik bilden. Öffentliche Verleumdung von geheimen, ganz anders geplanten Vorgängen wurde ein wichtiges Instrument der Agitation gegen Moritz.

Den Finanzen des Landes suchte Moritz eine neue Grundlage zu geben, indem er besonders die Ämter enger in die Gesamtverwaltung einbezog. Dadurch stiegen die Einnahmen. Bei der Rechnungslegung eines Amtes in Dresden musste jeweils Ernst von Miltitz als Finanzverantwortlicher anwesend sein. Er wirkte kräftig beim Ausbau der kursächsischen Finanzwirtschaft mit, indem er in Leipzig immer wieder für neue Anleihen zu sorgen hatte. Die weitgreifende Außenpolitik des Kurfürsten Moritz erforderte diese Gelder später vor Magdeburg 1550/51, gegen den Kaiser und nach Ungarn 1552 und zur letzten Friedenssicherung 1553 gegen Markgraf Albrecht. Dazu war es nötig, eine Steuerverfassung zur Deckung der Anleihen in Anfängen auszubilden. „Das wurde ein Schwungrad der kursächsischen Staatsmaschine.“108 Bei der Betrachtung dieser Finanzwirtschaft muss beachtet werden, dass Moritz Kredit hatte. Adel und Städte haben ihm 1552 sogar im Vorgriff auf künftige Geleits- und Tranksteuereinnahmen Gelder geliehen. Die Zustimmung beim Landtag im August 1552 und die Teilnahme des Adels am Feldzug 1553 deuten auch auf die Kreditfähigkeit des Kurfürsten. „Wie kein anderer Wettiner legte Moritz die Fundamente für die Sächsische Staatsverfassung.“109

Um 1500 hatten die Einnahmen aller wettinischen Lande ungefähr 50000 Gulden betragen. Fünfzig Jahre später sind es allein im albertinischen Sachsen unter Moritz ca. eine halbe Million Gulden.110 Auch wenn die laufende Geldentwertung die Zahlen vergrößerte, sind um 1550 die Einnahmen real damit sicher auf mehr als das Fünffache gestiegen. Im Unterschied zur alten Zeit, in der das Amt Vorräte sammelte und aufbewahrte für den heranziehenden Fürsten und seine Beauftragten, wurden nun die Leistungen möglichst in Geld umgewandelt und in die Kammer geliefert. Für die im Amt eingehenden Gelder, besonders der Tranksteuer, war jetzt in jedem Amt ein Amtsschösser eingesetzt, der die Bücher zu führen hatte. In kleineren Ämtern gab es eventuell nur einen Amtsschösser, aber keinen Amtmann.

Moritz musste sich die Steuereinnahmen durch die Landstände genehmigen lassen. Anfangs hat er diese Genehmigung eine ganze Zeit nicht gebraucht, weil er einerseits genehmigte Einnahmen durch die Türkensteuer erhielt, die nicht verbraucht wurden, da der befürchtete Türkeneinfall ins Reich nicht erfolgte. Andererseits verkaufte er 1543 eine Reihe der säkularisierten Klöster. Die Leipziger Klöster, die mit Ausnahme des Dominikanerklosters an den Rat der Stadt verkauft wurden, brachten dabei insgesamt 83342 Gulden ein, soviel wie alle anderen Klöster zusammen. Die Einnahmen aus dem Bergbau gingen auch direkt an den Fürsten.

Durch den geordneten Instanzenzug vom Amt zum Kreis, zur Kanzlei und zu anderen Oberbehörden und die von einander abgegrenzten Zuständigkeiten hat Moritz in wenigen Jahren im albertinischen Sachsen den Grund für den kommenden Landesstaat gelegt. Da er jeden nach seinen Fähigkeiten einsetzte und soweit zu sehen keine Personen gegeneinander ausspielte oder plötzlich entließ, lief die Entwicklung rasch und effektiv. Zumindest nach der Kanzleiordnung von 1547 hatten der Kanzler und zwei Räte morgens von 8 Uhr bis 9 Uhr und nachmittags um 4 Uhr Gelegenheit, Moritz alle nötigen Dinge, wue wier vorhanden seindt, vorzutragen. So hatte er Kenntnis aller wichtigen Vorgänge. Wie weit die noch reformkatholische Gesinnung der beiden Karlowitze oder die bewusst evangelische Komerstadts oder andere Einzelüberzeugungen auf die Sachentscheidungen in der Kanzlei Einfluss hatten, ist schwer zu sagen.

Herzog Georg hatte einen großen Teil der wichtigen Korrespondenz selbst verfasst und war wohl dadurch häufig in der Kanzlei anwesend. Seine Räte hatten damit wenig Gelegenheit, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Sie waren aber einen soliden Geschäftsgang gewohnt. Georg von Karlowitz war in diesem Geschäftsgang der führende Rat geworden. Das Misstrauen der Wittenberger Theologen gegenüber diesen in den Dienst von Herzog Moritz getretenen Räten aus der Mannschaft Herzog Georgs ist nicht durch die Taten dieser Männer unter Moritz gerechtfertigt, was die Wittenberger jedoch nicht anerkennen konnten. Ihr Misstrauen nährte sich wohl aus dem Vorwiegen der politischen Sicht bei diesen Räten gegenüber einer theologischen Sicht der Wittenberger. Wahrscheinlich ist aber die völlige Neuordnung der Kanzlei nicht möglich gewesen, solange Georg von Karlowitz der bestimmende Rat unter den Hofräten in Dresden war. Für seine Haltung hätte auch das kollegiale Modell der Kanzleiordnung von 1547 nicht gepasst.

Die Ordnung der Verwaltung des albertinischen Staates unter Herzog Moritz war der Ordnung in Brandenburg oder im ernestinischen Thüringen überlegen. Sie hat zum Teil bis ins 19. Jahrhundert weitergewirkt. Die Entscheidungsform des heutigen evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes durch das Kollegium seiner Oberlandeskirchenräte scheint ein ferner Abglanz der sächsischen Kanzlei des 16. Jahrhunderts zu sein.

Der Platz unter den evangelischen Ländern des Reichs

Um Zeit und Handeln des Herzogs und späteren Kurfürsten Moritz zu verstehen, wenden wir Bezeichnungen an, die heute geläufig sind. Das Begriffspaar: „Evangelisch-Katholisch“ ist für uns auf zwei Konfessionen festgelegt. Die beiden entstehenden Glaubensweisen um 1540 waren aber in ihrem Erscheinungsbild anders als die beiden Konfessionen heute. Die evangelischen Gemeinden im albertinischen Sachsen mit all ihren Bräuchen und Gewändern würde man heute wohl eher als anglikanisch bezeichnen. Die katholischen Gemeinden, in denen der spätmittelalterliche Glaube mit allen Prozessionen, Wallfahrten und Ablassordnungen, Zölibat und monarchischem Bischofsamt weiter gepflegt wurde, standen noch nicht unter der Erziehung durch Seelsorge, die durch die Gesellschaft der Jesuiten nach dem Trienter Konzil üblich wurde. Die Beschlüsse des Trienter Konzils wurden in Deutschland erst nach 1565 ausgeführt. Um 1540 kamen die ersten Glieder des Jesuitenordens nach Deutschland.

Kaiser Karl V., der wichtigste Verteidiger der bisherigen Art der christlichen Kirche, sah im römischen Papst nicht seinen Herrn, sondern einen oft mühsamen Vertragspartner, dessen Stadt Rom er anderthalb Jahrzehnte zuvor 1527 einer dreitägigen Plünderung seinen Söldnern überlassen hatte.

Dazu kommt ein allgemeines Bewusstsein, in der Zeit einer Erneuerung zu leben, in die auch die Kirchgemeinden eingeschlossen waren. Deshalb ist es schwierig, wenn dem albertinischen Adel ein Stempel „katholisch“ aufgedrückt wird, weil er die Patronatsrechte über seine Dörfer und die Aufstiegs- und Versorgungsmöglichkeiten für seine Kinder in der Kirche mit ihren Klöstern und Kapiteln sich nicht nehmen lassen wollte. Derselbe Adel hat in der Zeit Luthers gern Pfarrstellen und Kirchengut eingezogen und eigenem Besitz hinzugefügt, da er sie ja früher einmal gestiftet habe.

 

Als Herzog Heinrich 1537 die evangelische Kirche in seinem Freiberger Ländchen begründete, hat er die Hilfe des Kurfürsten Johann Friedrich in Anspruch genommen. Er war zusammen mit Moritz in den Schutz des Schmalkaldischen Bundes getreten.111 In der Auseinandersetzung mit den Eltern hatte Moritz Rat und Hilfe des Kurfürsten in Anspruch genommen. Vielleicht hatte sich so beim Kurfürsten die Meinung festgesetzt, Moritz sei ein leicht lenkbarer, noch sehr junger Mann. Johann Friedrich verstand sich ab 1537 und endgültig ab 1539 als Patron des evangelischen albertinischen Sachsen.

Vom Nürnberger Bund der katholischen Reichsstände unter der Führung Herzog Georgs des Bärtigen blieben nach Georgs Tod nur noch Herzog Heinrich von Braunschweig und der Bischof von Merseburg übrig. Die anderen Beteiligten ließen sich ihre eingezahlten Gelder aus der gemeinsamen Kasse, die Georg geführt hatte, gern zurückgeben. Die Auszahlung der angesammelten Gelder führte Moritz genau durch. Damit verlor der Nürnberger Bund seine Kraft durch zuviel Geld und nicht wie der Schmalkaldische Bund wenige Jahre später durch Geldmangel. Moritz musste danach nur noch auf König Ferdinand und den Kaiser Rücksicht nehmen.

Als Moritz die Herrschaft im albertinischen Sachsen übernahm, war der Übergang zur evangelischen Kirche durch die Visitationen unter Herzog Heinrich seit einem Jahr abgeschlossen. Bei der ersten schnellen Visitation hatte in allen albertinischen Städten Kurfürst Johann Friedrich den bestimmenden Einfluss gehabt. Ernestinische Theologen hatten sie selbst durchgeführt. Sie wurde ein halbes Jahr später von Dezember 1539 bis Juli 1540 durch eine gründliche Visitation fortgesetzt, die nun alle Gemeinden in Stadt und Land betraf. Sie wurde nur von Männern aus den albertinischen Ländern unternommen. Allerdings kamen zwei Theologen dabei aus der ernestinischen Tradition, denn Wolfgang Fueß war 1539 vom ernestinischen Leisnig nach Chemnitz gegangen und Kaspar Zeuner 1536 von Trebsen nach Freiberg, zur Gestaltung der dortigen Reformation.

Es gab für Moritz keinerlei Zweifel, dass die Gemeinden seiner Lande bei der neuen Konfession bleiben würden. Landgraf Philipp hatte Moritz geraten, Räte Herzog Georgs um ihrer fachlichen Tauglichkeit für die Verwaltung des Landes willen wieder einzustellen, nicht aber wegen ihrer persönlichen, noch reformkatholischen Gesinnung. Die neue Kirche wurde dabei von den beiden Karlowitzen, dem neuen Kanzler Dr. Simon Pistoris und Dr. Ludwig Fachs niemals in Frage gestellt.

Der Schmalkaldische Bund war neben den Habsburgern die andere bestimmende Macht im Reich. Seine Führer Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp wollten Moritz nach seinem Regierungsantritt gern als volles Mitglied gewinnen. Moritz war als Schwiegersohn und Vetter mit den beiden persönlich verbunden und kannte sie durch seine Lebenszeiten in Torgau und in Marburg ziemlich genau. Gerade das persönliche Erleben mit beiden, besonders bei Johann Friedrich in Torgau, muss sein Verhalten zum Bund stark bestimmt haben. Moritz wusste einerseits, wie sehr Philipp durch seinen geheimen Vertrag an den Kaiser gebunden war. Philipp hatte einen Teil seiner politischen Freiheit geopfert, um sich selbst vor der Strafe wegen seiner sexuellen Verfehlungen zu retten. Er verhinderte ein Eingreifen für Reichsstände, die am Niederrhein auf dem Weg zum evangelischen Glauben waren, wie den Herzog von Jülich und den Erzbischof von Köln. Man hätte sie leicht gewinnen können, Glieder des Schmalkaldischen Bundes zu werden.

In Torgau war Moritz andererseits klar geworden, dass Johann Friedrich ihn niemals als gleichwertigen Partner anerkennen würde, denn er sah sich gegenüber Moritz als erziehungsberechtigt. Moritz kannte auch durch Philipp den Gegensatz zwischen diesem und Johann Friedrich. Im Oktober 1541 in Naumburg hatte Moritz spüren müssen, dass die Gedanken der Häupter des Bundes mehr einer Ausdehnung ihrer Macht als dem Schutz aller Reichsstände vor den Türken galten.112 Moritz wird schon dort für sich selbst Wege überlegt haben, sein Land vor den Gegensätzen zu bewahren und neue Wege für die evangelischen Länder des Reiches zu finden. Er ist nicht Mitglied des Schmalkaldischen Bundes geworden, wie Philipp und Johann Friedrich erwarteten. Er hatte schon 1538 in Frankfurt als junger, aufmerksamer Beobachter die Spannungen in diesem Bund zwischen den Städten und den Fürsten und auch zwischen den beiden Häuptern des Bundes kennen gelernt. Als Markgraf Johann von Küstrin 1551 einen erneuerten Verteidigungsbund in der Art des Schmalkaldener Bündnisses gründen wollte, hat Moritz sich dem heftig widersetzt und einen Angriffsbund erreicht.113

Außerdem richteten sich die Interessen des Kurfürsten Johann Friedrich auf das Gebiet des Erzbistums Magdeburg und des Bistums Halberstadt. Das Land Herzog Heinrichs von Braunschweig begrenzte deren Gebiete im Westen. Heinrich strebte mit allen rechten und auch unrechten Mitteln nach der absoluten Herrschaft über die Städte und den hohen und niederen Adel im Bereich seines Fürstentums und soweit seine Macht reichte. Gegen seine ständigen Angriffe hatten die Städte Braunschweig und Goslar Hilfe beim Schmalkaldischen Bund gesucht und gefunden. Doch deren Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis schreckte Heinrich nicht ab.

Moritz hatte 1540 Landgraf Philipp als ganz junger Ehemann in Marburg versprochen, an einem Kampf gegen den Unruhestifter Herzog Heinrich teilzunehmen. Beim ersten Treffen mit Landgraf Philipp und Kurfürst Johann Friedrich in Naumburg 1541 hatte Moritz seine Hilfe gegen Herzog Heinrich zugesagt. Er schloss auf dem Fürstentag in Naumburg am 26. Oktober 1541 einen Vertrag mit Philipp und Johann Friedrich, gemeinsam gegen Heinrich im März 1542 vorzugehen.114 Besonders Philipp wollte das, denn Heinrich war, nachdem Herzog Georg der Bärtige gestorben war, der eifrigste Vertreter der kaiserlichen, katholischen Partei in Norddeutschland.

Seine erfahrenen Räte warnten Moritz aber nachdrücklich vor einem solchen Kriege, zu dem auch Johann Friedrich nicht sehr neigte. Moritz lehnte vor allem einen plötzlichen Überfall ab. Schließlich schrieben Moritz und Johann Friedrich gemeinsam an Philipp, den Krieg aufzuschieben.

Gleichzeitig bemühte sich Johann Friedrich, als der Bischof von Naumburg starb, um einen evangelischen Nachfolger für diesen, denn das Herrschaftsgebiet des Bistums Naumburg stand unter der Schutzherrschaft der Ernestiner. So überging im Januar 1542 Johann Friedrich die reguläre Wahl des Julius Pflug durch das katholische Domkapitel und ließ am gleichen Tage Nikolaus von Amsdorf zum evangelischen Bischof von Naumburg durch die Stände des Stiftes wählen. Damit übernahm er, ohne auf das Reichsrecht zu achten, die weltliche Herrschaft im Bistumsgebiet, denn für die Durchführung der weltlichen Regierung wurde Amsdorf ein sehr selbstherrlicher Amtmann zur Seite gestellt. Johann Friedrich war bestrebt, seine Macht nach allen Seiten auszudehnen. Er tat das mit gutem Gewissen, weil damit evangelische Gruppen oder Gemeinden unter seinen Schutz kamen. Er hatte das Kloster Dobrilug für sich 1541 eingenommen, das an Moritz ein Schutzgeld zahlte und eigentlich zur böhmischen Lausitz gerechnet wurde. Auch die Nachfolge des ergrauten Kardinals Albrecht für Magdeburg wollte er gern einem Sohn zukommen lassen. Doch auf diese hoffte zugleich Moritz für seinen Bruder Herzog August. Johann Friedrich war aber auch der für Moritz zuständige Hauptmann des Schmalkaldischen Bundes.