Moritz von Sachsen (1521-1553)

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Um die Jahreswende 1532 zu 1533 wurde der junge Moritz durch Herzog Georg mit Zustimmung seiner Eltern nach Halle zum Kardinal und Erzbischof Albrecht geschickt, unter das Patronat seines erzbischöflichen Paten gestellt. Junge Adlige wurden in diesen Jahren unter Aufsicht eines Hofmeisters nach ihrem zehnten Lebensjahr üblicherweise an eine Universität gegeben. Hans von Schleinitz sollte als Hofmeister für die gesamte Versorgung des Knaben Moritz und wahrscheinlich auch für die zur Ausbildung nötigen Lehrer sorgen.11 Sobald Moritz selbst regierte, nahm Schleinitz, der im Auftrage Georgs handelte, seinen Abschied.12

Wahrscheinlich wollte Herzog Georg Moritz auch vor dem stetig wachsenden evangelischen Einfluss in Freiberg etwas sichern. Herzogin Katharina verheiratete 1533 ihre älteste Tochter Emilie mit dem bewusst evangelischen Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, einem der Erstunterzeichner des evangelischen Augsburger Bekenntnisses von 1530. Geschah das im erklärten Gegensatz zur „katholischen“ Erziehung von Moritz in Halle?

Da eine Universität erst entstehen sollte, konnte Moritz in Halle noch nicht studieren. In dieser Zeit bemühte sich der Kardinal Albrecht um die Gründung einer altgläubigen Universität in Halle, die neben dem Dom Platz finden sollte. Eine Genehmigung des Papstes lag schon vor. Der Aufenthalt an einer Universität hätte die Lateinkenntnisse einer Stadtschule vorausgesetzt, die Moritz noch nicht besaß. Herzog Georg hat auf eine Unterrichtung in der Gelehrtensprache Latein gedrängt. Er wollte mit dem Latein, um das sich Schleinitz wohl nicht gekümmert hat, eine höhere Ausbildungsstufe für Moritz erreichen, als durch Katharina bisher verordnet war. Sie meinte vielleicht, was solle der Sohn mehr können als die Mutter. Georg gab aber Moritz den humanistisch gebildeten Christoph von Karlowitz als Reisebegleiter. Karlowitz gewann am erzbischöflichen Hof soviel Anerkennung, dass er im Juli in den Dienst des Erzbischofs treten konnte. Er begleitete zwar Moritz Anfang Januar 1534 zurück nach Dresden, ging dann aber wieder nach Halle, um im Dienst des Kardinals zu bleiben. Moritz rief Christoph von Karlowitz erst nach seinem Regierungsantritt 1541 aus Halle nach Dresden unter seine Räte.

Herzog Georg der Bärtige ließ Moritz auch von Freiberg nach Halle bringen, weil der Hof in Freiberg immer deutlicher dem neuen Glauben zugetan war. Georg jedoch hielt im albertinischen Sachsen am alten Glauben fest und wollte ihn im Freiberger Ländchen wenigstens durch einen altgläubig erzogenen Moritz stützen. Kardinal Albrecht forderte entsprechend, dass in der Begleitung des jungen Herzogs Moritz keine Person der lutterey anhängig sein dürfe.13 Also wird das der junge Karlowitz auch nicht gewesen sein. Zu gleicher Zeit wurde von Herzog Georg der zweite Freiberger Sohn, Severin, an den Hof König Ferdinands nach Wien gegeben. Er ist aber in Innsbruck schon im Oktober des Jahres 1533 verstorben.


Halle mit Burg, Dom und Marktkirche, Kupferstich (Ausschnitt) aus „Beschreibung und Contrafactur von den vornembsten Stetten der Welt“, Köln 1576

Der evangelische Glaube war in den Ländern des ernestinischen Kurfürstentums Sachsen von gut 80 Prozent der Gemeinden anfangs selbstständig angenommen und seit 1526 durch Kurfürst Johann den Beständigen in den Visitationen zum neuen Kirchenwesen geordnet worden. Georg suchte die Ausbreitung der neuen, evangelischen Gedanken soweit ihm möglich zu verhindern. Deshalb schickte er seine Neffen nach Halle und Wien.

Moritz wird sich gefreut haben, in der Hallenser Burg zu wohnen, die mit ihm den gleichen Namenspatron hatte. Kardinal Albrecht ließ ab 1533 ihre Befestigungsanlagen verbessern. Die Burg war erst vom Vorgänger des Kardinals neu errichtet worden und bezeugte die Macht des Erzbischofs über seine Residenzstadt Halle.

Der heutige Dom war als zweite Bischofskirche im Erzstift Magdeburg seit 1520 glanzvoll erneuert und ausgestattet worden. Seine Reliquiensammlung stand in Konkurrenz zur innig gepflegten Sammlung Kurfürst Friedrichs des Weisen in der Wittenberger Schlosskirche. 1533 wurde auch das hohe Dach auf die neu errichteten Umfassungsmauern der Marienkirche am Markt gesetzt. Diese Mauern verbanden die Turmpaare von zwei Vorgängerkirchen. Albrecht hatte den Neubau von der Stadt erzwungen. In diesem Jahr 1533 war auch die Moritzkirche der Augustiner-Chorherren im Innern noch im Bau.

Das alles musste der junge Freiberger Fürstensohn ebenso wie die aufwendige Hofhaltung des Kardinals begreifen und bewundern. Er kannte solch vielfältigen Glanz bisher nicht. Seine bestimmende Mutter Katharina musste und wollte in Freiberg sparen. Das immer wieder erneuerte und umgebaute Freiberger Schloss stammte zum Teil noch aus der Zeit der Romanik des 13. Jahrhunderts, obwohl Herzog Heinrich anfing, es „Freudenstein“ zu nennen. 1549 war über den Gemächern Katharinas eine größere Dachreparatur fällig.14 Erst Moritz selbst hat 1553, kurz vor seinem Tod, dort einen großzügigen Neubau begonnen.

Moritz schrieb im Januar 1533 einen Dankesbrief für seine Übersiedlung nach Halle an Herzog Georg, den er mit der üblichen Kinderrede beginnt, er habe eigentlich nichts zu schreiben. Danach lenkte wohl ein Erzieher die Worte15, da er es nicht durch Werke könne, wolle er seine Dankbarkeit durch die Worte des Briefes zeigen … usw. Wegen einer sich länger hinziehenden Krankheit holte Georg Moritz zu sich nach Dresden. Da in der Ehe seines Sohnes Johann mit Elisabeth von Hessen, der Schwester des Landgrafen Philipp, die Hoffnung auf Kinder immer mehr schwand, wollte sich Georg vielleicht in Moritz einen Nachfolger heranziehen in Erinnerung an sein eigenes frühes Hineinwachsen in die Landesverwaltung.

Bei Herzog Georg, dem frommen Verwalter

Christoph von Karlowitz brachte nach nur einem Jahr den Knaben Moritz wieder zurück. Moritz konnte auch danach in Dresden am Hof Herzog Georgs seine Krankheit nicht gleich überwinden. Herzogin Elisabeth schreibt es als Informantin der Schmalkaldener an Kurfürst Johann Friedrich nach Torgau. Von der Art seiner Erkrankung erfahren wir nichts.

Dresden war für Georg das Verwaltungszentrum der albertinischen Lande. An der Gestaltung des neuen Georgentores am Schloss zeigte er, dass sich sein Leben zwischen dem Leben durch Christus und dem Tod und der Vergänglichkeit der Welt spannte. Die Außenseite des Torbaues stellte den Tod vor die Augen, die Innenseite das neue Leben in Christus.

Georg wollte der getreue Verwalter seiner Lande sein. Er ist am besten als Mensch zu verstehen, der im Tiefsten der Ordnung verpflichtet ist. Er wollte in der Ordnung des „Corpus christianum“, der christlichen Einheit des Mittelalters, leben. Diese geordnete Einheit sah er durch die Schäden der Papstkirche und die Stürme der lutherischen Reformationsbewegung gefährdet. Er wollte Reformen in Kirche und Land, aber keine Unruhe durch die Glaubenserhebung des einzelnen Mönches Luther gegen den Papst, den Herrn der allgemeinen Kirche. Georg wollte keinen Aufruhr der Bauern, Ritter oder Fürsten gegen die Ordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

In seiner Kindheit war Georg von seiner Mutter zum Geistlichen bestimmt worden. Sie wollte dadurch den „Ketzertod“ ihres Vaters, des Böhmenkönigs Georg von Podiebrad, wieder gutmachen. Georg wurde aber vom Vater Albrecht zu seinem Stellvertreter in der Staatsleitung bestimmt. Er hatte dadurch die Mühen der Staatslenkung von Jugend an erfahren und beherrschte diese Dinge auf das Beste. Georg wollte als Fürst in beständiger christlicher Ordnung leben und handeln.

Georg war darin sehr erfolgreich. Auf seine 50 Jahre als Regent in Sachsen geht das durchgegliederte dreistufige Verwaltungssystem in Sachsen zurück. Der Hofrat mit wenigen immer am Hof anwesenden Räten lenkte unter dem Fürsten die Geschäfte. Darunter standen die Kreise, die wiederum die Ämter anleiteten. Der Adel war zum Teil dem Amt direkt unterstellt. Höherer Adel dagegen war als „schriftsässiger“ Adel mit seinem Lehensbrief dem Fürsten direkt zugeordnet. Bald hatte jedes Amt neben dem Amtmann einen Schösser, der für Steuern und Finanzen zuständig war. Moritz hat dann dieses Verwaltungssystem in seiner Kanzleiordnung 1547 vollendet.

Georg suchte in Einklang mit den Ständen, d. h. dem Adel und den Städten, zu regieren, die er fast immer jährlich zum Landtag zusammenrief. Die mannigfaltigen Fragen des neuen Bergbaus wurden durch die Bergordnungen geregelt. Schneeberg, Annaberg und Marienberg waren die großen Bergstädte, die zu Lebzeiten Georgs entstanden. Das Silber wurde nicht verkauft oder zu Schmuck oder anderem verarbeitet, sondern fast immer zu Münzen geschlagen. Durch ihren sicheren Silbergehalt wurden die Taler zur bestimmenden zuverlässigen Münze im Reich neben dem goldenen Gulden. Der heutige Dollar in vielen Ländern hat vom Taler seinen Namen.

Ein humanistischer Grundton bestand in Dresden wie in Halle, wenn auch der Hofprediger Cochläus kein Erasmianer war. Georg war viel eifriger als Kardinal Albrecht bemüht, die altgläubige Kirche zu reformieren, um sie dadurch zu sichern. Er suchte auch für die altgläubige Kirche politische Sicherungen zu bauen. Doch der schließlich 1538 erreichte Nürnberger Bund mit den Herzögen von Bayern und Braunschweig gewann keine Kraft. Georg ließ die Klöster durch seine Räte visitieren, um sie zu erhalten. Er suchte den Papst zu einer Reform als Basis des nötigen Konzils zu bewegen. Alle diese Bemühungen hat Moritz wohl am Rande erfahren und auch die Trauer des alten, ehrlichen Mannes über seinen ergebnislosen Kampf gespürt.

 

Moritz war ein gelehriger Schüler seines Onkels. Er hat Georgs gesundes Verwaltungssystem bei Regierungsantritt sofort wieder eingeführt. Die wichtigen, ihm zugewandten Räte Georgs stellte Moritz wieder ein. Zu den herzoglichen Räten entstand in seinen Dresdner Jahren ein Vertrauensverhältnis, besonders zum evangelisch gesinnten Dr. Georg Komerstadt. Dieser berief schon 1536 den evangelischen Pfarrer Jakob Klappe aus ernestinischem Gebiet nach Niederebersbach an die Kirche seiner Gutsherrschaft. Georg von Karlowitz, der Onkel Christophs von Karlowitz, der Moritz nach Halle geleitet hatte, behielt unter Moritz bis Anfang 1545 den gleichen Einfluss, den er unter Georg gehabt hatte.

Herzog Georg hatte einen Vorteil gegenüber der bewusst evangelischen Katharina in Freiberg errungen, indem er den jungen Moritz im altgläubigen Dresden hielt. Katharina vermochte lange Zeit ihren Gemahl nicht zur offenen Opposition gegen Georg den Bärtigen zu bewegen. Wie in Halle wird sich Moritz im Dresdner Schloss in die Ordnung des Tages und des Jahres eingefügt haben, die von den Glocken der altgläubigen Kirchen bestimmt war. Georg hat eine Einordnung gefordert, aber keinen Gewissenszwang ausgeübt. Zu Elisabeth, der Frau des Erbprinzen Johann, entstand ein so gutes Verhältnis, dass diese Moritz auch noch aus Torgau zur Fastnacht an ihren Witwensitz Rochlitz einlud und später die wichtigste Vermittlerin seiner Ehe wurde. Elisabeth wusste sich in Dresden als Evangelische. Man kann darüber nachdenken, ob der Tod seines Sohnes Johann für Georg die Hoffnung, den alten Glauben im albertinischen Herzogtum zu erhalten, zerschlug oder ob die voranstürmende Kraft des neuen Glaubens zwischen 1520 und 1540 einfach nicht aufzuhalten war, ehe nicht die katholische Kirche eine wirkliche Reform von sich aus begann. Moritz scheint aus seinen Jugendjahren die Überzeugung mitgenommen zu haben, dass die evangelische Erneuerung der Kirche sich immer weiter durchsetzen werde. So sehr Moritz die Innenpolitik Herzog Georgs auch für seine eigene Staatsleitung samt den alten Räten übernommen hatte, so wenig war bei ihm etwas von dem starren Eifer Georgs für die altgläubige Kirche, besonders gegen Priester und Mönche, die sich dem neuen Glauben zuwandten, zu spüren. Vielleicht wurde Moritz aber so auch für die entgegengesetzte Starrheit des evangelischen Kurfürsten Johann Friedrich in evangelischen Sachen immunisiert.


Herzog Georg der Bärtige, über ihm die Apostel Jakobus d.Ä. und Petrus, Triptychon (Ausschnitt) von Lucas Cranach d.Ä., Georgskapelle im Dom zu Meißen. Den Flügelaltar stiftete Herzog Georg nach dem Tode seiner Frau Barbara 1534, seitdem erst ließ er sich den beinamengebenden Bart wachsen.

Letzten Endes war Moritz in Dresden und dann noch mehr in Torgau eine Figur auf dem Schachbrett der Politik, die von anderen, d. h. seinen Eltern, Herzog Georg, Kurfürst Johann Friedrich, geschoben wurde. Aber er hat in dieser Zeit nicht ohne persönliches Empfinden und Nachdenken gelebt. Seine Neigung zum Ausgleich mag ihm in diesen Jahren eingeprägt worden sein.

Zu Gast beim „dicken Vetter“ in Torgau

Der Tod von Herzog Georgs Sohn Johann machte Anfang Januar 1537 Herzog Heinrich und seinen Sohn Moritz zu den kommenden Nachfolgern Georgs als regierende Herzöge im albertinischen Sachsen. Das bewirkte die volle und offene Hinwendung der Freiberger Familie zum Kurfürsten Johann Friedrich. Sie wollten dadurch verhindern, dass Georg seinen wohl geistig behinderten zweiten Sohn Friedrich zum Nachfolger machen würde, für den dann ein Ausschuss der Landstände die Regierung wahrnehmen sollte. Gegen solche Pläne stellte sich Herzog Heinrich in den Schutz des Schmalkaldischen Bundes. Johann Friedrich wollte aber nicht nur eine Erbschaft schützen, sondern verlangte eine deutliche Trennung der Freiberger Familie von der altgläubigen Politik des Herzogs Georg. Moritz sollte als Unterpfand vom Dresdner Hof an den Hof Kurfürst Johann Friedrichs nach Torgau umsiedeln. Im Freiberger Ländchen sollte die begonnene Reformation endgültig eingeführt werden. Unter den neuen Umständen ließ sich Heinrich von seiner Frau zu dieser Entscheidung bewegen. Im gleichen Jahr gab auch Elisabeth, die Witwe Johanns, die Reformation in ihrem Wittum Rochlitz und Mittweida frei. In Mittweida war eine große Anzahl der Bürger schon vorher offen evangelisch gewesen und hatte die Gegenmaßnahmen Georgs des Bärtigen erduldet.

Herzog Georg meinte dazu, wenn man ihn bei lebendigem Leibe beerben wolle, so wolle er tun, wie ihm Herzogin Katharina tue, denn diese lebe um so länger, je mehr er auf ihren Tod warte. Katharina bestimme in Freiberg die Richtung in Politik und Kirche. Georg wollte ebenso tun und leben, solange es Gott gefalle. Es verlängere auch sein Leben, wenn man auf seinen Tod warte.

Als Moritz nach Torgau zog, wusste er sich als der Thronfolger von Onkel und Vater, die beide mit 66 bzw. 64 Jahren für die damalige Lebenserwartung hoch ins Alter gekommen waren. Doch Kurfürst Johann Friedrich scheint ihn nicht als künftig regierenden Verwandten des anderen sächsischen Teilstaates behandelt zu haben, sondern eher als einen zur Dankbarkeit verpflichteten, ärmeren Verwandten. Mit ihm wollte er den eigenen Einfluss erweitern.

In Torgau stand der neue Johann-Friedrich-Bau des Schlosses kurz vor seiner Vollendung. Er wurde ein besonderes Werk der Renaissancekunst. Der Sandstein des Wendelsteines leuchtete in weißer Eleganz. Die beengenden Wände der Treppentürme der vorangehenden Zeiten waren hier in senkrechte Säulen aufgelöst, zwischen denen sich die Aufgangstreppen frei spannten. Als Moritz dort lebte, wurde 1538 zum Schluss der ganze Außenputz des Neubaus eingefärbt. Die Werkstatt Lucas Cranachs aus Wittenberg führte die malerische Gestaltung der Innenräume des Schlossflügels durch. In dieser Zeit entstand in Moritz wohl der Wunsch, in Dresden am Sitz der Albertiner selbst ein großes Schloss neu zu errichten. Karl V. bewunderte nach der Schlacht von Mühlberg 1547 das Torgauer Schloss.16 Torgaus Schlosskirche von 1544, die Luther geweiht hatte, wurde später zum Vorbild für die Kapelle im Dresdner Neubau.

In Torgau wurde Moritz zusammen mit Herzog Johann Ernst, dem Moritz gleichaltrigen, jüngeren Stiefbruder des Kurfürsten Johann Friedrich, dem Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg und dem Sohn des Grafen Wolfgang von Barby erzogen. Der Erbmarschall Hans Löser war am ernestinischen Hof sein Hofmeister. Moritz behielt ihn auch nach 1539 noch im Dienst bis zu seinem Tode 1541. Auch zu seinem lieben Gesellen Ernst von Braunschweig hielt Moritz Verbindung. In Erinnerung der gemeinsamen Tage lud er ihn im Oktober 1548 mit Reitpferd und Turnierausrüstung nach Torgau ein, wo Moritz für Herzog August die Hochzeit ausrichtete. Zu Graf Wolfgang von Barby, dem Vater, blieb ein besonderes Vertrauensverhältnis. Als Moritz regierte, übertrug er ihm in Zeiten seiner Abwesenheit immer wieder die Statthalterschaft.


Mit dem ernestinischen Kurfürsten selbst scheinen die jungen Herren wenig persönlichen Kontakt gehabt zu haben, noch weniger mit Luther, wenn dieser auch von Wittenberg nach Torgau kam. 1538 hat Moritz den Kurfürsten Johann Friedrich nach Eisenach begleitet, wo der Schmalkaldische Bund über die Möglichkeiten von Krieg und Frieden verhandelte.17

Ab Februar 1539 erlebte Moritz in Frankfurt, wohin ihn Johann Friedrich mitgenommen hatte, über zwei Monate die mühseligen Verhandlungen um Sicherung des Friedens zwischen den Schmalkaldischen Bundesverwandten und dem Kaiser, der den Erzbischof von Lund mit den Gesprächen beauftragt hatte. Moritz war dabei immer nur Zuschauer. Er wird aber private Gespräche der verhandelnden Fürsten und Räte gehört haben. Er lernte hier den Gedanken eines vorläufigen Friedens zwischen verschiedenen Bekenntnissen im Reich kennen. Man kämpfte um die Anerkennung des Nürnberger Anstandes (vorläufigen Friedens) von 1532 für neue evangelische Reichsstände, die vielleicht dem Bund beitreten würden, für sie sollte ein erweiterter Anstand auch gelten. Da das Erbe seiner nun offen evangelischen Familie in Dresden bevorstand, wird Moritz sich aus eigenem Interesse über die Vorgänge informiert haben.


Großer Wendelstein vom Johann-Friedrich-Bau des Schlosses Hartenfels in Torgau (vor der Restaurierung), 1533–36 von Konrad Krebs geschaffen, gilt als eine Hauptleistung der Frührenaissance in Deutschland

Linke Seite: Kurfürst Johann Friedrich mit den Reformatoren, von Lucas Cranach d. Ä. um 1532/39, Holz (Toledo, Museum of Art), Ausschnitt

Moritz ist später ein geschickter Unterhändler bei vielen Verträgen gewesen, der es verstand, seine Verhandlungspartner zu gewinnen. Die größte Wirkung hat sein persönliches Verhandeln gehabt, wenn er Kompromisse suchte. Anderthalb Jahr später schrieb Moritz dem Landgrafen Philipp: Das weiß Gott, dass ich es gern auf allen Seiten gut sehe. In Eisenach und Frankfurt hatte er Gelegenheit, die Bräuche von Ausgleichs- und Vertragsverhandlungen von außen kennen zu lernen. Wo eine Vielzahl von Fürsten beteiligt war, gab es Regeln, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert hatten. Man sprach über Vertragstexte, die vorher konzipiert waren und in den Verhandlungen durch mündliche Voten verändert wurden, die meist auch noch schriftlich übergeben wurden. Es ist nicht anzunehmen, dass Moritz, der sich als künftiger regierender Fürst wusste – mit 16 Jahren galt man in dieser Zeit als regierungsfähig –, kein Interesse für den Ablauf der Geschehnisse gehabt hat.

Moritz wird Luther nur selten persönlich begegnet sein. Nach dem Tode des Kurfürsten Johann 1532, des Vaters von Johann Friedrich, war die ernestinische Familie und damit auch die ernestinische Politik aus der direkten Nachbarschaft Luthers und der Reformatoren in Wittenberg nach Torgau und Weimar umgezogen. Luther war außerdem in den Jahren, die Moritz in Torgau verbrachte, durch die Vertretung des Wittenberger Stadtpfarrers Johann Bugenhagen sehr belastet und in Wittenberg gebunden. Bugenhagen ordnete gerade die Einführung der Reformation im Königreich Dänemark. Luther erzählte später von Pfingsten 1539, dem Beginn der offiziellen Reformation im albertinischen Sachsen, von der Rückfahrt aus Leipzig nach Grimma nichts von Moritz, der mitreiste, sondern vom vertrauten Gespräch mit Herzog Heinrich im Kloster Eicha. Er hörte sich die Klagen Heinrichs über die langen Mühen mit seinem großen Bruder Georg an. Heinrich beklagte damit, ohne seine Frau zu nennen, die Fremdbestimmung seines Lebens. Wie würde der in Eicha abseits stehende Moritz einen eigenen Lebensweg finden?

Die hessische Hochzeit: Moritz und Agnes

Herzog Georg ging 1538 für die Erhaltung des bisherigen Glaubens in Sachsen auf Brautschau für seinen behinderten Sohn Friedrich, das weiß Elisabeth von Rochlitz schon im Mai 1538 zu berichten.18 Georg hat dann Friedrich in der Hoffnung auf Enkel noch im Januar 1539 mit Gräfin Elisabeth von Mansfeld vermählt. Gegen diese Pläne stellte Elisabeth von Rochlitz im Herbst 153819 ein anderes Paar. Moritz sollte Agnes, die Tochter des Landgrafen Philipp, heiraten. Philipp von Hessen würde diesem Plan nicht hart widerstehen können, er war mit einer Tochter Georgs des Bärtigen verheiratet und gehörte zur Verwandtschaft. Schon längere Zeit hatte Elisabeth das für ihren Schützling Moritz erstrebt. Wollte sie ihn in den hessischen Einfluss führen?

Obwohl mit Herzog Georg, Herzogin Elisabeth, Georg von Karlowitz und Landgraf Philipp die einflussreicheren Personen handeln, sind Moritz und seine Mutter Katharina die bestimmenden Figuren auf dem mühseligen Weg zu seiner Hochzeit in Hessen. Zwischen beiden geht es im Grunde nicht um ein Recht der Eltern, den Partner des Kindes zu bestimmen, sondern auf der Seite von Moritz um die Freiheit aus der persönlichen und politischen Vormundschaft der Mutter und auf Katharinas Seite um ihre politische Macht im albertinischen Sachsen, das sie durch ihren müden, alten und vielleicht schon vergesslichen Mann lenken konnte.

Gleichzeitig bestanden in Dresden Pläne, Moritz wieder an den Hof zu bringen und ihm dann einen Aufenthalt am königlichen Hof mit hohem Unterhalt schmackhaft zu machen.20 Die Hochzeit mit einer der Töchter des Königs wurde überlegt. Elisabeth berichtet auch, dass Kaiser und König nicht zu einer Ehe des behinderten Herzogs Friedrich, wie Herzog Georg plante, sondern zur Ehe des Herzogs Moritz rieten. Durch eine Ehe ohne Vollzug könnte Moritz eine Tochter des Königs Ferdinand heiraten. Böhmen würde 50000 Gulden stiften und die noch kleine Tochter des Königs zur Erziehung nach Sachsen geben.

 

Elisabeth meinte, es wäre das für Johann Friedrich und die Evangelischen nicht gut, dass Herzog Moritz dorthin gezogen würde.21 Sie wollte mit ihrer Hochzeitsvermittlung im Sinne Gottes handeln. Denn sie war sich sicher, dass Herzog Heinrich und seine Söhne bewusst evangelisch waren. Im Herbst 1539 lehnte Herzog Heinrich auch eine königliche Heirat endgültig aus Glaubensgründen ab.

Als Herzog Georgs letzter Sohn einen Monat nach seiner Hochzeit Ende Februar starb, machte Georg von Karlowitz einen Versuch, Moritz nach Dresden zu locken. Er sicherte ihm zu, dass er in seiner persönlichen religiösen Haltung keinesfalls beeinflusst werden solle. Damit setzte er bei Moritz eine evangelische Grundhaltung voraus.22 Man hatte am Hof in Dresden Moritz als direkten Nachfolger von Herzog Georg in Erwägung gezogen, um die bestehende, altgläubige Ordnung zu sichern und das künftige Mitregieren der Landschaft doch zu erreichen. Moritz sollte Elisabeth von Mansfeld, die Witwe des gerade Verstorbenen heiraten.

Auf jeden Fall sollte Moritz wieder seinen Wohnsitz bei Georg in Dresden nehmen. Bei seinem Glauben sollte er bleiben können, aber öffentlich mit Georg die Messe besuchen. Wollte man damit ein Verfahren wieder aufleben lassen, das wohl schon beim ersten Dresdener Aufenthalt 1534 bis 1537 in Brauch war? Man wollte, dass sich Moritz der altgläubigen Ordnung in Dresden einfügte und für seine Umwelt seine evangelische Haltung verlor. Karlowitz versuchte ihn, wie schon gesagt, im März 1539 nach Dresden zu bringen, um ihn zum direkten Nachfolger Georgs zu machen. Auch die Herrschaft Katharinas mit Hilfe von Herzog Heinrich wollte Karlowitz damit vermeiden. Er war einem politischen Handeln in Gegensätzen abhold. In Religionsdingen suchte er noch Anfang 1539 in Leipzig mit einem Religionsgespräch einen Ausgleich zwischen den altgläubigen und den evangelischen Christen.

Herzogin Katharina focht heftig gegen die Pläne Herzog Georgs,23 Moritz zu seinem direkten Nachfolger zu machen. Sie wäre damit von jedem persönlichen Einfluss ausgeschlossen worden. Moritz verwies für die Antwort auf das Angebot von Karlowitz an Kurfürst Johann Friedrich und seinen Vater, von denen er abhängig wäre.24

Für Moritz war der Weg zum Ehebett mit Agnes von Hessen kompliziert. Anfangs waren seine Eltern schon zur Fastnacht 1539 in Freiberg mit dem Abschluss einer Ehe in einiger Zeit einverstanden. Elisabeth von Rochlitz erreichte von ihnen die Zusage, Moritz eine Tochter des Landgrafen Philipp zu geben, wenn diese ihm gefalle. Darauf schrieb Herzogin Elisabeth an Moritz nach Frankfurt, er solle auf dem Rückweg Agnes von Hessen besehen. Gefiele sie, wollte Elisabeth sich weiter bemühen.25 Sie wiederholte damit auch das eigene Schicksal, denn sie hatte als vierzehnjährige Hessin Johann, den achtzehnjährigen Sohn Herzog Georgs, geheiratet.26 Moritz meinte dazu, wenn es zur Heirat führe, wollte er an Elisabeth denken. Und fügte an, was Gott für ihn zu Heil und Wohlfahrt habe und worum er den Allmächtigen bitten wolle, das würde wohl geschehen.27 Leben, Ehe und Gebet gehörten von Anfang an bei Moritz zusammen. Das war später auch in den eigenhändigen Briefen an seine Frau so.

Ob Moritz schon auf dem Heimweg Agnes in Marburg oder Kassel „besehen“ hat, ist nicht festzustellen. Sicher kam Katharina mit ihm im August 1539 nach Hessen, um Näheres zur Ehe zwischen Moritz und Agnes zu klären. Herzogin Elisabeth war zu dieser Zeit ebenfalls in Kassel.28 Zugleich sollte der Erbteil der Landgräfin Christine am Barvermögen ihres Vaters, Herzog Georg, mit der Aussteuer von Agnes verrechnet werden. Die Eheabsprachen erfolgten damals immer zwischen den Eltern, mit zwölf und siebzehn Jahren mussten die jungen Leute nicht gefragt werden. Moritz’ eigenes Handeln bestand darin, dass er sich Agnes 1539 gefallen ließ.

Agnes war aber schon länger mit Erich II., dem Erben von Braunschweig-Kahlenberg, versprochen. Diese Verlobung hat Landgraf Philipp vor der Ankunft Katharinas mit Moritz rückgängig gemacht. Er hat dafür den Kahlenbergern seine Tochter Anna angeboten. An deren Stelle hat sich Moritz’ Schwester Sidonie zu Erich in eine, allerdings bald unglückliche Ehe gedrängt. Obwohl sie zehn Jahre älter war als Erich II., zog sie den Sechzehnjährigen im Marburger Schloss in ihre Arme.29

Das albertinische Sachsen bedeutete für den hessischen Landgrafen und seine Tochter wesentlich mehr als Braunschweig-Kahlenberg. Die miteinander vermittelten Brautleute fanden Gefallen und Freude aneinander, die Bestand hatten. Moritz hatte sich für diese seine erste persönliche Begegnung viel vorgenommen, nur, wenn er von Agnes freundlich und nicht mit Tränen empfangen würde, wollte er die Sache weiter verfolgen. Er fand ein lächelndes Fräulein vor. Nach einem Brief Elisabeths von Rochlitz hat Moritz bei dem Aufenthalt im Sommer Philipp von Hessen die Hochzeit mit Agnes zugesagt.30 Moritz erzählt selbst, dass er in Melsungen an der Fulda die Zusage gab.31 Elisabeth meinte dann, dass Herzog Moritz, was er zugesagt habe, halten werde, wenn er am Leben bleibt.

Schwierig wurde, dass Moritz seit 1539 gegen alle neuen politischen Pläne seiner Mutter bei seinem ersten Entschluss geblieben ist. Er lehnte auch eine vorausgenommene Trauung zur Ehe mit einer königlichen Prinzessin ab. Wenn er getraut wäre, müsste er sich der anderen Frauen enthalten. Deshalb wollte er gleich die richtige Hochzeit haben, denn er könnte über Jahre sonst keine Treue halten. Moritz scheint strenge Grundsätze über die Ehe aus dem altgläubigen Dresden und dem evangelischen Torgau mitbekommen zu haben. Er wollte nicht auf das Heranwachsen eines königlichen Kindes warten.

Katharina benutzte die Ehepläne als Druckmittel gegen die berechtigten Erbschaftsanspüche Christines von Hessen. Als Tochter musste diese beim Erbe am Barvermögen beteiligt werden. Philipp meinte, dass der Anteil seiner Frau ungefähr 50000 Gulden betrage. Katharina suchte die schon abgesprochene Ehe zu hindern, um bei Philipp einen Verzicht auf die Zahlung zu erreichen. Sie verbot Moritz eine Zusage, ehe sie mit Landgraf Philipp über das Erbe verglichen wäre. Elisabeth von Rochlitz meinte, dass nur Katharina die Ehe verhindere.32 Schließlich hätten ihr beide Elternteile lange schon gesagt und auch geschrieben, dass sie Moritz keine andere geben wollten, wenn sie ihm gefiele. Kurfürst Johann Friedrich wiederum war nicht für die Heirat, weil damit Hessen ein größeres Gewicht im Schmalkaldischen Bund bekam.

Moritz war mit all diesen Plänen anderer über ihn immer noch die geschobene Figur im politischen Schachspiel. Herzog Georg suchte durch Moritz den altgläubigen Bestand der Kirche im albertinischen Sachsen zu sichern. Georg von Karlowitz und der Adel wollten sich ihre Mitregierung im Herzogtum sichern, Elisabeth von Rochlitz suchte mit der Vermittlung einer Ehe von Moritz mit der hessischen Nichte zu verhindern, dass dieser zur Ehe mit einer Tochter König Ferdinands bewegt würde. Sie wollte außerdem einer Idee Herzog Georgs begegnen, die Nachfolge vielleicht dem Schwiegersohn Landgraf Philipp anzubieten.

Schließlich wollte Elisabeth persönlich durch einen Besuch in Dresden unmittelbar nach Weihnachten 1539 gegen den Widerstand der Herzogin Katharina zur Ehe vermitteln. Als diese das erfuhr, zog sie mit ihrem gesamten weiblichen Hofstaat zwei Meilen vor die Stadt auf ein Dorf. Moritz ließ sich zwingen, die Mutter zu begleiten, weil diese sonst ein Vierteljahr oder länger mit ihm kein Wort mehr geredet hätte.33

Elisabeth wollte sofort wieder kehrtmachen, weil dieses Verhalten für beide Fürstinnen beschämend wäre. Aber Hans von Heinitz, ein herzoglicher Rat, vermittelte. So bat Herzog Heinrich Elisabeth, für eine Unterredung am nächsten Morgen zu bleiben. Er konnte sie aber nur in einem für fürstlichen Besuch ungeeigneten, sehr engen Zimmer unterbringen. Elisabeth schreibt dazu ihrem Bruder: Ich hort auch sagen, dey hertzgen solt yern soun darumb vor mir geflogett haben, das sey sorge het, ich oberret yn zu etwas meins leybgutz halben, auch der heurezt halben; zum andern das ich ein hemlichen koundragk mit ym mach, des erbest halben, das er solt keyn egeld fortter von Dir zu den 20000 Gulden, dey sey Dir geben. Es soll gewist sein; hatt auch gesaget, ich hetz yn auf sey.34 Elisabeth hatte besonders Moritz treffen wollen. Er entschuldigte sich danach bei Elisabeth. Sie sollte auf ihn nicht zornig sein, es wäre alles ohne seine Schuld geschehen. Er hätte es tun müssen.35