Die Geschichte vom Braven Soldaten Schwejk

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Die Geschichte vom Braven Soldaten Schwejk
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LITAG THEATERVERLAG MÜNCHEN

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PERSONEN

(Mehrfach-Besetzung nummeriert nach folgendem Auftritts-Schema)

1 Josef Schwejk

2 Palivec / Stabsarzt Grünstein / Oberst Kraus / Generalmajor i.Z. / Feldmarschall

3 Bretschneider / Oberarzt Bautze / Kakonyi / Hauptmann Sagner / Feldkurat Cap

4 Untersuchungsrichter / Feldkurat Katz / Ungarischer Zugschaffner / Major Lutz

5 Journalist / Unterarzt / Oberleutnant Lukasch

6 Photograph / Kammerdiener / Diener b.Kakonyi / Feldg.-Wachtmeister / Honvéd-Corp.

7 Sanitätsfeldwebel / Hauptwachtmeister / Unteroffizier Sokol / Feldwebel Nasalka

8 Woditschka und

9 Der Riese Baloun

Zwei so ausgeprägte Typen, die keine weiteren Rollen übernehmen.

I Frau Müllerova / Generalswitwe / Älteres Dienstmädchen vom Land

II Frau Palivecova / Katy / Frau Kakonyi

A 1.Wachsoldat / San.-Uffz. / Honvéd

B 2.Wachsoldat / Feldg.-Obergefreiter / Statisten

C Ohnmächtiger Reservist / Sträfling

Die Handlung spielt bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Prag, auf dem Marsch durch Ungarn und an der Front in Galizien.

Die Bühne ist schwarz ausgehängt und hat bis zur Pause einen Horizontvorhang mit Motiven alter Stiche der Stadt Prag.

Zu Beginn der Vorstellung stehen neben dem ersten Szenenbild "Bei Schwejk" (links) auch schon das zweite "Im Gasthaus Zum Kelch" (Bühnenmitte) und das dritte "Beim Untersuchungsrichter" (rechts) bereit - sofern keine Drehscheibe benutzt werden kann.

Mit dem Dunkelwerden des Zuschauerraumes setzt - gedämpft - Böhmische Blasmusik ein, die mit dem Aufziehen des Vorhangs und dem Aufblenden der Szene leiser wird, als wäre sie von der Straße her aus der Ferne zu hören.

Die Personen in der Reihenfolge ihres ersten Auftretens und ihrer Verwandlung in andere Gestalten. Die Verwandlung erfolgt nach exakt berechneten Zeiten für den Kostüm- und Maskenwechsel. Besetzungsschema für 9 Herren, 2 Damen und 3 Statisten.

Josef Schwejk, Hundehändler in Prag (1)

Frau Müllerova, seine alte Bedienerin (I)

Palivec, Wirt des Gasthauses Zum Kelch (2)

Bretschneider, Geheimpolizist (3)

Frau Palivecova (II)

Untersuchungsrichter Svoboda (4)

Ein Journalist (5)

Ein Photograph (6)

Musterungs-Oberarzt Bautze (3)

Sanitätsfeldwebel (7)

1. Wachsoldat (A)

2. Wachsoldat (B)

Ohnmächtiger Reservist (C)

Woditschka, ein rotbackiger, schnauzbärtiger Bursche vom Land (8)

Der Riese Baloun (9)

Stabsarzt Grünstein (2)

Ein Unterarzt (5)

Baronin Botzenheiin, Generalswitwe (I)

Deren Kammerdiener (6)

Sanitäts-Unteroffizier (A)

Harmonium spielender Strafgefangener (C)

Hauptwachtmeister im Garnisonsgefängnis (7)

Feldkurat Katz (4)

Oberleutnant Lukasch (5)

Katy, dessen Geliebte (II)

Oberst Kraus, Lukaschs Regimentskommandeur (2)

Ein etwa vierzigjähriges Dienstmädchen aus dem Böhmerwald (I)

Kakonyi, ungarischer Konsul in Prag (3)

Dessen Frau, eine rothaarige Schönheit (II)

Diener von Kakonyi (6)

Glatzköpfiger Generalmajor in Zivil (2)

Hauptmann Sagner, Lukaschs Bataillonskommandeur (3)

Ungarischer Zugschaffner (4)

Feldgendarmerie-Wachtmeister (6)

Dessen Schreiber, ein Obergefreiter (A)

Wachtposten (B)

Unteroffizier Sokol (7)

Alter Feldmarschall (2)

Honvéd-Corporal (6)

Honvéd (A oder C)

Feldkurat Cap (3)

Major Lutz, Exekutionsoffizier (4)

Feldwebel Nasalka (7)

1.Wachsoldat (A)

2.Wachsoldat (B)

1914

Was ist der Tschechen Vaterland?

Wir wissen's nicht und 's ist kei' Schand,

Denn unser Kaiser lebt in Wien

Und den zieht's mehr zu Ungarn hin

Des Doppeladlers zweitem Kopf -

Der Tschech' ist nur ein armer Tropf,

Kann von der Monarchie nix erb'n,

Bloß gut genug für sie zu sterb'n:

Drum brauchen wir 'ne Republik!

Hoch lebe Thomas Masaryk!

R.G.

1. Bild BEI SCHWEJK

Ein kleiner Tisch, auf dem eine Flasche mit einer milchigen Flüssigkeit steht, ein Stuhl, eine Fußbank, ein eisernes Waschgestell und ein Kleiderständer, auf dem eine abgetragene Jacke und eine speckige Melone hängen.

Schwejk sitzt am Tisch, in einem am Kragen offenen Hemd, mit Hosenträgern, ein Hosenbein hochgekrempelt, den nackten Fuß auf der Fußbank, reibt sich das Knie ein und summt einige Takte der fernen Blasmusik mit. Frau Müllerova kommt aufgeregt hereingelaufen. Sie trägt Putzkleider, ein Kopftuch, hat eine Nickelbrille auf der Nase und einen Schrubber in der Hand.

Frau Müllerova:

Jessas, Herr Schwejk, Herr Schwejk! Sie ham uns den Ferdinand erschlagn!

Schwejk:

(ohne vom Einreiben aufzuschaun)

Was fir einen Ferdinand, Frau Mühlerova? Kenn ich beileifig zwei Ferdinande. Der eine is ein Gehilfe beim Drogisten Pruscha und hat dorten mal im Rausch ein ganzes Flaschl Haartinktur ausgesoffen, und der andre is der Ferdinand Kókoschka, was den Hundedreck einsammelt und um beide is nich schad.

Frau Müllerova:

(hat die ganze Zeit den Kopf geschüttelt.)

Aber Herr Schwejk, ich red von unserm Herrn Erzherzog Ferdinand, dem dicken frommen aus Konopischt!

Schwejk:

Jessesmarja! Wo is ihm denn das passiert, dem Herrn Erzherzog?

Frau Mü l lero v a:

In Sárajewo hams ihn mit einem Revolver erschossn, wie er grad mit seiner Frau Erzherzogin im Automobil gefahrn is.

Schwejk:

Da schau her: im Automobil. No, so ein Herr kann sich das leisten, aber denkt nich dran, wie so eine Fahrt enden kann. Noch dazu in Sárajewo. Das is in Bosnien, Frau Müllerova. Und das ham uns gewiß die Tirken gemacht. Wir hättn ihnen halt nich dieses Bosnien und dazu auch noch die Herzegówina wegnehmen solln. Und hat'r sich lang plagn missn, der Herr Erzherzog?

Frau Mü l l e rova:

'S Prager Tagblatt sagt, er war gleich hin.

Schwejk:

(rollt das Hosenbein herunter und zieht Socken und Schuh an.)

No, da hat'r ja noch Glick gehabt, Frau Müllerova, verglichen mit der seligen Frau Kaiserin Elisabeth, wo dieser Lucchenie in Genf mit einer Feile erstochen hat. Sie erinnern sich?

Frau Müllerova:

No schrecklich, wie die scheene Frau gelitten hat!

Schwejk:

(steht auf, knöpft sich den Hemdkragen zu, zieht seine Jacke an und setzt die Melone auf, die er vorher mit dem Jackenärmel abputzt.)

Armes Estreich! So kommt einer nach'm andern dran aus'm Herrscherhaus. Jetzt kenn' mer bloß hoffen, Frau Müllerova, dass kein Komplott auf heherer Ebne dahintersteckt, sonst mecht noch ein Krieg draus wern. Ich geh mal auf ein Glasl Bier zum Palivec in' Kelch. Wenn wer wegen einem Hundl kommt, so vertreestens ihn auf morgen frieh, weil ich das Pintscherl, wo ich eingefangen hab, erst noch ein bissl auffrisiern muss, dass' was bringt. Und den Schlüssel gebens dann zur Hausmeisterin.

Frau Müllerova:

Is gut, Herr Schwejk.

(Er geht ab und sie beginnt seufzend aufzuräumen, womit die Szene ausgeblendet wird. Die ferne Blasmusik wird dabei wieder etwas lauter und gleich darauf wird die nächste Szene aufgeblendet, wonach die Musik wieder leiser wird und mit dem ersten Dialogsatz verklingt.)

2. Bild IM GASTHAUS ZUM KELCH

Zwei kleine Tische, mit je zwei kleinen Stühlen. Ein Schanktisch mit Bierhähnen. Dahinter ein freistehendes Wandstück, mit einer schmutzigen Tapete, die eine helle Stelle hat, woraus man schließen kann, dass hier einmal ein Bild hing.

Der schnauzbärtige Wirt Palivec steht hinter dem Schanktisch und wäscht in einer Schüssel Biergläser aus. Er trägt ein am Kragen offenes Hemd, hochgekrempelte Ärmel, Hosenträger und eine Slowakenkappe. Vorm Bauch trägt er eine grüne Wirtsschürze.

An einem der Tische sitzt Bretschneider, vor sich ein halb geleertes Bierglas. Er trägt einen schwarzen Straßenanzug, das Hemd mit Vatermörderkragen und Binder und hat seinen Hut aufbehalten. Er hat einen schmalen Schnurrbart und das Aussehen eines unangenehmen Zeitgenossen. Er liest Zeitung und raucht eine Virginia.

 

Bretschneider :

(über die Zeitung hinweg)

Na, da haben die uns in Sarajewo ja was Schönes eingebrockt. Finden Sie nicht, Herr Wirt?

Palivec:

In solche Sachen misch ich mich nicht ein. Damit kann mich jeder am Arsch lecken. Ich bin Gastwirt und wenn wer kommt und ein Pils anschafft, schenk ich's ihm ein und basta. Zu Sarajewo hab ich nix zu sagen, denn dabei schaut fir unsereins nix heraus als Verdruß.

Bretschneider:

Soso... Aber sagen Sie: hing dort an der Wand hinterm Schanktisch nicht früher mal ein Bild vom Kaiser Franz Joseph?

Palivec:

Da harns schon recht. Da hing er mal der Kaiser. Aber die Fliegen ham auf ihn geschissen und so hab ich ihn auf'n Boden gegeben. Sonst mechte sich am Ende noch jemand eine Bemerkung dariber erlaubn.

Bretschneider:

Verkehren denn solche Leute bei Ihnen im Kelch?

Palivec:

Mechtens noch ein Pils?

Bretschneider:

(blickt zur Seite, von der gerade Schwejk auftritt.)

Später... Schwejk: Winsch ein' scheenen Guten Abend!

Palivec:

Habe die Ehre, Herr Schwejk! Das iebliche: ein Helles und ein Slibowitz?

Schwejk:

(setzt sich an den freien Tisch.)

Ein' Slibowitz, das ja, Herr Palivec, ein Helles, das nein. Nachdem 's in Wien jetzt alle Trauer tragen, nehm ich aus Pietät heut lieber ein Dunkles.

(Palivec lacht und bedient ihn.)

Bretschneider:

Finden Sie das zum Lachen, Herr Wirt?

Palivec:

Na, wo werd ich...! Bloß wie's der Herr Schwejk so 'rausbringt...

Bretschneider:

(zu Schwejk)

Sollte das ein politischer Witz sein?

Schwejk:

Gott behiete!

(Stopft sich seine Porzellanpfeife.)

Dazu ist die Sache beileifig viel zu ernst. Denn wo soll denn nu unser Kaiser so schnell einen andern Thronfolger hernehmen?

Bretschneider:

Das in Sarajewo haben die Serben auf dem Gewissen.

Schwejk:

No, da taischen Sie sich aber sehr, lieber Herr. Das ham die Tirken

gemacht wegen Bosnien und der Herzegowina. Was sagen Sie, Herr Palivec?

Palivec:

Fir mich als Gewerbetreibender gibt's keine Politik, Herr Schwejk. Und ob nu der dicke Franz Ferdinand von einem Tirken oder einem Serben erschossen worden is, das is mir vellig powidl.

Schwejk:

Recht harns, Herr Palivec. Hin is hin.

(Zündet sich die Pfeife an.)

Bretschneider:

Aber Sie werden doch zugeben, dass es für Österreich-Ungarn ein schwerer Verlust ist?

Schwejk:

Ein Verlust is' schon, das läßt sich nicht laignen. Denn ein Erzhrzog is ja nicht durch jeden x-beliebigen Trottl zu ersetzen. Nur schad, dass er nicht noch dicker war.

Bretschneider:

Wie meinen Sie das?

Schwejk:

Na, wenn er noch dicker gewesen wär, hätt ihn vielleicht schon frieher mal der Schlag getroffen, wenn er die armen Reisigweiberl aus seinem Forst in Kanopischt verjagt hat und er hätt nich eines so schmählichn Todes sterben missn, der womeglich die ganze Monarchie erschittert.

Bretsch n eider:

Ach, glauben Sie?

Schwejk:

Jedenfalls sitzt jetzt der zittrige alte Mann in Wien ganz scheen in der Patschn.

Bret s chneider:

Meinen Sie damit unsern Kaiser?

Schwejk:

No, wem sonst? Wenn's nemlich die Tirken warn, muss'r ihnen eins ieber die Goschn haun. Das aber mecht kitzlig wern, wenn ihm die Deitschen in den Rickn falln, die mit'n Tirken zusammenhalten. Da misste er sich halt mit'n Franzosen verbinden, wo seit jeher einen Hass auf die Deitschn ham oder mit'n Engländern, die auf'n Kaiser Wilhelm seine Flotte eifersichtig sind. Aber es kennt natierlich auch alles ganz anders kommen, je nachdem was nu der Russe dazu sagt. Na und die Hochfinanz hat da bekanntlich auch noch ein Wörtl mitzureden, die erscht mal austaxiern muss, wie und wo's beste Geschäftl zu machen ist.

Bret s chneider:

Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, dass unser Kaiser sich von solchen Kräften manipulieren läßt?

Palivec:

(der sich schon mehrfach verzweifelt an den Kopf gefasst hat)

Jetzt seins aber kusch, Herr Schwejk!

Schwejk:

Es wird halt einen Krieg geben, mehr sag ich sowieso nicht.

Bretschneider:

(steht auf.)

Mehr brauchen Sie auch nicht zu sagen!

(Hält ihm seine Dienstmarke unter die Nase.)

Wiesen Sie, was das ist?

Schwejk:

Jessesmarja, ein Geheimer!

Palivec:

(stöhnt)

Ich hab's geahnt!

Bretschneider:

Kommen Sie freiwillig mit oder soll ich den Wachtmeister hereinrufen, den ich hinterm Haus postiert habe?

Schwejk:

(ist aufgestanden und hat die Melone aufgesetzt.)

Nicht neetig, denn das mechte Herrn Palivec scheniern.

Palivec:

Mein Gott, Herr Schwejk...!

Schwejk:

(ist mit seinem Schnapsglas zum Schanktisch gegangen.)

Macht nix, Herr Palivec, alles is Schicksal. Schenkens mir noch einen Slibowitz ein. Dann zahl ich auch gleich noch das Kipfl und die Wirsteln, wo 'S mir angeschrieben ham und ab geht's in den Schoß der staatlichen Sicherheit.

(Sucht nach einer Münze in der Tasche.)

Palivec:

(hat den Slibowitz eingeschenkt.)

lassens Ihr Geld stecken, Herr Schwejk, Sie schulden mir nix!

Schwejk:

Vergelts Gott und grießens mir Ihre liebe Anna!

(Kippt den Schnaps hinunter.)

Bretschneider:

(wirft eine Münze auf den Schanktisch.)

Sie sind also verheiratet, Herr Wirt?

Palivec:

Was denn sonst?

Bret s chneider:

Dann ist ja alles in schönster Ordnung. Übergeben Sie Ihrer Frau das Geschäft, denn in einer Stunde lass ich Sie abholen.

Palivec:

Ja, wofier denn? Ich hab doch nix gesagt!

Bretschneider:

Wir werden Ihnen den beschissnen Kaiser schon austreiben!

Palivec:

Aber das warn doch die Fliegen!

Schwejk:

(reicht Palivec die Hand.)

Machens Ihnen nix draus, Herr Palivec. Mehr als Hochverrat kennens uns nicht anhängen.

Brets c hneider:

Und nun ab!

Schwejk:

Mechtens mir nicht Handschellen anlegen?

Bretschneider:

Wozu denn?

Schwejk:

No, es wär mir halt ein bisel peinlich, wenn die Laite dächten, ich geh freiwillig mit einem Spitzel spaziern.

Br e tschneider:

Wollen Sie einen Tritt in den Hintern?

Schwejk:

Danke ergebenst, das nein.

Bret s chneider:

Dann vorwärts marsch!!

(Sie marschieren mit dem gleichzeitigen Einsetzen von Marschmusik ab.)

Palivec:

(schreit in die Musik hinein hinter Bret s chneider her.)

Saubande, monarchistische!!

(Anna Palivec tritt auf. Die Musik wird leiser und ist nur noch wie aus der Ferne zu hören. Anna trägt einfache Kleidung, hat eine schlichte Frisur mit Haarknoten im Nacken und trocknet sich die Hände an einer Küchenschürze ab.)

Anna:

Was schreist denn so, Palivec?

Palivec:

Den Schwejk harns verhaftet!

Anna:

Wann und wo?

Palivec:

Eben hier! Der Lump da driebn am Tisch war ein Geheimer...

Anna:

Heilige Jungfrau Maria!

Pal i vec:

Und mich lässt'r in einer Stunde abholen.

Anna:

Ja, was habts denn gemacht?

Palivec:

Nix ham mer gemacht! Der Schwejk hat bloß gesagt, dass es Krieg gibt...

Anna:

Und du?

Palivec:

dass ich den Kaiser weggehängt hab, weil ihn die Fliegn bemacht ham.

Anna:

Mein Gott, Palivec, kannst du nich die Goschn halten in einer Zeit wo'S in Prag von solchen Spitzeln nur so wimmelt?! Was soll jetzt bloß werden?

(Weint.)

Palivec:

Heul nich, Anna. Was kennens mir schon machen wegen einem von Fliegn beschissnen Kaiser?

Anna:

Hast du eine Ahnung, bei dem Hass, den's auf uns Tschechen ham?!

Palivec:

Na und wenn schon!

(Gießt sich einen Slibowitz ein.)

Wenns mich einsperrn, kennens mich nicht zu ihren Fahnen rufen, verstehst du? Oder wärs dir lieber, dass ich dich fir Estreich auf irgendeirm Schlachtfeld zur Witwe mach?

Anna:

Das fehlte noch!

Palivec:

Na siehst du! Also Prost auf die Fliegen!!

(Trinkt.)

(Mit dem Ausblenden der Szene wird die Musik wieder lauter. Wenn gleich darauf die nächste Szene aufgeblendet wird, wird sie wieder leiser und verklingt schließlich.)

3. Bild BEIM UNTERSUCHUNGSRICHTER

Schreibtisch mit Akten und einem Telefon mit Kurbel. Dahinter sitzt der Untersuchungsrichter Svoboda. Typ: akademischer Beamter mit Schmiss und einem Zwicker auf der Nase.

Schwejk steht vor dem Schreibtisch in strammer Haltung, die Melone an der Hosennaht.

Svoboda:

(schreit sofort beim Aufblenden der Szene und damit noch in die Musik hinein.)

Schluss jetzt! Spielen Sie hier nicht den Idioten!

Schwejk:

Melde gehorsamst, Herr Untersuchungsrichter, dass ich beileifig schon vor zehn Jahrn als Rekrut bei den Einundneunzgern in Budweis von einer Kommission von Stabsärzten fir bleed erklärt und aus'm Dienst entlassen wordn bin.

 

Svoboda:

Aha. Sie sind also ein militärbehördlich anerkannter Idiot...

Sch w ejk:

Zu Befehl!

Svoboda:

Ja, nur haben Sie sich getäuscht, wenn Sie glauben, dass Sie damit bei mir durchkommen. Sie stehn hier als subversives Subjekt vor einer zivilstrafrechtlichen Behörde und was diese ahnungslosen Militärärzte da in Budweis diagnostiziert haben, das ist mir völlig...

(Rudert mit der Hand in der Luft.)

Schwejk:

Powidl!

Svoboda:

Was?

Schwejk:

Auf deitsch wurscht.

Svoboda:

Jawohl! Denn wessen Sie beschuldigt werden, beweist, dass Sie Ihrer fünf Sinne durchaus mächtig sind. Oder wolln Sie plötzlich alles leugnen, was Sie hier im Polizeiprotokoll eigenhändig unterschrieben haben? Oder gar behaupten, dass man Sie dort mit Drohungen oder Misshandlungen dazu gezwungen hat?

Schwejk:

Das bitte nein, Euer Ehr. Mit Ausnahme, dass mir der Herr Wachtmeister zum Abschied ein blaues Auge geschlagen hat, bin ich dorten mit der greßten Zuvorkommenheit behandelt worden.

Svoboda:

(hat sich vorgebeugt.)

Ein blaues Auge...?

Schwejk:

Das kam so, Euer Ehrn. Eh ich heute morgen hierher ieberfiehrt worden bin, hat mich der Herr Wachtmeister gefragt, ob ichs mir vielleicht einfalln lassen mechte, mich bei Ihnen ieber die Behandlung im Polizeigefängnis zu beklagen. No wo werd ich! - hab ich gesagt. Es war sehr nett bei Ihnen, Herr Wachtmeister. Denn im Vergleich zu frieher is ja das Eingesperrtsein heutzutage fast eine Hetz. Statt ei'm finstern Verließ ham mer ein hibsches helles Zimmer mit schwedischen Gardinen, ein' Tisch ham mer, ein Bett ham mer und die Abortschissl ham mer direkt vor der Nasn - no und wenns jetzt noch ein paar Bliemeln reingeben mechten, Herr Wachtmeister, wärs bei Ihnen direkt gemietlich. Da läuft er auf einmal rot an wie eine Tomatn und brillt: Was wollen Sie, B l u m e n, Sie tschechischer Schweinehund? Hier hams zum Abschied ein Veilchen! - und bums hat ich eins in der Goschn.

Svoboda:

Geschieht Ihnen ganz recht, denn Sie haben ihn schamlos provoziert.Und jetzt halten Sie den Mund und antworten nur noch auf meine Fragen.

Schwejk:

Zu Befehl. Obwohl ich glaub, es riehrt eher daher, Euer Ehrn, dass der Herr Wachtmeister aus'm Mährischen kommt, wo's von jeher auf die Tschechen aus'm Behmischn einen Rochus ham.

Svoboda:

Wolln Sie wohl endlich das Maul halten?!

(Schwejk steht stramm.)

Mit wem verkehren Sie?

Schwejk:

Zuletzt Euer Ehrn, hatt ich ein hibsches Mädl aus Brinn, doch momentan bin ich mit keinem weiblichen Wesen intim.

Svoboda:

Himmelherrgottsakrament, ich frage nicht, mit wem Sie den Beischlaf ausüben, ich will wissen, welchen politischen Umgang Sie haben!

Schwejk:

Ich firchte, diesbezieghich muss ich Euer Ehrn leider enttaischn, weil als Hundehändler bin ich politisch vellig neutral und verkauf meine Hundeln an jeden wo's zahl kann, ganz powidl ob er nu deitsch-liberal, tschechisch-national oder kaisertreu is, Christ, Jud, Muselmann oder Heide.

Svoboda:

Was Sie nicht sagen! Und wie verträgt sich das mit der Tatsache,dass Sie die Leute gegen die Türken aufhetzen, indem Sie das Gerücht verbreiten, sie hätten unseren Thronfolger umgebracht?

Schwejk:

Warens beileifig doch die Serben?

Svoboda:

Das wissen Sie so gut wie ich und jedermann, nachdem schon gestern in den Zeitungen zu lesen war, dass der Kaiser ein Ultimatum an Serbien vorbereitet und dass die Türken, wenn's zum Krieg kommt, diesmal auf unsrer Seite stehn.

Schwejk:

Da schau her wie sich das Blattl gewendet hat und jetzt ham mers, Euer Ehrn!

Svoboda:

Was?

Schwejk:

Wie ich in diese Schlamastik geraten bin: nemlich weil ich die Zeitungen von gestern immer erst iebermorgen les, wenns mir die Frau Millerova, was meine Bedienerin is, von einer Nachbarin mitbringt und zu Papierln firs Scheißhäusl zusammgeschnitten hat, auf dem mer eigentlich nicht lesen sollte, weils davon Hämmorittn geben mecht...

Svoboda:

(haut auf den Tisch.)

Wolln Sie mich mit Ihren Abortgeschichten zum Narren halten, Sie unverschämter Patron?!

(Das Telefon läutet.)

Schwejk:

Ich bitt Sie, Euer Ehrn..!

Svoboda:

(hebt wütend ab.)

Svobodal ... In welcher Sache? ... Schwejk? Der Halunke steht gerade vor mir. Was hat die Hausdurchsuchung ergeben?

Schwejk:

Heilige Jungfrau—!

Svoboda:

Da beginnens plötzlich zu zittern, was?

(Ins Telefon)

Na, nicht Sie, der Schwejk!... Wie bitte? Nichts gefunden?...

Schwejk:

Gelobt sei der Herr!

Svoboda:

Außer was im Briefkasten? Einen Musterungsbefehl?

Schwejk:

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