Die bedeutendsten Österreicher

Text
Aus der Reihe: marixwissen
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Franz Schubert

* 31. Januar 1797 Wien, † 19. November 1828 Wien

Komponist

Schubert wurde im Haus »Zum roten Krebsen« als zwölftes Kind eines aus Mähren stammenden Schulgehilfen und späteren Schulleiters geboren. Nur fünf seiner Geschwister überlebten das Kleinkindalter. Seine Kindheit war, wie üblich im Hause eines Schulmeisters, von Musik geprägt. Mit acht Jahren begann er Geige zu spielen und konnte bald kleine Duette ausführen. Der ältere Bruder Ignaz (* 1785), der bereits den Lehrerberuf ausübte, unterwies den kleinen Franz im Klavierspiel. Michael Holzer, der Chordirigent der Lichtentaler Pfarrkirche, erteilte ihm Unterricht in Gesang, Orgelspiel und Generalbass. Sonntags sang er bei der Messe die Solosopranpartien. Außerdem wurden im Hause Schubert regelmäßig Streichquartette aufgeführt. Der Vater von Franz Schubert spielte bei diesen Aufführungen Cello, sein Sohn Franz Bratsche und die beiden Brüder Ferdinand und Ignaz die erste und zweite Geige.

1808 schickte der Vater den kleinen Franz zum Probesingen in die k. k. Hofkapelle, wo zwei Sängerknabenstellen ausgeschrieben waren. Infolge seiner schönen und gut ausgebildeten Stimme erhielt er einen Stiftungsplatz im k. k. Stadtkonvikt, das sich in einem Gebäude der alten Universität neben der Jesuitenkirche befand. Für Schubert war es eine harte und entbehrungsreiche Zeit, bei der viele Unterrichtsstunden und karge Mahlzeiten an der Tagesordnung waren. Mit seinen Konviktskameraden und späteren Freunden Josef Spaun, Albert Stadler und Anton Holzapfel besuchte er das nahe Akademische Gymnasium. Den Musikunterricht im Konvikt leitete Antonio Salieri, der auch für die Aufführungen in der Hofkapelle zuständig war. Dabei lernte Schubert vor allem die Messen von Haydn, Mozart und Albrechtsberger kennen. Außerdem spielte er im Konviktsorchester Geige. Da sein herausragendes Talent schnell erkannt wurde, erhielt er ab 1811 von Salieri auch Kompositionsunterricht. Dieser Unterricht dauerte bis 1816. In späteren Jahren schrieb er zuweilen auf seine Kompositionen Schüler Salieris.

In der Konviktszeit entstanden bereits viele kleinere Kompositionen, die anfänglich noch von seinem Lehrer geprägt waren, während Schubert später seine eine eigene musikalische Sprache entwickelte. Es waren vor allem Klavier- und Kammermusikwerke und nur vereinzelte Lieder. Auch mit der Komposition einer ersten Symphonie begann er im Konvikt. Manche dieser Werke sind leider verlorenen gegangen. Schuberts Komponierleidenschaft wirkte sich negativ auf seine Schulnoten aus, was zu Konflikten mit dem Vater führte, der ihm das Komponieren verbieten wollte. Schubert setzte seine kompositorische Tätigkeit jedoch heimlich fort und wurde dabei von seinem Freund Spaun mit Notenpapier ausgestattet. Sein Freundeskreis, der sich in den Jahren im Konvikt noch um Johann Nestroy und Joseph Rauscher, den späteren Kardinal von Wien, erweiterte, wurde für ihn lebenswichtig, denn er bot ihm die für ihn notwendige emotionale, aber auch materielle Unterstützung. So wohnte Schubert beispielsweise eine Zeitlang bei Franz Schober, dem späteren Weimarer Legationsrat und Reisebegleiter von Franz Liszt. Eine besonders enge Freundschaft verband den Komponisten mit dem romantischen Maler Moritz von Schwind. Ihm und dem Maler Leopold Kupelwieser verdanken wir großartige Bildzeugnisse aus Schuberts Leben. So manche Beziehung aus diesem Kreis ermöglichte dem Musiker Zugang in wohlhabende Häuser, wo zu seinen Ehren musikalische Zusammenkünfte, so genannte »Schubertiaden«, abgehalten wurden. Hinzu kamen Landpartien in die Umgebung Wiens, für die Schubert eigens fröhliche Tänze und Lieder für den Männerchor schrieb.

Nur in den Sommerferien war es ihm möglich, die Hofoper zu besuchen und dort Werke von Mozart, Gluck oder Cherubini kennenzulernen.

1813 verließ Schubert das Konvikt und kehrte in sein Elternhaus zurück. Nach dem Tod der Mutter hatte der Vater noch einmal geheiratet, seine Stiefmutter, die selbst noch fünf Kinder gebar, wurde den älteren Kindern eine gute Mutter. Schubert absolvierte rasch die Lehrerbildungsanstalt für Schulgehilfen und übernahm eine Klasse in der Schule des Vaters. Daneben komponierte er fleißig; seine F-Dur-Messe wurde 1814 zum 100-jährigen Jubiläum der Pfarrei Lichtental uraufgeführt. In rascher Folge schuf er die 2. und 3. Symphonie und die Zauberoper Des Teufels Lustschloß. Daneben entstanden weitere Opern wie Die Zauberharfe, Alfonso und Estrella und Der häusliche Krieg. Leider blieb Schuberts Opern der Erfolg versagt, was teils an den ungelenken Libretti, teils an der zu lyrischen Musik des Komponisten lag. Im Repertoire hat sich lediglich Rosamunde behaupten können. Eine zeitgenössische Kritik beschrieb Die Zauberharfe sogar als unsinnig und langweilig, obwohl dem jungen Komponisten Talent bescheinigt wurde.

Insgesamt schrieb Schubert sieben Symphonien, eine achte, äußerst dramatische, blieb unvollendet. Diese Partitur lag mehr als 40 Jahre im Schreibtisch seines Freundes Hüttenbrenner und wurde erst 1865 von den Wiener Philharmonikern uraufgeführt. Beispiellos und höchst virtuos in ihrer gestalterischen Kraft sind Schuberts Lieder, die für die nachkommenden Generationen zukunftsweisend wurden. Insgesamt 600 Lieder entstammen seiner Feder, vor allem die bedeutenden Zyklen Die schöne Müllerin und Die Winterreise nach Texten von Wilhelm Müller. Schuberts Gesamtwerk umfasst etwa 1000 Opuszahlen. Mit seinen Liedern war der Komponist auch bei seinen Zeitgenossen sehr erfolgreich, wie eine Besprechung der Schönen Müllerin in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode aus dem Jahr 1828 belegt: »Mit vieler Freude nehmen wir die Anzeige dieses schönen, interessanten Werkes vor, in dem das Genie des Tonsetzers mit wirklicher Weihe die herrlichen Lieder des edelsten Dichters zur Verklärung bringt.«

Nach drei Jahren Schuldienst hatte Schubert die Lehrtätigkeit aufgegeben. Unterstützt von seinem Freund Schober konnte er sich nun ausschließlich seinen Kompositionen widmen. Eine Position als Musiklehrer in Laibach wurde ihm verwehrt, zwei Sommer lang (1818 und 1824) unterrichtete er die beiden Töchter des Grafen Esterházy, wobei er am Sommersitz Zelesz mit ungarischer Musik in Kontakt kam. Eine regelmäßig dotierte Stelle konnte er jedoch nicht finden.

Vermutlich bereits ab 1823 ist bei ihm eine damals unheilbare venerische Krankheit ausgebrochen, von der er sich nur kurz auf einer Erholungs- und Konzertreise nach Oberösterreich, die er gemeinsam mit dem Liedersänger Johann Michael Vogl antrat, erholen konnte. Noch im März 1827 nahm er an Beethovens (→ siehe dort) Beisetzung am Währinger Ortsfriedhof teil. Im November 1828 erkrankte er an Typhus, dem sein geschwächter Körper nicht mehr standhalten konnte. Sein Freund Schwind schrieb: »[…] Schubert ist tot und mit ihm das heiterste und schönste, das wir hatten.« Er wurde auf dem Währinger Ortsfriedhof beigesetzt, sein Grabstein lag unweit der letzten Ruhestätte von Beethoven. Die Grabinschrift verfasste Franz Grillparzer: »Die Tonkunst begrub hier einen reichen Besitz, aber noch viel schönere Hoffnungen.« Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erhielt er ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Werke u.a.:

Ca. 600 Lieder, darunter Die schöne Müllerin und Winterreise; 12 Symphonien (davon fünf unvollendet); sechs lateinische Messen; die Deutsche Messe; Kammermusik (z. B. das Forellenquintett); Klaviermusik; Bühnenwerke.

Christian Doppler

* 29. November 1803 Salzburg, † 17. März 1853 Venedig

Physiker

Der aus einer Salzburger Steinmetzfamilie stammende Christian Andreas Doppler war von zarter Statur und daher für die Arbeit im väterlichen Betrieb nicht geeignet. Sein Mathematiklehrer am Salzburger Lyzeum, Simon Stampfer, der Entdecker des Lebensrades, das als Erstes bewegte Bilder darstellen konnte, riet Dopplers Eltern für den begabten jungen Mann zu einem Physikstudium in Wien. Doppler belegte also Vorlesungen in Mathematik, Physik und Mechanik und holte daneben die Matura an einem Salzburger Gymnasium als Privatier nach.

Nach bestandener Matura ging Doppler 1829 wieder nach Wien und arbeitete vier Jahre als Assistent für höhere Mathematik am Wiener Polytechnikum. Er veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten, doch eine fixe Anstellung zu erhalten erwies sich als mühsam. Erst 1835 wurde er an einer Realschule in Prag angestellt. Zwei Jahre später erhielt er endlich eine Professur für Mathematik und Physik am Technischen Institut der Prager Karlsuniversität.

In dieser Zeit widmete er sich intensiv der Beobachtung der Sterne. Vor allem faszinierten ihn die unterschiedlichen Farbnuancen der Doppelsterne. Damals waren bereits mehr als 2700 Doppelsterne bekannt. Doppler entdeckte, dass fast gesetzmäßig ein Stern dem unteren Teil des Farbspektrums angehörte, während der zweite Stern dem oberen Abschnitt des Farbspektrums zuzuordnen war. 1842 erschien seine Abhandlung »Über das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels«, die er als außerordentliches Mitglied der königlich-böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in den Schriften dieser Gesellschaft publizierte.

Später stellte sich heraus, dass seine Beobachtung auf einer Sinnestäuschung beruhte, wofür er auch von den Astronomen heftig getadelt wurde. Doch Doppler vermutete richtig, dass seine Beobachtung auch mit Schallwellen funktionieren würde. So ist der von ihm beschriebene »Doppler-Effekt« eine bei allen Wellenvorgängen feststellbare Erscheinung, die die Frequenz beeinflusst, wenn Ausgangspunkt der Welle und Beobachter sich aufeinander zubewegen oder sich voneinander entfernen. So ist etwa zu beobachten, dass der Pfeifton einer Lokomotive beim Herannahen höher ist als bei einer sich entfernenden Lokomotive.

 

Dieses als Doppler-Effekt bekannte Phänomen findet vielfach in der medizinischen Technik Anwendung, vor allem beim Einsatz von Ultraschalluntersuchungen der Blutgefäße (zur Darstellung der Blutstromgeschwindigkeit). In der Astronomie wird der Doppler-Effekt zur Bewegungsmessung von Sternen eingesetzt, auch in der Luftfahrt-Navigation und bei der Geschwindigkeitsmessung bewegter Ziele wird Dopplers Entdeckung genutzt.

Nach Ausbruch der Märzrevolution 1848 zog Doppler mit seiner Familie nach Wien; 1850 erhielt er eine Berufung an das Physikalische Institut der Wiener Universität. Er war der erste Ordinarius, der Experimentalphysik lehrte. 1853 starb Doppler an einem infektiösen Lungenleiden in Venedig, wo er auf dem Friedhof San Michele beigesetzt wurde.

Dopplers Wirken wurde nach seinem Tod vielfach gewürdigt. An seinem Geburtshaus in Salzburg wurde eine Tafel angebracht, ebenso an seinem Prager Wohnhaus. In der Folge wurden zahlreiche physikalische Einrichtungen nach Doppler benannt. Weltweit gibt es eine ganze Reihe von medizinischen Instituten, die seinen Namen tragen. Im Salzburger Haus der Natur präsentiert man eine ständige Gedenkschau an den berühmten Sohn der Stadt, ja sogar ein Krater auf der Rückseite des Mondes wurde nach Doppler benannt.

Die Strauss-Dynastie
Johann Baptist Strauss Vater

* 14. März 1804 Wien, † 25. September 1849 Wien

Johann Baptist Strauss Sohn

* 25. Oktober 1825 Wien, † 3. Juni 1899 Wien

Josef Strauss

* 20. August 1827 Wien, † 22. Juli 1870 Wien

Eduard Strauss

* 15. März 1835 Wien, † 28. Dezember 1916 Wien

Dirigenten und Komponisten

Der 1804 geborene ältere Johann Strauss wuchs als Sohn eines Bierwirtes auf, der an der Schlagbrücke am Donaukanal das Gasthaus Zum guten Hirten betrieb. Er erlernte zunächst das Buchbinderhandwerk, nahm aber auch Violinunterricht und studierte Musiktheorie. Er spielte zusammen mit dem späteren Komponisten und Geiger Joseph Lanner in der Kapelle der Brüder Scholl, die sie zunächst gemeinsam übernahmen. Ab 1827 gingen beide jedoch in jeweils eigenen Kapellen getrennte Wege. Bereits im Alter von 22 Jahren war Strauss mit eigenen Kompositionen an die Öffentlichkeit getreten und zehn Jahre später erhielt er den eigens für ihn geschaffenen Titel »Hofball-Musikdirektor«.

Johann Strauss’ Ehefrau Maria Anna Streim entstammte ebenfalls einer Gastwirtsfamilie. Ihre Mutter war gebürtige Spanierin, eine Abkunft, auf die die Familie sehr stolz war und mit der man den südlichen Typus der zwei Musiker-Generationen zu erklären pflegte. 1834 mietete Johann Strauss Vater in der Leopoldstadt im »Hirschenhaus« vier Wohnungen für die Familie.

Johann Strauss Vater schuf mit seinen Walzern eine völlig neue Musik, die die Menschen faszinierte. Der 19-jährige Richard Wagner charakterisierte Johann Strauss als einen »[…] zauberische[n] Vorgeiger, […] einen Dämon des Wiener musikalischen Volksgeistes beim Beginn eines neuen Walzers«. Johann Strauss Vaters Naturell könnte man als »unbürgerlich« bezeichnen, denn er war sehr romantisch veranlagt und liebte es, zu reisen, so dass ihn seine Konzertreisen bis nach Frankreich und England führten. Sein Ruf soll sogar bis nach St. Petersburg vorgedrungen sein, wenngleich Johann Strauss die Reise nach Russland mangels Zeit nicht antreten konnte und der Zarin Alexandra Fjodorowna deshalb den Alexandra-Walzer widmete.

Vergöttert von seinem Wiener Publikum, stand der Komponist in stetem Wettbewerb mit seinem großen Konkurrenten Joseph Lanner.

Sein Familienleben war alles andere als geordnet, lebte er doch in einer Zweitfamilie mit der Modistin Emilie Trampusch. Aus dieser Beziehung stammten acht Kinder. Die Belastungen und der große Erfolgsdruck, die das unstete Musikerleben mit sich brachten, wollte Johann Strauss seinem Sohn unbedingt ersparen: »Es brauchen nur zwei Werke zu missfallen, zwei Walzer zu missglücken – gleich heißt’s: dem Strauß fällt auch nichts mehr ein!« Man könnte Johann Strauss Vater als den Begründer der gehobenen Unterhaltungsmusik bezeichnen.

Trotz Widerstand des Vaters konnte das väterliche Beispiel für seinen gleichnamigen Sohn aus der Ehe mit Maria Anna Streim nicht ohne Folgen bleiben und so überrascht es nicht, dass der talentierte Johann bereits im zarten Alter von sechs Jahren zu komponieren begann. Er schuf einen kleinen, ein wenig unbeholfen anmutenden Walzer, den er er mit Erste Gedanken betitelte. Doch sein Vater wollte, dass die Beherrschung des Klaviers und der Geige für seinen Sohn lediglich den Stellenwert des harmlosen Amüsements einnahm und Johann stattdessen »etwas Vernünftiges« studierte. Aus diesem Grund wurde er im Alter von elf Jahren zum Besuch des Schottengymnasiums genötigt, das ihm eine solide Beamtenkarriere ermöglichen sollte.

Mit 16 Jahren wurde er zum Besuch des Polytechnikums gezwungen, wo er durch sein Gesangstalent auffiel, jedoch nicht durch Lerneifer. Mit der Unterstützung von seiner Mutter, die, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte die alleinige Entscheidungsbefugnis hatte, durfte Johann sich in der Folge dem Musikstudium widmen. Seine Mutter hegte dabei die Hoffnung, dass anstelle ihres untreuen Mannes nun ihr Sohn die Familie ernähren würde. So studierte Johann der Jüngere Violine beim Ballettkorrepetitor des Kärntnertortheaters Kehlmann und Theorie bei Josef Drechsler, Kapellmeister am Leopoldstädter Theater. Mit 19 Jahren bewarb er sich um die Lizenz zur Leitung eines Wirtshausorchesters. Nach der Anwerbung einiger Musiker und der Komposition zahlreicher Werke, wie Walzer, Quadrillen und Polkas, debütierte Johann Strauss Sohn am 15. Oktober 1844 in Dommayers Kasino in Hietzing. Für Wien war das musikalische Duell zwischen dem erfolgreichen Vater und dem hochbegabten Sohn ein höchst abwechslungsreicher Gesprächsstoff, gewährte doch die Enge der vormärzlichen Zensur nur wenig geistigen Austausch. Der Sohn erwies sich als noch temperamentvoller als der Vater und Dommayers Lokal wurde von Musikbegeisterten geradezu gestürmt. Das junge Talent wurde frenetisch gefeiert und musste seine Walzer mehrfach wiederholen, angeblich sollen es mitunter bis zu neunzehn Zugaben gewesen sein. Ein Zeitungsbericht zu Strauss Debüt lässt die Begeisterung jener Tage wiederaufleben: »Das Talent […] kann sich vererben, […]; der Junge ist ein ganz tüchtiges Direktionstalent; […], dieselbe pikante, effektvolle Instrumentation wie beim Vater […], trotzdem kein sklavischer Nachahmer..«

Der erfolgreiche Sohn verweigerte dem Vater den Eintritt in dessen Orchester, denn er wollte auf eigenen Beinen stehen. Er spielte in anderen beliebten Konzertsälen wie dem Kasino Zögernitz. 1848 unternahm er seine erste Konzertreise nach Rumänien.

Zurück in Wien, wurde er zum Vertreter der Jugend, zum Sprachrohr einer neuen liberaleren Epoche hochstilisiert. Die Titel seiner Werke aus diesen Umbruchsjahren 1848/49 lauten Freiheitslieder, Studentenmarsch und Revolutionsmarsch. Der Vater verherrlichte hingegen mit der Komposition des Radetzkymarsches, der dem bedeutenden österreichischen Heerführer Josef Wenzel Radetzky anlässlich seines Sieges über die revolutionären Truppen in Italien gewidmet war, die restaurativen Kräfte. Im selben Jahr infizierte sich Strauss Vater bei einem seiner illegitimen Kinder aus der Beziehung mit Emilie Trampusch mit Scharlach und starb nach wenigen Tagen in seinem Haus in der Kumpfgasse. Sein Begräbnis wurde eine pompöse Leichenfeier, wie sie die Wiener lieben.

Johann Strauss Sohn erlangte in der Folgezeit eine immer größere Berühmtheit. Täglich gastierte er in mehreren Tanzsälen und erwies sich dabei als genialer Komponist, der zwischen zwei Auftritten auf die Tanz- oder gar Speisekarte eine neue Walzermelodie kritzelte. Aus den Titeln seiner musikalischen Eingebungen spricht jedoch ganz der verträumt-romantische Schöngeist, denn sie vermitteln spontane Stimmungen und wurden aus der Euphorie oder Melancholie des Augenblicks geboren: Nachtfalter, Idyllen, Lavaströme, Liebeslieder. Melodisch, verzaubernd und dabei dem Dämonischen trotzdem Raum gebend: diese Musik liebten die Wiener. Poetischer, kontrastreicher und ausladender führte der Sohn auf diese Weise die Vorgaben des Vaters weiter. Seine Musik strotzte von Lebensfreude, war dynamisch und witzig. Nicht ohne Grund nannte Richard Wagner ihn den »musikalischesten Schädel Europas«.

Johann Strauss Sohn war nicht nur höchst kreativ, er war auch außergewöhnlich fleißig, denn zwischen den Jahren 1844 und 1864 komponierte er mehr als 300 Tanzwerke. Das Wien dieser Epoche mit seinen unglaublichen Veränderungen lieferte ihm zahllose Themen. Ob anlässlich der Schleifung der Stadtmauern die Demoliererpolka erklang, ob Strauss Bürgerweisen komponierte oder für den Eröffnungsball der Gesellschaft der Musikfreunde die Polka Freut Euch des Lebens! schuf: seine Musik gab den Stimmungen seiner Zeit einen Ausdruck.

Den heute weltweit bekannten und als heimliche Hymne von Österreich geltenden Donauwalzer komponierte Johann Strauss für den Männergesangsverein, wo er am 15. Februar 1867 uraufgeführt wurde, allerdings mit einem anderen als dem uns heute bekannten Text, der von einem Männerchor gesungen wurde und hinsichtlich seines Aussagegehalts äußerst banal anmutete. Noch im selben Jahr dirigierte Strauss den Donauwalzer bei der Pariser Weltausstellung mit sensationellem Erfolg. Die Walzer von Johann Strauss Sohn wurden so gleichsam zu einem Sprachrohr von Wien, denn sie transportierten die landschaftliche Umgebung seiner geliebten österreichischen Hauptstadt, wie sie etwa im Titel der Frühlingsstimmen oder der Geschichten aus dem Wienerwald anklingt.

Im Sommer 1855 wurde Johann Strauss von einem Agenten der österreichischen Eisenbahngesellschaft, die eine Trasse in die russische Stadt Pawlowsk nahe St. Petersburg erbaut hatte, ein Engagement in der damals beliebten Sommerresidenz russischer Zaren angetragen. Im Zuge dieser Sommerengagements reiste Strauss mit dem gesamten Orchester nach Russland und komponierte eine beträchtliche Anzahl von Tanzmelodien speziell für das russische Publikum. Von Mai bis Oktober musste Strauss in Pawlowsk täglich Konzerte geben, wobei diese derart erfolgreich waren, dass sich das Honorar für ihn und sein Orchester im Laufe der Jahre nahezu verdoppelte. Den Weißen Nächten von Pawlowsk setzte Strauss in der Operette Die Fledermaus im zweiten Akt ein bleibendes Denkmal.

In seinen Konzerten, die im Casino Dommayer, im Volksgarten, in den Redoutensälen oder in den Sophiensälen stattfanden, präsentierte Strauss seinem Publikum auch die neueste Musik von anderen Komponisten. So erklangen Potpourrien – heute würden wir sie Medleys nennen – von Richard Wagners Opern, lange, bevor diese an der Hofoper aufgeführt wurden. 1864 wurde Johann Strauss Sohn zum Hofball-Musikdirektor ernannt, eine Ernennung, die verhältnismäßig spät erfolgte, jedoch dem Umstand zugeschrieben werden kann, dass man bei Hof seine Begeisterung für die 1848er Revolution nicht vergessen hatte und ihm diese lange nachtrug.

In Wien und an allen Orten seiner Gastspiele wurde der begnadete Wiener Komponist von den Frauen umschwärmt und verlor immer wieder sein Herz an attraktive Damen. Selten wurde eine dieser Beziehungen jedoch ernsthafter, mit Ausnahme der Beziehung zu Olga Smirnitskaja in Pawlowsk. Eine Heirat wusste seine Mutter indes zu verhindern. 1862 war Strauss seine erste Ehe mit der um acht Jahre älteren, ehemaligen Sängerin Henriette Treffz eingegangen. Zuvor war sie die langjährige Partnerin des jüdischen Industriellen und Bankiers Moritz Todesco gewesen, mit dem sie zwei offiziell anerkannte Kinder hatte. Für Strauss hatte die Liebesbeziehung zu Henriette den Charakter einer Amour fou, denn seinetwegen verließ die Sopranistin den wohl begüterten und einflussreichen Bankier. Ihr verdankte Strauss die Einführung in die erlauchten Kreise der gehobenen Wiener Gesellschaft und nicht zuletzt auch so manche hierfür notwendige Benimmregel. Außerdem war sie ihm eine perfekte Managerin seiner zahlreichen Tourneen.

 

Als Henriette Treffz 1878 in ihrem Haus in Hietzing an einem Schlaganfall starb, heiratete Strauss die Schauspielerin Angelika Dittrich, mit der er eine unglückliche Ehe führte und die ihn 1882 verließ. Diese Ehe wurde von Tisch und Bett getrennt. Die neue Liebe des »Walzerkönigs«, die Beständigkeit in sein Leben brachte, war die verwitwete Adele Strauss, die er jedoch erst nach der Annahme der sächsischen Staatsbürgerschaft heiraten konnte. Die im Jahr 1930 verstorbene Adele Strauss überlebte ihren Mann um Jahrzehnte und verwaltete seinen Nachlass äußerst loyal.

Mitte der 1860er Jahre kam Strauss mit Jacques Offenbach in Kontakt, der ihn zur Komposition von Operetten anregte. Wie alle Komponisten litt Strauss unter der schlechten Qualität der Libretti, doch sein erstes Werk Indigo und die 40 Räuber, das am Theater an der Wien uraufgeführt wurde, trug ihm bereits große Anerkennung ein. Einen noch größeren Erfolg feierte die Operette Die Fledermaus, die ebenfalls im Theater an der Wien uraufgeführt und zu einem bleibenden Welterfolg wurde. Es ist auch die einzige Operette, die an der Wiener Staatsoper aufgeführt wird, meist als Silvestervorstellung. Elf Jahr danach gelang es Strauss mit der Operette Der Zigeunerbaron an den Erfolg der Fledermaus anzuknüpfen. Der Sänger der Titelrolle war der bei den Wienern äußerst beliebte Alexander Girardi.

Insgesamt komponierte Johann Strauss 20 Operetten, einige davon hatten nur mäßigen Erfolg. Seine letzte Operette Wiener Blut wurde im Jahr 1899 erst nach seinem Tod im Carltheater in der Leopoldstadt uraufgeführt.

Neben den Operetten hinterließ Strauss Sohn nahezu 500 Kompositionen, darunter Walzer, Märsche, Quadrillen und Polkas. Seine einzige Oper Ritter Pázmán wird hingegen nur äußerst selten gespielt. Der legendäre Musiker starb in seinem von Baumeister Heymann im 4. Bezirk in der heutigen Johann Strauss-Gasse errichteten Palais an einer Lungenentzündung. Er wurde in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Sein Begräbnis am 6. Juni 1899 war ein gesellschaftliches Ereignis, hunderte Menschen erwiesen ihm die letzte Ehre.

Johann Strauss jüngerer Bruder Josef wollte ursprünglich gar nicht in das Musikgeschäft der Familie einsteigen. Er studierte am Polytechnikum und wurde Bauleiter. Offizielle Biographien bezeichnen ihn sogar als Architekten und Erfinder. Die Konstruktion einer Straßenkehrmaschine wurde ihm zugeschrieben. Eine Wende seiner Karriere als Architekt und Erfinder brachte das Jahr 1852, in dem sein erfolgreicher Bruder Johann eines Tages zutiefst erschöpft von einem längeren Gastspiel nach Wien zurückkehrte und sich außer Stande sah, die musikalischen Verpflichtungen in seiner Heimatstadt zu übernehmen. Um das finanzielle Überleben der Familie Strauss und der Familien aller Orchestermitglieder zu garantieren, wurde Josef gedrängt, den Posten des Kapellmeisters zu übernehmen. Er erlernte daraufhin das Geigenspiel und wechselte sich bald mit seinem jüngeren Bruder Eduard in der Leitung des Orchesters ab, vor allem, wenn sich Johann zu Gastspielen im Ausland aufhielt. Der hochbegabte Josef überraschte mit meisterhaften, schwermütig-schönen Kompositionen: Walzer wie Sphärenklänge, Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust, Dorfschwalben aus Österreich oder die Pizzicato-Polka nehmen einen festen Platz im Repertoire der Konzertbühnen ein und werden nicht zuletzt durch das jährlich weltweit übertragene Neujahrskonzert aus Wien Millionen Menschen vor dem Fernsehbildschirm immer wieder nahegebracht.

Der jüngste Bruder Eduard, der interessanterweise als einziges Familienmitglied seinen Nachnamen mit »ß«, anstatt mit doppeltem »s« schrieb, studierte Harfe und Musiktheorie und spielte anfangs im Orchester seines Bruders. Nach dem Tod von Josef Strauss übernahm er die Orchesterdirigate. Von seinen zu Schlagern gewordenen Kompositionen sind Titel wie Wein, Weib und Gesang oder Morgenblätter aus Wiener Ballsälen nicht wegzudenken. Eduard war sehr reisefreudig und unternahm mit dem Orchester zahlreiche Gastspielreisen. So soll er in insgesamt 840 Städten in Europa und in Übersee Konzerte gegeben haben. 1882 wurde ihm die Funktion des Hofball-Musikdirektors übertragen, die sein Bruder Johann bereits 1871 abgegeben hatte. Er übte dieses Amt bis 1901 aus, dann zog er sich aus dem öffentlichen Musikleben zurück. Eduard war mit Maria Klenkhart verheiratet, aus dieser Ehe stammten zwei Söhne, Johann Strauss Enkel (1866–1939) und Josef Eduard Strauss (1868–1940), ersterer widmete sich ebenfalls der Musik. Deren Nachkommen leben heute noch in Wien.

War Johann Strauss Vater noch ein populärer Volksmusiker, könnte man bei seinem Sohn in der Diktion unserer Tage von einem »Popidol« sprechen. Johann Strauss Sohn stilisierte sich zur Musikikone, sein unstetes Privatleben lieferte immer wieder öffentlichen Gesprächsstoff. Jedenfalls baute die Familie Strauss in zwei Generationen einen Musikkonzern auf, der damals seinesgleichen suchte. Doch nicht nur der bekannteste Repräsentant der Strauss-Dynastie beherrschte die Kunst der Stilisierung: in nur zwei Generationen baute Österreichs bedeutendste Komponisten-Familie einen Musikkonzern auf, der damals seinesgleichen suchte.