Diagnose Krebs

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Isabell-Annett Beckmann

Diagnose Krebs

Ein Ratgeber für Angehörige und Freunde

Fotografien von Sibylle Fendt


Inhaltsverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Der Verdacht wird Gewissheit

Dem Schock begegnen

Die ersten Schritte auf einem unbekannten Weg

Miteinander ins Gespräch kommen

Eine offene Gesprächskultur finden

Schwierige Themen nicht ausklammern

Behandlungen im Überblick

Therapien brauchen wissenschaftliche Grundlagen

Verfahren und Therapien

Die Nebenwirkungen lindern

Andere, nicht konventionelle Verfahren

Die Lebensqualität verbessern

Geschäft mit der Hoffnung

Den Weg unterstützen

Während der Behandlung

Als erwachsenes Kind den Eltern helfen

Als ein guter Freund helfen

Wieder zu Hause

Wenn die Erkrankung wiederkommt

Wenn keine Heilung mehr möglich ist

Den Krebs seelisch überwinden

Die Paarbeziehung neu gestalten

Cancer Survivors – das Leben danach

Krebs und die ständige Angst

Selbst gesund bleiben

Achten Sie auf sich!

Seien Sie gut zu sich selbst

Wo bekommen Sie Hilfe?

Wenn Sie allein zurückbleiben

Finanzen und Recht

Denken Sie an die Vorsorge

Unterstützung nach der Therapie

Hilfe für Zuhause

Leistungen im Pflegefall

Hilfe

Adressen

Stichwortverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Krebs löst Reaktionen zwischen Angst, Zuversicht und Hoffnungslosigkeit aus, und das nicht nur bei den Betroffenen selbst, sondern auch bei Angehörigen, Freunden und Kollegen. Das Leben mit der Erkrankung dauert manchmal Jahre. Dieser Ratgeber ist für alle geschrieben, die mit dem Kranken zusammen stark bleiben wollen.

Krebs! Ich kann es immer noch nicht fassen. Wie geht es denn jetzt weiter?

Trotz dieses Schocks heißt es erst einmal: Ruhe bewahren, tief durchatmen – auch wenn es unmöglich zu sein scheint. Eine Krebserkrankung ist in den meisten Fällen kein Notfall, die Behandlung muss nicht innerhalb weniger Tage beginnen. Es ist also genügend Zeit, in Ruhe mit den wichtigsten Menschen zu sprechen. Wie Sie diese ersten Schritte gehen können, erfahren Sie in dem Kapitel „Der Verdacht wird Gewissheit“ ab S. 11. Wie bei anderen Erkrankungen auch heißt es nun, sich umfassend zu informieren und so mehr Sicherheit zu gewinnen. Die Behandlung soll am besten in einem Krankenhaus mit besonderer Expertise erfolgen. Betroffene entscheiden bei der Auswahl der Klinik ebenso mit wie bei ihrer Behandlung. Darüber können Sie sich ab S. 24 informieren.

Wir diskutieren viel, mitunter kommt es zum Streit. Wie können wir gemeinsam Lösungen finden?

Viele Probleme ergeben sich daraus, dass nicht genug und vor allem nicht offen und ehrlich miteinander gesprochen wird. Dabei ist eine gute Kommunikation gerade im Umgang mit einer Krebserkrankung besonders wichtig. Respektvoll und einfühlsam miteinander zu reden, kann sehr viele Missverständnisse vermeiden und zur emotionalen Entspannung in der Familie beitragen. Tipps dazu finden Sie ab S. 29. Wie man sich auch an schwierige Themen heranwagen kann, können Sie ab S. 34 nachlesen. Wichtig ist, dass alle zu Wort kommen können, sowohl der Betroffene als auch die Angehörigen.

Ich habe viel über die Behandlungen und ihre Nebenwirkungen gehört. Kann mein Angehöriger etwas tun, dass es ihm besser geht?

Die klassischen Krebstherapien basieren auf langjährigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und können viele Tumorarten bekämpfen oder sogar heilen. Sie sind hochwirksam. Sie bringen aber oft Nebenwirkungen mit sich, die die Patienten stark einschränken. Lesen Sie mehr dazu ab S. 45. Viele Krebspatienten möchten daher selbst etwas tun, um gesund zu werden. Dieser Wunsch ist nachvollziehbar und trägt oft zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Allerdings ist bei komplementären oder gar alternativen Verfahren Vorsicht geboten. Ab S. 65 finden Sie ausführliche Informationen. Aber gemeinsam können Sie einiges tun, das vor allem Ihre mentale Gesundheit stärkt.

Wir hatten noch so viele Pläne. Wie können wir damit fertigwerden, dass daraus nichts mehr wird?

Wenn eine Krebserkrankung zurückkehrt oder nicht mehr geheilt werden kann, müssen der Kranke und seine Familie den Gedanken an die Endlichkeit des Lebens zulassen. Über den Tod zu sprechen, fällt vielen Mensch unfassbar schwer, ist aber so wichtig, um einen Umgang damit zu finden. Daher erfahren Sie ab S. 101, wie Sie das Thema ansprechen können. Für die letzte Lebensphase ist eine wertschätzende und auf die Bedürfnisse des Sterbenden ausgerichtete medizinische Versorgung von großer Bedeutung. Informationen über die Möglichkeiten der Palliativmedizin geben wir Ihnen ab S. 63. Die Gestaltung der letzten Lebensphase ist ein wichtiger Baustein der Trauerarbeit. Wie Sie das letzte Stück des Weges zusammen gehen können, beschreiben wir ab S. 105.

Wir werden das gemeinsam durchstehen! Doch wie wird die Erkrankung unsere Beziehung verändern?

Eine Krebserkrankung ist eine besondere Herausforderung für eine Partnerschaft. Sie tritt als dritter, unerwünschter Partner in die Beziehung und nimmt einen enormen Raum ein. Dabei als Paar im Gleichgewicht zu bleiben, ist schwer. Hilfestellung dafür finden Sie ab S. 116. Wenn erwachsene Kinder sich um ihre kranke Eltern kümmern, steht nicht nur die gewohnte Rollenverteilung plötzlich auf dem Kopf. Es können schnell Mehrfachbelastungen für unterstützende Angehörige entstehen. Wie sich Belastungen bewältigen lassen, erfahren Sie ab S. 133. Welche Möglichkeiten es gibt, einem kranken Freund und seiner Familie zu helfen und wo Sie selbst Hilfe bekommen, wird ab S. 146 beschrieben.

Manchmal bin ich rund um die Uhr beschäftigt. Was kann ich tun, damit ich nicht auf der Strecke bleibe?

Viele Angehörige von Krebspatienten konzentrieren sich darauf, ihn möglichst gut zu versorgen und gleichzeitig Alltag und Familie in Fluss zu halten. Dabei ist die Gefahr besonders groß, dass Sie als pflegender Angehöriger sich verausgaben und physisch sowie psychisch ausbrennen. Wie Sie sich davor schützen und was Sie für sich tun können, erfahren Sie ab S. 133. Führen Sie sich gerade in besonders anstrengenden Situationen immer wieder vor Augen, dass Sie gar nicht alles allein schaffen müssen. Anregungen, welche Hilfsangebote Sie selbst nutzen können, finden Sie ab S. 146. In vielen Phasen der Erkrankung steht Ihnen finanzielle Unterstützung zu. Die Anträge bei Krankenkassen und Versicherungen können Kraft kosten, wir helfen Ihnen dabei ab S. 170.

 

Auf uns kommen so viele finanzielle Belastungen zu. Wie können wir das alles stemmen?

Wer lange krank ist und somit nicht arbeiten kann und darf, sieht sich oft erheblichen finanziellen Belastungen ausgesetzt. Die Leistungen der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen sollen den Kranken und seinen pflegenden Angehörigen unterstützen. Wie und wobei Sie diese in Anspruch nehmen können, erfahren Sie ab S. 172. Wer sicherstellen möchte, dass bei Bedarf ein Angehöriger persönliche und medizinische Entscheidungen für den anderen treffen darf, sollte sich unbedingt umfassend mit seiner Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht auseinandersetzen. Was Sie hier beachten sollten, erfahren Sie im Kapitel „Finanzen und Recht“ ab S. 158.


Von nun an wird es ganz besonders wichtig sein, offen und ehrlich miteinander zu sprechen.

Der Verdacht wird Gewissheit

Vielleicht haben Sie geahnt, dass Ihr Angehöriger eine ernsthafte Erkrankung haben könnte. Die Gespräche mit dem Arzt, die anschließenden Untersuchungen und nun die Diagnose: Es ist Krebs. Wie wird es jetzt weitergehen?

Aus dem unguten Gefühl, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, wird mit dem Satz „Sie haben Krebs“ plötzlich Gewissheit. Den meisten Menschen zieht das zunächst einmal den Boden unter den Füßen weg. Kaum eine Krankheit ist mit so vielen negativen Attributen belegt wie Krebs: Leiden, Schmerzen, Tod. Viele Menschen kennen jemanden, der im näheren oder weiteren Umfeld an Krebs erkrankt oder sogar daran gestorben ist.

Ist die Diagnose Krebs nun ein Todesurteil? Auch wenn Krebs eine schwere, manchmal lebensbedrohliche Krankheit ist, überleben heute doch viele Betroffene oder sie leben noch Jahre als „chronisch Kranke“ bei guter Lebensqualität. Wissenschaft und Medizin haben in den letzten Jahrzehnten immense Fortschritte gemacht. Doch der Schock sitzt erst einmal tief. Jetzt geht es darum, sich zu orientieren und viel miteinander darüber zu sprechen, wie es weitergehen kann und soll: Welche sind die wichtigsten Fragen an die Ärzte? Wem erzählt man wann davon – den Kindern, Verwandten Freunden, Kollegen? Wenn ja, wie?

Dem Schock begegnen

Die Diagnose hat die bisherige Lebensplanung Ihrer gesamten Familie durcheinandergebracht. Jetzt ist es wichtig, dass Sie zusammen wieder Boden unter die Füße bekommen.

Die Zeit bis zur endgültigen Diagnose ist für viele Menschen eine emotionale Achterbahnfahrt: zwischen Angst und Hoffnung, Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit. Nun haben Sie Gewissheit – das Gefühlschaos hört damit aber nicht auf. Viele Kranke reagieren gereizt oder wütend auf die Diagnose, weil sie sich hilflos fühlen. Angst ist das alles dominierende Gefühl: Angst, nicht mehr gesund zu werden, nicht mehr für die Familie sorgen zu können, ganz konkret auch die Angst vor der Therapie, vor Leiden und Schmerzen. Sehr viele stellen sich auch die Frage „Warum ich?“, suchen nach Fehlern in der Vergangenheit und entwickeln Schuldgefühle. Viele Betroffene und ihre Angehörigen mag daher das Wissen entlasten, dass Krebs in den meisten Fällen zufällig entsteht. Schauen Sie nun gemeinsam nach vorn auf das, was vor Ihnen liegt. Von nun an wird es ganz besonders wichtig sein, dass Sie offen und ehrlich miteinander reden.

Wie mit dem Schock umgehen?

Bevor Sie Ihr soziales Umfeld einbeziehen, ist es sinnvoll, dass Sie zunächst zu zweit mit der Diagnose zurechtkommen. Wenn Ihr Partner erkrankt ist, haben Sie möglicherweise bereits den Weg seit dem ersten Verdacht mit ihm zusammen bewältigt, haben an den Arztgesprächen teilgenommen und waren bei ihm, als er den entscheidenden Satz „Sie haben Krebs“ gehört hat. Auch wenn bei Ihnen beiden danach der Schrecken groß ist, versuchen Sie, einigermaßen ruhig zu bleiben. Denn erst, wenn alle nun folgenden Untersuchungen abgeschlossen sind und deren Ergebnisse vorliegen, werden Sie genau wissen, in welchem Stadium sich die Krebserkrankung befindet und wie die Prognose Ihres Partners aussieht. Es ist nicht hilfreich, sich bis dahin das Allerschlimmste auszumalen und womöglich in Panik zu geraten. Wenn Sie möchten, suchen Sie solange nach seriösen, objektiven Informationen zur Erkrankung, meiden Sie dagegen erst einmal Blogs, Foren und Erfahrungsberichte von anderen Betroffenen.

Wenn ein Elternteil, eine Schwester oder ein Bruder, ein anderer enger Angehöriger oder einer Ihrer guten Freunde erkrankt ist und Sie kurz nach der Diagnose ins Vertrauen zieht, lautet der Rat ähnlich: Helfen Sie, indem Sie Ruhe vermitteln. Dazu können schon einfache Fragen beitragen, wie zum Beispiel „Wie lautet die genaue Diagnose?“, „Soll ich zum nächsten Arzttermin mitkommen?“ oder „Wie kann ich dir helfen?“.

Zeigen Sie Ihrem Partner oder Angehörigen, dass er nicht allein ist. Vielleicht hilft es Ihnen beiden, sich gelegentlich abzulenken, indem Sie spazieren gehen, Musik hören oder einem Hobby nachgehen. Das Allerwichtigste ist, dass Sie beide ins Gespräch kommen bzw. im Gespräch bleiben und nicht jeder für sich allein grübelt. Tipps dazu finden Sie im Kapitel „Miteinander ins Gespräch kommen“ ab S. 29.

Die nächsten Angehörigen informieren

Eine sehr wichtige Überlegung zum jetzigen Zeitpunkt ist: Wem sagen Sie was, wie viel und wann? Darauf Antworten zu finden, die Gedanken zu beruhigen und zu ordnen, ist eine große Herausforderung. Auch wenn wir mittlerweile im 21. Jahrhundert angekommen sind, ist eine Krebserkrankung – anders als Herzinfarkt, Bluthochdruck oder Diabetes – bedauerlicherweise häufig immer noch kein Thema, über das offen gesprochen wird. Sie werden aber sehen, dass es Ihrem Angehörigen und Ihnen hilft, die Sorgen zu teilen.

Darüber sprechen hilft!

Wenn Ihr Angehöriger es schafft, auszusprechen, dass er an Krebs erkrankt ist, wird er sich vielleicht weniger einsam fühlen. Die Krankheit zu verheimlichen, kann ihm das Gefühl geben, dass daran etwas falsch ist oder er sich schämen müsse. Er hat aber keine Schuld daran!

Sollte Ihr Angehöriger allerdings nicht darüber reden wollen oder können, müssen Sie das akzeptieren; nach einer Weile kann sich seine Einstellung dazu ändern. Informieren Sie niemanden über die Krankheit, ohne dass der Betroffene es weiß und damit einverstanden ist. Es hinter seinem Rücken zu tun, wäre ein Vertrauensbruch und würde seine Entscheidungsfreiheit angreifen.

Wen auch immer Ihr Angehöriger ins Vertrauen zieht: Es kann ihm sehr helfen, dass derjenige mit ihm fühlt und ihm – im optimalen Fall – signalisiert: „Ich bin für dich da, du kannst dich auf mich verlassen.“ Seien Sie jedoch nicht enttäuscht, wenn nicht alle so reagieren. Da jeder Mensch eine individuelle Einstellung zu Krankheit allgemein und ganz besonders seine ganz eigenen Erfahrungen und Erlebnisse mit Krebserkrankungen hat, ist es nicht vorhersehbar, wie diejenigen, mit denen der Betroffene und Sie sprechen, diese Nachricht verkraften. Das Spektrum kann von Mitleid und Anteilnahme über spontane Hilfsbereitschaft bis hin zu vollkommener Abwehr reichen. Stellen Sie sich beide darauf ein und seien Sie nicht verletzt oder enttäuscht, wenn ein Mensch, den Sie ins Vertrauen ziehen möchten, abwehrend reagiert. Manch einer wird vielleicht auch Zeit brauchen, um die Nachricht zu verkraften, und dann später von sich aus auf Sie zukommen.

Professionelle Hilfe nutzen. Die Angst bei der Diagnose Krebs kann erdrückend sein, die Panik ist vielleicht riesig. Nutzen Sie die Möglichkeit der psychosozialen Begleitung durch einen Psychoonkologen frühzeitig. Fragen Sie Ihren Arzt oder in der Klinik danach.

Zusammen stark bleiben

Nichts verdrängen und nichts überstürzen. Eine Krebsdiagnose ist oft kein medizinischer Notfall, bei dem die Behandlung sofort beginnen muss. Bis alle Befunde vorliegen und über eine Therapie entschieden werden kann, vergeht in der Regel ein gewisser Zeitraum. Das heißt: Ihr Angehöriger braucht notwendige Entscheidungen nicht Hals über Kopf innerhalb weniger Tage zu treffen. Er soll aber alternativ auch nicht den Kopf in den Sand stecken. Eine Krebserkrankung verschwindet nicht von allein wieder. Die sogenannten Spontanheilungen, bei denen dies der Fall ist, sind extrem selten und eine sehr große Ausnahme. Und ein Tumor, gegen den nicht vorgegangen wird, wächst weiter.

Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, die Familie über die Erkrankung zu informieren? Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht, es gibt auch keinen „richtigen“ oder „falschen“ Moment. Wenn Sie bereits von dem Verdacht auf Krebs wussten und in die nachfolgenden Untersuchungen Ihres Angehörigen eingebunden waren, können Sie gemeinsam überlegen, welche Familienmitglieder Sie einweihen möchten und wann. Nicht alle müssen zum jetzigen Zeitpunkt bereits informiert werden, manche, zu denen Ihr Angehöriger keine enge Beziehung hat, vielleicht auch später nicht.

Wichtig ist, dass sich Ihr Angehöriger mit der Auswahl derer, die aus dem Kreis der Eltern, Geschwister oder anderen Verwandten informiert werden, gut fühlt. Er sollte allerdings auch eins bedenken: Er wird sich durch die Krankheit verändern, innerlich und äußerlich. Familienmitglieder, die den Grund dafür nicht kennen, werden Vermutungen darüber anstellen, möglicherweise falsche Schlüsse ziehen, sich innerlich von ihm entfernen und sich zurückziehen.

Vielleicht ist unter diesen nicht informierten Verwandten aber jemand, der Ihnen Halt geben oder Sie später in praktischorganisatorischen Belangen im Alltag unterstützen könnte. Dann besprechen Sie mit Ihrem Angehörigen, ob er einverstanden ist, dass diese Person doch von seiner Krankheit erfährt. Sicher werden Sie zusammen zu einer Entscheidung finden, die beide mittragen können. Hüten Sie sich aber davor, einen Wunsch Ihres Angehörigen nicht zu respektieren und jemanden hinter seinem Rücken zu informieren.

Kinder brauchen Wahrheit

Eltern haben das Bedürfnis, ihre Kinder vor dem Bösen der Welt zu schützen. Leider ist das nicht immer machbar. Die Diagnose Krebs trifft die ganze Familie, und deshalb sollten das Kind oder die Kinder bald von der Erkrankung erfahren. Mehr noch als Erwachsene haben sie ein feines Gespür dafür, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Es wird ihnen nicht entgehen, wenn die Eltern gereizt, traurig oder niedergeschlagen sind, wenn vielleicht Gespräche unterbrochen werden, sobald das Kind dazukommt. Dann ist die Gefahr groß, dass die Kinder die Ursache für dieses ungewohnte Verhalten bei sich selbst suchen, sich die Schuld geben und sich fragen, ob sie etwas falsch gemacht haben. Kinder haben eine blühende Fantasie, und was sie sich an Schreckensszenarien ausmalen, übertrifft meistens die Realität und belastet sie mehr als die Wahrheit.

Mit Beginn der Behandlung Ihres Angehörigen wird sich auch ein Teil der Alltags-routine ändern, und wenn Kinder nicht wissen, warum dies geschieht, macht es ihnen Angst. Beziehen Sie daher Ihre Kinder beizeiten ein und lassen Sie sie ein Teil Ihres familiären Netzwerks sein. Von dem offenen Umgang mit der Krankheit wird die ganze Familie profitieren.

 

Checkliste

Tipps für das erste Gespräch

Wenn der Betroffene und Sie entscheiden, andere Angehörige ins Vertrauen zu ziehen, könnten Ihnen diese Tipps helfen:

Führen Sie das Gespräch erst, wenn Sie sich bereit dazu fühlen.

Wählen Sie für das Gespräch einen Zeitpunkt aus, an dem genügend Zeit dafür ist.

Sorgen Sie für eine ruhige Atmosphäre ohne Störungen und Ablenkungen.

Fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus, sondern wählen Sie einen behutsamen Einstieg.

Geben Sie eine Information nach der anderen, sodass Ihr Gesprächspartner sie nach und nach verarbeiten kann.

Wenn Ihnen ein persönliches Gespräch zu viel ist, telefonieren Sie stattdessen, schreiben Sie einen Brief oder eine E-Mail.

Ihr Angehöriger steht im Fokus! Er sollte nicht darüber grübeln, wie sich die Nachricht für seine Gegenüber am schonendsten „verpacken“ lässt und was er tun kann, um die Gesprächspartner emotional aufzufangen. Wichtig ist, dass er sich dabei sicher fühlt.

Sicher werden Sie das Gespräch mit den Kindern gemeinsam führen; es kann aber sinnvoll sein zu überlegen, ob Ihr Angehöriger selbst über seine Krankheit spricht oder ob lieber Sie es machen sollen. Das hängt zum Beispiel davon ab, wie gefasst Sie oder Ihr Angehöriger auftreten können. Was genau Sie Ihren Kindern sagen und wie, ist auch eine Frage des Alters der Kinder, denn je nach Alter nehmen sie Informationen unterschiedlich auf. Es gibt aber einige grundsätzliche Empfehlungen:

Informieren Sie Ihr Kind in Etappen, die Aufmerksamkeit von jüngeren Kindern ist begrenzt, und es muss Zeit haben, die Informationen zu verarbeiten.

Versuchen Sie, Ihrem Kind Ruhe und Sicherheit zu vermitteln.

Erklären Sie Ihrem Kind, dass es nicht schuld an der Krebserkrankung ist.

Nennen Sie die Krankheit beim Namen und sagen Sie deutlich, dass Krebs nicht ansteckend ist.

Erklären Sie in einfachen Worten und kurzen, klaren Sätzen. Sie können versuchen, das Gespräch mit Ihrem Angehörigen oder einer vertrauten Person vorher durchzuspielen.

Erklären Sie, was passieren wird, wenn Papa oder Mama zum Beispiel ins Krankenhaus muss. Was sich später ereignen oder ändern wird, ist für Ihr Kind im Augenblick noch nicht interessant.

Was immer Sie Ihrem Kind sagen: Es muss wahr sein. Machen Sie keine unrealistischen Versprechungen.

Schildern Sie, was sich im Alltag Ihres Kindes verändern wird. Wer wird es zum Beispiel aus dem Kindergarten holen, wenn die Mutter im Krankenhaus ist? Wer kommt mit zum Fußball? Wer kümmert sich um die Hausaufgaben?

Unterdrücken Sie Ihre Gefühle nicht, denn Ihr Kind soll erleben und sicher sein, dass es auch Gefühle zeigen darf. Es ist aber gut, wenn Sie bei dem Gespräch nicht völlig aufgelöst sind.

Wenn das erste Gespräch beendet ist, signalisieren Sie Ihrem Kind, dass es Sie immer alles fragen kann.

Jüngeren, aber durchaus auch älteren Kindern gibt körperliche Nähe Vertrauen und Sicherheit. Kuscheln und schmusen Sie mit Ihren Kindern, wenn alle das Bedürfnis danach haben.