Diagnose Krebs

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Eine ärztliche Zweitmeinung einholen

Eine Krebserkrankung ist eine schwere Krankheit, die Behandlung erfordert meist weitreichende medizinische Eingriffe. Viele Patienten werden sich fragen, ob die von den Ärzten vorgeschlagene Behandlung die richtige ist oder ob es aussichtsreiche Alternativen dazu gibt. Solche Zweifel kann und sollte Ihr Angehöriger offen ansprechen, und vielleicht finden Sie gemeinsam Antworten.

Ist sich Ihr Angehöriger nach wie vor unsicher, was seine Behandlung betrifft, kann es sinnvoll sein, eine qualifizierte ärztliche Zweitmeinung einzuholen. In den allermeisten Fällen wird sein Arzt Verständnis für diesen Wunsch haben. Gesetzlich Versicherte haben allerdings keinen Anspruch darauf, dass die Krankenversicherung die Kosten für eine Zweitmeinung bei einer Krebserkrankung übernimmt. Krankenkassen können diese Leistungen in ihrer jeweiligen Satzung individuell regeln. Ihr Angehöriger sollte sich direkt bei seiner privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung danach erkundigen.

Sollte ihm die Möglichkeit eingeräumt werden, benötigt er Unterlagen wie Laborbefunde, Röntgenbilder oder Aufnahmen anderer bildgebenden Verfahren, die detaillierte Diagnose und eine Übersicht über die geplante Therapie. Der Arzt kann ihn dabei unterstützen, einen geeigneten Facharzt zu finden; Ihr Angehöriger kann sich aber auch an seine Krankenkasse oder eine Krebsberatungsstelle wenden. Ein interdisziplinäres Expertenteam prüft seine Unterlagen, bespricht seine Beurteilung mit Ihrem Angehörigen und übermittelt diese an seinen behandelnden Arzt. Mit ihm kann er dann das weitere Vorgehen vereinbaren.

Entscheidungen treffen

Alle Untersuchungen sind abgeschlossen, die Diagnose ist gesichert, eventuell wurde eine Zweitmeinung eingeholt, die Klinik wurde ausgesucht: Nun geht es darum, dass Ihr Angehöriger Entscheidungen über die einzelnen Therapieoptionen treffen muss. Wenn er möchte, kann er als Patient vorbehaltlos den Vorschlägen der Ärzte folgen.

Es gibt aber auch Ärzte, die anbieten, gemeinsam in einem Gespräch zu einer Entscheidung zu kommen. Dann ist für den Arzt wichtig zu erfahren, wie die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse Ihres Angehörigen aussehen; er kann – bzw. Sie zusammen können – die Vor- und Nachteile sowie die Risiken der Behandlung erfragen und verstehen. Ihr Angehöriger kann dann alle Informationen abwägen, mit seinen persönlichen Präferenzen abgleichen und auf dieser Basis zusammen und gleichberechtigt mit seinem Arzt entscheiden. Diese Kommunikation zwischen Arzt und Patient wird als partizipative Entscheidungsfindung (PEF) oder Englisch „Shared Decision Making“ (SDM) bezeichnet.

Was heißt „Compliance“?

Wenn Patienten sich in dieser Form beteiligen und Verantwortung für ihre Therapie mit übernehmen, sind sie in höherem Maße dazu bereit, an ihrer Behandlung aktiv mitzuwirken und durchzuhalten. Diese als „Compliance“ bezeichnete Therapietreue – Experten sprechen hier von Adhärenz – kann auch die Erfolgsaussichten einer Behandlung verbessern.

Vielleicht gehört Ihr Angehöriger zu denjenigen, die ganz auf die Empfehlungen des Arztes eingehen, nichts davon infrage stellen; oder er tendiert dazu, alles mit sich allein auszumachen, statt seine Gedanken mit Ihnen zu teilen. In beiden Fällen werden Sie sich mit seiner Einstellung möglicherweise schwertun. Sie können Ihrem Angehörigen behutsam signalisieren, dass Sie ihn bei seinen Überlegungen begleiten und unterstützen möchten: Bieten Sie ihm zum Beispiel an, mit ihm zusammen das Für und Wider einzelner Behandlungsoptionen gegenüberzustellen. Seien Sie jedoch vorsichtig, bedrängen Sie ihn nicht zu sehr und bevormunden Sie ihn nicht – denn er hat die Therapie vor sich und muss hinter seiner Entscheidung stehen. Wichtig: Auch wenn Sie die Entscheidung Ihres Angehörigen nicht teilen sollten, zeigen Sie ihm, dass Sie diese mittragen und dass er sich immer auf Sie verlassen kann.

Checkliste

Fragen für den Arztbesuch

Das Gespräch findet grundsätzlich zwischen Ihrem Angehörigen und seinem Arzt statt; Sie können ihn begleiten und unterstützen, mithören und mitdenken, aber beeinflussen Sie Ihren Angehörigen nicht. Schreiben Sie Ihre Fragen vorher auf, damit Sie nichts vergessen. Machen Sie sich Notizen über das, was Sie im Gespräch mit dem Arzt erfahren haben.

Können Sie mir/uns genau erklären, was ich habe/mein Angehöriger hat?

Welche Untersuchungen müssen jetzt gemacht werden?

Können die Untersuchungen ambulant gemacht werden?

Oder muss ich/er ins Krankenhaus?

Wie kann die Krankheit behandelt werden?

Gibt es andere Möglichkeiten?

Wie wirken die Behandlungen?

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Wann werden die Nebenwirkungen voraussichtlich auftreten?

Was kann man gegen die Nebenwirkungen machen?

Kann ich mich/sich mein Angehöriger auf die Therapie vorbereiten? Wenn ja, wie?

Haben Sie Informationsmaterial, das wir mitnehmen können?

Können wir nach der Behandlung (noch) Kinder bekommen?

Wenn nicht: Können wir etwas vorbereitend machen, damit wir später doch noch Eltern werden können?

Kann ich als Verwandter auf dem Krankenhausgelände wohnen? Ich habe eine weite Anreise?

Wird die Behandlung die Erkrankung voraussichtlich heilen?

Was passiert, wenn die Krankheit nicht behandelt wird?

Wie schnell muss die Behandlung beginnen?

Wer wird uns nach der ersten Behandlung weiter betreuen?

Wo können wir eine psychoonkologische Beratung bekommen?


„Ich habe gelernt, mich in einer ganz neuen Welt zu bewegen.“ Hendrik und Sibylle mit Silvester und Levi

Miteinander ins Gespräch kommen

Offen miteinander in der Familie zu sprechen, ist eine wichtige Ressource für alle Beteiligten. Kommunikation sorgt für praktische und emotionale Unterstützung und hilft dabei, Ängste im Zaum zu halten.

Die Diagnose Krebs löst Angst und Unsicherheit aus. Partner, erwachsene Kinder oder andere Angehörige von Krebspatienten empfinden es als besonders belastend, wenn der Kranke mit ihnen nicht über seine Erkrankung sprechen möchte – weil er selbst die Diagnose noch „verdauen“ muss, weil er den anderen nicht belasten will oder weil er die Tatsache, an Krebs erkrankt zu sein, erst einmal verdrängt.

Auch wenn jeder Betroffene eine solche Diagnose anders bewältigt, lässt sich die Krankheitsverarbeitung grundsätzlich in vier Phasen einteilen:

Schockphase: Der Betroffene verleugnet die Krankheit.

Reaktionsphase: In dieser Phase können sich psychische Belastungen mit Ängsten und Depressionen entwickeln.

Reparationsphase: Der Kranke passt sich an die neue Situation an.

Neuorientierung: Verarbeitet er die Krankheit zunehmend, kann er seine neue Lebenssituation annehmen.

Die Phasen können verschieden lange dauern. Es ist aber erwiesen, dass ein aktiver Umgang mit der Krankheit die Lebensqualität des Patienten verbessert. Unterbleibt dieser, besteht die Gefahr, dass bei Ihrem Angehörigen und auch bei Ihnen Unbehagen und Unsicherheit zunehmen werden.

 

Krebs ist mit vielen Vorurteilen verbunden. Ihr Angehöriger fragt sich vielleicht, wie sein Umfeld reagieren wird. Sie selbst beschäftigen vielleicht die Auswirkungen der Krankheit auf die Familie. Wenn die Kommunikation in dieser Situation nicht offen ist, können leicht Probleme erwachsen.

Eine offene Gesprächskultur finden

Hören Sie einander zu, nehmen Sie sich gegenseitig aufmerksam wahr und begegnen Sie sich mit Respekt. Das sind die Grundlagen für eine gute Kommunikation.

Es wird möglicherweise einige Zeit dauern, bis Sie und Ihr Angehöriger über schwierige Themen sprechen können. Vielleicht haben Sie Angst, dass Sie nicht die richtigen Worte finden und den anderen verletzen könnten. Vielleicht sind Sie es bisher auch nicht gewohnt, offen miteinander zu reden, und Sie wollen Ihren Angehörigen auch auf keinen Fall belasten. Dann wird es Ihnen jetzt, wo Ihr Angehöriger an Krebs erkrankt ist, umso schwerer fallen. Für Sie und Ihre Familie ist es aber wichtig, dass Sie gemeinsam einen Weg finden, sich über alles, was Sie beschäftigt und bewegt, auszutauschen.

Der richtige Zeitpunkt?

Auch wenn es ratsam ist, schwierige Gespräche nicht vor sich herzuschieben, weil sie dadurch nicht einfacher werden, führen Sie sie auf keinen Fall unter Zeitdruck. Warten Sie lieber, wenn Sie merken, dass Sie oder Ihr Angehöriger noch nicht bereit dafür sind. Dennoch gilt besonders für das erste Gespräch über die Erkrankung: Den absolut richtigen Zeitpunkt wird es vermutlich nicht geben.

Es ist hilfreich, wenn es Ihnen gelingt, für ernste Gespräche eine Atmosphäre und einen äußeren Rahmen zu schaffen, in dem Sie sich beide wohlfühlen. Dazu gehört vor allem ein möglichst ruhiger, geschützter Ort, an dem Sie in Ruhe miteinander reden können. Konzentrieren Sie sich nur auf das Gespräch, am besten schalten Sie die Handys, das Radio und den Fernseher aus. Es würde Sie nur ablenken. Wenn Sie Kinder haben und diese noch nichts von der Erkrankung Ihres Angehörigen wissen, stellen Sie sicher, dass sie nicht mithören und so zufällig von der Krankheit erfahren.

Aktives Zuhören

Eine Empfehlung, die vielleicht banal klingt, aber für das Gelingen eines Gespräches wichtig ist, lautet: Hören Sie einander zu, und zwar aktiv. Das heißt, konzentrieren Sie sich auf Ihr Gegenüber, signalisieren Sie Ihrem Angehörigen, dass im Moment nur er für Sie wichtig ist. Nehmen Sie seine Gedankengänge auf und zeigen Sie Empathie. Wichtig ist, dass Sie wirklich verstehen, was er Ihnen sagen will, damit keine Missverständnisse entstehen. Beide Gesprächspartner sollten versuchen, sich so genau und eindeutig wie möglich auszudrücken, statt Aussagen oder Wünsche zu umschreiben und darauf zu hoffen, dass der andere schon wissen wird, was gemeint ist.

Unterbrechen Sie einander nicht, sondern lassen Sie den anderen ausreden, auch wenn vielleicht Pausen entstehen. In diesen Pausen sammelt Ihr Gesprächspartner seine Gedanken, und das ist besonders bei emotionalen Gesprächen wichtig. Sie können in dieser Zeit den Gedankengang ebenfalls nachvollziehen; wenn Ihnen das nicht gelingt oder Sie etwas nicht verstanden haben, dann sagen Sie es Ihrem Angehörigen. Anderenfalls kann es dazu kommen, dass Sie aneinander vorbeireden oder er den Eindruck bekommt, Sie hören ihm gar nicht richtig zu.

Vorteile aktiven Zuhörens

Aktives Zuhören kann es Ihnen und Ihrem Angehörigen erleichtern, über Sorgen und Ängste zu sprechen; Sie können Ihre Gefühle offener zeigen, und das wiederum stärkt Ihre Beziehung zueinander. Fragen Sie Ihren Angehörigen ganz offen, wie er sich fühlt, was er braucht und was er möchte. Dann bekommen Sie in wichtigen Dingen die Klarheit, die Sie brauchen.

Sie werden im Laufe der Erkrankung Ihres Angehörigen häufiger schwierige Gespräche führen, und sie werden immer wieder eine Herausforderung sein, weil einer oder sogar beide Gesprächspartner Angst davor haben. Nach und nach werden Sie aber gemeinsam eine Gesprächskultur entwickeln und offener miteinander reden können.

Wenn Sie derjenige sind, dem es leichter fällt, ein Gespräch zu beginnen, dann machen Sie die ersten Schritte auf Ihren Angehörigen zu. Seien Sie jedoch vorsichtig, dass Sie von ihm nicht als ungeduldig wahrgenommen werden. Ein kranker Mensch ist meistens dünnhäutig und möchte nicht mit Ratschlägen überhäuft werden oder das Gefühl haben, dass seine Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit infrage gestellt werden.

Körpersprache wahrnehmen und einsetzen

Kommunikation besteht nicht nur aus dem gesprochenen Wort, sondern auch aus der Körpersprache, der sogenannten nonverbalen Kommunikation. Sie geschieht in der Regel unbewusst und gibt eben deshalb Auskunft, wie sich der Mensch gerade fühlt. Zur nonverbalen Kommunikation gehören:

der Blick (Schaut Ihr Gesprächspartner Sie an oder schaut er weg?)

die Mimik (Ist der Gesichtsausdruck verkniffen, hängen die Mundwinkel, lächelt Ihr Gesprächspartner, runzelt er die Stirn, lacht oder weint er?)

die Gestik (Was machen die Hände, sind sie verkrampft, nesteln sie nervös an Knöpfen oder Haaren oder holen sie zu weiten Gesten aus?)

die Haltung (Sitzt Ihr Gesprächspartner aufrecht oder in sich zusammengesunken, verschränkt er die Arme?)

Sie haben vier Sinne, mit denen Sie wahrnehmen, wie sich Ihr Angehöriger in der jeweiligen Gesprächssituation fühlt, und umgekehrt wird auch Ihr Angehöriger an Ihrer Körpersprache ablesen können, wie es Ihnen geht. Halten Sie Blickkontakt zueinander, dann erkennen Sie nicht nur, wie der andere empfindet, sondern Sie signalisieren gleichzeitig, dass Sie gedanklich und emotional beieinander sind.

Zusammen stark bleiben

Gespräche während der Behandlung. Sie müssen während der Therapie ein schwieriges Thema mit Ihrem Angehörigen besprechen? Fragen Sie ihn, wann er sich stark genug dafür fühlt, besonders wenn es ihm schlecht geht. Überlegen Sie sich genau, was Sie unbedingt klären müssen und was Zeit bis später hat. Notizen können Ihnen helfen, die wichtigsten Punkte zu strukturieren und nichts zu vergessen. Vielleicht können Sie einen „Probelauf“ mit einem Freund machen, der Sie beide gut kennt. So können Sie etwaige Hürden im Gespräch erkennen und sich darauf vorbereiten. Schließen Sie Ihren Angehörigen nicht aus wichtigen Entscheidungen aus, nur weil es ihm schlecht geht und Sie meinen, ihn deshalb schonen zu müssen.

Sie können Ihre gegenseitige Verbundenheit zusätzlich durch Berührungen zeigen – vorausgesetzt, der andere möchte dies: Sie können eine Hand Ihres Angehörigen halten, ihm einen Arm um die Schulter legen oder ihn umarmen und festhalten. Diese Berührungen wirken positiv, drücken Liebe, Zuneigung und Trost aus und können helfen, Situationen zu überbrücken, in denen Ihnen die Worte fehlen.

Die Kunst, einander wirklich zu verstehen

Auch wenn Sie sich um eine offene Gesprächskultur bemühen und das Prinzip des aktiven Zuhörens beachten, kommt das, was Sie meinen, nicht immer auch so bei Ihrem Gegenüber an. Dann können Missverständnisse entstehen, die Sie lieber ausräumen sollten, damit sich daraus nicht noch Differenzen entwickeln, die Sie beide unnötig belasten.

Warum passiert es immer wieder, dass bei Gesprächen Missverständnisse entstehen? Dafür hat man verschiedene Kommunikationsmodelle entwickelt, eines davon ist das sogenannte 4-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun. Dieses Modell arbeitet mit vier Gesprächsebenen: dem Sachinhalt einer Nachricht (Worum geht es inhaltlich?), der Selbstkundgabe (Was verrate ich über mich selbst?), dem Appell (Was soll der andere tun?) und der Beziehungsebene (Wie ist meine Beziehung zum anderen?). Diese vier Ebenen gibt es sowohl beim Absender als auch beim Empfänger – da ist es nicht verwunderlich, dass jede Menge Raum für Missverständnisse entstehen kann. Oft formulieren wir beispielsweise eine Botschaft auf Sachebene, doch die Beziehungsebene wiegt beim Gegenüber schwerer. Es kann also sein, dass sich Ihr Angehöriger gerade etwas von der Seele reden möchte und auf emotionale Zuwendung hofft (Selbstkundgabe und Beziehungsebene), während Sie versuchen, schnell einen konkreten Ratschlag zu formulieren, um das Problem zu lösen (Sach- und Appellebene). Der umgekehrte Fall ist natürlich ebenso möglich.

Wenn Sie das Gefühl haben, dass bei Ihrem Angehörigen eine Botschaft von Ihnen falsch angekommen ist, fragen Sie ihn danach. Überlegen Sie, ob Sie vielleicht gerade auf unterschiedlichen Ebenen kommunizieren. Sprechen Sie ihn auch darauf an, welche Gefühle Sie glauben wahrzunehmen. Dasselbe gilt natürlich auch andersherum, wenn Sie vermuten, dass Sie eine Botschaft von ihm anders verstanden haben könnten, als sie gemeint war.

Schwierige Themen nicht ausklammern

Besonders dann ist es wichtig, wenn Sie möglichst genau wissen, wie alle die Situation erleben und was jeden beschäftigt.

Früher oder später werden Sie mit Ihrem Angehörigen über schwierige Themen sprechen müssen – über Sorgen und Ängste, über schambesetzte Themen wie körperliche Veränderungen oder Sexualität. Anlässe für schwierige Gespräche sind besonders Situationen, in denen deutlich wird, dass die Erkrankung zurückkommt oder sogar voranschreitet. Es ist wichtig, dass Sie diese Probleme nicht ausblenden, sondern ruhig und mit gegenseitigem Einfühlungsvermögen darüber sprechen. Es kann sein, dass Ihr Angehöriger oder Sie selbst bei schwierigen Themen versuchen, Gesprächen auszuweichen. Dieser Abwehrmechanismus ist völlig natürlich, zeigen Sie deshalb Verständnis dafür und reagieren Sie auf keinen Fall wütend oder gekränkt.

Sorgen und Ängste thematisieren

Wenn Sie merken, dass Ihr Angehöriger sich Sorgen macht und Angst hat, signalisieren Sie ihm, dass er Ihnen diese Gefühle durchaus zumuten darf und Sie nicht schonen muss. Angst kann bei einer Krebserkrankung allgegenwärtig sein: Angst vor der Behandlung und ihren Folgen, Angst vor finanziellen Folgen, Angst, die Familie allein zu lassen, vielleicht auch, verlassen zu werden. Ihnen kann durch die Krankheit Ihres Angehörigen bewusst werden, dass Gesundheit und Wohlergehen ein ebenso wertvolles wie zerbrechliches Gut sind.

Versichern Sie Ihrem Angehörigen, dass seine Krankheit seinen Wert für Sie nicht beeinflusst, dass er genauso wertvoll ist wie früher. Gaukeln Sie ihm aber nicht vor, dass Sie unbeschwert und gut gelaunt sind, wenn Sie sich in Wirklichkeit Sorgen um ihn machen, sondern geben Sie ruhig zu, dass auch Sie Angst haben, unsicher und traurig sind. Sprechen Sie Ihre eigenen Sorgen und Ängste an. Seien Sie aber vorsichtig, dass Sie Ihren Angehörigen nicht in die Situation bringen, Sie trösten zu müssen!

Hilfe anbieten

Fragen Sie Ihren Angehörigen ganz offen, wie Sie ihm konkret helfen können. Sollten Sie merken, dass er zu diesem Gespräch nicht bereit ist, drängen Sie ihn nicht, sondern lassen Sie ihm Zeit. Fragen Sie ab und zu nach, ob er sich jetzt mit Ihnen darüber unterhalten möchte.

Viele Angehörige und Freunde möchten dem Erkrankten Mut machen und ihm den Rücken stärken und fordern ihn dazu auf, gegen die Krankheit zu kämpfen. Andere bestärken ihn mit einem gut gemeinten „Du schaffst das“. Ihnen ist in diesem Moment sicher nicht bewusst, dass sie den kranken Menschen damit unter Druck setzen – vielleicht ist ihm gar nicht nach kämpfen zumute? Stellen Sie ihm stattdessen lieber Fragen, am besten die sogenannten sieben W-Fragen, auch offene Fragen genannt: wer, was, wann, wo, warum, wie und wozu. Wenn Ihr Angehöriger auf diese Fragen antwortet, erhalten Sie von ihm viel mehr Informationen, als wenn Sie lediglich sogenannte geschlossene Fragen, also Ja-Nein-Fragen stellen. Decken Sie ihn auch nicht mit gut gemeinten Ratschlägen ein, und vermeiden Sie ganz besonders Phrasen.

 

Wenn sich die Rollen ändern

Häufig wird sich durch die Erkrankung Ihres Angehörigen die Rollenverteilung in der Familie zumindest vorübergehend ändern: Plötzlich sorgen Kinder für ein Elternteil, der Hauptverdiener in der Familie fällt aus oder die Person, die sonst immer die Kinder versorgt hat, ist krank.

Für Sie bedeutet das vielleicht, dass Sie für eine gewisse Zeit Ihren beruflichen und privaten Alltag umorganisieren müssen (Ihre Arbeitszeiten passen eventuell nicht zu Aufgaben in der Familie, wenn Sie etwa morgens die Kinder in die Schule bringen müssen), dass Sie den Haushalt eines Elternteils mit versorgen müssen oder dass Sie sich um zusätzliche Aufgaben wie etwa die Buchhaltung im familieneigenen Betrieb kümmern müssen – kurz, Sie werden viele neue Dinge auf der Agenda haben. Damit werden Sie wahrscheinlich nicht nur vor zeitlichen, sondern auch vor inhaltlichen Herausforderungen stehen. Überlegen Sie, was alles neu auf Sie zukommen könnte und wer Sie dabei entlasten könnte. Mehr dazu erfahren Sie im Kapitel „Selbst gesund bleiben“ ab S. 133.

Im Umgang mit dem Kranken ist es wichtig, dass Sie ihn genauso respektieren und ihn wertschätzen wie früher. Hüten Sie sich auf jeden Fall davor, ihn zu bevormunden, denn er ist zwar krank, kann aber natürlich trotzdem über die Dinge selbst entscheiden. Besprechen Sie mit ihm, welche Aufgaben er in der Familie übernehmen kann und möchte.

Es kann aber auch sein, dass sich Ihr Angehöriger vorübergehend von Ihnen zurückzieht und sich „vergräbt“. Damit möchte er Sie nicht kränken. Vielmehr wird er Zeit benötigen, um über seine Situation nachzudenken, und sich Ihnen später wieder zuwenden. Wenn Sie sich nicht sicher sind, fragen Sie ihn, warum er jetzt gerade so zurückhaltend ist.