Ehe und Familie

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Ehe und Familie
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Holger Dörnemann

Ehe und Familie

Lernorte des Glaubens

Holger Dörnemann

Ehe und Familie
Lernorte des Glaubens


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

© 2014 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de

Umschlag: Hain-Team (www.hain-team.de)

Druckerei: CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN

978-3-429-03756-7 (Print)

978-3-429-04781-8 (PDF)

978-3-429-06196-8 (ePub)

Inhalt

Vorwort

I.„Ehe als besondere Art Freundschaft“ - eine Kategorie für eine neue Theologie der Ehe

1.Die Ehe: theologische Erklärungsmodelle

2.Freundschaft: eine theologische Kategorie

3.Freundschaft in soziologischer Perspektive

4.Die Ehe: eine besondere Art der Freundschaft

5.Die Möglichkeit zu scheitern und die Unauflöslichkeit der Ehe

6.Konsequenzen des Freundschaftsbegriffes im Blick auf andere Partnerschaftsformen und das eheliche Commitment

II. „Familie als Subjekt der Evangelisierung“ - Familie im Wandel und ihre spezifische Religiosität und Spiritualität

1.Familie: religiöse Sozialisationsinstanz in der Tradierungskrise

2.Wandel des Familienbildes: die klassische Familie als Auslaufmodell?

3.Der Familienbegriff in der Christentumsgeschichte

4.Die Pluralität der Familienformen als religionspädagogische Herausforderung

5.Beispiele: Orte und Erfahrungen von impliziter Familienreligiosität

6.Die Bedeutung der Familien(spiritualität) für die Theologie und Kirche heute

III. „Plädoyer für eine Theologie der Kinder“ - ein religionspädagogischer Perspektivenwechsel

1.Kinder als Theologen?

2.Zwischen Abwertung und Idealisierung des Kindes

3.Durchbruch einer Theologie der Kinder

4.Kindertheologie: ein didaktischer Anknüpfungspunkt oder ein theologisch notwendiger Ausgangspunkt?

5.Ist die Kindertheologie ein theologisches Paradigma?

6.Zwischen einer ‚Theologie der Kinder’ und einer ‚Theologie für Kinder’: Kindertheologie als ‚Theologie mit Kindern’

Nachwort

Literaturverzeichnis

Vorwort

‚Ehe und Familie‘ stehen in der katholischen Kirche ganz grundsätzlich an vorderer und in den kommenden Jahren – aus aktuellem Anlass – auch an oberster Stelle. Wie das Dokument zur Vorbereitung der außerordentlichen Bischofssynode des Jahres 2014 beschreibt, ergibt sich die hohe Bedeutung dieses Themenkomplexes allein schon aus der Tatsache, dass Papst Franziskus „beschlossen hat, für die Bischofssynode einen Arbeitsplan in zwei Etappen festzulegen: die erste Etappe, das heißt die Außerordentliche Versammlung im Jahr 2014, ist darauf ausgerichtet, den ‚status quaestionis‘ zu erfassen sowie Zeugnisse und Vorschläge der Bischöfe zu sammeln, um das Evangelium für die Familie glaubwürdig zu verkünden und zu leben; in der zweiten Etappe, bei der Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode 2015, sollen konkrete Leitlinien für die Pastoral der Einzelperson und der Familie gesucht werden.“

Das Vorbereitungsdokument, das mit einem Fragebogen an alle nationalen Bischofskonferenzen und Diözesen der Welt versandt wurde, zählt bereits einige Kennzeichen des ‚status quaestionis‘ auf, die in den vergangenen Monaten in den bereits veröffentlichten Rückmeldungen der Diözesen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und der nationalen Bischofskonferenzen konturiert wurden. Überdeutlich wird, was bereits im Vorbereitungsdokument angedeutet wurde: „Es zeichnen sich heute bis vor wenigen Jahren noch nie dagewesene Problematiken ab […]: konfessionsverschiedene oder interreligiöse Ehen; Familien mit nur einem Elternteil; Polygamie[…]; Phänomene der Migration und Neuformulierung des Begriffs der Familie; relativistischer Pluralismus im Eheverständnis; Einfluss der Medien auf die Volkskultur im Hinblick auf das Verständnis von Ehe und Familienleben; Dauerhaftigkeit und Treue des Ehebundes entwertende Denkströmungen, die einzelnen Gesetzesvorschlägen zugrunde liegen“.

Diese als ‚Problemlagen‘ apostrophierte Wirklichkeitsbeschreibung ruft nach einer Neubewertung und neuen Wahrnehmung in der kirchlichen Lehre wie der Pastoral. Wenn Ehen und Familien ‚Kirche im Kleinen‘ (FC 48) und ‚kleine Hauskirchen‘ sind, wie es Papst Franziskus in dem Vorbereitungsgebet auf die Bischofssynode am 29.12.13 ausdrücklich erinnerte, entscheidet sich an dem Leben in ‚Ehe und Familie‘ und der Erschließung ihrer Wirklichkeit auch die Zukunft der ‚Kirche im Großen‘. ‚Die Theologen mögen dazu beitragen, das in Ehe und Familie gelebte Geheimnis zu erschließen‘, nahm bereits Papst Johannes Paul II. in seiner Familienenzyklika des Jahres 1981 die Theologen in die Pflicht, sich diesem kirchlichen Zentralthema zu widmen und zu erklären, „was sich aus der Erfahrung des Familienlebens ergibt.“ (FC 73) Dazu möchte auch ich in einem ebenso niederschwellig wie pointiert geschriebenen kleinen Buch einen Beitrag leisten: ‚Ehe und Familie‘ im Licht der Zeichen der Zeit neu sehen zu lernen, sie als ‚Kirche im Kleinen‘ und Lernort des Glaubens für die Kirche erschließen und zugleich auch ihr theologisches Verständnis vertiefen. Neue Gedanken – die gleichwohl an große Themen der kirchlichen Tradition anknüpfen – zum Verständnis der Ehe werden dazu in Rückbindung an den christlich geprägten ‚Freundschaftsgedanken‘ ebenso eingeführt, wie Gedanken zum Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und zur wertschätzenden Anerkennung der heutigen pluralen familiären Lebensformen als neu entstehende Keimzellen religiösen Lebens erschlossen. Worin selbst Kinder für die Kirche ‚religiöse Lernorte‘ in Familien sind und auch die universitäre Theologie fortschreiben oder gar begründen können, möchten die Gedanken gegen Ende der Schrift den Leser / die Leserin zu weitergehenden Perspektiven anregen und ermutigen.

Wie Papst Franziskus auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien sagte, „dass dies die Zeit der Barmherzigkeit ist“, möchte ich auch auf die in diesem Buch ausgeführten Gedankengänge beziehen, und noch ergänzen, dass sie nicht minder die Zeit der Gerechtigkeit und auch der vertieften theologischen Reflexion gerade in diesem Themenbereich werde.

München, am 25. März 2014

Holger Dörnemann

I. „Ehe als besondere Art Freundschaft“ – eine Kategorie für eine neue Theologie der Ehe

Noch keine drei Jahre ist es her, dass auf einer Jahreskonferenz der Ehe- und Familienpastoral der deutschen Bistümer in München ein Referent in Erinnerung rief, dass die letzte größere Monographie im deutschen Sprachraum zur ‚Theologie der Ehe’ vor damals schon gut zwei Jahrzehnten (Gruber 1994) geschrieben worden sei. Zu mutmaßen, dass zu dem Thema bereits alles gesagt ist, wird wohl nicht die richtige Erklärung für das Ausbleiben neuer theologischer Reflexionen sein, bedeutet Theologie ja immer auch, die Themen der kirchlichen Tradition in den Diskurs der Gesellschaft hinein zu übersetzen, lebendig zu halten und mit aktuellen Fragestellungen zu verbinden. Im etwa gleichen Zeitraum sank währenddessen die Zahl der katholischen Trauungen in Deutschland von über 110.000 Anfang der 1990er Jahre auf 46.021 im Jahr 2011. Mit dem Einbruch der kirchlichen Trauungszahlen um mehr als die Hälfte änderte sich zeitgleich auch der Stellenwert des Leitbildcharakters der Kernfamilie, verstanden als Sozialverbund zweier verheirateter Eltern mit ihren Kindern. Die am 30.08.2012 veröffentlichten Zahlen des Mikrozensus 2011 etwa stellen es deutlich vor Augen, dass die ‚klassische Familie‘ in deutschen Landen weiterhin auf dem Rückzug ist: Immer mehr Kinder wachsen bei Alleinerziehenden oder bei Paaren ohne Trauschein auf. Lag der Wert vor beinahe zwanzig Jahren noch bei 81 Prozent, sind nurmehr bei 71 Prozent der Familien in Deutschland die Eltern 2011 verheiratet – und darunter viele in zweiter oder dritter Ehe oder in Patchwork-Familien. In jeder fünften Familie erzieht ein Elternteil den Nachwuchs allein (plus sechs Prozentpunkte). Und in fast jeder zehnten Familie leben die Eltern ohne Trauschein zusammen. 1996 war das nur in jeder 20. Familie so (vgl. Destatis 2012). Im Spektrum der heute gelebten Beziehungsvielfalt wird die Ehe zunehmend eine Partnerschaftsform unter anderen, vor welchem Hintergrund auch die immer wieder neu aufkommende Diskussion um die Beibehaltung oder Änderung des Ehegattensplittings einzuordnen ist.

 

Beide Erhebungen legen nahe, dass die Zeit mehr als reif ist, die Grundlagen der Ehetheologie neu in den Blick zu nehmen, auch wenn manche Gedanken vielleicht noch nicht bis zu Ende gedacht und im guten Sinn vorläufig sein mögen. Das Thema neu ‚aufzureißen’, ermöglicht vielleicht am Ende einen ‚Aufriss einer Theologie von Ehe’, der ihre Bedeutung neu in die Gesellschaft hinein ins Gespräch zu bringen und auf die Pluralität der Partnerschaftsformen zu beziehen vermag. Welche Motive verbinden junge Paare heute aber mit ihrer Eheschließung? Vielfach sind es innige Bilder, Metaphern und Geschichten, die Hochzeitspaare ins Wort bringen – in dem ihr persönliches Liebesgeheimnis anklingt. In dem Film ‚Casomai’ des Regisseurs Alessandro D’Alatri (Italien 2002) fragt der junge Priester Don Livio ein junges Paar, Stefania und Tomaso, im Traugespräch nach den Bildern und Metaphern für ihre Liebe. Die beiden deuten ihre Beziehung als ‚Paartanz zweier Eiskunstläufer‘, in dem Arbeit und Einsatz ebenso wie Eleganz und perfekte Harmonie zum Ausdruck kommen – eine Metapher, die Don Livio in seiner im Film kurz darauf folgenden Hochzeitspredigt aufgreift. Dieses Sprachbild, aber auch die von anderen Paaren genannten Bilder, Metaphern und Geschichten sind jedoch nicht nur gute Motivgeber für Hochzeitspredigten und Ansprachen (die ja – wie auch in dem Film – immer auch Hinweise auf mögliche Gefährdungspotentiale für die jeweilige Liebe geben), sondern im Letzten bzw. im Eigentlichen auch bedeutsame ‚Kurzschlüsse‘ auf wesentliche Elemente theologischer Überlegungen, die möglicherweise auch zu einer ‚Theologie der Ehe’ auszubauen wären. Gehen wir neu auf die Suche!

1.Die Ehe: theologische Erklärungsmodelle

Einen neuen Ansatz einer ‚Theologie der Ehe’ zu versuchen, heißt nun nicht, die bisherigen Metaphern und Erklärungsmodelle zu übergehen oder von vornherein überholt zu sehen, zumal die jüngsten lehramtlichen Akzentsetzungen auf weltkirchlicher Ebene gerade erst vor 50 Jahren veröffentlicht wurden. Mit dem 2. Vatikanischen Konzil ist das Bild der Ehe als ‚Bund‘ (GS 47-52) verbunden, durch den die Ehepartner ihre Lebensgemeinschaft begründen. In dieser biblischen Sprechweise wird der personale Charakter der Ehe und deren komplexe Wirklichkeit mit ihren verschiedenen Dimensionen angedeutet: Die Ehe als ein unauflöslicher Bund, in dem sich Mann und Frau gegenseitig schenken und annehmen. Neu herausgestellt wird mit dem biblischen Bundes-Bild zugleich der Gedanke, dass die Ehe gleichermaßen auf das Wohl der Ehepartner und auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommen hingeordnet ist (während die Ehezwecklehre des Codex Iuris Canonici von 1917 noch einen ‚primären Ehezweck‘ – Zeugung und Erziehung von Nachkommen – und einen ‚sekundären Ehezweck‘ – gegenseitige Hilfe und geordneter Gebrauch des Geschlechtstriebes – unterschied). Neben der sakramententheologischen Neubewertung der Ehe als Bund ist kirchenrechtlich aber nach wie vor das Bild der Ehe als ein ‚Vertrag‘ bedeutsam. Anfang der 1980er Jahre drückt die Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches (Codex Iuris Canonici 1983) mit dem Nebeneinander der Bilder ‚Vertrag‘ und ‚Bund‘ aus, dass die Ehe mehr ist als ein reines Rechtsverhältnis: Der Begriff ‚Ehebund‘ betont primär die personale und religiöse Wirklichkeit der Ehe, während der Begriff ‚Ehevertrag‘ dagegen verstärkt die rechtliche Dimension zum Ausdruck bringt: nämlich die freie Willensentscheidung beider Partner als Konsenserklärung im Blick auf die ‚Vertragsinhalte‘ der Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe (c. 1057 § 1). Letztlich greifen alle Versuche der Darstellung einer katholischen Ehetheologie diese beiden Begriffe des Bundes und des Vertrages auf, auch wenn immer wieder im Blick auf die Vertragsmetapher aus systematisch-theologischer Sicht angefragt wird, ob hier nicht doch noch und zu Recht in der Ehelehre die Dogmatik vom Kirchenrecht her entworfen werde. Demgegenüber sind die Gedanken und Bilder der Hochzeitspaare von diesen Überlegungen meist unberührt. Ohne auf die kirchenrechtliche oder dogmatische Bedeutung ihrer Motive und Metaphern zu reflektieren, äußern Paare in der Praxis der Ehevorbereitung zumeist andere Motive und Metaphern für ihre Liebe und vielfach, dass beide Partner eine langjährige Freundschaft verbinde, die sie nun – oftmals mit dem Entschluss, eine Familie gründen zu wollen – zu der Entscheidung geführt habe, eine Ehe zu schließen. Wäre das vielleicht eine neue Metapher für die Ehe, sie als eine besondere Art einer Freundschaft zu verstehen? Ich möchte im Folgenden diesen Gedanken weiter verfolgen und mit dem Freundschaftsverständnis eine, wenn nicht neue, so doch für die Ehetheologie untypische Metapher einführen, darstellen und auf die theologische Reichweite hin befragen – in der Absicht, die Sakramentalität der Ehe in der heutigen Zeit auf neue Weise zu entdecken und in die Gegenwart zu übersetzen. Ist es möglich, die Ehe auch als ‚eine Art Freundschaft’ zu verstehen – und darin auch das Besondere dieser Beziehung für die heutige Zeit wie im Anschluss an die Tradition zum Ausdruck zu bringen? Einen Versuch ist es allemal wert!

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?

Weitere Bücher von diesem Autor