RoadMovie

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

RoadMovie

von

Hans-Joachim Mundschau

Imprint

RoadMovie

Hans-Joachim Mundschau

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright: © 2013 Hans-Joachim Mundschau

ISBN 978-3-8442-5312-2

2

Es wird die Zeit kommen, da du glaubst, alles sei geschafft. Das ist der Anfang.

Louis Dearborn LaMoore (gesehen bei KARSTADT Hamburg an der Wand)

Boss, hast du schon mal etwas so schön zusammenkrachen sehen?

Alexis Sorbas (Cacoyannis/Kazantzakis)

All you need is love

(Lennon/McCartney)

PETER

Es war das Blau ihrer Augen oder ihre Größe, ihre Schlankheit. Unsere Blicke sprangen hin und her. Sie begegnete mir, als ich mein Gepäck aufs Zimmer brachte.

Ich beeilte mich, weil ich mich noch vor dem Seminar mit meinen Freunden Johannes und Bruno, die zufällig gemeinsam ein Seminar zum Thema Abschied leiteten, in dem Lokal, wo wir manchmal zu Mittag aßen, zu einem Kaffee treffen wollte. Sie saßen an einem winzigen Tisch in der Mitte des großen Gastzimmers. Es herrschte ein Höllenlärm. Sonntagsgäste, zumeist Menschen im Rentenalter, und Jüngere, wohl Seminarteilnehmer, schienen wie besessen aufeinander einzureden. Als ich mich zu den beiden an den Tisch setzte, sah ich am Nebentisch eine sehr zerbrechlich aussehende junge Frau, die ich ein paar Wochen zuvor hier in einem Seminar getroffen hatte, irgendetwas mit Musik muss es gewesen sein. Sie bemerkte meinen Blick, schien zuerst verwirrt, bis sie ein Lächeln des Erkennens zeigte.

Meine Freunde und ich wandten uns wie üblich den wichtigen Themen des Lebens zu, wie wir denn die Welt erlösen könnten, so wie wir immer redeten. Unter dem Eindruck des Lärms dachten wir wieder einmal darüber nach, wie man die Anzahl der Wörter, die jedem Menschen pro Leben zustünden, limitieren könnte.

Im Nachhinein kommt mir alles sehr unwirklich vor: rotbraune Steinfliesen, die typisch deutsche Betischung und Bestuhlung des Raumes, das Stimmengewirr, die Witze, die wir machten. Nach Kaffee und Apfelstrudel machte sich die Unruhe des Aufbruchs bemerkbar. Die Frau am Nebentisch hatte gezahlt, verabschiedete sich von ihren Begleitern – es waren nur Männer – mit Küsschen. Ihr Seminar schien beendet.

Wir gingen dann auch, trennten uns vor dem Seminargebäude. Ich musste in meinem Zimmer noch das Bett überziehen. Als ich die Bettwäsche aus dem Schrank im Flur holte, begegnete mir die schlanke Frau mit den blauen Augen wieder. Sie trug eine sehr dunkle, eng geschnittene Hose und einen schwarzen Pullover. Sie wirkte noch größer als vorher. Ich sah wieder in diese abgrundtief blauen Augen. Wir nickten uns zu, ich spürte Befangenheit.

Die nervtötende Tätigkeit des Bettüberziehens ließ sie mich erst einmal wieder vergessen. Ein paar Dinge, die getan werden müssen, hasse ich. Ein Bett überziehen gehört dazu. Theoretisch weiß ich, wie es geht. Praktisch stimmt immer irgendetwas nicht. Entweder ist der Überzug für die Decke falsch gefaltet, oder die Decke ist zu breit oder zu lang oder irgendeine andere Katastrophe passiert, was allerdings den Faktor der Ablenkung von den wirklichen Problemen des Lebens sehr in die Höhe treibt. Mein Bett beim Militär gehörte stets zu den am schlechtesten bewerteten. Aber der Kopf wird frei von anderen Verwirrungen.

Trotzdem blieb nicht aus, dass ich mich an Gundel erinnerte, eine kleine kompakte Blonde mit für die damalige Zeit außergewöhnlich kurz geschorenen Haaren, die bei meinem allerersten Seminar in diesem Hause am ersten Abend über mich hergefallen war und mich die restlichen fünf Tage und Nächte nicht aus ihren Fängen ließ. Kaum waren die Gemeinschaftsveranstaltungen beendet, schleppte sie mich in eine nicht einsehbare Ecke, um sich an mir auszutoben. Es gefiel mir, aber es erschöpfte mich und vermittelte mir ein völlig falsches Bild von dem, was mich zukünftig in dieser Bildungsstätte erwarten würde.

Ich zog noch schnell Jeans und Hemd an und stieg die enge Treppe zum Seminarraum hoch. Sie war schon da, dunkle Jeans, strahlend weiße Bluse, durch die ihr dunkler Teint und ihre Augen noch verstärkt wurden. Wir begrüßten uns wieder mit einem Lächeln. Sie schien sehr neugierig auf die anderen Teilnehmer zu sein. Da waren ein älterer Mann und viele Frauen. Eine, die offensichtlich an Fettsucht litt, unterhielt sich intensiv mit einer Mittdreißigerin mit kräftiger Figur. Bei beiden fielen mir die enorm großen Brüste auf. Dieses Mal gelang es mir nicht, die weiblichen Teilnehmer in Hinsicht auf potenzielle Sexualkontakte durchzugehen. Einige hatten den „hungrigen Blick“, wie es mein vergangener Freund Robert auszudrücken pflegte. Dieses Mal ließen sie mich kalt. Ich hatte etwas Neues in mir entdeckt, was sich von der Magengegend her in meinem ganzen Körper ausbreitete. Es gelang mir nicht, dieses Etwas zu identifizieren oder gar es zu benennen. Es war beunruhigend wie Lampenfieber oder eine sich ankündigende Erkältung.

An die Vorstellungsrunde habe ich nur noch bruchstückhafte Erinnerungen. Die fettsüchtige Frau hieß Lore, und sie sagte, sie habe Adipositas und ihr Arzt habe ihr verordnet, sehr viel zu trinken, weswegen sie ständig ihre Mineralwasserflasche an den Mund setzte. Sie schwitzte stark und erzählte von Prozessen, die sie gegen alle möglichen Menschen und vor allem ihren letzten Arbeitgeber führen müsse. Außerdem mache sie Feldenkrais und werde sich demnächst darin selbstständig machen. Ich hatte damals keine Ahnung, was Feldenkrais war und habe es in der Zwischenzeit wieder vergessen. Jedenfalls schien es für eine Gewichtsreduzierung nicht hilfreich zu sein. Ich stellte sie mir nackt vor: große Hängebrüste mit großen dunklen Warzenhöfen, kaum hervorstehende Brustwarzen, überhängender Bauch, säulenartige Beine und eine extrem behaarte Scham. Es gibt keine hässlichen Menschen, und sie hätte mich in anderer Umgebung auch erregen können. Ich hätte mir vorstellen können, dass ich mich über ihren massigen Körper hermache und ihre Falten und Öffnungen erforsche und mich schließlich in sie ergieße.

Die andere kräftige Frau war Zahnärztin, sympathisch aber auf seltsame Weise distanziert. Meine Fantasien nahmen zwei Gestalten an: Opfer sexuellen Missbrauchs oder steht auf Frauen, oder beides.

Alle anderen habe ich vergessen. Dann hörte ich sie. Es war ihre Stimme, die mich traf. Ich nahm sie nicht über den Gehörapparat auf. Sie kam irgendwo im Unterbauch an. Vielleicht war sie schon immer da und wurde plötzlich aktiviert. Ich spürte eine Art von Bekanntheit, die mich verwirrte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, ich sei endlich angekommen, wo auch immer. Ich hatte etwas endlich erreicht, dem ich immer hinterher gerannt war. Es hatte mich gepackt.

Beim Abendessen saß ich ihr gegenüber zwischen all den Frauen, die sich um mich gruppiert hatten, wie wenn sie mich einkreisen wollten. Es gab das übliche Ankomm-Abend-Nichtssagend-Wurst- und Käsegemisch. Ich hatte sowieso keinen Hunger. Es war wie immer ein vorsichtiges Abtasten, jeder bei jedem, bis sie mich auf meinen Ring ansprach. Er sei wunderschön und wo ich ihn her hätte. Ich erzählte, dass mir bei einer Auswahl von blauen Saphiren und Silber-Ring-Rohlingen bei diesem Sri-Lanka-Saphir sofort das Haben-wollen-schon-immer-meiner-Gefühl erschienen sei.

Und dann sagte sie: „Warum weichst du mir eigentlich immer mit den Augen aus?“ Am Tisch vor allen traf es mich in die Magengrube.

„Ich sag’s dir draußen, wenn du mit mir eine Zigarette rauchst.“ Ich hatte sie vorher rauchen sehen.

„Ja, gehen wir“, sagte sie.

Die anderen am Tisch tauschten wissende Blicke aus. Es war mir egal. Wir gingen in das winzige Treppenhaus gleich hinter dem Windfang, wo Rauchen erlaubt war. Ich bot ihr eine Zigarette an, versuchte schon während des Anzündens zu reden.

„… weil ich befürchte, mich sonst in dich zu verlieben, ach scheiße, es ist schon passiert!“

Sie grinste. „Mir geht es ähnlich“, sagt sie.

Wir küssten uns zunächst vorsichtig, bis unsere Zungen mutiger wurden und sich umspielten, Druck ausübten, die Mundhöhle des anderen erforschten. Sie schmeckte gut. Eine bedrohliche, Schwindel erregende Wärme breitete sich in meinem Bauch aus und griff auf meinen ganzen Körper über. Gleichzeitig schien ich die Orientierung zu verlieren. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Es war mir völlig gleichgültig, wo ich war. Es gab nur diese Frau, die ich vorsichtig umarmt hatte, deren Zunge mir diese Wärme spendete. Die Erektion, die ich hatte, schien von anderer Art als ich sie kannte. Sie richtete sich nicht auf Entladung. Sie wollte nur vorhanden sein. Unsere Unterkörper hatten sich angenähert. Wir bewegten uns sanft wie im Tanz.

Ich weiß nicht mehr, wie lange es dauerte, bis wir uns voneinander lösten, wie wir die abendliche Seminareinheit überstanden. Als danach die anderen im Aufenthaltsraum zusammen saßen, lagen wir im Gruppenraum auf dem Boden und lernten unsere Körper kennen. Es war ein Herantasten, zuerst wieder der Zungen, dann der Hände, die die Form des anderen erforschten. Sie war knabenhaft mit kleinen Brüsten, deren Warzen sich unter der Bluse steinhart anfühlten. Sie öffnete ihre Schenkel wie selbstverständlich, so dass ich mit der Hand ihren Schritt über der Hose berühren konnte.

Sie strich mir über Glied und Hoden, knetete sanft, bis sie sagte: „Ich werde mal die Hose ausziehen.“

Wir entledigten uns auch der Slips. Ich setzte mich mit dem Oberkörper an die Wand. Sie setzte sich einfach auf mich, ich glitt ohne jeden Widerstand in sie hinein. Oben herum waren wir angezogen, um unsere Unterkörper und Beine gruppierte ich die herumliegenden Decken. Wir saßen einfach nur da, mein Glied in ihr, unsere Münder aufeinander, unsere Zungen in Bewegung. Die Zeitlosigkeit holte mich wieder ein. Die Welt gab es nicht. Es gab nur diesen Raum und die Nacht, die sich als schwarzer Himmel durch die schrägen Fenster zeigte. Irgendwann nach einer Ewigkeit schoss es aus mir heraus. Ich musste mich nicht bewegen. Es floss einfach. Es war wie in meinen wenigen feuchten Kinderträumen. Ich glaubte, Kontraktionen ihrer Scheidenmuskulatur wahrzunehmen. Es war gleichgültig, alles war mir gleichgültig. Mein Orgasmus war nicht von dieser Welt. Ich verströmte und es wollte nicht aufhören.

 

Ich hatte gestöhnt, und sie fragte: „War es so schön?“

Ich nickte, doch die Frage irritierte mich. Ich wusste nicht, was für eine Antwort sie erwartete. Trotz der endlosen Ejakulation ging die Erektion nicht zurück. Ich blieb in ihr und fühlte, wie ich sie immer noch ausfüllte. Die Wärme, die mein Glied umschloss, schien die Steifheit zu erhalten.

Unsere Zungen und Lippen waren fordernder geworden. Wir saugten unsere Zungen ein, hielten sie mit den Zähnen fest, tasteten die Zahnränder ab, erkundeten die Zwischenräume, schoben die Zungen tief in den Rachen, abwechselnd, manchmal fordernd, aggressiv, manchmal zärtlich. Wir tauschten unseren Speichel aus, schlängelten unsere Zungenspitzen in die Nasenlöcher des anderen. Ich spürte ihre Nasenhärchen. Und da war auch ein Knorpel, als ich meine Zunge in ihr Ohr versenkte. Nach und nach entdeckten wir alle unsere Öffnungen am Kopf, während unsere Unterkörper zusammengewachsen schienen.

Es floss ein zweites Mal aus mir heraus. Ich hatte bis dahin nicht gewusst, dass ich soviel Flüssigkeit produzieren kann. Es lief über, aus ihr heraus über meine Oberschenkel. Ich konnte nichts tun, es geschah einfach.

Wir trennten uns danach und gingen in unsere Zimmer. Ich öffnete eine Flasche Rotwein, die ich mitgebracht hatte. Ich trank aus der Flasche und dachte dabei über den Abend nach. Ich war völlig aufgewühlt und begann zu ahnen, wem ich da begegnet war. Eine Ewigkeit lang hatte ich gesucht und plötzlich war eine Frau erschienen, wie ich sie in meinen Träumen erdacht hatte. Dass ich nicht ganz bei mir war, spürte ich schon. Von Verliebten, die auf Wolken schwebten, hatte ich gelesen. Nun bekam ich eine Erfahrung, wie es sich anfühlt. Mir war völlig gleichgültig, was werden würde. Es gab nur das jetzt, wenn auch mit einer kleinen Irritation. Ihre Frage nach meiner ersten Ejakulation hatte mich verwirrt. Sie klang so verwundert, so als hätte ich mich auf irgendeine Weise nicht normal verhalten. Ich wollte jetzt nicht mehr darüber nachdenken. Ich nahm noch ein paar Schlucke aus der Flasche, die jetzt fast halb leer war, und machte das Licht aus.

Am nächsten Morgen trafen wir uns im Seminarraum wieder, umarmten uns nur kurz und gestanden uns, dass wir uns beide sorgten, dass wir den Teppich mit unseren Körperflüssigkeiten verunreinigt hätten. Wir hatten unabhängig voneinander schon nach Spuren Ausschau gehalten, aber nichts gefunden. Die nächsten Stunden erlebte ich wie in Watte gepackt. In meinen Seminaraufzeichnungen sind zwar Inhalte festgehalten, aber ich habe keine Erinnerung. Es muss eine Partnerübung gegeben haben, während der ich mich plötzlich auf einem Waldweg mit ihr fand. Wir blieben alle paar Meter stehen, küssten uns. Ich redete eine Menge dummes Zeug. Ich weiß noch, dass ich ihr ständig sagte, wie sehr sie mich – und besonders ihre Augen – an Bonnie Tyler erinnerte. Wahrscheinlich begegneten uns eine Menge Spaziergänger, die sich über uns wunderten. Wenn ich heute daran denke, bekomme ich sehr unangenehme Gefühle, weil ich mich für das törichte Gestammel im Zustand der absoluten Verliebtheit schäme. Es ist nicht eigentlich das, was ich von mir gab, sondern das Wie. Ich denke mir, es kommt nicht gut bei einer Frau an, wenn sie von einem verliebten Gockel ständig mit einem Popstar verglichen wird. Wir stolperten durch den Wald. Der Auftrag des Seminarleiters, den wir alle sehr schnell Faule Socke nannten, weil er so gut wie nichts tat, war uns ziemlich gleichgültig. Wir kamen zum Mittagessen zurück, beteiligten uns auch an der gemeinsamen Essenszubereitung, hatten aber nur Augen füreinander. Am Tisch saßen wir uns gegenüber.

Sie sagte: „Weißt du, worauf ich jetzt Lust habe? Ich traue mich nicht so recht.“ Und gleich darauf: „Ist doch egal, die reden doch sowieso.“

Sie nahm meine linke Hand und zog mich aus dem Speisesaal. Sie wusste, wo mein Zimmer war. Ich musste erst aufschließen und glaubte die Blicke der anderen in meinem Rücken zu spüren.

Ich hatte mich schnell meiner Kleider entledigt, legte mich auf das Bett und schaute ihr beim Entkleiden zu. Sie war ein Traum. Als sie ihre Hose auszog, sah ich schon in ihrem Schritt ihre Schamhaare, die aus dem Slip hervorquollen. Auch ihre Ober- und Unterschenkel waren stark mit dunklen Haaren bewachsen.

Sie sah meinen stieren Blick und sagte: „Schau nur, mein Vater hat immer gesagt, behaarte Mädchen bekommen einen reichen Mann. Bisher hat es leider noch nicht geklappt.“

„Mit mir wird das in dieser Hinsicht auch nichts“, sagte ich.

Dass wir keine gemeinsamen Kinder haben würden, hatten wir schon am Abend vorher festgestellt, da wir uns beide zum etwa gleichen Zeitpunkt ein Jahr zuvor hatten sterilisieren lassen.

Als sie ihren Slip ablegte, sah ich ihren dunklen, atemberaubenden Busch, der fast bis zum Bauchnabel reichte. Sie sagte „Na, du Gerät!“ zu meinem Penis, der senkrecht in die Höhe stand und legte sich neben mich. Ich begann die dunklen Brustwarzen ihrer kleinen Brüste mit den Lippen zu bearbeiten. Sie richteten sich in meiner Mundhöhle sofort auf und wurden unglaublich hart. Ich arbeitete mich mit der Zunge abwärts, verweilte in ihrem Nabel. Dann richtete ich mich ein wenig auf, um mir ihre Scham näher anzusehen. Ihre Schamhaare waren erstaunlich in dieser Menge und Ausbreitung. Ihre Schamlippen leuchteten daraus hervor in einem Rot, wie ich es noch nie bei einer Frau gesehen hatte. Sie waren dick angeschwollen und sahen aus wie ein Mund. Ich teilte sie mit dem Mittelfinger und fühlte ein wenig tiefer. Sie zerfloss fast. Ich senkte meine Zunge in den Spalt und nahm ihren Duft auf. Wir kamen nicht dazu, uns zu vereinigen, weil wir so sehr damit beschäftigt waren, unsere nackten Körper kennen zu lernen. Sie kniete sich zwischen meine Beine und begann nun ihrerseits, sich an mir zu schaffen zu machen. Sie bewegte sich auch von oben nach unten. Als sie meinen Penis in den Mund nahm, war ich schon kurz vor der Ejakulation.

Ich stöhnte und sagte: „Noch nicht!“

Sie gab ihn frei und knetete meine Hoden, sagte irgendetwas, das wie Mordsgerät klang, schloss dann wieder ihre Lippen um ihn herum.

Ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde. Irgendwann später sagte ich: „Ich glaube, wir müssen nach oben.“

„Ja“, sagte sie, wir ließen abrupt voneinander ab, zogen hastig unsere Kleider an, küssten uns kurz und heftig, die Zungen tief im anderen.

In den fünf Tagen, in denen wir uns so nahe waren, haben wir nie in einem Bett miteinander geschlafen. Es war, als dürften wir uns diese letzte Nähe nicht gestatten.

Einmal nahm sie mich morgens im Flur in den Arm, sagte, sie habe in der Nacht Angst gehabt, mich gesucht, aber mein Zimmer nicht gefunden.

Wir gingen nach oben in den Seminarraum, wo alle schon auf uns warteten. Faule Socke machte eine Bemerkung über Pünktlichkeit, die uns galt. Es glitt an mir ab. Es war wie zuvor und danach, ich bekam nichts mit, hatte nur Augen für sie, suchte ihre Gesellschaft, wann immer es möglich war bei Partner- oder Gruppenarbeit.

Abends der gleiche Ablauf: Abendessen, Zigarette im Treppenhaus, hinauf in den Gruppenraum, das Zusammenrücken unter der Decke, das Ineinandergleiten, im Hintergrund lief Musik von Rowland, eine CD, die ich mir im Bookshop besorgt hatte. Die Zeit stand still. Ich fühlte mich in eine Endlosschleife eingebettet. Auch heute noch kann ich mich in diesen entrückten Zustand - mit Anstrengung zwar - hineindenken. Das Gefühl dazu ist allerdings synthetisch. Nichts ist mehr vorhanden, was die Verbindung herstellen könnte.

Am nächsten Tag beim Abendessen wurde sie ans Telefon gerufen. Sie schien erregt, verunsichert.

Als sie zurückkam, sagte sie nur: „Mensch, kann ich lügen!“

Ich fragte zunächst nicht, was sie damit meinte. Später erklärte sie mir, dass ihr Mann angerufen hatte, und dass sie ihm nur gesagt hatte, dass das Seminar gut verliefe. Sie hatte eher den Eindruck, dass er sie kontrollieren wollte.

Für mich war das alles weit weg. Ich erkannte diesen Einbruch der Realität nicht. Eifersüchtige Ehemänner gehörten bis dahin nicht in den Bereich meiner Wahrnehmung. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, welche Komplikationen sich ergeben würden.

Es gab noch einen Nachmittag, an dem wir uns der Gruppenveranstaltung entzogen. Wir meldeten uns einfach ab, setzten uns in ihr Auto, einen schwarzen Twingo, und fuhren los. Ich redete wieder eine Menge verliebten Unsinn. Manchmal schien sie amüsiert. Sie schaute mich dann lächelnd von der Seite an. Manchmal fühlte ich mich von ihr distanziert beobachtet.

Wir fanden ein Café an irgendeiner Seitenstraße im Odenwald. Es war größer als ich es in dieser Gegend erwartet hätte. Es muss ein Donnerstagnachmittag gewesen sein, gut besucht, meist ältere Menschen, Ausflügler. Wir setzten uns an einen Tisch in einer Nische, um ungestört zu sein. Ich fing bereits an, Pläne zu machen.

„Wollen wir uns nächstes Wochenende treffen?“ fragte ich.

Sie dachte einen Augenblick nach und nickte dann.

„Ja, das lässt sich machen. Ich kann ja sagen, dass es eine Seminarnachbereitung gibt.“

Sie hatte mir von ihrem Mann erzählt, wie eifersüchtig er sei, wie lieb aber auch, und dass sie gelegentlich mit einem Freund der Familie, einem Kunstmaler, ficke. Sie drückte sich so aus. Er sei ein Macho, sei ständig betrunken, aber er sei halt ein Mann. Sie betonte die Wörter halt und Mann so eigenartig, dass ich eine gewisse Traurigkeit herauszuhören glaubte. Sie hat mir nie erklärt, warum sie mit anderen Männern schlief. Ich habe für meine Affären immer Erklärungen gesucht. Bei ihr bin ich mir nicht im Klaren darüber, ob sie die Männer oder sich selbst verachtete.

Wir verabredeten, dass ich mich um ein Hotelzimmer kümmern sollte. In Gedanken gingen meine Planungen schon viel weiter. Da ich sowieso meine Frau verlassen wollte, spann ich mir schon eine neue feste Beziehung zurecht. Mich schreckte auch nicht ab, dass sie zwei Kinder von zwei Männern hatte. Das würde sich schon regeln lassen.

Wir saßen und redeten, irgendwann war es dunkel draußen, ich zahlte, sagte, dass ich sie von der Steuer absetzen würde.

Im Seminarhaus erzählten uns die anderen, dass Faule Socke sauer war, weil außer uns noch ein paar Leute gefehlt hatten. Ich traf ihn auf der Treppe, sagte, dass wir nur das umsetzten, was er ständig predige, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, was wichtig ist. Er lächelte säuerlich, sagte ich hätte ja Recht. Er habe sich nur über die Teilnehmer geärgert, die sich nicht abgemeldet hätten. Er war mit sich und dem Seminar unzufrieden. Ich merkte es ihm an, aber ich hatte keine Lust, mit ihm darüber zu sprechen.

Nach dem Essen blieben wir dieses Mal nicht sehr lange im Gruppenraum. Wir waren beide sehr erschöpft. Ich setzte mich im Speisesaal zu der Dicken und der Zahnärztin. Wir sprachen über die Art, wie Faule Socke das Seminar leitete. Es war mir eigentlich völlig egal, aber ich konnte mich dazu durchringen, mit den beiden ein wenig zu analysieren. Es war eines dieser Gespräche an Seminarabenden, die sich im Kreise drehen, und bei denen ich immer müde werde, weil ich zu viel Rotwein trinke. Dann machte Lore noch Notizen, was sie ihm alles sagen wollte. Am nächsten Tag wurde nichts aus der geplanten Kritikstunde. Ich weiß nicht mehr warum. Ich war sowieso der Ansicht, dass er unbelehrbar war.

Ich ging dann doch ins Bett und hörte noch im Halbschlaf Stimmen aus dem Aufenthaltsraum, war jedoch viel zu müde, um ernsthaft zuzuhören.

 

Der nächste Morgen begann sehr unwirklich. Ich stellte mir schon beim Aufstehen die Frage, wie es denn weitergehen sollte. Für mich ist der letzte Tag eines Seminars immer zwiespältig. Entweder ich bin froh, endlich wegzukommen, oder ich will mich nicht trennen. Letzteres kommt allerdings sehr selten vor.

An diesem Morgen war ich leer und traurig. Ich wusste mit einer seltenen, beängstigenden Klarheit, dass ich eine solche Begegnung mit einer Frau nie wieder haben würde. Gut, ich wusste fast von Anfang an, dass sie verheiratet war. In meiner grenzenlosen Verliebtheit bildete ich mir ein, dass sie ihre Familie verlassen würde. Es konnte gar nicht anders sein. An diesem Morgen hatte ich eine dumpfe Ahnung, wie es werden würde. Ich spürte, dass irgendwo ein großes Loch lauerte, in das ich hineinfallen konnte.

Die Blicke am Frühstückstisch waren diesmal anders zwischen uns. Unsere Augen trafen sich und wandten sich wieder ab. Ich konnte den Augenkontakt nicht halten. Heute lege ich es mir so aus: Sie schaute voller Mitleid auf mich. Wenn ich ehrlich zu mir bin, dann fragte ich mich damals schon, ob sie nicht vielleicht doch ein großes Miststück war.

Der Morgen verlief so wie diese Abschiedsveranstaltungen bei den sogenannten Fortbildungen immer sind. Viel Blabla, das hat mir gefallen, das hat mir nicht gefallen und so weiter. Wenn dann noch jemand sagt – meistens kommt es von Frauen - „Schön, dass es dich gibt!“, dann wird mir meist ein bisschen übel. Es ist schrecklich, wenn sich solche Veranstaltungen nicht in Würde auflösen können.

Wir hatten es hinter uns gebracht, hatten den ganzen Morgen wenig miteinander geredet, uns aber immer wieder angeschaut. Jeder hatte seine Reinigungsaufgabe übernommen, wie es in diesem Haus üblich war. Ich war gerade dabei, den Aufenthaltsraum auszukehren, als sie zu mir kam.

„Ich finde es blöd, wenn wir nachher in unseren Autos einander hinterher fahren und unseren Auspuff anschauen. Ich will mich jetzt von dir verabschieden.“

Wir umarmten uns, ich sog ihren Geruch ein, ich zeigte ihr nicht, dass ich am liebsten geweint hätte. Ich brachte sie nicht zu ihrem Auto. Ich kehrte weiter.

DER EINBRUCH DER WIRKLICHKEIT

Die Autofahrt nach Hause ist mir nicht mehr in Erinnerung. Das nächste Bild, das ich abrufen kann, zeigt mich mit meiner Frau am Küchentisch. Sie sagt, ich sei verändert, ob ich mich verliebt hätte.

Am nächsten Morgen bat ich Friede, unsere Sekretärin im Büro, Briefe von Patrizia direkt an mich zu geben. Ich hatte Patrizia gebeten, nicht an meine Hausadresse zu schreiben. Friede schaute mich verständnisvoll an. Ich hatte ihr vor einiger Zeit schon erzählt, dass meine Ehe sich auflöste. Sie fand es schade, weil sie meine Frau und meine Kinder kannte und mochte, aber sie verstand mich.

Ich hatte an diesem Morgen in Wetzlar zu tun, parkte mein Auto am Arbeitsamt und lief die paar Schritte zur Hauptpost. Ich ging in eine der Telefonzellen und rief sie an. Sie schien auf meinen Anruf gewartet zu haben, sie war sofort am Telefon. Ihre Stimme verlor über die Leitung nichts von ihrer Faszination. Sie fragte mich sofort, ob ich meiner Frau von uns erzählt hätte.

Als ich bejahte, sagte sie: „Das ist gut.“

Die folgende Pause irritierte mich. Ich fragte zögernd: „… und du?“

Pause.

Dann: „Es hat sich keine Gelegenheit ergeben.“

Ich sagte ihr noch, wie schön es mit ihr war und dass ich mich noch heute um das Hotelzimmer für das Wochenende kümmern würde.

„Ja, mach’ das.“ Sie schien seltsam desinteressiert.

Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, fühlte ich eine verzweifelte Leere in mir. Ich lief einfach los und fand mich irgendwo in der Innenstadt wieder. Mir fehlten einige Minuten, ich fand mich nicht zurecht. Wo hatte ich mein Auto abgestellt? Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Unordnung in meinem Kopf gelegt hatte. Ich kaufte mir in dem Stehcafé am Anfang der Langgasse einen Kaffee und versuchte mich zu sortieren.

Eigentlich hatte sich nichts verändert. Da war das geplante Treffen am nächsten Wochenende; die Aussicht, sie eine ganze Nacht in den Armen zu halten, neben ihr einzuschlafen und aufzuwachen; die Hoffnung, mit ihr einen neuen Anfang zu machen.

Ihre und meine Kinder beschäftigten mich überhaupt nicht. Ich hatte sie völlig ausgeblendet und damit ein mögliches Problem übersehen.

Nach der zweiten Zigarette und einem zweiten Kaffee war ich so weit wieder hergerichtet, dass ich zu meinem Auto gehen konnte. Ich schwebte wieder auf der Wolke, die in der Woche zuvor aufgetaucht war, fing an mich zu freuen, Glück zu empfinden.

Im Büro hängte ich mich sofort ans Telefon und hatte innerhalb einer Viertelstunde mit Hilfe der Gelben Seiten ein Zimmer in einer Pension an einem Stausee in Westfalen gefunden und gebucht. Ich rief Patrizia gleich an und berichtete. Sie sagte, dass sie möglicherweise Argumentationsschwierigkeiten ihrem Mann gegenüber habe, aber sie werde sich schon etwas ausdenken. Sie beruhigte mich damit.

Der restliche Tag erschien mir kurz. Auch die sich allabendlich wiederholenden Auseinandersetzungen mit meiner Frau über die üblichen vermeintlichen Missstände – mein geringer Beitrag zur häuslichen Reinlichkeit, meine langen abendlichen Fernsehorgien, meine mangelnde Beschäftigung mit den Kindern – perlten an mir ab. Ich setzte mich ins Wohnzimmer, nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht hatte, öffnete eine Flasche Rotwein und hing meinen Gedanken nach. Ich war dabei, mich zu verabschieden. Schon seit einigen Wochen schlief ich nicht mehr im gemeinsamen Schlafzimmer. Wir hatten extra für mich eine Schlafcouch für das Wohnzimmer gekauft. Dadurch waren wir der Peinlichkeit entkommen, uns beim Masturbieren zu ertappen. Wir schliefen nicht mehr miteinander, weil unsere letzten Kopulationsversuche regelrechte Schlachten gewesen waren. Sie hatte mir einmal gesagt, dass mein Penis für sie zu groß sei und dass es ihr keinen Spaß mache. Es war dann nur noch ein Abladen von Samen. Irgendwann hatten wir damit aufgehört.

Sie begann nach langem Anlauf eine Affäre mit einem Sozialarbeiter, der offenbar auf unausgelastete Frauen spezialisiert war. Pikanterweise hatte ich ihn während eines Bildungsurlaubs kennen gelernt und sie beide miteinander bekannt gemacht. Ich hatte kein Problem damit. Allerdings war er in mancher Hinsicht peinlich – ein Schwadroneur von Gottes Gnaden, und er trug ein Goldkettchen ohne Anhänger um den Hals. Seine Frau ahnte von allem nichts. Sie wurde später von einer wichtigtuerischen Freundin aufgeklärt. Verbissen wie sie war, veranstaltete sie eine Art Tribunal in unserem Haus – ich war nicht da – wobei der gute Knut ziemlich viel einstecken musste. Er soll danach nie wieder fremdgegangen sein. Glaube ich aber nicht.

Der nächste Tag war beschwingt, ich verließ früh das Haus, verbrachte einen schönen Vormittag mit Besuchen bei den Sprachkursen, die ich betreute. Der übernächste Tag brachte den Schlag in die Eingeweide.

Als ich ins Büro kam, lag auf meinem Schreibtisch ein Brief von Patrizia, den mir Friede hingelegt hatte. Mein Magen zog sich zusammen, ich erwartete keine gute Nachricht. Der Inhalt war schlimmer als ich befürchtet hatte.

Wir werden uns am Wochenende nicht treffen können, mir bricht hier alles zusammen schrieb sie.

Ich weiß nicht mehr, was sie noch alles schrieb. Am schlimmsten war, dass ich sie nicht mehr anrufen sollte.

Ich rief sie sofort an und fragte, was das sollte. Sie schien zerknirscht, sagte mir, es täte ihr leid. Sie habe eine Aussprache mit ihrem Mann gehabt, und sie hätten beschlossen, noch einmal neu anzufangen.

Ich sagte das Hotelzimmer ab. Die Dame in der Pension war sehr biestig, wollte einen Teil der entgangenen Zimmermiete haben, aber es gelang mir, sie mit einer schnell erfundenen rührseligen Geschichte milde zu stimmen.