Die ersten Menschen auf dem Mond: Vollständige Ausgabe

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Und ich war darin!

Ich wählte sofort meinen Weg. Ich wußte, ich setzte alles aufs Spiel, aber ich tat den Sprung alsbald.

»Wir sind einfach bei dem größten Ding, das je erfunden worden ist,« sagte ich und legte den Akzent auf das »Wir«. »Wenn Sie mich da heraushalten wollen, werden Sie's mit 'ner Kanone tun müssen. Morgen komme ich herunter, um Ihr vierter Arbeiter zu werden.«

Er schien von meinem Enthusiasmus überrascht, aber keine Spur argwöhnisch oder feindlich. Vielmehr würdigte er sich selbst herab.

Er blickte mich zweifelhaft an. »Aber meinen Sie wirklich –?« sagte er. »Und Ihr Drama! Was wird aus dem Drama?«

»Das ist verschwunden!« rief ich. »Mein lieber Herr, sehen Sie nicht, was Sie da haben? Sehen Sie nicht, was Sie im Begriff sind, zu machen?«

Das war nur eine rhetorische Wendung, aber er sah es positiv nicht. Erst konnte ich es nicht glauben. Er hatte nicht die Spur von einer Ahnung von einer Idee. Dieser erstaunliche kleine Mann hatte die ganze Zeit über auf bloß theoretischem Grunde gearbeitet! Als er sagte, es sei das » allerwichtigste« Experiment, das die Welt noch gesehen habe, hatte er nur gemeint, es berichtige so viele Theorien, erledige so vieles, was zweifelhaft sei; über die Anwendung des Stoffs, den er machen wollte, hatte er sich so wenig beunruhigt, wie wenn er eine Maschine gewesen wäre, die Kanonen macht. Dies war ein möglicher Stoff, und er wollte ihn machen! V'la tout, wie der Franzose sagt.

Über das hinaus war er kindisch! Wenn er ihn machte, würde der Stoff als Cavorit oder Cavorin auf die Nachwelt kommen, ihn würde man zur Akademie berufen, sein Porträt würde als das eines wissenschaftlichen Mannes von Verdienst mit der »Natur« verteilt werden, und derlei Dinge mehr. Und das war alles, was er sah! Er hätte diese Bombe in die Welt geworfen, als hätte er eine neue Mückenart entdeckt, wenn nicht der Zufall gewollt hätte, daß ich dazu gekommen war. Und da hätte sie gelegen und gepufft wie noch ein paar andere kleine Dinge, die diese Wissenschafter angezündet und um uns geworfen haben.

Als mir das klar wurde, war ich derjenige, der das Reden besorgte, und Cavor sagte: »Nur weiter!« Ich sprang auf. Ich schritt durchs Zimmer und gestikulierte wie ein Junge von zwanzig. Ich versuchte, ihm seine Pflichten und Verantwortlichkeiten in der Sache verständlich zu machen – unsere Pflichten und Verantwortlichkeiten in der Sache. Ich versicherte ihm, wir könnten Geld genug machen, um jede Art sozialer Revolution durchzuführen, die wir wollten, wir könnten die ganze Welt besitzen und ordnen. Ich erzählte ihm von Gesellschaften und Patenten und den Gesetzen für geheime Prozesse. All diese Dinge schienen auf ihn zu wirken, wie seine Mathematik auf mich gewirkt hatte. In sein rotes kleines Gesicht kam ein Blick der Verwirrung. Er stotterte einiges über Gleichgiltigkeit gegen Reichtum, aber ich jagte all das beiseite. Er hatte reich zu werden und sein Stottern nützte zu nichts. Ich gab ihm zu verstehen, was für eine Art Mensch ich war, und daß ich sehr beträchtliche Geschäftserfahrungen hatte. Ich sagte ihm nicht, daß ich zur Zeit in einem noch ungeregelten Bankerott stak, denn das war nur vorübergehend, aber ich glaube, ich versöhnte meine offenbar wirkende Kraft mit meinen finanziellen Ansprüchen. Und ganz unmerklich, wie eben solche Pläne wachsen, wuchs zwischen uns das Einverständnis über ein Cavorit-Monopol empor. Er sollte den Stoff machen, und ich sollte den Lärm dazu machen.

Ich hing mich wie ein Blutegel an das »wir« – »Sie« und »ich« existierte für mich nicht.

Seine Idee war, der Gewinst, von dem ich sprach, könne dazu dienen, die Forschung zu fördern, aber das war natürlich eine Sache, die wir später zu erledigen hatten. »Schon gut,« rief ich, »schon gut.« Der Hauptpunkt war, wie ich beharrte, das Zeug wirklich zu machen.

»Hier haben wir einen Stoff,« rief ich, »ohne den zu sein kein Haus, keine Wirtschaft, keine Festung, kein Schiff wagen kann – allgemeiner anwendbar noch als eine Patentmedizin! Keine einzige Seite, nicht eine von seinen zehntausend möglichen Anwendungen, die uns nicht reicher machen wird, Cavor, als sich nur die Habsucht träumen lassen kann.«

»Nein,« sagte er. »Ich fange an, es einzusehen. Es ist merkwürdig, wie man zu neuen Gesichtspunkten kommt, wenn man die Dinge durchspricht!«

»Und der Zufall wollte, daß Sie gerade mit dem richtigen Mann gesprochen haben!«

»Ich glaube«, sagte er, »niemand ist ungeheurem Reichtum absolut abgeneigt. Natürlich bleibt ein – –«

Er hielt inne. Ich stand still.

»Es ist gerade noch möglich, wissen Sie, daß wir es schließlich doch nicht machen können! Es kann eins von den Dingen sein, die eine theoretische Möglichkeit aber eine praktische Absurdität sind. Oder wenn wir es machen, kann noch irgendein kleiner Haken dabei sein – –«

»Den Haken wollen wir unterkriegen, wenn er kommt,« sagte ich.

2
Wie das Cavorit zum ersten Male gemacht wurde

Aber Cavors Befürchtungen waren grundlos, soweit die tatsächliche Fabrikation in Frage kam. Am 14. Oktober 1899 wurde dieser unglaubliche Stoff hergestellt!

Sonderbar genug wurde er zuletzt durch einen Zufall fertig, als Mr. Cavor es am wenigsten erwartete. Er hatte eine Anzahl Metalle und gewisse andere Dinge miteinander verschmolzen – ich wollte jetzt, ich wüßte die Einzelheiten! – und er beabsichtigte, die Mischung eine Woche in Ruhe zu lassen und sie dann langsam abzukühlen. Wenn er nicht falsch gerechnet hatte, mußte die letzte Entwicklungsstufe in der Kombination erfolgen, wenn das Zeug auf eine Temperatur von 60° Fahrenheit gesunken war. Aber es traf sich, daß ohne Cavors Wissen ein Streit über die Unterhaltung des Feuers im Schmelzofen ausgebrochen war. Gibbs, der vorher dafür gesorgt hatte, hatte plötzlich versucht, es auf den Mann abzuwälzen, der Gärtner gewesen war, und zwar mit der Begründung, Kohle werde gegraben und sei Erde, könne also unmöglich in den Bereich eines Schreiners fallen; der Mann, der Akkordgärtner gewesen war, machte dagegen geltend, Kohle sei ein metallischer oder erzartiger Stoff, ganz abgesehen davon, daß er Koch sei. Aber Spargus bestand darauf, daß Gibbs das Feuern besorgte, zumal er ein Schreiner sei, und Kohle bekanntermaßen fossiles Holz ist. Infolgedessen hörte Gibbs auf, den Schmelzofen nachzufüllen, und niemand tat es, und Cavor war zu sehr in gewissen interessanten Problemen inbetreff einer Cavorit-Flugmaschine versunken (wobei er den Luftwiderstand und ein oder zwei andere Punkte vernachlässigte) um zu merken, daß irgend etwas verkehrt ging. Und die vorzeitige Geburt seiner Erfindung trat ein, als er gerade über das Feld in mein Haus kam, um beim Tee unser Nachmittagsgespräch zu halten.

Ich erinnere mich des Vorfalls mit äußerster Lebhaftigkeit. Das Wasser kochte und alles war vorbereitet, und das Geräusch seines »Susuhh« hatte mich auf die Veranda hinausgerufen. Seine bewegliche kleine Gestalt stand schwarz gegen den herbstlichen Sonnenuntergang, und rechts erhoben sich die Schornsteine seines Hauses eben über eine glorreich getönte Baumgruppe. Ferner erhoben sich blaß und blau die Wealden Hills, während sich nach links hin geräumig und heiter die neblige Marsch erstreckte. Und dann – –!

Die Schornsteine ruckten zum Himmel empor, im Flug zu einer Reihe Ziegel zerspritzend, und das Dach und ein Gemisch von Möbeln folgte. Dann holte sie eine riesenhafte weiße Flamme ein. Die Bäume um das Gebäude schwankten und wirbelten und rissen in Stücke, die auf die Flackerglut lossprangen. Meine Ohren schlug ein Donnerschlag, von dem ich auf einer Seite fürs Leben taub geblieben bin, und überall um mich zersprangen die Fenster unbeachtet.

Ich machte von der Veranda drei Schritte auf Cavors Haus zu, und als ich das tat, kam der Wind.

Im Nu flatterte mir mein Rockschoß über dem Kopf, und ich rannte in großen Sätzen und Sprüngen und ganz gegen meinen Willen auf ihn zu. Im selben Moment wurde der Entdecker erfaßt, herumgewirbelt, und er flog durch die schreiende Luft. Ich sah einen meiner Schornsteine sechs Schritt von mir zu Boden schlagen, einige zwanzig Fuß springen und so in großen Sätzen auf den Brennpunkt des Aufruhrs zueilen. Cavor flog, mit Füßen und Armen schlagend, wieder herab, rollte eine Strecke weit am Boden hin, arbeitete sich in die Höhe, wurde aufgehoben und mit enormer Geschwindigkeit vorwärts getragen, bis er schließlich zwischen den ringenden, peitschenden Bäumen verschwand, die sich um sein Haus wanden.

Eine Masse von Rauch und Aschen und ein Block bläulich leuchtenden Stoffes stürmte zum Zenith empor. Ein großes Zaunfragment kam an mir vorbeigesegelt, fiel auf die Kante, schlug zu Boden und kam flach zu liegen, und damit war das Schlimmste vorbei. Die Luftbewegung legte sich rasch, bis sie nur noch ein kräftiger Sturm war, und mir kam noch einmal wieder zum Bewußtsein, daß ich Atem und Füße hatte. Indem ich mich gegen den Wind zurücklehnte, gelang es mir, stehen zu bleiben, und ich konnte zusammensuchen, was mir noch an Verstand blieb.

In dem Moment hatte sich das ganze Angesicht der Erde verändert. Der ruhige Sonnenuntergang war verschwunden, der Himmel war dunkel vor fegenden Wolken, alles war flachgelegt und schwankte mit dem Sturm. Ich warf einen Blick zurück, um zu sehen, ob mein Haus im großen und ganzen noch stehe, und stolperte dann auf die Bäume zu, unter denen Cavor verschwunden war, und durch deren große, blätternackte Äste die Flammen seines brennenden Hauses leuchteten.

Ich betrat das Gebüsch, indem ich von einem Baum zum andern flog und mich an sie anklammerte; eine Zeitlang suchte ich ihn vergebens. Dann merkte ich, daß sich mitten in einem Haufen zerknitterter Äste und Zaunwerks, der sich gegen einen Teil seiner Gartenmauer aufgebaut hatte, etwas rührte. Ich suchte dahinzulaufen; aber ehe ich es erreichte, löste sich ein brauner Gegenstand davon los, erhob sich auf zwei schlammbeschmutzten Beinen und hielt zwei hängende, blutende Hände vor sich hin. Von seinem mittleren Teil flatterten ein paar zerfetzte Kleiderreste aus, die vor dem Winde schweben blieben.

 

Einen Moment lang erkannte ich diesen Erdklumpen nicht, und dann sah ich, daß es Cavor war, überzogen von dem Schlamm, in den er gerollt war. Er lehnte sich gegen den Wind vornüber und rieb sich den Schmutz aus Augen und Mund.

Er streckte eine schlammige Handmasse aus und stolperte auf mich zu. Sein Gesicht arbeitete vor Erregung, und fortwährend fielen kleine Erdklumpen davon herab. Er sah so beschädigt und erbärmlich aus wie nur irgendein lebendes Geschöpf, das ich je gesehen hatte, und daher verblüffte mich seine Bemerkung außerordentlich: »Gratulieren Sie mir,« keuchte er, »gratulieren Sie mir!«

»Ihnen gratulieren?« sagte ich. »Gütiger Himmel! Wozu:«

»Ich hab's fertig gebracht.«

» Wahrhaftig. Was zum Teufel hat die Explosion veranlaßt?«

Ein Windstoß blies seine Worte fort. Ich verstand soviel, daß er sagte, es sei gar keine Explosion. Der Wind wirbelte mich in eine Kollision mit ihm, und wir standen und klammerten uns aneinander.

»Versuchen Sie, zu meinem Hause zurückzukommen,« brüllte ich ihm ins Ohr. Er hörte mich nicht und rief etwas wie »drei Märtyrer-Wissenschaft«, und auch etwas wie »nicht viel wert«. Zu der Zeit quälte er sich unter dem Eindruck, seine drei Gehilfen seien in dem Wirbelwind umgekommen. Zum Glück war das nicht richtig. Sowie er sich nach meinem Hause auf dem Weg gemacht hatte, waren sie zum Wirtshaus in Lympne gegangen, um die Frage der Schmelzöfen über einer kleinen Erfrischung zu erörtern.

Ich wiederholte meinen Vorschlag, zu meinem Hause zurückzukehren, und diesmal verstand er. Wir hingen uns Arm in Arm und erreichten schließlich den Schutz dessen, was mir noch von meinem Dache geblieben war. Eine Zeitlang saßen wir in Lehnstühlen und keuchten. Alle Fenster waren zerbrochen, und die leichteren Einrichtungsgegenstände waren in großer Unordnung, aber kein unwiderruflicher Schaden war angerichtet. Zum Glück hatte die Küchentür den Druck darauf ausgehalten, so daß alle meine Tonwaren und Kochmaterialien am Leben geblieben waren. Der Ölofen brannte noch, und ich setzte das Wasser für den Tee von neuem zum Kochen auf. Und als das geschehen war, konnte ich mich um seine Erklärung an Cavor wenden.

»Ganz in Ordnung,« beharrte er, »ganz in Ordnung. Ich hab's fertig gebracht, und alles stimmt.«

»Aber,« protestierte ich. »In Ordnung! Keine Scheune kann mehr stehen, kein Zaun, kein Strohdach, nicht im Umkreis von zwanzig Meilen ...«

»Es stimmt alles – wahrhaftig. Natürlich habe ich den kleinen Aufruhr nicht vorausgesehen. Mein Geist war mit einem andern Problem beschäftigt, und ich vergesse diese praktischen Seitenergebnisse leicht. Aber es ist ganz in Ordnung – –«

»Mein lieber Herr,« rief ich, »sehen Sie denn nicht, daß Sie für Tausende von Pfund Schaden angerichtet haben?«

»O, da werf ich mich auf Ihre Verschwiegenheit. Ich bin natürlich kein praktischer Mensch, aber meinen Sie nicht, daß man es als einen Wirbelsturm ansehen wird?«

»Aber die Explosion – –«

»Es war keine Explosion. Es ist ganz einfach. Nur, wie gesagt, ich übersehe diese Kleinigkeiten leicht. Es ist diese Susuhh-Geschichte in größerem Maßstabe. Unbedachterweise habe ich diesen meinen Stoff, dies Cavorit, in einer dünnen, weiten Schicht ...«

Er unterbrach sich. »Es ist Ihnen ganz klar, daß der Stoff gegen die Gravitation undurchlässig ist, daß er die Dinge von gegenseitiger Gravitation abschneidet?«

»Ja,« sagte ich. »Ja.«

»Nun, sowie er die Temperatur von 60° Fahrenheit erreicht hatte und der Prozeß seiner Herstellung vollendet war, hatte die Luft darüber, hatten die Teile von Dach und Decke und Boden darüber kein Gewicht mehr. Ich glaube, Sie wissen – das weiß heute jeder – daß die Luft als ein gewöhnlicher Körper Gewicht hat, daß sie auf alles an der Oberfläche der Erde drückt, daß sie in allen Richtungen drückt, und zwar mit einem Druck von vierzehn und einem halben Pfund auf den Quadratzoll?«

»Das weiß ich,« sagte ich. »Nur weiter.«

»Ich weiß das auch,« bemerkte er. »Nur zeigt dies, wie nutzlos das Wissen ist, wenn man es nicht anwendet. Sie sehen, das hörte über unsern Cavorit auf, dort hörte die Luft auf, irgendwelchen Druck auszuüben, und die Luft darum und nicht über dem Cavorit übte auf diese plötzlich gewichtlose Luft einen Druck von vierzehn einem halben Fuß auf den Quadratzoll aus. Ah! Sie beginnen zu begreifen! Die Luft um das Cavorit drängte auf die Luft darüber mit unwiderstehlicher Gewalt ein. Die Luft über dem Cavorit wurde heftig aufwärts getrieben, die Luft, die nachstürzte, um sie zu ersetzen, verlor alsbald ihr Gewicht, hörte auf, irgendwelchen Druck auszuüben, folgte nach, durchschlug die Decke, warf das Dach ab ...«

»Sie sehen,« sagte er, »sie bildete eine Art atmosphärischen Springbrunnens, eine Art Schornstein in der Atmosphäre. Und wenn das Cavorit nicht selber los gewesen und so in den Schornstein in die Höhe gesogen wäre, merken Sie, was da geschehen wäre?«

Ich überlegte. »Ich vermute,« sagte ich, »die Luft würde noch immer über diesem höllischen Stück Zeug hinauffegen.«

»Ganz recht,« sagte er. »Ein riesiger Springbrunnen – –«

»Der in den Raum speit! Gütiger Himmel! Ah, er hätte die ganze Atmosphäre der Erde fortgespritzt! Er hätte die Welt der Luft beraubt! Es wäre der Tod der ganzen Menschheit gewesen! Das kleine Stück Zeugs!«

»Nicht gerade in den Raum,« sagte Cavor, »aber ebenso schlimm – praktisch. Es hätte die Lust von der Welt geschnellt, wie man eine Banane schält, und es hätte sie Tausende von Meilen fortgeschleudert. Sie wäre natürlich zurückgefallen, aber auf eine erstickte Welt! Von unserem Standpunkte aus sehr wenig besser, als wenn sie nie zurückkäme.«

Ich machte weite Augen. Bis jetzt war ich noch zu verblüfft, um zu merken, wie all meine Erwartungen vernichtet waren. »Was denken Sie zu tun?« fragte ich.

»Zunächst, wenn ich mir eine Gartenschaufel borgen kann, will ich einiges von dieser Erde entfernen, in die ich gehüllt bin, und wenn ich mich dann ihrer häuslichen Vorrichtungen bedienen kann, will ich ein Bad nehmen. Darauf wollen wir uns mehr in Muße bereden. Es wird klug fein, glaube ich« – er legte mir eine lehmbedeckte Hand auf den Arm – »wenn von dieser Affäre außer uns niemand etwas erfährt. Ich weiß, ich habe großen Schaden angerichtet – vielleicht werden auf dem Lande hier und dort sogar Wohnhäuser zerstört sind. Aber andererseits kann ich für den Schaden, den ich angerichtet habe, unmöglich zahlen, und wenn die wirtliche Ursache von all dem veröffentlicht wird, wird es nur zu Groll und zur Hinderung meiner Arbeit führen. Man kann nicht alles voraussehn, wissen Sie, und ich kann keinen Augenblick zugeben, zu meinem Theoretisieren noch die Last praktischer Erfahrungen hinzuzufügen. Später, wenn Sie mit Ihrem praktischen Sinn Mitarbeiten, und das Cavorit vom Stapel gelassen ist – vom Stapel lasten ist das Wort dafür, oder nicht? – und wenn es alles erreicht hat, was Sie ihm prophezeien, dann können wir die Sache mit diesen Leuten in Ordnung bringen. Aber nicht jetzt – nicht jetzt. Wenn keine andere Erklärung geboten wird, werden die Leute bei dem gegenwärtigen ungenügenden Stande der meteorologischen Wissenschaft all dies einem Wirbelsturm zuschreiben; vielleicht wird sogar eine öffentliche Subskription veranstaltet, und da mein Haus eingestürzt und verbrannt ist, würde ich in dem Fall einen beträchtlichen Anteil der Entschädigung erhalten, was bei der Fortsetzung unserer Untersuchungen eine große Hilfe wäre. Aber wenn es bekannt wird, daß ich dies verursacht habe, wird keine öffentliche Subskription veranstaltet, und jedermann wird ärgerlich sein. Praktisch würde ich nie wieder Aussicht haben, in Frieden arbeiten zu können. Meine drei Gehilfen können umgekommen sein oder auch nicht. Das ist eine Einzelheit. Wenn, so ist es kein großer Verlust; sie waren mehr eifrig als fähig, und dieser vorzeitige Ausgang muß zum großen Teil die Folge ihrer gemeinsamen Vernachlässigung des Schmelzofens sein. Wenn sie nicht umgekommen sind, so zweifle ich, ob sie den Verstand haben, die Sache zu erklären. Sie werden die Wirbelsturmgeschichte annehmen. Und wenn ich während der zeitweiligen Untauglichkeit meines Hauses in einem der unbenutzten Zimmer dieses Ihres Hauses wohnen darf – –«

Er hielt inne und sah mich an.

Ein Mann von solchen Möglichkeiten, überlegte ich, ist kein gewöhnlicher Gast.

»Vielleicht,« sagte ich und erhob mich auf die Füße, »sähen wir uns besser nach einer Schaufel um,« und ich führte ihn zu den zertrümmerten Spuren des Gewächshauses.

Und während er sein Bad nahm, bedachte ich die ganze Frage allein. Es war klar, Mr. Cavors Gesellschaft hatte Schattenseiten, die ich nicht vorausgesehen hatte. Die Geistesabwesenheit, die um Haaresbreite den Erdball entvölkert hätte, konnte jeden Augenblick eine andere ernste Unannehmlichkeit zur Folge haben. Andererseits war ich jung, meine Angelegenheiten waren in Wirrwarr, und ich war gerade in der Stimmung für gedankenloses Abenteuern – mit der Aussicht auf etwas Gutes am Schluß. Ich hatte im Geist vollständig abgemacht, daß ich in dieser Seite der Sache mindestens mit der Hälfte beteiligt sein müßte. Zum Glück hatte ich mein Sommerhaus, wie ich schon gesagt habe, auf dreijährigen Kontrakt, ohne für Reparaturen auskommen zu brauchen; und meine Einrichtung war, so wie sie da war, eilig erstanden, unbezahlt, versichert und jeder Assoziationen völlig bar. Schließlich beschloß ich, mit ihm auszuhalten und das Ende der Sache abzuwarten.

Sicherlich hatte sich der Anblick der Dinge sehr geändert. Ich zweifelte durchaus nicht länger an den ungeheuren Möglichkeiten des Stoffes, aber ich begann über den Kanonenwagen und die Patentstiefel Zweifel zu hegen.

Wir machten uns sofort an die Arbeit, um sein Laboratorium wieder aufzubauen und mit unseren Experimenten fortzufahren. Cavor sprach mehr meinem Niveau entsprechend, als er je zuvor getan hatte, sobald es auf die Frage hinauslief, wie wir das Zeug das nächste Mal machen sollten.

»Natürlich müssen wir es wiedermachen,« sagte er mit einer Art des Schmerzes, die ich nicht an ihm erwartet hätte; »natürlich müssen wir es wiedermachen. Wir haben vielleicht den kürzeren gezogen, aber wir haben die Theorie ein für allemal hinter uns gelassen. Wenn wir es irgendwie vermeiden können, diesen unseren Planeten zu vernichten, wollen wir es tun. Aber – es muß ein Risiko geben! Es muß. Bei experimenteller Arbeit gibt es das immer. Und da müssen als praktischer Mann Sie eintreten. Mir meinerseits scheint, wir können es vielleicht senkrecht machen und sehr dünn. Aber ich weiß nicht. Ich habe eine dunkle Vorstellung von noch einer anderen Methode. Ich kann es bis jetzt kaum erklären. Aber sonderbarerweise fiel es mir, als ich vor dem Wind im Schmutz herumrollte und sehr im Zweifel war, wie das ganze Abenteuer enden sollte, als genau das ein, was ich hätte tun sollen.«

Selbst mit meiner Hilfe fanden wir einige kleine Schwierigkeiten, und unterdes blieben wir damit beschäftigt, das Laboratorium wiederherzustellen. Es gab eine Menge zu tun, ehe es absolut nötig wurde, sich über die genaue Form und Methode unseres zweiten Versuchs zu entscheiden. Die einzige Stockung für uns war der Streik der drei Arbeiter, die sich gegen meine Tätigkeit als Werkführer wehrten. Aber diese Sache legten wir nach einem Verzug von zwei Tagen bei.