Buch lesen: «Tristan und Isolde»

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Tristan und Isolde

Gottfried von Straßburg

Inhaltsverzeichnis

I. (Eingang)

II. Riwalin und Blanscheflur.

III. Rual li foitenant.

IV. Das Schachzabelspiel.

V. Die Jagd.

VI. Das höfische Kind.

VII. Wiederfinden.

VIII. Die Schwertleite.

IX. Vaterrache.

X. Morold.

XI. Tantris.

XII. Brautwerbung.

XIII. Der Drachenkampf.

XIV. Der Splitter.

XV. Gewonnen Spiel.

XVI. Der Minnetrank.

XVII. Die Arznei.

XVIII. Brangäne.

XIX. Rotte und Harfe.

XX. Mariodo.

XXI. Die Bittfahrt.

XXII. Melot der Zwerg.

XXIII. Der Ölbaum.

XXIV. Das Gottesgericht.

XXV. Petitcriu.

XXVI. Verbannung.

XXVII. Die Minnegrotte.

XXVIII. Täuschung.

XXIX. Enttäuschung.

XXX. Isolde Weißhand.

Schlußwort.

Übersetzung von Hermann Kurz

Gottfried.

Riwalin und Blancheflur.

Rual li Foitenant.

Tristan das Kind.

Das Schachzabelspiel.

Die Jagd.

Tristans Weltglück.

Die Erkennung.

Tristans Schwertleite.

Heimfahrt und Rache.

Der Irenzins.

Tristan Tantris.

Die Brautfahrt.

Der Drachenkampf.

Der Splitter.

Der Rechte.

Der Minnetrank.

Der Minne Recht.

Der Minne Schuld.

Rotte und Harfe.

Verrathenes Spiel.

Trug wider Trug.

Melot der Zwerg.

Die Lauscher am Brunnen.

Das Gottesgericht.

Das Hündlein Peticriu.

Die Minnengrotte.

Frauenhut.

Scheiden und Meiden.

Isolde Weißhand.

Die Tristanssänger.

Hand und Herz.

Die Bilderhalle.

Kaedin.

Tristan und Isolde.

Rose und Rebe.

Libretto der Wagneroper

Personen.

Erster Aufzug.

Zweiter Aufzug.

Dritter Aufzug.

I.

Gedächte man nicht gütig sein,

Der Gutes rang der Welt zu leihn,

So könnt uns keine Freude leihn

Was Gutes in der Welt mag sein.

Der gute Mann, was der für gut

Und nur der Welt zu Gute thut,

Wer das ihm anders als für gut

Verstehen will, der missethut.

Ich hör es schmähen oft und viel

Wes man doch nicht entrathen will;

Da ist an Kleinem schon zu viel,

Da will man was man doch nicht will.

Es lob ein Mann, das ziemt ihm wohl,

Wes doch auch Er bedürfen soll;

Er laß es sich gefallen wohl,

Weil es ihm doch gefallen soll.

Theur und werth ist mir der Mann,

Der Gut und Übel scheiden kann,

Der mich und einen jeden Mann

Nach seinem Werth erkennen kann.

Ehr und Gunst laßt finden Kunst,

Da Kunst geschaffen ist der Gunst.

Wo Kunst geblümet wird mit Gunst,

Da blühet alle gute Kunst.

Recht wie ein Ding zu Grunde geht,

Das ohne Lob und Ehre steht,

So blühet was in Ehren steht

Und seines Lobs nicht irre geht.

Ich weiß wohl, Mancher ist gewohnt,

Daß er das Gute übel lohnt

Und Übles wieder gut belohnt:

Der ist an übeln Lohn gewohnt.

Cunst und einsichtsvoller Sinn

Bringt Eins dem Andern nur Gewinn;

Kommt Neid dazu um Brotgewinn,

So muß erlöschen Kunst und Sinn.

Hei, Tugend, schmal sind deine Stege,

Gar kümmerlich all deine Wege.

Doch deine Wege, deine Stege

Wohl ihm, der sie da geh und stege!

Trieb ich die Zeit vergebens hin,

So zeitig ich zu leben bin,

So führ ich in der Welt dahin,

Der Welt so werth nicht als ich bin.

Ich hab ein neues Thun mir jetzt

Der Welt zu Liebe vorgesetzt

Und edeln Herzen zum Genuß,

Den Herzen, die ich lieben muß,

Der Welt, die meinem Sinn gefällt:

Nicht mein' ich aller Andern Welt,

Die Welt, von der ich höre sagen,

Daß sie kein Mühsal möge tragen

Und nur in Freuden wolle schweben;

Die laß auch Gott in Freuden leben!

Der Welt und solchem Leben

Scheint mein Gedicht uneben.

Solch Leben ist nicht meine Welt,

Eine andre Welt mir wohlgefällt:

Die zusammen hegt in Einer Brust

Das süße Leid, die bittre Lust,

Das Herzensglück, die bange Noth,

Das selge Leben, leiden Tod,

Den leiden Tod, das selge Leben.

Dem Leben hab ich meins ergeben,

Der Welt will ich ein Weltkind sein,

Mit ihr verderben und gedeihn.

Bei ihr bin ich bisher geblieben,

Mit ihr hab ich die Zeit vertrieben,

Die mir in vielbedrängtem Leben

Geleit und Lehre sollte geben.

Der hab ich Thun und Thätigkeit

Zu ihrem Zeitvertreib geweiht,

Daß sie durch meine Märe,

Welch Leid sie auch beschwere,

Zu halber Lindrung bringe,

Ihre Noth damit bezwinge;

Denn hat man des zuweilen Acht,

Was uns die Weile kürzer macht,

Das entbürdet bürdeschweren Muth,

Das ist für Herzenssorgen gut.

Es zweifelt Niemand daran:

Wenn der müßige Mann

Mit Liebesschaden ist beladen,

So mehrt die Muße Liebesschaden;

Bei Liebesleiden Müßigkeit,

So wächst nur noch der Liebe Leid.

Drum rath ich, trägt wer Schmerzen

Und Liebesleid im Herzen,

So widm er sich mit Kräften

Zerstreuenden Geschäften,

Damit das Herz in Muße ruht:

Das ist dem Herzen herzlich gut.

Doch ist es nimmer wohlgethan,

Wenn ein liebesiecher Mann

Sich solchen Zeitvertreib erkührt,

Der reiner Liebe nicht gebührt:

Mit edeln Liebeskunden

Versüß er seine Stunden,

Die mag ein Minner minnen

Mit Herzen und mit Sinnen.

Noch hört man Eine Rede viel,

Die ich nicht ganz verwerfen will:

Je mehr ein Herz, das Liebe plage,

Sich mit Liebesmären trage,

Je mehr gefährd es seine Ruh.

Der Rede stimmt' ich gerne zu,

Wär Eins nicht, das mir Zweifel regt:

Wer innigliche Liebe hegt,

Daß er im Herzen Schmerzen spürt,

Der bleibt von Schmerz nicht unberührt.

Der innigliche Liebesmuth,

Je mehr in seines Triebes Glut

Der brennt und liebend lodert,

Je mehr er Liebe fodert.

Dieß Leiden ist so voll der Lust,

Dieß Uebel thut so wohl der Brust,

Daß es kein edles Herz entbehrt,

Weil dieß erst Muth und Herz gewährt.

Mir ist gewisser nicht der Tod,

Nicht sicherer die letzte Noth,

Fühlt Einer Liebeswunden,

So liebt er Liebeskunden.

Wer solcher Mären trägt Begier,

Der hat nicht weiter als zu mir.

Ich weiß ihm wohl ein Märchen,

Ein edles Liebespärchen,

Das reiner Lieb ergab den Sinn:

Ein Minner, eine Minnerin,

Ein Mann ein Weib, ein Weib ein Mann,

Tristan Isold, Isold Tristan.

Ich weiß wohl, Mancher ist gewesen,

Der schon von Tristan hat gelesen.

Und doch, nicht Mancher ist gewesen,

Der recht noch hat von ihm gelesen.

Tret ich nun aber hin sofort

Und sprech ein scharfes Richterwort,

Als wolle mir ihr Aller Sagen

Von dieser Märe recht behagen,

So thu ich anders als ich soll;

Ich thu es nicht: sie sprachen wohl

Und nur aus edelm Muthe,

Mir und der Welt zu Gute.

Bei meiner Treu, sie meintens gut,

Und was der Mann in Güte thut,

Das ist auch gut und wohlgethan.

Und stellt ich doch das Wort voran,

Als hätten sie nicht recht gelesen,

Damit ists so bewandt gewesen:

Sie sprachen in der Weise nicht

Wie Thomas von Britannien spricht,

Der sich auf Mären wohl verstand

Und in britannschen Büchern fand

All dieser Landesherren Leben,

Davon er Kund uns hat gegeben.

Was der von Tristans Lebensfahrt

Uns Zuverläßges hat bewahrt,

Das war ich lang beflißen

Aus Büchern zu wißen,

Lateinischen und wälschen,

Damit ich ohne Fälschen

Nach seinem Berichte

Berichte die Geschichte.

So sucht' ich denn und suchte lang

Bis mir des Buches Fund gelang,

Darin all seine Meldung stand,

Wie es um Tristan war bewandt.

Was ich nun so gefunden

Von diesen Liebeskunden,

Leg ich nach freier Wahl und Kür

Allen edeln Herzen für,

Daß sie durch Zeitvertreib genesen:

Es ist sehr gut für sie zu lesen.

Gut? Ja ohne Zweifel gut:

Es süßt die Liebe, höht den Muth,

Befestigt Treu, verschönt das Leben,

Es kann dem Leben Werth wohl geben;

Denn wo man höret oder liest,

Daß reiner Treu ein Paar genießt,

Das weckt in treuen Mannes Brust

Zu Treu und aller Tugend Lust.

Liebe, Treue, stäter Muth,

Ehr und noch manches hohe Gut

Gehn dem Herzen nie so nah,

Gefallen nie ihm so wie da,

Wo man von Herzensliebe sagt

Und Herzeleid um Liebe klagt.

Lieb ist so reich an Seligkeit,

So selig macht ihr Glück, ihr Leid,

Daß ohne ihre Lehre

Niemand Tugend hat noch Ehre.

So viel die Liebe Gutes frommt,

So manche Tugend von ihr kommt,

Weh, daß doch Alles was da lebt

Nicht nach Herzensliebe strebt;

Daß ich so Wenige noch fand,

Die im Herzen lautern Brand

Um Herzensfreunde wollen tragen

Und einzig um das Bischen Klagen,

Das dabei zu mancher Stund

Verborgen liegt im Herzensgrund!

Wie litte nicht ein edler Sinn

Ein Übel für so viel Gewinn,

Ein Ungemach um so viel Lust?

Wer nie von Liebesleid gewust,

Wust auch von Liebesfreude nie.

Freud und Leid, stäts waren die

Bei Minne nicht zu scheiden.

Man muß mit diesen beiden

Ehr und Lob erwerben,

Oder ohne sie verderben.

Die, welchen ich dieß Buch geweiht,

Hätten Die um Liebe Leid,

Um Herzenswonne sehnlich Klagen

Vereint im Herzen nicht getragen,

So würd ihr Nam und dieß Gedicht

So manchem edeln Herzen nicht

Zu Trost und Freude frommen.

Noch heut wird gern vernommen,

Noch dünkt uns ewig süß und neu

Ihre minnigliche Treu,

Ihr Glück und Leid, ihre Wonn und Noth;

Und sind sie nun auch lange todt,

So lebt ihr süßer Name doch

Und soll ihr Tod den Leuten noch

Zu Gute lang und ewig leben,

Dem Treubegiergen Treue geben,

Den Ehrbegiergen Ehre.

Ihr frühes Sterben währe

Und leb uns Lebenden immer neu;

Denn wo man liest von ihrer Treu

Und ihrer reinen Stätigkeit,

Ihrem Herzensglück, ihrem Herzeleid,

Das ist der edeln Herzen Brot

Hiermit so lebt der Beiden Tod.

Man liest ihr Leben, ihren Tod

Und ist uns das so süß wie Brot.

Ihr Tod, ihr Leben ist uns Brot,

So lebt ihr Leben, lebt ihr Tod.

Sie leben noch, sind sie auch todt,

Und ist ihr Tod uns Lebensbrot.

Und wer nun will, daß man ihm sage

Ihr Leben, Sterben, Glück und Klage,

Der biete Herz und Ohren her,

So wird erfüllt all sein Begehr.

II. Riwalin und Blanscheflur.

Ein Herr, der in Parmenien saß,

Ein Kind an Jahren, wie ich las,

Der war, wie uns der Sage Mund

Giebt von seinem Leben kund,

Köngen gleich wohl an Geschlecht,

An Landen Fürsten wohl gerecht,

An Leibesschönheit ohne Gleich,

Getreu und kühn und mild und reich.

Wem er Freude sollte tragen,

Dem war er in seinen Tagen

Eine freudereiche Sonne.

Er war der Welt Wonne,

Der Schildesamtes Lehre,

Der Nahverwandten Ehre,

Seines Landes Zuversicht.

Ihm gebrach an aller Tugend nicht,

Die Herren haben sollen,

Hätt er nicht immer wollen

In seines Herzens Lusten schweben

Und nur nach Seinem Willen leben,

Was endlich auch sein Schade war;

Denn es ist und bleibt doch wahr,

Aufblühnde Jugend, reiches Gut,

Die zwei sind voller Übermuth.

Vertragen, was doch Mancher kann,

Der mehr besitzt als Er gewann,

Daran gedacht er selten:

Übel mit Übel gelten,

Kraft der Kraft entgegensetzen,

Daran hatt er sein Ergetzen.

Nun thut es nie die Länge gut,

So Einer Alles, was man thut,

Vergilt mit Kaiser Karls Gewicht.

Weiß Gott, es ist dem Manne Pflicht,

Andern Manches nachzusehn,

Soll ihm nicht Schaden oft geschehn.

Wer Schaden nicht vertragen kann,

Dem reiht sich Schad an Schaden an,

Es ist ein unheilvoller Brauch;

Fängt man doch so den Bären auch:

Der rächt den einzelnen Schaden,

Bis er mit Schaden wird beladen.

Das wars, warum es ihm misslang,

Denn er rächte sich so lang

Bis er dabei zu Schaden kam.

Daß er solchen Schaden nahm,

Geschah ihm keiner Bosheit wegen

Wie Andre sich zu schaden pflegen:

Der Schade kam ihm im Geleit

Seiner Unerfahrenheit,

Daß er in blühnder Jugend

Mit junger Herren Tugend

Verscherzte seines Glückes Huld;

Sein kindscher Leichtsinn trug die Schuld,

Der seine üppgen Ranken

Ihm trieb in den Gedanken.

Er war wie alle Kinder sind,

Denn für die Folgen sind sie blind.

Ihm stiegen Sorgen nie zu Sinn,

Er lebt' und lebte nur so hin:

Da seines Lebens Quelle sprang,

Sich wie der Morgenstern erschwang

Und lachend auf die Erde sah,

Da wähnt' er, was doch nicht geschah,

Daß er so immer sollte leben

Und in des Lebens Süße schweben.

Nein, seines Lebens Anbeginn

Schwand nach kurzem Leben hin;

Die junge Morgensonne

Seiner Weltwonne,

Da die zu leuchten kaum begann,

Da brach sein jäher Abend an,

Der erst ihm war verborgen,

Und löscht' ihm seinen Morgen.

Wie er benannt gewesen

Giebt uns das Buch zu lesen:

Die Sage sagt uns über ihn,

Mit Namen hieß er Riwalin,

Daneben noch Kanelengres.

Viele melden uns indess,

Daß er von Lohneis wär gewesen

Und zum König erlesen

Über Lohneis das Land.

Doch macht uns Thomas ja bekannt,

Der es in den Mären las,

Daß er zu Parmenie saß

Und zu Lehen trug sein Land

Von eines Britenfürsten Hand,

Dem er zu Dienst war unterthan:

Derselbe hieß li duc Morgan.

Da nun der edle Riwalin,

Seit Rittersstand ihm war verliehn,

Drei Jahr in Ehren zugebracht,

Und sich zu eigen längst gemacht

Alle Kunst der Ritterschaft,

Zu Kriegen volle Macht und Kraft –

Er hatte Leute, Land und Gut –

Ob ihn da Noth, ob Übermuth

Dazu vermochte, weiß ich nicht;

Doch griff er, wie die Sage spricht,

Morgan, seinen Lehnsherrn, an

Als einen schuldigen Mann.

Er kam geritten in sein Land

Mit so kraftvoller Hand,

Daß bald viel Burgen waren

Gefällt von seinen Scharen.

Die Städte musten sich ergeben,

Ihr Gut ihm lösen und ihr Leben,

So übel ihnen das gefiel,

Bis er an Gold und Gut so viel

In Feindeslanden aufgebracht,

Daß er seine Kriegesmacht

Gar sehr damit vermehrte,

Und wohin sein Heer sich kehrte

Mit Städten oder festen Plätzen

Verfuhr nach seinem Ergetzen.

Auch nahm er oftmals Schaden dran,

Er entgalts mit manchem biedern Mann,

Denn Morgan stellte sich zur Wehr:

Er bestand ihn oft mit seinem Heer

Und brach ihm ab von seiner Kraft.

Denn zu Kriegen und zu Ritterschaft

Gehört Verlust und Gewinn,

Hiemit so gehn die Kriege hin:

Verlieren und Gewinnen,

Sie schweben mitten innen.

Morgan vergalt ihm Alles wieder,

Er warf ihm Städt und Burgen nieder:

Seine Habe, seine Leute

Entführt' er oft als Beute

Und that ihm Abbruch wo es gieng;

Obwohl auch das nicht viel verfieng,

Denn wieder zwang ihn Riwalin

Mit Schaden sich zurückzuziehn,

Und trieb das mit ihm alsolang

Bis er ihn völliglich bezwang,

Daß er am Sieg verzagte

Und keinen Kampf mehr wagte

Als noch aus seinen Vesten,

Den stärksten und den besten.

Vor denen lag dann Riwalin

Und zog mit Obmacht wider ihn

Zu Stürmen und zu Streiten.

Er trieb ihn auch allzeiten

Siegreich wieder in das Thor.

Auch hielt er manchesmal davor

Turnei mit voller Ritterschaft.

So lag er stäts ihm ob mit Kraft

Und haust in seinem Lande

Mit Raub und mit Brande

Bis ihn um Frieden bat Morgan

Und mit aller Noth von ihm gewann,

Daß getagt ward und zuletzt

Ein jährger Friede festgesetzt.

Dem Frieden ward von Beiden

Mit Bürgen und mit Eiden

Volle Gültigkeit verliehn.

Froh und reich zog Riwalin

Mit den Seinen heim zu Land,

Belohnte sie aus milder Hand

Und belud sie all mit Gaben;

Ließ sie dann Urlaub haben

Und wohl nach seinen Ehren

Zu ihrer Heimat kehren.

Als es Kanelen so gelang,

Darnach so währt' es nicht mehr lang,

Bis er einer neuen Fahrt

Sich zu ergetzen schlüßig ward.

Er beschickte sich zur Reise

In so glänzender Weise

Wie der Ehrbegierge thut.

All das Geräth und all das Gut,

Dessen binnen Jahresfrist

Solch ein Herr benöthigt ist,

Das ward ihm in ein Schiff getragen.

Oftmals hatt er hören sagen,

Wie höfisch, reich an Ehre

Der junge König wäre,

Mark, vom Lande Cornewal;

Des Preis vernahm man überall.

Cornewal und Engelland,

Die dienten beide seiner Hand.

Durch Erbschaft war er Cornwals froh;

Um England aber stand es so:

Es war ihm zugewachsen,

Als die galischen Sachsen

Die Briten dort vertrieben

Und des Landes Herrn verblieben;

Daher es auch den Namen kor:

Es hieß Britannien zuvor;

Doch anders ward es jetzt genannt:

Nach den Galen Engelland.

Da Die das Land besaßen

Und unter sich vermaßen,

Da wollten Alle Königlein

Und ihre eignen Herren sein.

Das schlug zu Aller Schaden aus:

Mit Mord und blutigem Strauß

Brachten sie sich selbst zu Falle.

Zuletzt befahlen sie Alle

In Markes Schutz sich und das Land.

Der hielt es mit so starker Hand

Nun in seiner Macht beschloßen,

Kein König hat noch je genoßen

Ergebnern Dienst von seinem Reich.

Die Geschichte meldet uns zugleich,

Daß in aller Länder Kreiß,

So weit gedrungen war sein Preis,

Kein Fürst geehrter war denn Er.

Dahin war Riwalins Begehr:

Bei Marke wollt er bleiben,

Ein Jahr mit ihm vertreiben

Und üben seine junge Kraft,

Daß er lerne neue Ritterschaft

Und der feinern Sitte Brauch.

Sein edles Herze sagt' ihm auch:

Wer fremder Lande Sitten weiß,

Verbeßert so der eignen Preis

Und erwirbt sich Ruhm und Lob.

Das wars, warum er sich erhob.

Er befahl die Leute wie das Land

In seines Marschalles Hand,

Eines Herr in seinem Reich:

Weil er getreu war ohne Gleich

Hieß er Rual li foitenant.

So hob sich Riwalin zu Hand

Mit zwölf Gesellen über Meer:

Er brauchte zum Geleit nicht mehr;

Mit diesem Volk begnügt' er sich.

Da nun der Zeit so viel verstrich,

Daß er zum Lande Cornwal kam,

Und auf dem Meere schon vernahm,

Daß König Mark, der hehre,

Zu Tintajöle wäre,

Da wandt er seine Fahrt dahin.

Er stieß ans Land: da fand er ihn

Und ward von ganzem Herzen froh.

Sich und die Seinen schmückt' er so,

Daß er Lob erwarb bei Jedermann.

So zog er an den Hof heran.

Da kam mit fürstlichem Prangen

Der Fürst ihn zu empfangen

Und all die Seinen so wie ihn.

Man erwies da Riwalin

So viel Ehre beim Empfang,

Daß es ihm sein Leben lang

Zu keiner Zeit, an keinem Ort

So wohl geboten ward als dort.

Darüber flog ihm hoch der Muth,

Der Hofbrauch deucht ihn schön und gut.

Oft gedacht er auch bei sich:

»Fürwahr, der Himmel selbst hat mich

Zu diesem Volke hergebracht!

Mich hat das Glück gar wohl bedacht.

Was je zu Markes Ruhme mir

Noch ward gesagt, das find ich hier.

Gar höfisch lebt er und gut.«

Da sagt' er Marken seinen Muth,

Und warum er wär gekommen.

Als Marke nun vernommen

Hatte, was er suche hier,

»Willkommen«, sprach er, »Gott und mir!

Leib und Gut und was mein eigen

Soll sich zu euerm Willen neigen.«

Riwalin der war da voll

Des Hofs, der Hof war seiner voll.

Liebgewonnen ward er gleich

Und werthgeschätzt von Arm und Reich,

Daß nie ein Gast geliebter war.

Das verdient' er auch fürwahr:

Der tugendreiche Riwalin,

Der war und wies auch fernerhin

Sich mit Leib und Gute

In geselligem Muthe

Zu ihrer Aller Dienst bereit.

So lebt' er in der Würdigkeit

Und in der rechten Güte,

Die er in sein Gemüthe

Mit neuem Wachsthum täglich nahm,

Bis Markes Hofgelage kam.

Zu diesem Hoffest waren

Beschieden ganze Scharen

Durch Gebot und Bitte.

Auf seine Ladung, das war Sitte,

Kam die Ritterschaft zuhand

Aus dem Königreich zu Engelland

Jedes Jahr zu Einem Mal

Gefahren hin gen Cornewal.

Da sah man auch in ihrer Schar

Viel schöne Frauen süß und klar

Und manch andre Herrlichkeit.

Nun war des Hofgelages Zeit

Verkündet und gesprochen

In die blühnden vier Wochen,

Von des süßen Maien Anbeginn

Bis seine Wonne schwindet hin.

Bei Tintajöl wars auf dem Plan,

Wo die Gäste sich ersahn

In der wonnigsten Au,

Die jemals eines Auges Schau

Erlugt in ihrer Lieblichkeit.

Die sanfte süße Sommerzeit

Hatte die süße Schöpferhand

Mit süßem Fleiß auf sie gewandt.

Die kleinen Waldvögelein,

Die der Ohren Freude sollen sein,

Gras, Blumen, Laub und Blüthenpracht,

Und was die Augen selig macht

Und ein edles Herz erfreuen soll,

Des war die Sommeraue voll.

Man fand da, was man wollte,

Daß der Frühling bringen sollte:

Den Schatten bei der Sonnen,

Die Linde bei dem Bronnen;

Die sanften, linden Winde,

Die Markens Ingesinde

Scherzend entgegen fächelten;

Die lichten Blumen lächelten

Aus dem bethauten Grase.

Des Maien Freund, der grüne Wase,

Der hatt aus Blumen angethan

Ein Sommerkleid so wohlgethan,

Daß sie dem Gast aus Mienen

Und Augen wiederschienen.

Die süße Baumbluth sah den Mann

Mit so süßem Lächeln an,

Daß sich das Herz und all der Muth

Wieder an die lachende Bluth

Mit spielenden Augen machte

Und ihr entgegen lachte.

Das sanfte Vogelgetöne,

Das süße, das schöne,

Das Ohren und Muthe

So lieblich kommt zu Gute,

Scholl aus den Büschen überall.

Die selige Nachtigall,

Das liebe, süße Vögelein,

Das immer selig müße sein,

Das sang aus der Kühle

Mit solchem Hochgefühle,

Daß den edeln Herzen all

Gab Freud und hohen Muth der Schall.

Nun hatte die Gesellschaft sich

In hohen Freuden lustiglich

Gelagert auf den Anger hin;

Ein Jeglicher nach seinem Sinn.

Wie Jedes Laun und Lust bestellt,

Darnach beschafft' er sich ein Zelt:

Die Reichen lagen reichlich,

Die Höfschen unvergleichlich;

Die lagen unter Seide,

Die unterm Schmuck der Haide.

Vielen gab die Linde Schatten;

Andre sich gehüttet hatten

Mit laubgrünen Aesten.

Von Gesinde noch von Gästen

Ward so wonniglich wohl nie

Geherbergt, als sie lagen hie.

Die Hüll und Fülle war bereit

Wes man bedarf zur Lustbarkeit

An Gewand und guter Speise;

Ein Jeder hatte weise

In der Heimat sich bedacht.

Auch ließ mit königlicher Pracht

Sie König Mark versorgen:

Sie genoßen ohne Sorgen

Hier der schönen Frühlingszeit.

So begann die Lustbarkeit,

Und was der schaubegierge Mann

Nur zu schauen Lust gewann,

Das war zu schauen Alles da:

Man sah da was man gerne sah.

Die sahn nach schönen Frauen,

Die giengen Tanzen schauen,

Die sahen Buhurdieren,

Die andern Tiostieren:

Wozu das Herz Verlangen trug,

Das fand sich Alles da genug.

Denn Alle, die da waren

Von freudereifen Jahren,

Die flißen sich im Wechselstreit

Zu Freuden bei der Lustbarkeit.

Und König Mark, der gute,

Der höfsche, hochgemuthe,

Hätt er auch nicht alle Macht

Verwandt auf seines Festes Pracht,

So ließ er doch hier schauen

Ein Wunder aller Frauen,

Seine Schwester Blanscheflur,

Eine Magd, so schön, als nur

Ein Weib auf Erden ward gesehn.

Ihrer Schönheit muste man gestehn,

Sie sehe kein lebendger Mann

Mit inniglichen Augen an,

Der nicht darnach in seinem Sinne

Fraun und Tugend höher minne.

Die selge Augenweide,

Die machte auf der Haide

Fröhlich manches junge Blut,

Manch edles Herze hochgemuth.

Auch sah man auf der Auen

Noch viel so schöne Frauen,

Daß Jede nach der Schönheit Schein

Eine reiche Köngin mochte sein.

Es musten Alle, die sie sahn,

Frischen Muth davon empfahn:

Viel Herzen wurden freudenreich.

Hiemit begann der Buhurd gleich

Von Gesind und Gästen.

Die Kühnsten und die Besten,

Die ritten auf und ab die Bahn;

Der edle Marke stäts voran

Und sein Geselle Riwalin,

Und seiner Ritter viel um ihn,

Die all beflißen waren,

Im Spiel so zu gebahren,

Daß es ihm Ehre brächte

So oft man des gedächte.

Manch Ross im Ueberkleide

Von Tuch und halber Seide

Ersah man auf dem Flecke;

Manche schneeweiße Decke,

Oder gelb, roth, braun, grün oder blau;

Andre trugen sie zur Schau

Aus edler Seide wohlgewirkt,

Andre vielfach ausgezirkt,

Getheilt, gestreift, bordieret,

So oder so verzieret.

In Waffenröcken zeigten sich

Die Ritter, schön und wonniglich,

Geschlitzt als wärs zerhauen.

Auch ließ der Frühling schauen,

Daß er Marken günstig war;

Denn Viele trugen in der Schar

Kränzlein aus der Blumen Pracht,

Die er zur Steuer ihm gebracht.

In solchem wonnevollen Mai

Begann das wonnige Turnei.

Oft wirrte sich das Doppelheer,

Es warf sich hin und warf sich her:

Das trieben sie so lang und viel

Bis dahin sich zog das Spiel,

Wo Blanscheflur die süße,

Die ich ein Wunder grüße,

Mit andern schönen Frauen

Da saß, es anzuschauen,

Wie sie so herrlich ritten,

Mit so kaiserlichen Sitten,

Daß manches Aug es gerne sah.

Doch was von Andern auch geschah,

Doch wars der höfsche Riwalin,

Und so geziemt' es sich für ihn,

Der vor der ganzen Ritterschaft

Das Beste that mit seiner Kraft.

Auch nahmen sein die Frauen wahr,

Und sprachen, daß in all der Schar

Niemand nach Rittersitte

So behend und herrlich ritte.

Sie lobten was man an ihm sah.

»Seht«, sprachen sie, »der Jüngling da,

Das ist ein wonnevoller Mann!

Wie wonnig steht ihm Alles an

Was er begeht, wie er sich hält.

Wie ist sein Leib nach Wunsch bestellt,

Wie fügen sich mit gleichem Scheine

Seine kaiserlichen Beine!

Den Schild, wie trägt er ihn so eben

Wie festgeleimt sieht man ihn schweben.

Wie ziemt der Schaft in seiner Hand!

Wie herrlich sitzt ihm sein Gewand;

Wie steht sein Haupt, wie glänzt sein Haar.

Süß ist sein Gebahren gar,

Voll Seligkeit sein ganzer Leib.

O, wohl ist das ein selig Weib,

Die ihm ihr Glück soll danken.«

Wohl merkte die Gedanken

Blanscheflur die gute:

Sie trug in ihrem Muthe

Wohl vor den Andern allen

An ihm ihr Wohlgefallen.

Sie hatt ihn sich ins Herz geschloßen,

Er war ihr in den Sinn geschoßen:

Er trug auf hohem Throne

Das Scepter und die Krone

In ihres Herzens Königreich,

Ob sie ihr Geheimnis gleich

Vor der Welt so gut verbarg,

Daß des Niemand hatt ein Arg.

Als das Kampfspiel war gethan,

Die Ritter schieden von dem Plan

Und sich ein Jeder kehrte,

Wohin ihn Laune lehrte,

Der Zufall bracht es da so mit,

Daß Riwalin zur Stelle ritt,

Wo Blanscheflur die schöne saß.

Da sprengt' er näher durch das Gras,

Und als er ihr ins Auge sah,

Gar minniglich begann er da:

»Ah! Dê vous sal, la belle!«

»Merzi«, dit la Püzelle,

Und sprach beschämt entgegen:

»Gott, der Heil und Segen

In die Herzen flößt mit voller Flut,

Der flöß euch Heil in Herz und Muth

Und halt euch hochbegnadet,

Meinem Recht unbeschadet,

Das ich an euch fordern kann.« –

»Ach Süße, was verbrach ich dann?«

Fiel höfisch Riwalin ihr ein.

Sie sprach: »An einem Freunde mein,

Dem besten, den ich je gewann,

An dem habt ihr mir Leid gethan.«

Ach Himmel, dacht er da bei sich,

Was will sie sagen? Was hab ich

Begangen wider ihre Huld?

Wes giebt mir die Holde Schuld?

Er wähnte, daß er etwa Wen

Der Ihren, diesen oder den,

Unwißend, ohne Vorbedacht,

Zu Schaden bei dem Spiel gebracht,

Und deshalb ihm die Hehre

Erzürnt und abhold wäre.

Nein, der Freund, nach dem er frug,

Das war ihr Herz, in dem sie trug

Um seinetwillen Ungemach:

Das war der Freund, von dem sie sprach.

Weil er sich des nun nicht versann,

Als ein höfischer Mann

Sprach er inniglich zu ihr:

»Ich will nicht, Schöne, daß ihr mir

Haß und argen Willen tragt:

Ist es so wie ihr mir sagt,

So richtet selber über mich:

Was ihr gebietet, thu ich.«

Die Süße sprach: »Um den Verstoß

Ist noch mein Zorn nicht allzu groß;

Ich lieb euch auch darum nicht sehr:

Versuchen will ich euch vorher,

Wie ihr mir wollt zu Buße stehn

Für das Leid, das mir von euch geschehn.«

Da neigt' er sich und wollt hindann.

Und sie, die Schöne, seufzt' ihn an

Gar insgeheim, indem sie sprach

Aus inniglichem Herzen: »Ach,

Mein lieber Freund, Gott segne dich!«

Da zuerst entspann es sich

Mit Gedanken her und hin.

Von dannen eilte Riwalin

Vor Minnen ohne Sinne;

Zu sinnen trieb ihn Minne

€1,49

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Altersbeschränkung:
0+
Umfang:
880 S. 1 Illustration
ISBN:
9783969870617
Verleger:
Rechteinhaber:
Bookwire
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