Allgemeinbildung in der Akademischen Welt

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Allgemeinbildung in der Akademischen Welt
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Impressum

Gerd Breitenbürger, „Allgemeinbildung in der Akademischen Welt“, Band 1

www.edition-winterwork.de © 2015 edition winterwork Alle Rechte vorbehalten Lektorat und Foto: Monika Knecht Umschlag: Berit Overhues Illustration von Tomi Ungerer Copyright © 1994 Diogenes Verlag AG Zürich

Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

2. Auflage

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Gerd Breitenbürger

Allgemeinbildung

in der

Akademischen Welt

Geistes- und Naturwissenschaften

Band 1

Phantasie und Genauigkeit

Das wissenschaftliche Fragen beginnt nach langer Vorbereitung in Theologie, Philosophie und praktischer Naturerfahrung mit der Renaissance. Das Buch der Natur ist in Zahlen geschrieben, die Sterne, die noch zunächst nach astrologischer Sinngebung schicksalhaft interpretiert werden, werden in ihren Laufbahnen berechnet und verlieren mit der Zeit einen menschlichen Sinn. Eine neue, zukunftsträchtige Methodik entwickelt sich. Der menschliche Geist hat eine neue Dimension erreicht, eine an Theoriebildung orientierte und zu ihr zurückführende Beobachtung. Experiment und das Aufstellen von Formeln machen fortan der Theologie und Philosophie Konkurrenz. Das exakte Denken erschließt eine neue Welt, die zum größten Teil die unsrige geworden ist. Zu ihr gehören das Bilden von Konstrukten und die Simulation, die beides, Phantasie und wissenschaftliches Denken, voraussetzen.

Die Aufgabe der Wissenschaften besteht darin, Fragen zu stellen und Antworten zu finden, die unser Wissen erweitern. Sie bedienen sich dabei je nach Fach spezieller Begriffe und Methoden, die man auch ihre Instrumente nennen kann. Manches dieser Instrumente kann aber jedoch in mehreren Fächern verwendet werden. So sprechen wir von einer kosmischen, einer biologischen, anthropologischen oder kulturellen „Evolution“. Da möchte man wissen, was ist „Evolution“ eigentlich und seinem Wesen nach. Kann man diesen Begriff problemlos, wie hier, von Unbelebtem auf Belebtes übertragen? Wenn ja, ist es vermutlich nicht abwegig, fundamentale Strukturen der Welt anzunehmen, die überhaupt dem Geist erlauben, von einer zusammenhängenden, von einer Welt zu sprechen.

Die naturwissenschaftlichen Hypothesen sind Vermutungen und auch erste, kurz gefasste Antworten auf unsere Fragen. Sie bewegen sich im Möglichkeitsraum, in dem sich die menschliche Phantasie frei bewegt, bis sie Halt in einer Theorie findet. Mit allen Theorien zusammen nähern wir uns einer einzigen Welt. Wir haben sie im Kopf und wir bewegen uns in ihr.

Die „akademische Welt“ erschließt sich, soweit sie geistig erlebt wird, durch diese wesentlichen Bestimmungen. Sie ist eine lebendige Welt, da es in ihr Sicherheit und Ordnung nur um den Preis von Unsicherheit und Fragwürdigkeit gibt. Das gilt so für die naturwissenschaftliche Welt. Die des Geistes wird eher als Gegenwelt dazu gesehen: Luxurierende Phantasie, Emotion und Bildlichkeit, Sinn und Wesen, ästhetischer Genuss und Selbstgenuss sind aber Ergänzungen, die die exakten Wissenschaften nicht durch Überblendung verdunkeln, sondern durch Sinngebungen erhellen.

INHALTSVERZEICHNIS

Teil 1

1 DIE AKADEMISCHE WELT

1.1 Wahrheit und Phantasie

1.1.1 Original oder Plagiat

1.1.2 Plagiat und Fachtermini

1.1.3 Das Plagiat ist penetrant anhänglich

1.2 Viele Welten, eine Welt

1.2.1 Die Teilwelten

1.2.2 Die Welt der Philosophie

1.2.3 Scharniere der Welt

1.2.4 Erste Schritte in die akademische Welt

2 SELBSTVERWIRKLICHUNG

2.1 Kultur und Bildung, Halbbildung

2.1.1 Halb- und Hochgebildet

2.1.2 Die zwei akademischen Welten

2.1.3 Bildung ist holistisch und lebt von der Freiheit

2.1.4 Bildung und Wissen

2.1.5 Auch reduktiv ist produktiv, sogar kreativ

2.1.6 Selbstverwirklichung – was willst du noch mehr

2.1.7 Der Bildungskanon für die Unsicheren

2.1.8 Bildung, mal ernst, mal heiter

2.1.9 Halbbildung, Vorstufe zur Vollbildung?

2.1.10 Ein gutes Gedächtnis

2.1.11 Bildung hat ein persönliches Profil

2.2 Zauber mit Muffen

2.2.1 Neue Chancen

2.2.2 Zauber lieber ohne Muffen

2.2.3 Die Uni bietet neue Chancen

2.3 Lurchi und das Biotop

2.3.1 Umwelt, deren Grenzen kein Thema sind

3 ORIENTIERUNG IM UNI-LEBEN

3.1 Praktisch und rational

3.1.1 Rationalität ist ein Instrument

3.1.2 "Wahr" und "falsch": die Kriterien der Logik

3.1.3 Von den Inhalten zu den Strukturen

3.1.4 Lernen stärkt die Individualität

3.1.5 Transfer rationaler Strukturen

3.1.6 ANALYSE: Methodische Fehler bei Hausarbeiten

3.1.7 Ernst des Studiums – wo bleibt die Heiterkeit

3.2 Kosmische Suppe und die Kultursuppe

3.2.1 Beispiel: Cross-over als Analogie-Technik

3.2.2 Tanten beim Tee und dasselbe Bildungsbuch

3.2.3 Die Schicksalsfrage: Eintritt Ja oder Nein.

3.2.4 Praktische Orientierung

3.3 Wissenschaftliche Orientierungen

3.3.1 Der universale Zugang zu den Wissenschaften

3.3.2 Wissen und Wissenschaft, ein Vorgeschmack

3.3.3 Akademisches Leben: Intelligenz – Phantasie

3.3.4 Erklären heißt "Mach es erst einmal dir klar"

3.3.5 Einzelwissenschaften diversifizieren das Wissen

3.3.6 Entstörungsstelle Couch und der Erfolg

3.3.7 Modus Potentialis

3.3.8 Real und nicht real gegebene Gegenstände

3.3.9 Durch Ausschluss das Richtige finden

3.3.10 Helle Welt, nicht nur im Siècle de Lumière

3.3.11 Drinnen und draußen, Entdeckung der Höhle

3.3.12 ANALYSE: Wörter und Denken

 

3.3.14 "Ich doof, aber Präsident"

3.3.15 ANALYSE: Intelligenzplafond

3.3.16 Computer und seine Metapher

3.3.17 Geschichten füllen Begriffe mit Inhalt

3.3.18 Paradoxe Theorien: Ratchet-Effekt

3.4 Wissenschaft, zentral in unserer Kultur

3.4.1 Kritischer Realismus: Wissenschaft als Baustelle

3.4.2 Falsches Wissen: Wertvoll, auch wenn falsch?

3.4.3 Fehler und Kabarettistisches ohne Witz

3.4.4 "Er/sie hat sich bemüht"

3.4.5 Esoterischer Stil in den Wissenschaften

Teil 2

4 STUDIUM GENERALE UND KOMPETENZ

4.1 Ich bin der Amboss und der Hammer

4.1.1 ANALYSE: Die Phantasie bei Huysmans

4.1.2 Tu's für dich, tu's mal umsonst

4.2 Kompetenz mit Augenmaß

4.2.1 Berufswahl: ohne Selbstausbeutung

4.2.2 Mit Lust in die Überforderung

4.2.3 Studium generale – Zeitverschwendung?

4.3 Spielraum statt Verbissenheit

4.4 Fachkompetenz und soziale Kompetenz

4.4.1 Der Generalist

4.4.2 Zwei Studienfächer erleichtern den Erfolg

4.4.3 Die eigene wie die Kompetenz anderer einschätzen

4.4.4 Kompetenz mal anders: Wer kann muss ran

4.4.5 – wer kann, darf ran

5 DAS AKADEMISCHE STUDIUM

5.1 Ohne Abitur zum Studium

5.1.1 Bastel-Existenz

5.1.2 Zauber des Anfangs oder Absturz einer Illusion?

5.1.3 Versuch und Irrtum, in kleinen Dosen

5.1.4 Eintritt in die akademische Welt

5.1.5 Kulturelle Fragen und ihre agonale Würze

5.1.6 Funktionalität der Rationalität

5.1.7 Rationalität und die Lebensplanung

1.1.1 Die Wahl des Faches aus Neigung

1.1.2 Die traurige Gestalt des ewigen Studenten

5.2 Nischen für das akademische Leben

5.3 Monitoring: die universitäre Hilfestellung

5.3.1 Das Ergebnis heißt "Akademisch"

5.3.2 Bachelor-Master-System

5.3.3 Bachelor –Habilitation

5.3.4 Professor

5.3.5 Warum studieren und die Aussichten

5.3.6 Arbeitslos. Die Gegenwelt

5.3.7 Daneben und nicht arbeitslos

5.3.8 Triebverzicht = Kultur. Kulturverzicht= ?

5.3.9 Akademiker mit Berufsrisiko

5.3.10 Bedürfnispyramide "Was willst du noch mehr?"

5.3.11 Aspekte der akademischen Existenz

5.3.12 Ethos und Moral, rarissime?

5.3.13 Usus, Konvenienz und andere Regelsysteme

Teil 3

6 BASISWISSEN KULTUR

6.1 Orientierung und Phantasie

6.1.1 Positivismus

6.1.2 Studier- und Arbeitstechniken

6.1.3 Öffentliches Reden

6.1.4 Alltag und Brüchigkeit der Kausalketten

6.1.5 Kausalketten und die Phantasie

6.1.6 Phantasie und Poesie

6.1.7 Phantasie und existentielle Folgen: Eskapismus

6.1.8 Selbstbehauptung: Amöbe wie der Studierende

6.1.9 Lucy: Orientierung immer mit Risiko

6.1.10 Bummeln, Notwehr gegen Rationalität?

6.1.11 Die Begabungsreserven sind zu aktivieren

6.1.12 Vom Erwartungshorizont zum Naturgesetz

6.1.13 Vom Sammler zum Wissenschaftler

6.1.14 Fahrstuhlfahren mit Einstein.

6.1.15 Happy End in den Schlusspassagen

6.1.16 Schlusspassagen

6.2 Beliebte Topoi

6.2.1 Ursprungsdenken

6.2.2 Kulturelles Basiswissen

6.2.3 Fundiertes Wissen

6.3 Evolutionäre Erkenntnistheorie

6.3.1 Die Realität der Kontingenz

6.4 Das verschleierte Bild zu Sais

6.4.1 Wir brauchen das nicht existierende "Reale"

6.4.2 "Reale Bedrohung" ist real

6.4.3 Dichotomie, Antinomie, Extreme

6.5 Mathematische und andere Wahrheiten

6.5.1 Leitwährungen: Physik, Biologie, Physiologie

6.5.2 Die Sprache für alle, für alles

7 ANTHROPOLOGISCHES

7.1.1 Andere Möglichkeiten hätte es gegeben

7.1.2 Kausalität im Umkreis von Kontingenz

7.1.3 Dualistisches Weltbild

7.1.4 Dissoziieren als psychischer und physischer Akt

7.2 Das "Wesen" wollen wir finden

7.2.1 Das Wesen, die Quintessenz, das Geistige

7.2.2 Etymologie, ein Beitrag zum "Wesen"

7.2.3 Biologische Anthropologie

7.2.4 Meinung, Gewissheit

7.2.5 Schweigen ist Gold

7.2.6 Das Individuum, das sich wählt

7.2.7 Bedürfnisse nach Maslows Pyramide

7.2.8 Die Moral der Systeme ist Ideologie

7.2.9 Die Utopie und ihre wirtschaftliche Ideologie

7.2.10 Arbeitsleid für niemand: auch eine Utopie

Teil 4

8 GRUPPE UND MORAL

8.1 Wer "in" ist, weiß, was "out" bedeutet

8.2 Ethik für Anfänger

8.2.1 Das angekratzte Renommee

8.2.2 Lyssenko: Wissenschaft im Griff der Ideologie

8.3 Ideologie als Philosophie-Verschnitt

8.3.1 Ideologien

8.3.2 Ideologien schaffen Parteien

8.4 In der Gruppe: mitgegangen – mitgefangen

8.4.1 Die Gruppe bringt Vorteile und Nachteile

 

8.4.2 Gruppe und die positiven Sanktionen

8.4.3 Die Zukunft ist offen, nicht determiniert

8.4.4 Primärgruppen, Sekundärgruppen

8.4.5 Kohäsion der Gruppenelite wie bei den Makaken

8.4.6 ANALYSE: Gruppe: Bis dass der Tod

8.4.7 Moral oder machen wir nur Fehler?

8.4.8 Moral und das agonale Prinzip

8.4.9 Folterwerkzeuge vorzeigen

8.4.10 Der Einzelne, ohne Gruppe: einsam

8.4.11 Kasuistik: Moral maßgeschneidert

8.4.12 Szenarien – Phantasie und Kalkül

8.5 Anerkennung in der Gruppe

8.5.1 Fides: Vorteile durch Doppeldeutigkeit

8.6 Altruismus und Eigennutz

8.6.1 Moral oder lügen: Beides hat seinen Preis

8.6.2 Der Hohn des Marquis

8.7 Gemischte Moral-Strategie in der Natur

8.7.1 Spiegelneuronen, Magie oder fauler Zauber

8.7.2 Der Glaube ist dem Wissenschaftler nicht fern

8.7.3 Juliette auf dem Canapé promotion

8.7.4 Mobbing klingt gemütlich

8.7.5 Im Kloster und im Altersheim wird gemobbt

8.7.6 Kategorische Ethik aus einem Wort

9 WAHRHEIT – GLAUBWÜRDIGKEIT

9.1 Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit

9.1.1 Pragmatische, amoralische Lösungen

9.1.2 Der Kampf um die Glaubwürdigkeit

9.1.3 Recht und rechtsfreier Raum

9.2 Autorität: Tradition des Christentums

9.2.1 Akademische Autoritäten: Die Juristen

9.2.2 Akademische Autoritäten allgemein

9.2.3 Autonomie, Quelle für Autorität

9.2.4 Autorität und Kompetenzüberschreitungen

9.3 Autorität, ist sie transferierbar?

9.3.1 Autorität innerhalb des Faches

9.3.2 Autorität: Intellektuelle

9.3.3 Autorität: Probierstein und Treibsatz

9.3.4 Kirche und Galilei und ihre Glaubwürdigkeit

9.3.5 Glaubwürdigkeit und Autorität als Schutz

9.4 Man muss sie sich leisten können

9.4.1 Wahrhaftigkeit in der Politik und im System

9.5 Die Wahrheit geht voran

9.5.1 Ehrlichkeit lässt am längsten auf sich warten

9.5.2 Wahrhaftigkeit in der Gesellschaft

9.5.3 Vorschuss aus Autoritätsguthaben

9.6 Wahrheiten, absolut und relativ

Teil 5

10 ERKENNTNIS

10.1 Raffinierte Verhaltensweisen in der Natur

10.1.1 Mit affenartiger Intelligenz

ANALYSE: Neukaledonische Krähe

10.1.2 Passende Möglichkeiten

10.2 Der Mensch, ein Affe plus X ?

10.2.1 Logik – plane et distincte

10.2.2 Mephistopheles

10.2.3 Erkenntnis will Konsistenz, nicht Kuddelmuddel

10.2.4 Ausdifferenzierung der Welt in Symbolen

10.3 Weltformel, das Denken der Einheit

10.3.1 Phylogenetisch e Automatismen folgen Quasigesetzen

10.3.2 Assoziation und Automatismen

10.3.3 Model und Modell Lucy

10.3.4 Lucy differenziert die Ordnung

10.3.5 Vertrauen des Flughörnchens

10.3.6 Soziale Ordnung

10.3.7 Lucys Vertrauen in ihre Methoden

10.3.8 Lucy: Bedarf für die Signalsprache

10.3.9 Baumaffe: Sprache zum Tricksen

10.3.10 Mit Verzögerung ins Bewusstsein

10.3.11 Ein brauchbarer Wahrheitsbegriff

10.4 ANALYSE Julia war cool und logisch

10.4.1 Die Negation und der Widerspruch

10.4.2 Das Absprechen von Eigenschaften

10.4.3 Die emotionale Seite der Logik und der Wahrheitsfunktion

10.4.4 Definitionstypen

10.4.5 Definitionen kann man ändern

10.4.6 Fuzzy Logik

10.4.7 Die Schwäne und ihr Keuchhusten

10.4.8 Topos: Das Teil und das Ganze

10.4.9 Geistlose Substantivierungen

10.4.10 Intelligenz

11 ASSOZIATION UND DIE KAUSALKETTE

11.1 Gestaltpsychologie

11.2 Nuancen

11.2.1 Der Elativ hebt ab

11.2.2 Assoziationen ebnen und begleiten den Weg des Denkens

11.3 Denken geht ganz ohne Moral

11.3.1 Kausalketten

11.3.2 Kausalität mit Störfaktoren

11.3.3 Frühe kausale Evolution der Erde

11.3.4 Genauigkeit aus dem Geist der Phantasie

11.3.5 Fantasie gegen die Faktizität der Natur

11.3.6 Gesetzmäßigkeiten ohne Fantasie: ein Mottentanz

11.4 Wissen und automatischer Programmablauf

11.4.1 Wissen, wenn Meinungen nicht reichen

11.5 Begriffe und ihr gewagter Gebrauch

11.6 Präzision in der Natur – und in den Begriffen?

11.6.1 Präzision als ein Prinzip des Lebens

11.6.2 Im Kosmos gibt es Präzision, nicht Freiheit

11.7 Evolutionen, so viel man will

11.7.1 Animismus, die eingeforderte Kausalität

11.8 Geistige Abnutzungskausalität, durch Nivellierung

11.9 Denken als psychischer Akt: Kognitionen

11.9.1 Zahlen und Symbole

11.9.2 Die Evolution, passiv und aktiv

11.9.3 Die Methode des homo plastäs

11.9.4 Der monistische Ansatz

11.9.5 Der Topos vom Anfang und Ende

11.10 Theologie, Ideologie: riskantes Denken

11.10.1 Theologe/Ideologe: Der Mensch genügt sich nicht

11.10.2 Utopie, Strafe für das Denken

11.10.3 Gesellschaftordnung bei Platon und Aristoteles

11.10.4 Utopie als Niete: "We-can"

11.10.5 Rhetorik der Utopie: "we"

11.10.6 Die Utopie des Luxuslinken

11.10.7 Sozialdarwinismus und ideologische Neg-Utopie

11.10.8 Philosopheme reduziert auf Meinungen (Doxa)

11.11 System und seine Kontingenz

11.11.1 Der Bauchladen als frühes Handels-System

11.11.2 Elementare Volkswirtschaft

11.11.3 Stationäre Wirtschaft oder Wachstum

11.11.4 Wer Identität denkt, glaubt an die Differenz

11.11.5 Modell, Kasuistik und ceteris paribus

Teil 1

1 Die akademische Welt
1.1 Wahrheit und Phantasie
1.1.1 Original oder Plagiat

Dies ist ein persönliches Buch. Ich habe es auch selbst geschrieben. Nun ja, schon da bin ich mir nicht ganz sicher. Einmal gibt es die anonymisierte, aber unverkennbare Mithilfe vieler Jahrhunderte und Jahrtausende mit schönen Gedanken und schönen Sätzen. Auch die Sprache selbst ist ein altes Erbstück.

Alles in allem aber nichts gestohlen, das darf ich sagen, allerdings auch nicht alles selbst erfunden. Man nennt es, ob man will oder nicht, die unvermeidbare Tradition. Auf ihrem Hintergrund spielen sich Originalität ab, Kreativität und Phantasie. Ihr janusköpfiger Charakter bringt das Kunststück zuwege, den Menschen von dem unerbittlichsten Zwang, der ihn regiert, der Zeit, zu befreien. Sein erstes Denken kommt aus der Dimension, die hinter ihm liegt. Und seine Ziele kann er ohne einen Entwurf in die Zukunft nicht finden. Man muss kein Philosoph sein, um zu bemerken, dass die Tradition etwas Außergewöhnliches darstellt. Sie ist geordnete, vergangene Zeit, die aber die Phantasie anzuregen vermag, als hätte alles ganz anders sein können oder sogar sein müssen. Der Mensch gewinnt aus ihr Orientierung für sein Handeln, sie vermag aber auch sein Handeln zu bestimmen.

"Originalität" ist der Ausdruck dafür, dass niemand weiß, woher der Mensch seine Einfälle hat. Goethe ist immer dabei. Er war ehrlich und spricht von Knöchelchen, die halbverdaut im Magen darauf hinweisen, dass wir Dinge aufnehmen und nicht mehr wissen, woher sie kommen. Das deutet auf Bildung. Klauen hingegen ist, wenn man nimmt und nicht, obwohl man es könnte, sagt, woher man es genommen hat. Weil diese Aneignungsform nicht in unsere leicht idealisierte akademische Welt gehört, wird sie hier vor die Klammer gesetzt, als Vorwort. Es ist ein Thema, das sich gar nicht erst stellen sollte. Es ist von besonderer Dramatik, wenn es anfängt, die Atmosphäre zu vergiften. Jeder kennt den verführerischen Impuls, fremdes geistiges Eigentum als eigenes auszugeben. Man darf aber dieser Art der Arbeitserleichterung und des sich mit fremden Federn Schmückens nicht erliegen. Wer das nicht sieht, muss mit bösen Folgen rechnen. Auch wenn es sybillinisch (rätselhaft) heißt, die Bundesministerin habe "mit ihrer Zitierweise gegen gängige Regeln wissenschaftlichen Arbeitens (zu) verstoßen." (BZ, 21. Januar 2013), führt das immer noch zu einem Aberkennungsverfahren. Die Zeit des Kohle-Klauens, den selbst Kardinäle duldeten, ist definitiv vorbei. Denn geistiger Notstand herrscht, gemessen an unseren hohen Zielen, immer, kann aber nicht herhalten, den Ideendiebstahl zu rechtfertigen.

Es gibt da ein "Stehlen" vor aller Augen, was durchaus im Film amüsant sein kann, wenn der Dieb ein mitwissendes Publikum auf seiner Seite weiß. So Jean-Louis Barrault in dem uralten Streifen "Les enfants du paradis" ("Die Kinder des Olymp") mit seinem pantomimischen Griff voller Anmut in die Gesäßtasche seines virtuellen Opfers. Dann gibt es den wirklich heimlichen Wörterdieb, der einen einzigen Gedanken stiehlt und sich dabei vor einem wissenden Publikum blamiert. Das Thema muss einfach hier vom Tisch, weil es nicht zu einer ständigen Belastung werden darf, ob dieses oder jenes von mir stammt oder doch, bei aller Bescheidenheit, von Goethe, Mao Tse Tung oder den Beatles, und ich hätte es sagen sollen. Die akademische Welt ist heikel. Es geht immer auch um Vertrauen. Was darf ich, wo ich so viel sollen soll. Hier liegen die Schätze nur so herum und die Versuchung ist groß. Man sucht sie, man findet sie, warum nicht beherzt zugreifen, wenn niemand es sieht. – Es sind aber Früchte, die man wohl nehmen darf, ja nehmen soll. Nur die Aneignung steht unter Bedingungen. Nicht verfälschen, was man übernimmt. Und kenntlich machen, dass sie auf dem Humus eines anderen Geistes entstanden sind. Man bekommt sie ja sowieso auf dem Silbertablett serviert, dann kann man dem Autor aber nicht das Renommee vorenthalten, das ihm gebührt. Hier greift man nach Fremdem und bekommt das, was andere, zum Teil mit hohem Einsatz und einer gewissen Anerkennung, gefunden haben, nämlich Forschungsergebnisse oder interessante Gedanken. Großzügig werden sie offen angeboten. Sie dann aber noch nehmen, indem man sagt, den anderen gibt es gar nicht, es ist alles von mir, ist nicht Mundraub, nicht Felddiebstahl. Es ist eine Form intellektuellen Totschlags, weil ich den Urheber nicht einmal erwähne. Ich nehme ihm das einzige, was ihm je geblieben ist, die Anerkennung und den Nachruhm. So oder so kommt der Betrug häufig genug vor. Dass wir ihn immer noch nicht mögen, spricht für unsere Kultur.

Man war nicht immer so sensibel bei geistigem Eigentum wie man sensibel war bei Steckrüben eben doch, die der Verhungernde auf dem Feld mitgehen ließ und mit dem Strick bezahlte (England, 16. und 17. Jahrhundert). Im selben Jahrhundert wurden ganze Kapitel beim Konkurrenten abgeschrieben, ohne dass man es anstößig fand.

Heute noch wird wie ein Kriminalfall die Entstehungsgeschichte der Evolutionstheorie behandelt. (Mathias Glaubrecht , Am Ende des Archipels – Alfred Russel Wallace) Sie wurde 1858 in London vorgestellt. Es interessiert viele immer noch, ob Charles Darwin von Alfred Russel Wallace abgekupfert hat oder nur eine zeitliche Koinzidenz vorliegt. Plagiat und Täuschung wären sensationelle Vorwürfe, wenn sie sich belegen ließen. Aber sie lassen sich nur zum Teil belegen, es gibt Lücken in der Indizienkette, aber auch starke Hinweise. Leibniz hat nicht von Newton und umgekehrt abgeschrieben, als sie gleichzeitig die Infinitesimal-Rechnung entdeckten. Ideendiebstahl kann nur behauptet werden, wenn er sich zweifelsfrei nachweisen lässt. Bei Darwin-Wallace geht es darum, wie lang das Postboot vom fernen Orient nach England unterwegs war. Wie beim Patentamt in München, wer zuerst da ist, bekommt das Patent.

Die Überlegung, "Was ist der Mensch", ist eine sehr akademische Frage, die Aristoteles formuliert und beantwortet hat und die man 2 1/2 Tausend Jahre später noch gelten lässt. Die Antwort war originell, man kann sie nicht stehlen, und sie ist heute noch brauchbar. Der Mensch als = "zoon logon echon." "Der Mensch ist das Lebewesen, das spricht." "Ein der Sprache mächtiges Wesen." Wer hier mit einer Anspielung umformuliert und Wasser auf sein Mühlrad leiten möchte, hat kaum eine Chance. Nur zu leicht erinnert dann das Ergebnis an die Wanze, die einen gestohlenen Schatz versteckt. Es ist ihre Geschichte, warum ist die Wanze platt und warum sieht sie nicht, was all die anderen sehen. Die Urangst eines jeden Plagiators muss sein, gesehen zu werden. Er kann aber auch den Spieß umdrehen, wenn er mit Aplomb (Frechheit) argumentiert und behauptet, er sei unschuldig, die Universität habe ihn mangelhaft betreut, sie ist es, die hätte sehen und verhindern müssen, was geschah (Veronica Saß, 25. Mai 2012, BZ). Die Wanze zieht einen Kreidestrich um ihren gestohlenen Schatz herum und hält ihn für sicher. Aber alle Nicht-Wanzen schauen amüsiert zu. So wie bei Jean-Louis Barraults beobachtetem Taschendiebstahl. Denn es kommt der Mensch und nimmt, da er über eine dritte Dimension verfügt, den Schatz von oben heraus, was die Wanze nicht verstehen kann und sie sagt den klassischen Satz der Verblüffung "Da bist du platt".

Auch gut gestohlen wird der "Uni-Ausschuss" holen.

Aber es gibt immer noch die völlig schamlose Variante. Unter der Überschrift "Der Plagiator von Budapest" heißt es in der BZ vom 30. März 2012, Ungarns Präsident Pal Schmitt verliere seinen Doktortitel und sein Amt. Von 215 Seiten waren 180 Seiten wörtliche Zitate und natürlich nicht ausgewiesen. Siebzehn weitere Seiten waren aus einer zweiten Quelle.

Zurück zu Aristoteles. In etwas gesuchter Art wäre es denkbar, von dem „Humanum der Sprache“ zu sprechen, um die aristotelische Definition zu umgehen, die da besagt, die Sprache sei das Wesensmerkmal des Menschen. Diese Definition kennnt jeder Fachwissenschaftler. Sich so durchsichtig an Aristoteles anzulehnen, würde bedeuten, gerade auf den hinzuweisen, dessen Name nicht erwähnt wird. Man kann sich nicht sehr gut Zitate zu eigen machen, indem man sie geringfügig abändert. "Wer immer eifrig sich bemüht …" (statt „strebend“) Ist das noch Goethe oder bin ich das schon. Sprachlich ist beides korrekt. Aber stilistisch vermisst man doch den Klassiker. So selten ist die trickhafte Verwendung von fremden Ideen nicht, bei denen die Umformulierungen amüsant sein können. Irgendwann erfüllen sie dann aber den Tatbestand des Plagiats.

Die sprachliche Abänderung eines Zitats, um es für sich zu reklamieren, fällt mit Sicherheit auf, wenn es um das Abkupfern von Buchtiteln geht, die im Wissenspool wohl bekannt sind. Wer aus dem Titel eines Psychologen "Flüchten oder Standhalten" (Horst-Eberhard Richter) ein "Fliehen oder Standhalten", sogar „Fliehen oder Stehenbleiben“ macht, um den Gedanken zu usurpieren, fällt mit Sicherheit auf.

Die Sprache ist schließlich zu allem fähig, selbst zu Kapriolen wie diesen. Das Großartige ist, dass man trotzdem versteht, was gemeint ist. Die meisten Menschen sagen ja auch, was sie meinen. Manchmal aber mit abenteuerlichen Begriffen. Das kann so weit gehen, dass man sich herausgefordert sieht, ihnen mit Wohlwollen entgegen zu kommen, das heißt, sich mehr anzustrengen, sie zu verstehen als sie sich Mühe geben, klar zu sein. Es ist nicht eigentlich Sache des sprachlichen Ausdrucks, durch Unklarheiten kostbare Aufmerksamkeitsenergie zu binden, vor allem, wenn kein Witz und keine geistreiche Pointe damit verbunden sind.

Das geistige Haschmich ist dann die zu vermutende Überlegung: Wer sich gedanklich klar erkennbar anderweitig inspirieren lässt und sprachlich so dicht am Vorbild handeln will, muss wohl denken, nach 2300 Jahren ist auch bei einem Aristoteles schließlich das Copyright abgelaufen oder, wer will sich nach 2300 Jahren noch an die Wortwahl seiner Definitionen erinnern. Es gehört zur Grundausstattung der akademischen Welt, dass man weiß, woher und von wem bestimmte Begriffe unserer Ideengeschichte stammen und in welchen gedanklichen Situationen man auf ihre Quelle hinweisen muss. Die "Idee" ist Allgemeinwort, "Entelechie" ebenso, bei " a priori", "Phänomenologie" oder "Zufall und Notwendigkeit" kann man schwanken und die Ursprünge nennen. "Unschärferelation" ist fest an einen Namen gebunden. Dann kann man auch sehen, dass ein Begriff wie "Evolution" frei verfügbar ist, da er schon im Mittelalter gebräuchlich war und ausreichend nivelliert (die Bedeutung ist nicht mehr scharf abgegrenzt) ist.