Buch lesen: «Das wechsehafte Leben des Martin Ciolek»

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Das wechsehafte Leben des Martin Ciolek (eine Novelle)

Inhalt

Das wechsehafte Leben des Martin Ciolek (Eine Novelle)

Das Testament

Zeitreisen

Die Enthüllung

Der Beweis

Ein Urlaub mit Überraschungen

Impressum

Vollständige E-Book-Ausgabe

des im Kalon-Verlag erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright@ 2017 by Georg Acker

Lektorat/Korrektur: Yvonne Acker

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Dies ist ein fiktives Werk. Ähnlichkeiten mit lebenden oder

verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.

Gewidmet meinem lieben Freund und Lehrer

Samuel Widmer

Das Testament

Markus Petersen war gerade sechzig geworden.

Er konnte auf ein arbeitsreiches, aber auch einträgliches Lebenswerk als Süßwarenfabrikant zurückblicken. Wie es bei Bilderbuchkarrieren so schön heißt: Petersen hatte klein angefangen und sich in wenigen Jahren harter, entbehrungsreicher Arbeit zu einem Fabrikanten für Schokoladenriegel emporgearbeitet.

Aus der Ehe mit seiner Frau Jasmin gingen zwei Kinder hervor: Sohn Berthold, 29 Jahre alt und Tochter Adele, 32 Jahre alt. Beide lebten in einer glücklichen Ehe.

Petersen war Zeit seines Lebens immer ein bodenständiger, praktischer Mensch gewesen, der nie den Blick für das Machbare aus den Augen verlor. Es mag daher ein wenig verwundern, wenn er sich ebenfalls sehr für okkulte und spirituelle Dinge interessierte. So war er vor allem fest davon überzeugt, daß wir nicht eines, sondern mehrere Leben haben, wir Erdenbürger also viele Male wieder geboren werden würden.

Fragte man gute Bekannte und Freunde von Petersen nach einem für ihn typischen Wesenszug, so betonten viele sofort sein außerordentlich stark ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. Wo es Risiken gab, da wollte Petersen sie gebannt wissen, oder sich zumindest wirksam dagegen absichern. Der Abschluß zahlreicher Versicherungen war daher für ihn nichts Ungewöhnliches.

Was ihm jedoch weitere Sorgen bereitete, ja ihm des öfteren auch den Schlaf raubte, das war die Frage, was nach seinem Tod und somit auch in seinem nächsten Leben sein würde. Ihn quälten Gedanken, er könnte in eine arme Familie hineingeboren werden und er würde abermals den harten Weg der Karriereleiter nach oben antreten müssen und für das tägliche Brot abermals schuften und rackern. Und je länger ihn diese Phantasie quälte, umso mehr wurde für ihn zur Gewißheit: Nein ! Das wollte er sich ein weiteres Mal ersparen. Doch was konnte er dagegen tun? Wie um alles in der Welt war diese Gefahr bloß zu bannen?

In vielen schlaflosen Nächten suchte Petersen nach einer Antwort. Er zermarterte sich das Hirn, wälzte sich im Bett ruhelos hin und her. Ganz extrem waren für ihn die Vollmondnächte. In diesen Nächten – zumal der Mond dann besonders seine starke Anziehungskraft zur Erde zeigte - konnte er meist erst gegen vier oder fünf Uhr morgens einschlafen.

Plötzlich und unerwartet kam ihm aber in einer Nacht eine, wie ihm schien, brillante Idee. Vielleicht war das die Lösung des Problems? Wäre es nicht möglich, ein Testament so abzufassen, daß er, Petersen, sich selbst dann eben in seiner künftigen Existenz als Herr oder Frau XYZ beerben könnte? Das wäre doch eine gerechte Sache. Seiner Familie würde er nach seinem Tod in dieser Existenz 50 % seines Vermögens überlassen. Ein bequemes sorgenfreies Leben wäre dann allen Familienmitgliedern gesichert. Die anderen 50 % aber würde er sich für den Start in sein nächstes Leben zurücklegen lassen

Es galt jetzt nur noch zwei Probleme zu lösen: Zum einen müßte ein juristisch praktikables und anerkanntes Testament niedergeschrieben werden. Die Möglichkeiten hierfür wollte Petersen schon in den nächsten Tagen zusammen mit seinem Rechtsanwalt Karl Possi besprechen. Zum anderen - und das war wohl der schwierigste Teil bei der ganzen Angelegenheit - müßte er als Herr oder Frau XYZ im kommenden Leben zunächst einmal erst erfahren, daß er in einem früheren Leben überhaupt Markus Petersen war. Außerdem müßte er wissen, daß Markus Petersen ein Erbe in die kommende Existenz quasi mit hinübergerettet hatte und er müßte beweisen, daß er zuletzt als Markus Petersen gelebt hatte und somit auch Anspruch auf dieses Erbe haben würde.

Jetzt war er sechzig Jahre alt. Man schrieb das Jahr 1991. E würde vielleicht noch fünfzehn ruhige Jahre verleben und seine Seele würde nicht sofort nach seinem Tod wieder einen neuen Körper annehmen. Mag ja sein, daß er drei oder vier Jahre oder auch länger im Jenseits verweilen würde. Dann würde seine nächste Reinkarnation erst im Jahr 2009 oder 2010 stattfinden.

Bei all den Unwägbarkeiten, die Petersen jetzt durchdachte, wurde ihm plötzlich ganz übel. Wer weiß vielleicht würde seine Familie das Testament anfechten wollen. Und noch etwas kam ihm in den Sinn: Wie konnte er überhaupt sicher stellen, daß sein Hab und Gut die ganze Zeit ohne Schaden überstand, während seine Seele im Jenseits verweilte? Fragen über Fragen, die geklärt werden mußten. Im Laufe weniger Tage jedoch reifte der Plan immer mehr heran. Da Petersen aber kein Mann für halbe Sachen war, griff er eines Morgens während eines verschneiten Dezembertags - als er gerade in seinem bequemen Bürosessel saß und währenddessen den herunterfallenden Schneeflocken hinterher guckte - zum Telefon und rief seinen Hausanwalt Karl Possi an. Jetzt sollten Nägel mit Köpfen gemacht werden!

Noch am gleichen Mittag saßen Markus Petersen und Karl Possi im Restaurant 'Avocado' bei einem vorzüglichen Glas Rioja zusammen.

"Karl, die Angelegenheit, deretwegen ich Sie hierher gebeten habe, ist etwas diffizil. Es geht um eine juristische Angelegenheit, von allerdings...", Petersen dehnte an dieser Stelle seine Worte, so als ob er sich unschlüssig wäre, ob er überhaupt fortfahren sollte, "...von allerdings recht ungewöhnlicher Natur."

"Markus, Sie haben mein Interesse bereits geweckt."

Petersen fuhr fort, "Sie wissen, irgendwann im Leben eines Menschen kommt der Zeitpunkt, an dem man sich öfters als sonst in Erinnerung ruft, daß man von dieser Bühne des Lebens einmal abtreten muß. Man zieht Bilanz, blickt auf das Geleistete im Leben zurück und denkt darüber nach, was sein wird, wenn man einmal nicht mehr auf dieser Erde verweilt. Nun, Sie können es sich denken, ich befinde mich gerade in dieser Lebensphase. Um es kurz zu machen: ich mache mir gerade Gedanken über mein Testament."

Possi setzte sein Glas an die Lippen und sah Petersen etwas befremdet an. Ein Testament war juristischer Alltag. Was war also das Ungewöhnliche bei dieser Angelegenheit? Bevor er danach fragen konnte, griff Petersen genau diesen Gedanken auf.

"Das Diffizile an der Sache besteht nun darin, daß ich überzeugter Anhänger der Idee der Reinkarnation bin und mir einen Teil meines heutigen Vermögens für meine zukünftige Existenz aufsparen möchte."

Kaum hatte Petersen den letzten Teil des Satzes ausgesprochen, hatte Possi sich auch schon an seinem vorzüglichen Rioja verschluckt. Nach mehrmaligem Husten gewann er seine Fassung wieder und sagte, "Verstehe ich Sie richtig ? Sie glauben, Sie werden wiedergeboren und wollen sich selbst beerben?"

Possi, der ein nüchterner, versierter und erfolgreicher Rechtsanwalt war, konnte durch kaum etwas aus seiner Ruhe gebracht werden. Jahrelange praktische Erfahrung hatte ihn zu einem routinierten Juristen werden lassen, der allzeit souverän Herr der Lage war. Heute jedoch war es seinem Gegenüber geglückt, Possi zu verblüffen.

"Ja, richtig ! Sie haben es genau erfaßt ! Ich möchte mich zu einem späteren Zeitpunkt selbst beerben. 50% des Vermögens soll meine Familie erhalten, die anderen 50% sind für mich selbst vorgesehen."

Possi schwieg nun für einen längeren Moment, ordnete seine Gedanken und versuchte das soeben Gehörte zu verarbeiten. Schon nach kurzer Zeit kam ihm die Erkenntnis, dass es Petersens Sicherheitsbedürfnis war, weshalb dieser schon relativ früh, nämlich mit sechzig Jahren, ein Testament abfassen wollte, zumal er sich dadurch die Hälfte des Vermögens zu sichern erhoffte.

"Markus, ich fürchte, daß es da einige Probleme geben könnte. Bei einem Testament, wie Sie es sich vorstellen, könnten sowohl ihre Familie, wie auch der Gesetzgeber Schwierigkeiten machen. Ihre Familie könnte das Testament anfechten. Der Gesetzgeber könnte sich dann auch weigern, einen Erben anzuerkennen, der im Moment Ihres Todes gar nicht existiert."

"Natürlich. Daran habe ich auch schon gedacht. Sehen Sie dennoch eine Möglichkeit, wie ich mir mein Erbe sichern kann?"

Possi dachte einen kurzen Moment angestrengt nach und sagte dann, "Sie sollten 3/4 des Erbes Ihrer Familie überlassen und alles mit Ihrer Frau und den Kindern besprechen. Wenn Ihre Familie zufriedengestellt ist und schriftlich bestätigt, über Ihre Pläne informiert zu sein, haben wir gute Chancen, die Sache umzusetzen."

In den folgenden Wochen war Petersen intensiv damit beschäftigt, die testamentarischen Angelegenheiten in seinem Sinne zu regeln. Mit dem Vorschlag Possis, ¾ des Erbes der Familie zu überlassen, war er - schon aus Sorge vor Streitigkeiten und eventueller späterer Testamentsanfechtung - einverstanden. Das Gesamtvermögen betrug gegenwärtig circa 32 Millionen DM, so daß er auch mit ¼ seines Vermögens sehr gut würde auskommen können.

Petersen nutzte eine der wenigen Familienzusammenkünfte, um die Familie in seine Pläne einzuweihen. Zwar war allen bekannt, daß Petersen an die Wiedergeburt der Seele glaubte. Aber mit diesen ungewöhnlichen Konsequenzen jedoch hatten weder seine Frau, noch die beiden Kinder gerechnet. Petersen mußte hartnäckig seinen Standpunkt verteidigen, bis schließlich seine Frau Jasmin und seine Tochter Adele einwilligten. Sohn Berthold leistete den größten Widerstand, da er als künftiger Firmenchef des Unternehmens - der alte Petersen wollte sich schließlich in vier oder fünf Jahren zur Ruhe setzen - eine Aufteilung der Firma Schokosan AG möglichst verhindern wollte. Der alte Petersen pochte immer wieder auf seine Testierfreiheit und darauf, daß schließlich er es war, der die Firma aufgebaut hatte. Das endlich brachte Berthold Petersen endlich zur Einsicht.

Mit Anwalt Possi traf sich Petersen in der folgenden Zeit mehrfach. Es ging darum, eine praktikable Lösung für den Vermögensübergang auf den "späteren Erben" zu erarbeiten. Possi und Petersen kamen überein, eine Stiftung einzuberufen, die von einem Treuhänder verwaltet wurde und deren Aufgabe es war, dem später wiedergeborenen Petersen das gesamte Stiftungsvermögen zukommen zu lassen. In der Satzung hatte die Stiftung sich zum Ziel gesetzt, einem "unternehmerischen Talent der Zukunft Starthilfe zu gewähren". Wie das unternehmerische Talent zu finden wäre, dessen Erbe sich immerhin auf 8 Millionen DM plus Vermögenszuwachs in der Zwischenzeit belaufen würde, war im Kleingedruckten der Satzung zu lesen. Dort hieß es: "Stiftungsgründer Markus Petersen verfügt, daß das gesamte Vermögen der Stiftung auf denjenigen übergeht, welcher nachweist, im vergangenen Leben ein erfolgreicher Chocolatier gewesen zu sein, dessen Geburtsjahr sich auf das Jahr 1931 zurückdatieren läßt." In einer anderen Passage hieß es: "Der Nachweis ist durch das Gutachten eines allgemein anerkannten Reinkarnationstherapeuten zu erbringen."

Der kostenlose Auszug ist beendet.

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