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Buch lesen: «Die Welt auf Schienen», Seite 41

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Hat das Papptäfelchen seine Pflicht erfüllt, indem es den Reisenden bis ans Ende seiner Fahrt geleitete, so wird es an der Bahnsteigsperre abgenommen. Die Schaffner werfen die Fahrkarten in verschlossene Kästen, die, sobald sie gefüllt sind, besonderen Prüfstellen übergeben werden. Dort sondert man die Fahrkarten nach Tagen und Zügen und vermag zu erkennen, ob ein Beamter an der Sperre sich durch Entgegennahme unrichtiger Fahrkarten hat täuschen lassen. Die Nummernfolge gestattet auch einen Schluß darauf, ob aus den Fahrkartenschränken Fahrkarten zu Betrugszwecken außer der Reihe entnommen worden sind.

Nachdem dies erledigt ist, haben die Papptäfelchen nur noch Stoffwert. Sie werden alsbald zu Brei eingestampft, und aus der unförmlichen Masse entstehen alsdann neue Fahrkarten, die wiederum Menschen in Freud oder Leid während einer Eisenbahnfahrt begleiten.

Die Aufgabe, welche wir uns in Abschnitt 9 stellten, ist nunmehr erfüllt. Wir haben den D-Zug Berlin-München auf seiner Teilfahrt zwischen Berlin und Halle von Kilometer zu Kilometer begleitet, wir haben seine Fahrbahn, seinen Bau, die zu seiner Sicherung getroffenen Einrichtungen betrachtet, sind tief eingetaucht in den Ozean, der inmitten der Welt auf Schienen schäumt und brandet. Die Fülle dessen, was wir auf dem Grund dieses Meers sahen, ist niederdrückend und erhebend zugleich; niederdrückend, weil wir erfahren mußten, daß der Mensch gezwungen war, so gewaltige, an Zahl und Wirkungskraft unvergleichliche Vorkehrungen zu schaffen, nur um mit einigermaßen befriedigender Geschwindigkeit sich über seinen Heimatstern bewegen zu können; erhebend, weil wir erkannten, wie durch unbeirrbar zielstrebiges Zusammenwirken vieler Geschlechter die Entstehung eines so mächtigen Werkzeugs, des gewaltigsten Hilfsmittels möglich wurde, das die Menschheit sich geschaffen hat.

Wir haben hier und da schon Seitenblicke von der großen Hauptstrecke weg auf besondere Eisenbahneinrichtungen geworfen. Es bleibt uns noch übrig, drei Sondererscheinungen zu betrachten, die eine wichtige Rolle in der Gesamtheit des Eisenbahnbetriebs spielen, zum Teil erst im Beginn ihrer Entwicklung stehen.

26. Mit Zahn und Seil

Die Eisenbahn ist ein Kind der Ebene. Sobald die Züge eine steigungslose Strecke vor sich haben, können sie auf den Flügeln des Dampfs mit Urkraft und kühner Geschwindigkeit dahinstürmen. Aber wie der unhörbare Zauberspruch eines Gotts den Arm des Helden, so lähmt schon eine kaum sichtbare Steigung den vorwärtsdrängenden Willen der Lokomotive. Ihr Atem geht nur noch stoßweis, ihre Zugkraft und Geschwindigkeit vermindern sich stark. Bereits ein verhältnismäßig geringer Steigungswinkel setzt die Lokomotivleistung tief hinunter. Dies klar erkannt zu haben, ist ja eines der Hauptverdienste des großen Georg Stephenson.

Als die Menschheit in ihrem unhemmbaren Vorwärtsdrängen daran ging, auch die hemmenden Wälle der großen Gebirge zu überschienen, da waren besondere, außerordentlich kostspielige Vorkehrungen notwendig, um auch hier einigermaßen ausreichende Geschwindigkeiten zu erzielen. Damit die Züge nicht zu hoch hinaufzusteigen brauchten, durchbohrte man mit unendlicher Mühe die Berge. Aber auch die Zufahrten zu den Tunneln mußten in besonderer Weise ausgestaltet werden. Spitzkehren, Ausfahrungen von Seitentälern, große Schlingen und Schleifen wurden gebildet, um die Steigung für jeden Meter der Vorwärtsfahrt gering zu halten. Die Bergspitzen, nach denen so mancher sehnsüchtige Blick emporschweifte, blieben trotzdem vom Eisenbahnverkehr ausgeschlossen. Erst vier Jahrzehnte, nachdem die Eisenbahn für die Ebene geschaffen war, gelang es, die Lokomotive auch in die Erhabenheit der Bergwelt emporzuführen.

Bergbahnen haben zu allermeist nur die Aufgabe, Aussichtspunkte zu erschließen. Das läßt sie betrieblich von vornherein als Bahnen zweiter Ordnung erscheinen. Güterverkehr kommt nur in mäßigem Umfang vor, ein Durchgangsverkehr ist äußerst selten zu bewältigen, meist handelt es sich nur um eine Betriebszeit während weniger Monate des Jahrs. Das legt aus geldlichen Rücksichten Beschränkungen auf. Man kann nicht daran denken, die sehr starken Steigungen, die hier vorkommen, durch künstliche Längenentwicklungen zu überwinden, denn diese gehören zu den allerkostspieligsten Anlagen. Ein neuer Gedanke mußte entstehen, die Schaffung einer besonderen Bahngattung war notwendig, um hier zum Ziel zu gelangen.

Nachdem die einzig richtige und zweckmäßige Art des Vorgehens gefunden war, sind die Bergbahnen ein wichtiges Glied in der alles umschließenden Kette menschlicher Kultur geworden. An keiner anderen Stelle als auf einem hohen Gipfel vermag der Mensch die Erhabenheit der Natur in ihrer ganzen erschütternden Größe zu erkennen. Neben und unter sich erblickt er die Schöpfungen der ungeheuren Kräfte, die dereinst das Antlitz der alten Erde zerfurchten. Im niemals schmelzenden Firnschnee ergreift ihn eine Ahnung von der ewigen Größe des Todes, und aus den grünen Matten darunter lacht ihm das volle heitere Leben entgegen. Glücklich, wer dieses erschütternde Bild auf sich wirken lassen kann!

Doch nur wenigen sind die körperliche Kraft und die ausharrende Entschlossenheit gegeben, über Gletscher und Schroffen hinweg die Spitzen zu erklimmen. Erst die Bergbahnen haben den hohen Genuß eines Gipfelbesuchs zum Allgemeingut gemacht. Man spreche nicht von Entweihung! Der Einsamkeiten gibt es noch genügend auf den Alpengipfeln, und die Berggeister sind sicher zufrieden, wenn sich unter je hundert Gästen, die aus den Bahnwagen steigen, immer nur fünf finden, denen die Fahrt in diese Höhe tiefstes Erlebnis, freudigstes Erkennen der Schöpfergröße in der Natur bedeutet.

Man darf auch nicht übersehen, daß wichtigste gesundheitliche Einrichtungen, nämlich die Bergheilstätten, die so vielen Wiedererstarkung der verlorenen Körperkraft bringen, erst durch die Bergbahnen möglich geworden sind.

Die Reibung zwischen den Lokomotivrädern und den glatten Schienen ist groß genug, um eine lohnende Zugförderung noch bei einer Steigung von 1: 30 zu gestatten. Freilich ist die Geschwindigkeit bei derartig raschen Hebungen schon stark hinuntergesetzt, auch die Ausgaben für den Heizstoff werden sehr hoch. Wenn aber jedesmal beim Zurücklegen von 30 Metern mehr als die Höhe von einem Meter erstiegen werden muß, dann ist der Betrieb mit Reibungslokomotiven nicht mehr lohnend. Zahnbahnen aber überwinden noch mit gutem Erfolg Steigungen von 1: 4, Seilbahnen auf fester Schienenunterlage können bis zu Steigungen von 1: 1,6 verwendet werden, und die Seilschwebebahnen gar gestatten, bis zum äußersten Grenzfall, nämlich bis zum senkrechten Hub zu gehen.

Freilich muß man bei Verwendung all dieser Sonderbahngattungen auf irgendwie beträchtliche Geschwindigkeiten verzichten. Von den hundert Stundenkilometern des Schnellzugs in der Ebene sinken wir hier auf 10 Kilometer in der Stunde hinunter. Dies ist der Grund, weshalb man für große Gebirgsstrecken, wie z. B. die Gotthardbahn, welche Durchgangsverkehr zu bewältigen haben, die außerordentlichen Ausgaben für künstliche Linienentwicklung der Anwendung des Zahn- oder Seiltriebs vorzieht. Der lebhafte Verkehr auf den Hauptlinien nimmt derartige gewaltsame Hemmungen nur auf sich, wenn keine Möglichkeit der Vermeidung besteht. Für die Erreichung eines Aussichtspunkts aber spielt, insbesondere weil die Strecken meistens recht kurz sind, die Geschwindigkeit keine ausschlaggebende Rolle mehr.

Die älteste Zahnbahn ist uns bereits bekannt. Auf den Seiten 33 und 34 wurde erzählt, wie Blenkinsop im Jahre 1811 unter Verkennung des Reibungswerts zwischen eisernen Rädern und glatten Schienen die ebene Strecke von Leeds nach Middleton mit einer Zahnstange ausrüstete. Hier war die Verzahnung unmittelbar mit den Laufschienen verbunden. Im Jahre 1847 machte dann Cathcart den erfolglosen Versuch, zwischen Madison und Indianapolis in Nordamerika eine Zahnbahn mit gußeiserner Ausrüstung zu bauen. Als der Vater der Bergbahnen ist jedoch der Schweizer Nikolaus Riggenbach anzusehen.

Riggenbach war Maschinenmeister bei der schweizerischen Zentralbahn. Auf der starken Steigung, welche die Strecke im Hauensteintunnel zu überwinden hatte, bemerkte er, daß die Räder auf den Schienen glitten und selbst durch Streuen von Sand nicht zu richtigem Lauf gezwungen werden konnten. Er sann nach, wie diesem Übel zu steuern sei, und kam endlich auf den Gedanken, der bis zum heutigen Tag grundlegend geblieben ist. Er erkannte, daß die Lokomotive auf scharfer Steigung günstig arbeiten würde, wenn sie ein Zahnrad bewegte, das in eine Zahnstange eingriffe. Eine äußere Anregung zeigte ihm, wo eine geeignete Stelle für die Anlegung einer ersten Zahnbahn zu finden sei.

In der Beschreibung seines eigenen Lebens, die er „Erinnerungen eines alten Mechanikers“ nennt, sagt Riggenbach: „Ich zögerte nicht, kleine Modelle zu konstruieren und allen mich besuchenden Technikern zu zeigen, zumal Herr Professor Dr. Culmann vom Züricherischen Polytechnikum, der in der Hauptwerkstätte Olten öfters Proben mit andern Erfindungen anstellen ließ, mich in meinen Gedanken sehr bestärkte.

„Freilich fanden meine Ansichten nicht allenthalben die gleiche Anerkennung, und je mehr ich mit meinen Plänen und Modellen herumreiste, um so mehr wurden mir die Schwierigkeiten der Ausführung vorgestellt. In der Schweiz wollte jedenfalls niemand etwas von der Sache wissen. Da hätte ich, um die technischen Fachmänner und Behörden für meine Ideen zu gewinnen, schon ein Ausländer sein müssen, und als ich, hoffend außerhalb meines Vaterlandes eher als ein Prophet angesehen zu werden, mit meinen Modellen nach Stuttgart zu einer dort stattfindenden Ingenieur- und Architekten-Versammlung reiste, so ging es mir auch nicht besser. Meine deutschen Freunde schüttelten den Kopf und sprachen untereinander mit Bedauern es aus, der gute Riggenbach sei ein Narr geworden. Zwar wurde ich einstweilen noch nicht in einer Anstalt versorgt, wie vor etwa 280 Jahren der arme Salomon de Caus, der Pfadfinder der Dampfmaschine, aber ich wurde doch wenigstens vielfach mit mitleidigem Achselzucken angesehen.

„Wie ein Sonnenstrahl erhellte dieses Dunkel ein prophetisches Wort des schweizerischen Generalkonsuls in Washington, Herrn John Hitz. Dieser wackere Mann war bei Anlaß eines Besuches in der Schweiz, aus welcher er ja gebürtig ist, auch nach Olten gekommen, und als ich nun auch ihm, wie allen Besuchern meines Bureaus, die Bergbahnmodelle vorwies, rief er aus: ‚Well, Mr. Riggenbach, Sie bauen eine Eisenbahn auf die Rigi!‘ Damit war meinen bisherigen, mehr theoretischen Studien und Plänen zum erstenmal ein praktisches Ziel gegeben. Auch machte mir das Wort des trefflichen Mannes Mut, meine Ideen immer weiter zu verfolgen und auf eine immer sorgfältigere Verbesserung der Pläne und Modelle hinzuarbeiten.

„Das erste Patent für meine Erfindung erhielt ich in Frankreich am 12. August 1863, sechs volle Jahre, bevor ich von einer ähnlichen Erfindung des Amerikaners Marsh Kunde erhielt, zwei Jahre, bevor ich Amerika bereiste. Die boshafte Aussage meiner späteren Konkurrenten, ich habe mein System in Amerika abgesehen, ist geradezu lächerlich; meine Erfindung war schon im Sommer 1863 patentiert, meine amerikanische Reise fand 1865-66 statt, der Amerikaner Marsh aber trat erst 1869 am Mount Washington mit seiner Erfindung hervor!“

Tatsächlich ist also die erste wirklich brauchbare Zahnbahn in Amerika entstanden; sie führte auf den berühmten Aussichtspunkt Mount Washington in den Weißen Bergen. Nach dem, was wir eben gehört haben, steht jedoch Riggenbach das erste Recht auf den Gedanken zu.

Die Bahn von Vitznau auf den Rigi wurde am 55. Geburtstage Riggenbachs, am 31. Mai 1871, eröffnet. Bei der Probefahrt ereignete es sich, wie der Erfinder selbst erzählt, „daß ein in voller Blüte stehender Birnbaum, der in die Bahnlinie hinüberragte und beim Bau hätte entfernt werden sollen, mit dem Kamin der Lokomotive etwas karambolierte, so daß sich von den überhängenden Ästen ein wahrer Blütenregen auf die Maschine ergoß. Am Bankett der Eröffnungsfeier begrüßte Universitätsprofessor Dr. Rütimeyer in sinniger Weise diesen kleinen Vorfall als glückverheißendes Omen für die Unternehmung: und in der Tat, die Bahn Vitznau-Rigi hat bis jetzt blühende Geschäfte gemacht.“

Heute führen bereits drei Bahnen auf den Rigi, der damit der Hauptaussichtspunkt der Schweiz geworden ist. In Deutschland sind nach der Bauart Riggenbach unter anderen die Zahnbahnen von Königswinter auf den Drachenfels und die Niederwaldbahn errichtet worden.

Der Grundgedanke, den Riggenbach in den Bau der Bergbahnen gebracht hat, ist, daß zwischen die Laufschienen eine Zahnstange gelegt wird, in welche ein an der Lokomotive befestigtes Zahnrad eingreift. Die Zahnstange der Vitznau-Rigi-Bahn besteht aus zwei aufrecht gestellten Platten, zwischen welche Bolzen gesetzt sind, so daß das Ganze einer Leiter ähnelt. Beim Fahren klettert die Lokomotive gewissermaßen an dieser Leiter empor.

Ein Schüler Riggenbachs, Roman Abt, schuf im Jahre 1882 für die Harzbahn Halberstadt-Blankenburg eine wichtige Verbesserung. Bei der Leiterstange greift immer nur Ein Zahn des Lokomotivrads in die Stange ein. Dieser Zahn muß also imstande sein, den gesamten Druck auszuhalten, den das Gewicht des Zugs ausübt. Es spricht gewiß für die Trefflichkeit unserer Eisentechnik, daß ein solcher Zahn fähig ist, bis zu 10 000 Kilogramm Druck zu ertragen. Wenn man jedoch besonders schwere Züge, z. B. Güterzüge, befördern will, so kommen noch größere Zahndrücke vor. Abt überwindet sie, indem er dafür sorgt, daß zwei, manchmal sogar drei Zähne, gleichzeitig eingreifen.

Seine Zahnstange besteht aus zwei oder drei nebeneinander gesetzten, hochkant gestellten Platten, in welche die Zähne eingeschnitten, also nicht mehr wie bei Riggenbach eingesetzt sind. Die Zähne sind gegeneinander verschoben, bei doppelter Stange um eine halbe Zahnteilung, das heißt um die Hälfte des Abstands einer Zahnmitte von der anderen. Bei dreiteiliger Stange beträgt die Verschiebung ein Drittel der Zahnteilung. Das an der Lokomotive befindliche Zahnrad besteht gleichfalls aus zwei oder drei fest miteinander verbundenen Scheiben, deren Zähne gegeneinander versetzt sind. Bevor noch der Zahn der ersten Scheibe den Eingriff in die Stange beendet hat, hat schon ein Zahn der nächsten Scheibe den Eingriff begonnen, und so wirken stets mehrere Zähne zusammen. Die Maschine steigt stufenweise empor, weshalb die Abtsche Vorrichtung auch Stufen-Zahnstange heißt. Da die Zahnwechsel hier glatter vor sich gehen, entsteht auch ein ruhigerer Lauf der Züge.

Im Jahre 1896 schuf Strub für die Jungfraubahn eine neueste Zahnstangenart. Sie wurde notwendig, weil bei sehr starken Steigungen die Gefahr besteht, daß das Zahnrad auf der Stange aufsteigt, das heißt, der Zahn, statt den Zug vorwärts zu ziehen, die Maschine in die Höhe hebt, indem er an der Eingriffstelle senkrecht emporklettert. Die Folge mußte natürlich sein, daß der Eingriff verloren ginge und der Zug ins Rutschen käme.

Strub verhindert das Aufsteigen, indem er der Zahnstange die Form einer Breitfußschiene mit keilförmig verdicktem Kopf gibt. In diesen Kopf werden die Zähne eingeschnitten. Von der Lokomotive hängen zwei zangenförmige Eisen hinunter, die um den Keilkopf der Schiene herumgreifen, diesen umfassen, ohne jedoch für gewöhnlich die Zahnstange zu berühren. Ein Aufsteigen des Zahnrads ist dadurch unmöglich gemacht. Die Zange läßt sich auch vortrefflich als Bremse benutzen.

Die Gefahr des Aufsteigens hatte schon im Jahre 1885 beim Bau der steilsten aller bis zum heutigen Tag vorhandenen Zahnbahnen, nämlich der Bahn auf den Pilatus, zur Schaffung einer besonderen Zahnstange geführt, die aber an keiner Stelle Nachahmung gefunden hat. Für Steigungen von 1: 2,8, wie sie bei der Pilatusbahn vorkommen, verwendet man nämlich besser Seilantrieb. Locher, der Erbauer der Pilatusbahn, benutzte als Zahnstange eine liegende Platte, in deren beide Seiten die Zähne eingeschnitten sind. Ein Zahnrad greift von jeder der beiden Seiten ein, so daß Neigung zum Aufsteigen wie beim Eingriff von oben nicht entstehen kann.

Die Anlagen zur Überführung der Fahrzeuge von einem Gleis aufs andere sind bei Zahnbahnen nicht so einfach wie bei gewöhnlichen Bahnen. Weichen findet man bei den älteren Leiterstangen-Strecken überhaupt nicht, bei der Bauart Locher sind sie gänzlich unausführbar. Man muß sich dann mit Drehscheiben oder Schiebebühnen behelfen, die sehr langsam arbeiten und kostspielig sind.

Immerhin läßt sich auch bei der Leiterstange durch Beseitigung der Seitenplatten eine Weichenanlage schaffen, wie zeigt. Es sind hierbei nicht nur die Zungenspitzen beweglich, sondern auch Zahnstangenstücke, sowie weitere Teile der Weichenzungen. Auf unserem Bild ist die Zahnstangenweiche zur Fahrt nach rechts gestellt, soll der Zug nach links fahren, dann sind alle die bei dem Bild erörterten Umlegungen vorzunehmen. Es handelt sich hier also um eine vielteilige und sehr schwerfällige Anordnung.

Die Weichenanordnung gestaltet sich bei Abtschen und Strubschen Stangen einfacher, wenn die Zahnstange etwas höher liegt als die Laufschienen, so daß die Zahnräder glatt über diese hinweggehen können.

Beim Betrieb der Zahnbahnen sind zwei Arten zu unterscheiden. Die eigentlichen Bergbahnen, bei denen an allen Stellen starke Steigungen überwunden werden müssen, sind durchgehend mit der Zahnstange ausgerüstet. Eine große Zahl von Strecken ist jedoch so angelegt, daß geringere Steigungen eingeschaltet sind. Zur Erzielung größerer Geschwindigkeiten werden auf derartigen Linien, die oft recht bedeutende Ausdehnung haben und auch einem gewissen Durchgangsverkehr dienen, die flacheren Abschnitte ohne Zahnstange unter ausschließlicher Benutzung der Reibung und demzufolge auch mit größerer Geschwindigkeit durchfahren.

Bei reinen Zahnbahnen steht die Lokomotive stets talwärts. Beim Emporfahren schiebt sie den Zug, bei der Talfahrt hält sie ihn auf. Der gemischte Betrieb gestattet verschiedene Möglichkeiten der Lokomotivanordnung. Man läßt teils den Zug von reinen Reibungs-Lokomotiven über die Abschnitte mit flacher Steigung befördern und ersetzt sie für die Zahnstrecken durch besondere Zahnrad-Lokomotiven, die dann gleichfalls stets talwärts vor dem Zug stehen.

Wenn ein häufiger Wechsel zwischen Reibungs- und Zahnstrecken stattfindet, wie z. B. bei der Brünigbahn zwischen Luzern und Interlaken, dann wendet man gern gemischte Lokomotiven an, die sowohl als Reibungs- wie als Zahn-Lokomotiven arbeiten können. Abt ist es gelungen, solche gemischten Lokomotiven ohne allzu verwickelte Einrichtungen mit zwei gesonderten Triebwerken auszustatten, so daß nach Belieben nur die Reibungsräder oder nur das Zahnrad angetrieben werden können. Die in Preußen liegenden Zahnbahnen werden ausschließlich mit solchen Lokomotiven betrieben.

Die dritte Möglichkeit ist, der Reibungs-Lokomotive auf der Zahnstrecke ihre Arbeit dadurch zu erleichtern, daß eine Zahn-Lokomotive zum Schieben hinten an den Zug gesetzt wird. Dies geschieht z. B. auf der Höllentalbahn im Schwarzwald, die von Freiburg nach Donaueschingen führt und nur eine verhältnismäßig kurze Zahnstrecke besitzt.

Die erste von Riggenbach erbaute Zahnbahn-Lokomotive hatte einen stehenden Kessel. Heute ist man längst auch bei diesen Maschinen zu dem bewährten liegenden Kessel übergegangen.

Wenn bei gemischtem Betrieb kein Lokomotivwechsel stattfindet, so läuft auch auf den Zahnstrecken die Lokomotive vor dem Zug. Andernfalls dürften auch die Reibungsstrecken nur mit geringer Geschwindigkeit befahren werden, da das Schieben der Züge größere Schnelligkeit aus Sicherheitsgründen ausschließt. Beim Ziehen auf starken Steigungs-Einrichtungen werden die Kupplungen außerordentlich stark beansprucht. Die gewöhnlichen Verbindungen zwischen den einzelnen Zugteilen können hierbei nicht angewendet werden, man muß vielmehr verstärkte Kupplungen benutzen.

Bei reinem Zahnbetrieb, wo die Lokomotive stets talwärts steht, werden die Zugteile überhaupt nicht miteinander gekuppelt. Denn die Verbindung zwischen den Fahrzeugen, die sonst als eine besondere Sicherheitsvorkehrung angesehen wird, kann hier leicht zu schwerster Gefährdung führen. Versagt nämlich die Bremse der Lokomotive, so müßte deren hohes Gewicht, wenn Verbindungen vorhanden wären, den ganzen Zug talwärts reißen. Deutlich geht das aus der Schilderung eines Unfalls hervor, der sich auf der Pikes Peak-Zahnbahn in Nordamerika ereignete und in der „Eisenbahntechnik der Gegenwart“ wie folgt geschildert wird:

„Die Lokomotive hatte mit einem von Eisenbahnbeamten besetzten Wagen die Talfahrt vom Gipfel herab angetreten, als die Triebstange der Lokomotive auf einer der steilsten Gefällstrecken plötzlich nachgab und die Lokomotiv-Bremse versagte. Während sich die Geschwindigkeit bedenklich steigerte, wurde der Wagen schleunigst von der Lokomotive losgekuppelt und mit der Handbremse zum Stehen gebracht. Lokomotivführer und Heizer sprangen noch rechtzeitig ab und kamen mit leichten Verletzungen davon. Die Lokomotive raste inzwischen in wildester Fahrt mit größter Geschwindigkeit abwärts; als sie an eine scharfe Krümmung der Strecke gelangte, entgleiste sie und stürzte in den Abgrund, wo sie in völlig zertrümmertem Zustand liegen blieb.“

Hier wurde also ein schweres Unglück nur dadurch verhindert, daß die Kupplung von der Maschine her durch eine besondere Vorrichtung gelöst werden konnte. Fortab sind solche lösbaren Kupplungen auf allen Zahnbahnen eingeführt, die sehr steile Streckenteile, aber auch längere ebene Abschnitte haben, so daß die Lokomotive stets an der Spitze der Züge läuft.

Der Ausrüstung des Zugs mit Bremsen ist bei Zahnbahnen ganz besondere Sorgfalt zuzuwenden. Ein Versagen müßte hier stets weit schlimmere Folgen haben als auf ebenen Strecken. Die Lokomotiven besitzen darum außer dem treibenden stets noch ein besonderes Brems-Zahnrad, ebenso ist jeder Wagen mit einem solchen ausgerüstet. Es wird Vorsorge getroffen, daß die Wagen-Bremsräder auf einfachste Weise durch Ziehen an einem Notbremsgriff von jedem Abteil aus festgehalten werden können und so den Wagen zum Stehen bringen.

Als gewöhnliche Lokomotivbremse sind die in der Ebene bewährten Bremsklötze und auch andere Reibungsbremsen, wie andrückbare Bänder, nicht zweckmäßig. Zwar besitzen die Zahnlokomotiven meist auch Bremsklötze an den Laufrädern und Bandbremsen für den Zahntrieb, aber dieses sind nur Noteinrichtungen für den Fall des Versagens der Hauptbremse. Bei der Talfahrt muß diese ja andauernd in Tätigkeit sein, um die Zuggeschwindigkeit zu hemmen. Bremsklötze und Bänder würden infolge der langen ununterbrochenen Anwendungszeit bald glühend werden. Man ersetzt sie daher bei den Berglokomotiven durch eine besondere Art der Luftbremse.

Die Dampfzuführung zu den Zylindern wird bei der Talfahrt abgesperrt, und die Steuerung, wenn die Lokomotive vorwärts fährt, auf Rückwärtsfahrt geschaltet. Die Folge ist, daß die Kolben bei jedem Hub Luft ansaugen und diese beim Zurückgehen zusammenpressen. Durch einen verstellbaren Hahn kann der Lokomotivführer die zusammengepreßte Luft rascher oder langsamer ausströmen lassen, wodurch eine sehr schmiegsame Bremsung entsteht. Da hier durch die Luftpressung sehr viel Arbeit vernichtet wird, entwickelt sich nach dem unentrinnbaren Gesetz von der Erhaltung der Kraft sehr hohe Wärme. Die Erhitzung der zusammengepreßten Luft wird dadurch gemindert, daß man ständig kaltes Wasser in die Lokomotiv-Zylinder einspritzt.

Die Maschinen besitzen auch häufig eine dritte Bremse, die selbsttätig angezogen wird, wenn die Geschwindigkeit über das erlaubte Maß hinausgeht.

Auf Zahnbahnen mit gemischtem Betrieb, bei denen kein Lokomotivwechsel stattfindet, müssen die Zahnräder am Zug imstande sein, ohne Fahrtunterbrechung in die Zahnstange an deren Beginn einzugreifen. Es ist nun nicht zu erwarten, daß der Stand jedes einzelnen Zahnrads stets ein glattes Eingreifen in die starre Stange ermöglicht. Vielmehr wird es häufig vorkommen, daß Zahnkopf auf Zahnkopf trifft. Um Zerstörungen zu verhindern, werden deshalb besondere Zahnstangeneinfahrten angeordnet.

Ein mehrere Meter langes Stück der Zahnstange ist so angebracht, daß es von den Zahnköpfen am Rad leicht hinuntergedrückt werden kann. Sobald der Eingriff erfolgt ist, wird die Zahnstange durch sehr starke Federn, die untergesetzt sind, wieder emporgehoben. Man erleichtert das Zustandekommen des richtigen Eingriffs noch dadurch, daß man die Köpfe der ersten Zähne an der Stange etwas niedriger hält oder zunächst eine etwas abweichende Zahnteilung anwendet.

Bei Steigungen über 1: 4 wählt man, wie schon erwähnt, heute stets Seilantrieb.

Auf derartigen Bahnen, die meist eine Spurweite von einem Meter bis hinab zu achtzig Zentimetern haben, laufen für gewöhnlich zwei Wagen, die sich stets zu gleicher Zeit und in entgegengesetztem Sinn bewegen. Sie sind miteinander durch ein Drahtseil verbunden, das an der höchsten Stelle der Bahn über eine Rolle geführt ist.

In einfachster Weise kann der Antrieb dadurch erfolgen, daß ein Behälter an dem in der Berghaltestelle stehenden Wagen mit Wasser gefüllt wird, so daß er beim Hinuntergehen durch sein Übergewicht den anderen Wagen emporzieht. Unten angekommen, wird der Wasserbehälter entleert, der andere inzwischen oben eingetroffene Wagen wird gefüllt. Ein Betrieb dieser Art findet z. B. auf der Gießbach-Seilbahn am Brienzer See und auf der Strecke statt, die von Lugano-Stadt zum Bahnhof hinaufführt.

Es hat sich jedoch gezeigt, daß Wasserballast kein besonders wünschenswertes Antriebsmittel ist, da er auch dort, wo Wasser auf der Höhe leicht beschafft werden kann, durch sein Gewicht zu bedeutenden Ausgaben zwingt. Es ist nämlich die Einrichtung eines besonders starken Oberbaus, insbesondere schwere Durchbildung der Brücken notwendig. Auch ist im Gefahrfall ein Umkehren der Fahrtrichtung nicht möglich. Aus diesen Gründen geht man immer mehr dazu über, die Seilrolle, um die das Seil in solchem Fall mehrfach herumgeschlungen wird, durch Maschinenkraft, entweder durch Dampf oder durch Elektrizität, anzutreiben.

Die für Seilbahnen angewendete Zugkraft muß den Widerstand des Wagens und das Gewicht des Seils überwinden. Der Zug, den das Seil auf die antreibende Rolle ausübt, bleibt jedoch nicht gleich. Je weiter der talwärts gehende Wagen nach unten gelangt, desto länger wird der hinabhängende Teil des Seils, der ziehend wirkt. Man braucht also eigentlich eine immer geringer werdende Zugkraft an der Rolle. Da hier jedoch vollständige Gleichmäßigkeit erwünscht ist, so muß man einen Ausgleich anstreben. Am besten ist es, wenn die Steigung nach oben zu immer steiler wird. Die Erleichterung des Antriebs durch das talwärts hängende lange Seilstück wird dann durch den größeren Widerstand des aufsteigenden Wagens ausgeglichen. Eine solche Streckengestaltung läßt sich jedoch nicht überall erwirken. Man hilft sich in solchem Fall dadurch, daß man die Hinterenden der beiden Wagen gleichfalls durch ein Seil verbindet, dessen Gewicht nun dem des eigentlichen Zugseils entgegenwirkt. Auch durch allmähliches Ablassen von Wasser aus dem zu Tal gehenden Wagen wird gleichbleibende Belastung der Seilrolle herbeigeführt.

Seilbahnen werden entweder eingeleisig angelegt, oder sie erhalten drei Schienen, wobei alsdann die mittlere Schiene für beide Fahrrichtungen benutzt wird. Dort, wo die Wagen einander begegnen, also in der Mitte der Strecke, muß eine Ausweichmöglichkeit geschaffen sein. Das Gleis teilt sich hier, und eine einfache Vorkehrung sorgt dafür, daß jeder Wagen stets selbsttätig auf eines der beiden Ausweichgeleise gedrängt wird. Man gibt zu diesem Zweck den Rädern, die auf der außen liegenden Schiene laufen, doppelte Spurkränze. Die Räder auf der anderen Seite haben überhaupt keine Spurkränze, sind also nur einfache Walzen. Die Außenschiene läuft an der Ausweichstelle glatt durch. Durch die Spurkränze werden die Räder gezwungen, der Schienenkrümmung zu folgen, und so müssen sie auf getrenntem Pfad aneinander vorbeigleiten. (Siehe auf Seite 477.)

Bei Seilbahnen besteht die Gefahr eines Emporhebens des Wagens in noch höherem Grad als bei Zahnbahnen. Man wirkt dem Auftrieb entgegen, indem man den Fahrschienen einen keilförmigen Kopf gibt und diesen durch Zangen umgreifen läßt. Wenn man die Möglichkeit schafft, die Zangenschäfte mittels Schrauben einander zu nähern, so kann man die Zangen zugleich vortrefflich als Bremsen benutzen. Bei der Jungfraubahn, einer Zahnbahn, wird, wie schon erwähnt, die Zangenbremse an die Zahnstange angepreßt.

Auch auf Seilbahnen findet man häufig eine Zahnstange zwischen den Geleisen verlegt, so z. B. auf der Bergbahn, die von Heidelberg am Schloß vorbei zur Molkenkur hinaufführt. Der Volksmund spricht in solchem Fall meist von Zahnradbahnen, was jedoch eine Täuschung über die tatsächlichen Betriebsverhältnisse ist. Die Zahnstange wird hier nur zum Bremsen benutzt, indem ein nicht angetriebenes, aber feststellbares Zahnrad am Wagen in die Stange eingreift.

Damit die sich bewegenden Seile nicht durch Schleifen auf dem Boden abgenutzt werden, sind zwischen den Schienen Seilrollen aufgestellt, gegen welche sich die Seile nach Vorüberfahrt des Wagens legen. Sehr lange Seilstrecken werden in mehrere Abschnitte unterteilt, zwischen denen umgestiegen werden muß, damit die auf den einzelnen Antrieb fallenden Seilgewichte nicht allzu hoch werden.

Bis jetzt haben wir nur von solchen Seilbahnen gesprochen, welche die Form von Standbahnen haben. In sehr großer Zahl sind sie jedoch auch als Schwebebahnen in Benutzung. Hierbei können die Wagen auf festen Schienen laufen, die an Pfeilern befestigt sind, wie bei der Schwebebahn zwischen Dresden und Loschwitz, oder es treten fest ausgespannte Seile an die Stelle der Schienen. Derartige Drahtseilbahnen sind besonders von deutschen Fabriken in allen Weltteilen erbaut worden. Sie dienen meist der Lastenbeförderung, z. B. von Bergwerken zu Schiffsladeplätzen oder innerhalb großer gewerblicher Anlagen, werden jedoch auch zur Personenbeförderung benutzt.