Seewölfe - Piraten der Weltmeere 492

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 492
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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-900-0

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Der Schwarzbart

Er brachte Fracht nach Havanna – doch es war eine höllische Ladung

Ferris Tucker ließ die Lunte der Flaschenbombe eiskalt ein Stück herunterbrennen, zählte dabei bis zehn – und schleuderte die Bombe. Der Generalkapitän sah das Ding auf sich zutaumeln. Hölle, dachte er, was werfen die jetzt mit Steinen! Der vermeintliche Stein landete auf dem Achterdeck und rollte dem Generalkapitän vor die Füße. Der bemerkte erst jetzt, daß es sich um eine gefüllte Flasche mit zischender Lunte handelte. Er bückte sich danach und wollte sie zum Gegner zurückschleudern. Aber sie explodierte in seiner Hand. Beim Krachen der Wurfgranate wurde Don Diego de Campos außenbords katapultiert. „Geschafft“, sagte Hasard zu seinen Männern. „Wir können nach East Caicos zurücksegeln …“

Die Hauptpersonen des Romans:

Mac Pellew – der Zweitkoch der „Isabella“ legt sich mit einem Hummer an.

Edwin Carberry – dem Profos der „Isabella“ begegnet zu mitternächtlicher Stunde „Old Nick“ – der Gehörnte.

Old O’Flynn – der alte Zausel ist einem „Attentat“ auf den spanischen König auf der Spur.

Diego Martos – als Kapitän der „Almeria“ fährt er mit einer seltsamen Ladung über den Atlantik.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

East Caicos – 14. Juni 1595.

Über der Inselwelt der Karibik wölbte sich zartblau der Himmel. Das Meer war mit türkisfarbenen Punkten durchsetzt – schillernden Perlen gleich –, und doch zeigten die türkisfarbenen Punkte tückische Untiefen und Riffe an.

Wer hier unbeschadet durchsegeln wollte, mußte sich schon hervorragend auskennen, doch das war für die Männer vom Bund der Korsaren kein Problem. Sie hatten eigene Spezialkarten angefertigt, in mühsamer und wochenlanger Kleinarbeit. Diese Mühe hatte sich gelohnt, denn jetzt kannten sie den größten Teil der Inselwelt wie ihre Hosentaschen.

Voraus segelte die „Empress“ unter Old Donegal. Bei ihm an Bord befand sich das frisch getraute Paar Don Juan de Alcazar und Taina, sozusagen auf reichlich bewegter „Hochzeitsreise“.

Der kleinen und wendigen Karavelle folgte die „Isabella“, dann die „Le Griffon“ und weiter Backbord im Kielwasser die „Caribian Queen“ unter Siri-Tong, der Roten Korsarin.

Die Männer hatten schwere Tage hinter sich, und weitere schwere Tage standen ihnen noch bevor.

Nach den Ereignissen in Santiago de Cuba, wo sie die Bastionen der Hafeneinfahrt unter Beschuß genommen hatten, segelten sie jetzt auf East Caicos zu. Die Insel war bereits als kleiner Fleck zu erkennen und wurde rasch größer.

Am Backbordschanzkleid der „Isabella“ standen Smoky, Matt Davies, Ferris Tucker und der Profos Edwin Carberry. Der Profos hatte die Ellenbogen lässig auf den Handlauf gestützt und zwei Finger unter sein Amboßkinn geschoben. Er blickte auf die voraussegelnde „Empress“, und es wurmte ihn, als er sah, daß Old Donegal ungerührt und hingebungsvoll an einer Buddel nuckelte.

„Hmm! Na, so was!“ brummte er. „Steht an der Ruderpinne und gluckert einen weg. Wo bleibt da sein Verantwortungsgefühl als Kapitän?“

„Du hast auch schon gesoffen und dabei an der Ruderpinne gestanden“, sagte Ferris Tucker grinsend. „Aber in diesem Fall handelt es sich wohl nur um den Neid der Besitzlosen.“

„Na hör mal! Ich habe lediglich einen geziemenden Streifen zu mir genommen, aber nicht gesoffen. Außerdem haben wir selbst genügend von dem Zeug an Bord. Ich könnte mir also eine Buddel holen und genau das tun, was Donegal auch tut.“

„Und warum holst du dir keine?“ fragte Matt gähnend.

„Weil ich kein schlechtes Beispiel geben will.“

Ferris sah seinen langjährigen Freund verdutzt an und schüttelte den Kopf.

„Aha, jetzt geht es los“, sagte er. „Du redest mit der mediterranen Verschlagenheit eines orientalischen Teppichhändlers. Aber ich glaube dir kein Wort. Hol doch mal ’ne Buddel, Matt. Verdient haben wir sowieso einen kräftigen Schluck.“

Matt Davies hatte sich bisher ziemlich schweigend verhalten und nur Minimalbestätigungen von sich gegeben, die in so schwerwiegenden Sätzen wie: „Hmm, mhm, jaja, ach so“ gipfelten.

Jetzt hatte er die Sprache wiedergefunden, denn Old Donegals genußvolles Gesüffel wirkte ansteckend.

„Klar, der Sir hat bestimmt nichts dagegen“, versicherte er eifrig. Und weg war er.

Aus dem offenen Kombüsenschott war das Zetern, von Mac Pellew zu hören. Er lamentierte wieder einmal, scheuchte Matt aus der Kombüse und erschien griesgrämig an Deck.

„Müßt ihr immer saufen“, murrte er, „könnt ihr nicht warten, bis wir das kleine Inselchen erreicht haben? Ich rück’ die Buddel nur unter eindringlichem Protest heraus.“

„Wie du die Buddel rausrückst, ist mir egal“, sagte Ed, „aber wenn du sie nicht rausrückst, dann zieh ich dir den Arsch über die Ohren, bis du aussiehst wie ein Mönch auf Wanderschaft.“

Mac Pellew blieb mit offenem Mund am Schott stehen. Dann schnappte er hörbar nach Luft, als ringsherum Gelächter einsetzte.

„Mönch auf Wanderschaft“, wiederholte Matt andächtig, „den kann ich mir richtig vorstellen. Und dann das traurige Gesicht dazu.“

„Wie ein seegängiger Trauerknödel“, meinte der Profos, grinste den verdutzten Mac an und nahm ihm die Buddel aus der Hand.

„Damit du sie vor Schreck nicht fallen läßt“, sagte er besorgt.

Die vier Männer nahmen wieder ihre Position am Schanzkleid ein.

Auf der voraussegelnden „Empress“ drehte sich Old Donegal um und hielt die Buddel hoch, als hätte er genau gerochen, was sich achteraus abspielte.

Der Profos hatte schon den Korken zwischen den Zähnen, nickte dem Alten zu und gluckerte das weg, was er als einen „geziemenden Streifen“ bezeichnete. Das war jedoch eher ungeziemend und auch kein Streifen, das war fast genau ein Drittel, wie die anderen entsetzt feststellten.

„So ein Schlückchen wärmt den kalten Magen“, sagte Ed.

Die beiden anderen gaben ihm recht und nuckelten mit. Und weil Ed mit dem Teilen bereits angefangen hatte, tranken sie den Rest.

Gary Andrews, Bill und Blacky hatten ebenfalls etwas gerochen und näherten sich erwartungsvoll grinsend.

„Wer nicht säuft zur rechten Zeit, der nimmt das, was übrigbleibt“, sagte Ed bedauernd und drückte Gary die leere Buddel in die Hand.

„Ist ja schon leer gesoffen“, sagte Gary enttäuscht.

„Ja, das ist eine sehr betrübliche Erkenntnis, aber sie ist absolut zutreffend. Du sagst es, Gary.“

„Und was soll ich jetzt mit der leeren Buddel?“ murrte Gary Andrews.

„Die wird dringend als Flaschenbombe gebraucht“, verkündete der Profos. „Deshalb haben wir uns ja auch so beeilt.“

Er ignorierte den mißmutigen Blick der anderen und zuckte nur bedauernd mit den breiten Schultern.

„Eine schöne Kameradschaft ist das“, wetterte Gary. „Kaum sieht man eine Buddel, schon wird sie einem vor der Nase weggesoffen. Nenn das bloß nicht Philosophie, oder so.“

„Tu ich auch nicht“, sagte Ed, „ich sehe das ganz nüchtern. Hättet euch ja mehr beeilen können.“

„Eine zweite gibt’s jedenfalls nicht!“ brüllte Mac Pellew vom Kombüsenschott her. „Damit das gleich klar ist. Gefeiert wird erst, wenn wir auf dem Inselchen sind.“

„Denk lieber an den Mönch auf Wanderschaft!“ rief Smoky, aber auch das bewegte Mac nicht dazu, noch eine Buddel herauszurücken.

Die Insel wurde jetzt größer. Sie lag dicht vor der unteren Ostküste von East Caicos.

Eine breite Strandzunge tauchte auf, heller Sand war zudem zu sehen. Ein paar Kokospalmen beugten ihre Wedel im warmen Wind. Eine breite Lagune wurde ebenfalls sichtbar. Ihr Wasser war fast grün. Sie befand sich zwischen der kleinen Insel und East Caicos.

Nichts deutete darauf hin, daß hier ein buchstäblich sagenhafter Schatz ruhte. Es war die unselige Schatzbeute des dicken Don Antonio de Quintanilla, an der Blut, Tränen, Verzweiflung, Elend und Tod klebten.

„Niemand würde hier einen derartigen Schatz vermuten“, meinte Smoky.

„Die Insel sieht so verlassen und friedlich aus, und dabei beherbergt sie weit und breit den größten Schatz.“

„Ich freue mich schon ganz besonders auf das Umstauen“, sagte Blacky. „Das wird wieder mal eine Heidenarbeit.“

Die anderen seufzten nur zustimmend. Klar, eine Mordsarbeit stand ihnen noch bevor, denn die riesige Schatzbeute mußte wieder auf alle drei Schiffe verteilt werden. Vor knapp einer Woche hatten sie die vielen Truhen, Kisten und Fässer hier versteckt. Das war erforderlich gewesen, damit die Schiffe wendiger und beweglicher waren, um sich den Dons zu stellen. Jetzt lag dieser Waffengang erfolgreich hinter ihnen, es gab keine Verfolger mehr. Aber das Zeug mußte wieder umgestaut werden.

 

„Und wenn das Zeug gar nicht mehr da ist?“ fragte Smoky, als die Männer schwiegen.

Er blickte in bestürzte und erstaunte Gesichter.

„Wie meinst du das?“

Smoky hob vielsagend die Schultern und grinste dünn.

„Kann doch sein, daß inzwischen Besucher hier waren. Vielleicht haben sie unsere Spuren entdeckt, denn alle konnten wir ja nicht verwischen.“

„Mal bloß nicht den Teufel an die Wand“, sagte Ferris. „Ich halte das für unwahrscheinlich.“

„Trotzdem ist es nicht ganz auszuschließen“, behauptete der Decksälteste. „Es kann Fischer in der Nähe geben, und möglicherweise hat jemand die Beute nur durch Zufall entdeckt.“

„Hör auf damit“, brummte Ed. „Es ist erst ein paar Tage her, seit wir die Beute versteckt haben.“

„Fast eine Woche“, sagte Smoky, „Zeit genug also, um …“

„Hör auf, verdammt noch mal!“ fauchte der Profos. „Der Krempel liegt noch hier. Und damit basta!“

„War ja nur so ’ne dumpfe Ahnung“, brummte Smoky beleidigt.

„Dumpfe Ahnungen hat der da vorne auch oft“, sagte Ed, wobei er auf Old Donegal deutete. „Wenn der Krempel weg wäre, hätte ihn längst sein Holzbein gejuckt.“

„Aufpacken!“ rief Ben Brighton vom Achterdeck. „Wir gehen an unserer alten Stelle vor Anker.“

Das Inselchen hatte zwei vorkragende Landzungen, die eine leicht geschwungene Bucht bildeten. Genau hier hatten sie am neunten Juni auch geankert.

Old O’Flynn segelte bis dicht an den Strand heran, weil die „Empress“ äußerst flachgängig war. Die anderen Schiffe hielten eine Distanz von etwa vierzig Yards zum Strand. Hier war das Wasser noch ausreichend tief, selbst wenn die Schiffe wieder beladen waren.

Die Segel wurden aufgegeit, die Anker gesetzt. Anschließend begann man damit, auf allen Schiffen die Beiboote abzufieren.

„Heißt das, es geht heute noch mit dem Stauen los?“ fragte Carberry den Seewolf.

„Nein, dazu ist es schon zu spät. Nach den letzten Ereignissen haben wir alle mal eine Nacht Ruhe verdient. Wir werden morgen in aller Frühe mit der Arbeit beginnen. Vorerst will ich mich jedoch davon überzeugen, ob alles noch am alten Platz liegt.“

„Smoky hatte vorher auch so eine Ahnung, Sir“, sagte der Profos beklommen. „Der behauptete doch glatt …“

„Ich habe weder eine Ahnung, noch würde ich etwas behaupten“, sagte Hasard lächelnd. „Und trotzdem sehe ich nach. Das geschieht rein gewohnheitsmäßig. Willst du mit an Land?“

„Aber immer doch, Sir.“

Etwas später pullten Carberry und Big Old Shane den Seewolf an Land.

Die Insel schien unberührt zu sein. Nur ein sehr aufmerksamer Betrachter hätte kleine Schleifspuren bemerkt – Batuti vielleicht, einem anderen wären sie mit Sicherheit entgangen. Hasard stellte fest, daß sie ihre Spuren doch sorgfältig und gut verwischt hatten.

„Niemand hiergewesen“, sagte er, „es sei denn, derjenige hätte seine Spuren ebensogut verwischt wie wir. Aber das hätte er ja nicht mehr nötig gehabt.“

„Dann ist ja alles in Ordnung“, sagte Ed erleichtert. Er blickte einem einsamen Seevogel nach, der hoch über ihren Köpfen seine Kreise zog, als bewache er das Versteck.

Big Old Shane ging durch das Dickicht, das ein paar Yards hinter dem Strand begann. Eine kleine Lichtung tauchte auf, wieder umgeben von wildwucherndem Gestrüpp.

Beruhigt stellten sie fest, daß alles noch unberührt war. Niemand hatte das Versteck auf dem Inselchen entdeckt.

„Alles in Ordnung“, sagte der graubärtige Ex-Schmied. „Hoffentlich stört uns keiner, wenn wir die Beute wieder einladen.“

„Das ist nicht zu befürchten“, erwiderte Hasard. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß hier heimliche Beobachter aufkreuzen.“

Diese Vermutung sollte sich jedoch später als Irrtum erweisen.

Taina hatte die Langusten und Hummer in der Lagune zuerst entdeckt. Es wimmelte nur so davon.

Sie fing sie geschickt mit den Händen und brachte sie an den Strand.

„Recht so“, sagte Old Donegal, „die Zwillinge werden dir helfen und ein paar andere auch noch. Dann veranstalten wir heute abend gleich ein kleines Fest.“

Etwas später waren ein halbes Dutzend Männer damit beschäftigt, Hummer und riesige Langusten zu fangen.

„Ein kleiner Schlaftrunk gehört auch dazu“, meinte der Profos. „In aller Bescheidenheit natürlich. Nur so ein kleines Schlummertrünkchen.“

„Ja, natürlich gehört das dazu“, sagte Hasard ergeben, „sofern es nicht wieder in eine höllische Sauferei ausartet.“ Er zeigte dabei auf die normannischen Schrats von der „Le Griffon“, die bei der Erwähnung des Schlummertrunks bereits am Grinsen waren.

„Aber ich doch nicht, Sir“, sagte Ed mit frommen Blicken. „Immerhin steht uns morgen früh eine harte Plackerei bevor. Von Saufen kann da also keine Rede sein.“

Zwei riesige Schrats näherten sich ihnen grinsend. Es waren der Kapitän Edmond Bayeux und sein Bootsmann, genannt der Kleine oder das Stöpselchen. Dabei maß das Stöpselchen gut seine sechseinhalb Fuß und hatte die Kraft eines Elefanten.

„Sagtest du etwas von einem Schlummertrunk, mein Freund?“ erkundigte sich der Kapitän neugierig. „Ich vernahm Ähnliches und stimme natürlich sofort zu.“

„Ich auch“, sagte das Stöpselchen bescheiden. „Es muß ja kein Alkohol sein – Bier und Rum tun es auch.“

„Ganz meine Meinung“, versicherte Ed. „Dann holen wir das Zeug am besten gleich an den Strand, damit es an Bord nicht verdirbt.“

„Und wie steht es mit dem Beladen der Schiffe?“ wandte sich Bayeux fragend an den Seewolf.

„Damit beginnen wir morgen früh, dann aber richtig.“

„Sehr gut, dann holen wir jetzt das Zeug.“

Die drei Männer enterten in eins der Beiboote und pullten los, um „das Zeug“ zu holen.

Mittlerweile waren auch der Kutscher, Mac Pellew und Cookie von der „Caribian Queen“ erschienen, die sich an dem Langustenfang lebhaft beteiligten.

Die Lagune erwies sich wahrhaftig als ein Langustenparadies. Es wimmelte nur so von Krebsen, Hummer und Langusten.

Mac Pellew stand bis an den Knien im Wasser und nickte begeistert, wenn er wieder eine Languste erwischte. Deutlich hoben sie sich im klaren Wasser vom Untergrund ab. Etwas später war er allerdings nicht mehr so begeistert von den Viechern.

Der Kutscher sagte gerade: „Das dürfte heute abend ein recht üppiges Mahl werden, meinst du nicht auch?“

Mac Pellew schluckte heftig, wurde blaß und sah ins Wasser. Dann zuckte er verstört zusammen.

„Mich – mich hat was gestochen“, murmelte er. „Gibt’s hier giftige Seeschlangen oder so?“

„Glaube ich nicht. Vielleicht bist du nur auf einen Krebs gelatscht.“

Mac ging schluckend zwei Schritte zurück und hob das rechte Bein hoch, wo ihn „was gestochen“ hatte.

Als er einbeinig herumhüpfte, verlor er prompt das Gleichgewicht und landete mit verkniffen-mürrischem Gesicht im Wasser.

Der Kutscher grinste, die Zwillinge grinsten, und auch Taina und Don Juan konnten sich das Lachen nicht verbeißen, als Mac verbiestert im Wasser hockte.

Dann zuckten sie entsetzt zusammen, denn Mac Pellew röhrte plötzlich los wie ein brünftiger Elch. Ein markerschütternder Schrei erklang in der Lagune.

Von den Schiffen sahen neugierig die Männer herüber. Auch die bereits am Strand waren, standen wie erstarrt da und sahen zu Mac hin.

Der Zweitkoch der „Isabella“ benahm sich reichlich seltsam. Er sprang mit einem irren Schrei wieder hoch, planschte im Wasser herum und drehte sich wie ein Kreisel auf der Stelle. Dabei schlug er mit beiden Händen wild um sich.

„Jetzt hat’s ihn aber erwischt“, sagte der Profos, der am Schanzkleid der „Isabella“ stand und gerade auf geentert war. „Was ist denn bloß mit dem los?“

Das Stöpselchen, Petit Bouchon, grinste bis an die Ohren, als Mac sich noch wilder bewegte und immer wieder um sich hieb. Zwischendurch stieß er markerschütternde Schreie aus.

„Vielleicht hat er Seeigel gefressen“, sagte er, „der sieht ganz verstört aus.“

Mac fiel gerade der Länge nach ins Wasser, japste nach Luft, erhob sich wieder und setzte seinen wilden Tanz fort, der in grotesken Sprüngen gipfelte.

Natürlich wurde das unter rauhem Gelächter saftig kommentiert, aber dafür hatte Mac kein Ohr. Er war mit sich selbst beschäftigt und benahm sich wie ein Irrer.

Den Grund dafür erkannten der Kutscher, Taina und Don Juan gleich darauf. Alle drei brachen in Gelächter aus.

Mac hatte sich auf einen großen Hummer gesetzt. Der Hummer hatte aber offenbar etwas dagegen, und so hatte er mit seiner riesigen linken Schere zugepackt.

Jetzt hing er bei Mac auf der Backbordseite am Achtersteven und packte unbarmherzig zu. Das war dem Panzerkrebs aber noch nicht genug. Als Mac zu zappeln und um sich zu schlagen begann, griff er auch noch mit der rechten Schere zu. Die war zwar etwas kleiner, aber sie konnte auch sehr zwacken, wie Macs Schreie bewiesen.

Das Bild war sehr ergötzlich, so fanden es jedenfalls die anderen. Mac selbst empfand das ganz anders, denn er wurde das höllische Vieh nicht mehr los. Je mehr er um sich schlug und brüllte, desto fester klammerte sich der Hummer an seinen Achtersteven.

Der Zweitkoch raste mit runzeligem Gesicht durch das flache hochaufspritzende Wasser. Beide Hände hatte er auf den Hummer gepreßt. Dabei jammerte und fluchte er, stieß wieder einen lauten Schrei aus und raste immer im Kreis herum.

Der Kutscher wollte ihm zu Hilfe eilen, doch Mac ignorierte die hilfreichen Hände und raste weiter. Diesmal nahm er unter dem wilden Gelächter der Kerle Kurs auf den Strand.

Die Wolfshündin Plymmie befand sich ebenfalls am Strand. Die Hündin stutzte und legte die Ohren an, als Mac auf sie zuraste. Offenbar hielt sie das für ein gelungenes Spiel.

Als Mac brüllend vorbeirannte, folgte Plymmie ihm unter wildem Gebell und ständigem Hochspringen. Mac raste noch schneller, was seine Beine hergaben. Aber die Hündin war schneller und sprang erneut an ihm hoch.

„Der Köter beißt mich!“ brüllte Mac in totaler Verkennung der Lage. Er wirbelte herum, um die Hündin zu verscheuchen. Aber da zwackte gerade wieder der Hummer, und so landete Mac unter dem homerisch brüllenden Gelächter der anderen mit Hummer und Plymmie im Sand.

Seine Augen tränten, vor Schmerz, Wut und Ärger. Mit der Hand schlug er nach dem Panzerkrebs, der nicht im Traum daran dachte, loszulassen.

„Hilfe!“ schrie Mac. „Die bringen mich um!“

Inzwischen hatte sich eine ganze Meute eingefunden, die dem bedauernswerten Mac helfen wollte. Sie rannten ihm nach, um ihn von dem übel zwackenden Hummer zu befreien, aber auch das kriegte Mac wieder vor Aufregung in den falschen Hals.

Als die Kerle hinter ihm hertobten und dabei noch lachten, nahm Mac Pellew erneut Kurs aufs Meer. Plymmie folgte ihm sogar ins Wasser. Mac raste wie eine Kanonenkugel hinein, warf sich der Länge nach in die Fluten und wälzte sich auf den Rücken, um seinen Plagegeist loszuwerden, der immer noch wie eine Klette an ihm hing.

Big Old Shane erwischte den brüllenden und Salzwasser spuckenden Mac Pellew endlich. Er hievte ihn mit einem schnellen Griff aus der Lagune, stellte ihn auf die Beine und riß ihm den Plagegeist mit einem harten Ruck vom Hosenboden. Mac gab einen jämmerlich kreischenden Ton von sich.

„Hummerarsch!“ brüllte Carberry laut herüber.

Mac Pellew zeigte ihm mit tränenden Augen einen Vogel, indem er an die Stirn tippte.

Shane hielt den zappelnden Zweitkoch fest, weil der sich schon wieder losreißen wollte. Mac schielte nervös auf den Hummer, den Shane in seiner gewaltigen Pranke hielt.

„Wirf die Bestie weg!“ kreischte er. „Die bringt mich noch um. Die hat mir die Haut in Streifen abgezogen.“

„Von deinem Affenarsch“, sagte Shane nickend. „Du bist aber auch ein ausgesprochener Pechvogel. Vor gar nicht so langer Zeit mußtest du ausgerechnet in eine Rattenfalle latschen. Diesmal setzt du dich zur Abwechslung auf einen Hummer. Und was für ein Prachtexemplar.“

Er hielt Mac den kapitalen Hummer vor die Nase.

„Schmeiß ihn weg!“ brüllte der Koch.

„Wo werd’ ich denn! Der landet nachher im Topf. So was Gutes wirft man doch nicht wieder weg.“

 

Als Mac aus der Lagune dem Strand zustapfte, überholte ihn Carberry mit den beiden Normannen. Alle drei grinsten bis an die Ohren, weil Mac immer noch eine Hand auf seinen Achtersteven gepreßt hielt.

„Soll ich dir nachher ein bißchen Salbe auf deinen Hummerarsch streichen?“ fragte Ed anzüglich. „Sicher hat der Mister Hummer ein paar Fetzen herausgerissen.“

„Laß mich bloß in Ruhe“, fauchte Mac. „Setz du dich mal auf einen Hummer, dann vergeht dir dein dämliches Grinsen.“

„Ich bin ja nicht blöde“, sagte Ed. „Weshalb sollte ich mich auf einen Hummer setzen? So was kann doch nur dir passieren.“

Der Profos zeigte mit dem Finger ins Wasser.

„Verdammt, da ist ja noch einer. Direkt vor deinem rechten Fuß.“

Er hatte die Worte noch nicht ganz heraus, als Mac wie ein Kastenteufel senkrecht in die Luft sprang. Schon wieder setzte er zu einem wilden Schrei an, als er den Profos hinterhältig grinsen sah.

Die beiden normannischen Schrats lachten dröhnend. Carberry begann niederträchtig zu feixen.

Mac Pellew lag schon wieder flach im Wasser und versuchte, dem Angriff des vermeintlichen Hummers zu entgehen. Doch da war keiner. Der Profos hatte sich nur wieder mal einen kleinen Scherz geleistet, der jedoch bei Mac überhaupt nicht ankam.

„War das etwa keiner?“ fragte Ed harmlos, als Mac mit knallrotem Schädel wieder auftauchte. „Hat aber fast so ausgesehen. Na, wenn es keiner war, ist es ja noch besser. Dann kann er dir auch nichts tun.“

Mac Pellew fühlte einen wilden Zorn in sich aufsteigen. Ausgerechnet er mußte sich auf den verdammten Hummer setzen und wurde dann auch noch verspottet und ausgelacht.

Carberry und die normannischen Knechte setzten lachend ihre Fahrt zum Ufer fort. Das Boot war mit Fässern und Flaschen beladen, und unter den Duchten lagen große Humpen.

Sehr sauer drehte Mac um. Als er ins flache Wasser blickte, sah er eine mittelgroße Languste auf dem Boden herumkrebsen.

Mac griff nach ihr, wog sie prüfend in der Hand und feuerte sie dann voller Wut dem Beiboot hinterher.

Carberry ließ vor Schreck die Ruderpinne fahren, als die Languste ihn ins Genick traf, seitlich abrutschte und zwischen den Duchten landete.

„Verflucht noch mal!“ brüllte er wild. Dann drehte er sich um und sah Mac Pellew im Wasser stehen.

„Hähähä-hähähä!“ wieherte Mac. Sein Gesicht hatte sich zu dem verzogen, was er selbst als „Lachen“ bezeichnete. Das sah dann immer so aus, als kaue er auf zwei faulen Zitronen herum.

„Hummerarsch!“ fluchte der Profos. Er drohte Mac noch nachhaltig mit der Faust, ehe das Boot auf den Strand lief und eilfertig von den Männern entladen wurde.

Nach und nach hatten sich dort die Mannschaften aller Schiffe eingefunden.

Die Zwillinge trugen Holz zu einem Haufen zusammen. Bei Anbruch der Dunkelheit sollte am Strand ein Feuer entzündet werden. Sie taten das mit großem Eifer und sammelten gleichzeitig noch ein paar Kokosnüsse mit ein, die von den Palmen gefallen waren.

Philip wog eine der Nüsse in der Hand.

„Leer“, stellte er fest, „da ist nichts mehr drin.“

Jung-Hasard deutete zum Stamm einer anderen Palme. Darunter hockten zwei große buntgefärbte Krabben. Sie hoben die Scheren auf und nieder. Die Dinger waren so groß, daß sie fast die Hälfte ihres Körpergewichtes ausmachten.

„Das sind die Übeltäter“, sagte Hasard. „Winkerkrabben nennt man die, weil sie immer so aufgeregt winken. Die knacken die Kokosnüsse und fressen das Fleisch.“

Als sie sich den kampflustigen Winkerkrabben neugierig näherten, zogen die es jedoch vor, in ihre Gänge zu verschwinden.

Mit einer Menge Holz kehrten die beiden wieder zum Strand zurück.

Dort war bereits alles in vollem Gange. Die Bierfässer waren im Schatten einer Palme übereinandergestellt worden.

Der Kutscher und Taina entzündeten gerade ein Feuer, während Mac gedankenverloren und sauertöpfisch herumstand und wieder eine Hand auf sein Heck gepreßt hielt. Dort brannte es immer noch erbärmlich.

Taina erwies sich als äußerst sachkundig für die Zubereitung der Hummer und Langusten. Batuti hatte noch einen großen Fisch gefangen, der in Bananenblätter gewickelt und dann gedämpft wurde.

Hasard ging zu Old O’Flynn hinüber, der sich mit Martin Correa und Don Juan unterhielt.

„Ich glaube nicht, daß heute abend hier noch ein Schiff aufkreuzen wird“, sagte er. „Trotzdem haben wir einen Ausguck aufgestellt. Morgen übernimmst du die Position als Ausguck mit der ‚Empress‘, Donegal. Und zwar legst du dich mit der Karavelle seewärts vor die Insel. Die drei anderen Schiffe ankern relativ gut geschützt hinter dieser Insel, aber Vorsicht ist nun einmal die Mutter der Porzellankiste.“

„Sehr gut“, sagte Old O’Flynn. „Aber weshalb erst morgen früh? Wir können gleich verholen und uns dort auf die Lauer legen. Es genügt ja, wenn ein Mann an Bord bleibt.“

„Einverstanden“, sagte Hasard, „das ist noch besser. Ich rechne zwar immer noch nicht mit der Möglichkeit, entdeckt zu werden, aber wir wollen trotzdem kein Risiko eingehen.“

Kurz darauf verholte die schnelle und wendige „Empress“ zur anderen Seite. Von hier aus hatten sie einen direkten Überblick über den Atlantik und konnten jedes Schiff erkennen, das sich diesem Gebiet näherte.

Ein Mann blieb als Ausguck an Bord. Die anderen kehrten wieder zum Strand zurück.

Die Köche waren immer noch mit der Zubereitung beschäftigt. Das Feuer brannte mittlerweile. Holzkohle wurde nachgeschüttet, damit es ordentlich Glut gab.

Der große Fisch in den Bananenblättern wurde zuerst gedämpft. Er brauchte eine ganze Weile zum Garwerden.

Big Old Shane hatte einen Eisenrost vom Schiff geholt, auf den jetzt die Hummer und Langusten gepackt wurden. Schon bald zog ein lieblicher Duft über den Strand.

Weil es weiter nichts zu tun gab, stromerten die Zwillinge Hasard und Philip ein wenig herum, um sich umzusehen.

Auf dem Inselchen gab es jedoch nicht viel zu sehen, und so landeten sie nach einer Weile bei den Schatztruhen, Kisten und Fässern.

„Ich stelle mir gerade vor, ich hätte diesen gewaltigen Schatz hier auf der Insel entdeckt“, sagte Hasard. „Ein Piratenschatz natürlich, wie es sich gehört.“

„Vor ein paar Jahren hätte mich das noch mächtig aufgeregt“, tönte Philip, „aber jetzt nicht mehr. Dazu haben wir schon viel zuviel von dem Klunkerzeug gefunden.“

„Trotzdem finde ich es immer noch hochinteressant.“

In aller Ruhe sahen sie sich die Kisten, die Fässer und die vielen eisenbeschlagenen Truhen an.

„Na ja, das Entdeckergefühl ist jedenfalls weg“, sagte Philip bedauernd.

Das Gefühl kehrte aber gleich darauf zurück, als Philip eine der Truhen näher in Augenschein nahm.

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