Buch lesen: «Magisches Kompendium - Voodoo - Theorie und Praxis», Seite 3

Schriftart:

Hierbei muss man aber auch sofort wieder im Hinterkopf behalten, dass das haitianische Voodoo klare und sehr deutliche Unterschiede zum afrikanischen Voodoo besitzt, sodass man sich hier eben die sozialen und kulturellen „Dorfstrukturen in Afrika“ anschauen muss, wie auch die sozialen und kulturellen „Stadtstrukturen in Haiti“. Es gibt hier eben doch sehr große Unterschiede. Diese ganzen Unterschiede beziehen sich selbstverständlich erst einmal auf die religiösen, gleichzeitig aber auch auf die magischen Entwicklungen in der Voodoo-Religion. Die verschiedenen Entwicklungen der einzelnen Stämme, Sippen und sogar Familien müssen stets berücksichtigt werden, wenn man eben auch die magische Komponente der Voodoo-Religion begreifen will. Es gibt verschiedene Voodoo-Familien, es gibt verschiedene Voodoostämme, es gibt auch Voodoodörfer, es gibt Voodooethnien, und auch wenn hier überall die Vodun / Loas / Iwas verehrt werden, gibt es auch überall ein übergeordnetes Schöpfungsprinzip. Dies ist im Übrigen einer der wenigen roten Fäden in der Voodoo-Religion, denn wie schon gesagt, eine ganz klare Definition über die Religion Voodoo, ist hier einfach nicht möglich, da sie zu weit gestaffelt, zu individuell, zu flexibel und zu zeitorientiert ist. Wenn man will, kann man sagen, dass Voodoo mit dem Animismus beschrieben werden kann, sodass alles in der Natur beseelt ist. Ja, kann man sagen. Man kann aber auch sagen, dass Voodoo monotheistisch ist, und über eine Schöpfergottheit verfügt. Kann man auch sagen! Man kann aber auch einfach sagen, Voodoo ist Voodoo! Ende! Alle weiteren Erklärungen sind hinfällig, da man Voodoo für sich selbst definieren kann und definieren muss, wenn man in diesem Arbeitsbereich, in diesem Paradigma agieren kann und agieren will.

Doch wenn ich jetzt schon so oft von diesen ominösen Schöpfergottheiten berichtet habe, will ich diese doch auch einmal aufzählen. Ähm … Schöpfergottheiten? Wieso denn Mehrzahl? Gibt es nicht nur DEN Schöpfergott? Tja, in einem normalen Monotheismus bestimmt, im Voodoo ist es schon wieder anders. Ja, Religion ist wirklich nicht einfach, Voodoo ist wirklich nicht einfach, Religion verursacht Hirnknoten, Voodoo verursacht Hirnknoten, Religion verursacht Chaos, Voodoo verursacht Chaos, und dies alles kann letztlich auch zu Streitereien, Ideen, Möglichkeiten, Philosophien und Evolutionsmechanismen führen. Und genau diese Möglichkeiten, diese Ideen, diese Philosophien, diese Sprungbretter der Evolution können beleuchtet werden, wenn man die Schöpfungsgottheiten ideologisch und nicht rein religiös betrachtet. Durch diese ideologische Betrachtung kann man die Voodoo-Religion als eine Art Netzwerk der Natur verstehen, sodass die Natur akzeptiert, respektiert wird, da die Natur eben alles ist, und hier auch das göttliche direkt beobachtet werden kann. Daher wird manchmal das Wort Voodoo ganz einfach mit „übernatürliches Wirken“, „feinstoffliche Kraft“ oder auch „göttliche Power“ gleichgesetzt, beschrieben, übersetzt, versinnbildlicht, oder auch einfach nur etikettiert. Etikettiert?

Voodoo ist als Religion nicht so greifbar, wie zum Beispiel das Christentum, der Islam oder das Judentum. Genau deswegen passt es, dass der menschliche Intellekt hier manchmal eine Etikettierung durchführt, um überhaupt zu begreifen, dass das eine die Voodoo-Religion ist, dass andere das Voodoo-Leben, und das nächste die Voodoo-Magie. Es geht um die Natur, es geht eher um den Animismus, es geht um die göttliche Kraft, die immer und überall vorhanden ist. Das ist die Energie des Voodoo, und diese Energie manifestiert sich in den Vodun / Loas / Iwas. Doch diese Energie, dieses Wirken, diese Kraft, diese Power ist für den Menschen absolut unbegreiflich. Selbst die Vodun / Loas / Iwas sind nur in Ansätzen zu begreifen. So ist Voodoo auch ein Konzept, welches der menschliche Geist einfach nicht fassen kann, sodass hier ein Glaube zwingend existieren muss, da es zu keinem Wissen kommen kann. Dies gilt auch wiederum für die Vodun / Loas / Iwas, und natürlich auch für die Schöpfergottheit des Voodoo selbst. Daher ist es menschlich, dass dieses Konzept, diese transzendente Energie, dieses omnipotente Prinzip eben als Schöpfungsenergie verstanden wird, und hier auch entsprechende Bezeichnungen erhält. Es geht also wieder um klassische Namen! Dass diese Namen im afrikanischen Voodoo und im haitianischen Voodoo unterschiedlich sind, sollte logisch sein, da eben auch die kulturellen Eigenschaften, die Eigenschaften des Landes, die sozialen Eigenschaften und die Herkunft aus der Sklaverei, speziell im Falle von Haiti, und die Unterdrückung als Kolonie, im Falle der afrikanischen Länder, berücksichtigt werden müssen. So ist dieses omnipotente Schöpfungsprinzip erst einmal „gut“! Dies zeigt sich auch in der haitianischen Bezeichnung, denn hier geht es einfach um den „guten Gott“, dessen Name (bzw. die wortwörtliche französische Übersetzung) einfach „Bon Dieu / Bondyé“ lautet. Aber auch die kreolischen Ausdrücke „Bondye“, „Bondyé“ oder „Bóndyé“ müssen hier genannt werden. Der „gute Gott“ ist hier ganz einfach „der große Baumeister, aller Ebenen, in Zeit und Raum“, also der „Gran Met“, was dann wieder wortwörtlich „großer Meister“ bedeutet. Im afrikanischen Voodoo ist das Schöpfungsprinzip Mawu / Mawu-Lisa / Sêgbo-Lisa / Dada Sêgbo / Sêmêdo / Gbêdoto zu nennen! Doch auch hier ist es so, dass dieses, omnipotente Schöpfungsprinzip prinzipiell gut ist, hier aber doch auch eine stärkere Polarität zwischen einer männlichen und einer weiblichen Schwingung hat, zwischen einer Animus-Energie und einer Anima-Energie. Zwar existiert hier auch manchmal nur der Begriff Mawu, was man wortwörtlich mit „Mutterschaf“ übersetzen kann, ein Begriff, der aus der Fon-Sprache kommt, doch Mawu wird dann auch mit dem männlichen Prinzip „Lisa“ vermählt, sodass hier ein androgynes Schöpfungsprinzip existiert. Männlich und weiblich! Animus und Anima! Ein Prinzip, doch so viele Namen? Nun ja, man kann alle Namen als EIN Konzept sehen, als EIN Konzept, welches sehr weit entfernt ist, weit entfernt von der Erde, den Menschen, der dritten Dimension. Deswegen kümmert sich dieses Konzept (oder auch diese Konzepte) nicht um die Menschen.

Doch dadurch, dass hier die Schöpfung erschaffen wurde, wurden Regelungen erschaffen, sodass alles, in der Schöpfung auch behütet wird, in entsprechenden Bahnen läuft, und nicht der Schöpfung zuwiderhandelt. Deswegen wird Voodoo auch manchmal mit entsprechenden kulturellen Weisheiten der verschiedenen Ethnien beschrieben, wie zum Beispiel der Ausdruck der Fon „Mawu wê do Vodun lê“, was man in etwa damit gleichsetzen kann, dass man sein Leben leben soll, dass die Natur einem alles bietet, dass man in der Natur alles findet, auch um seinen Geist selbst zu erhöhen. Die Menschen sind die Kreaturen, oder auch die Schöpfung, von Mawu / Mawu-Lisa, der aber auch Vertreter unter die Menschen geschickt hat, die die Transzendenz erreichen können, um die Zeichen der göttlichen Immanenz (das Göttliche, das Kosmische, das Innewohnen in Allem) zu verstehen und die anderen Menschen anzuleiten. Voodoo ist also wieder alles, was magisch ist, was heilig ist, was unerklärlich ist, was unbegreiflich ist, alles, was feinstofflich ist, gleichzeitig aber auch die Materie beeinflusst, sodass hier auch wieder alles Voodoo ist, was mystisch ist, was geheimnisvoll ist, was übernatürlich ist. Manchmal könnte man Voodoo auch mit den Aussprüchen „Mawu na blo“, was man als „Gott/Schöpfungsenergie wird handeln“ übersetzen kann oder auch als „Kpê Mawu ton“, was man als „Gott / Schöpfung Energie wird entscheiden / wird es richten“ übersetzen kann. In Benin, wird zum Beispiel Voodoo sinngemäß auch damit erklärt, dass Voodoo die Harmonie, die Einheit, die Liebe ist, die den Menschen unterrichtet und lehrt, dass auf der Erde alles miteinander verwoben ist. Somit ist Voodoo jedes Naturgesetz, da jedes Naturgesetz Voodoo beschreibt. Voodoo ist der Geist, und der Geist ist Voodoo! Magie ist! Voodoo ist! Voodoo ist Magie, Magie ist Voodoo! Hieran erkennt man, dass man begreifen muss, dass man eben die Vokabel „Voodoo“ nicht mit einer „fixen Übersetzung“ versehen kann, da eben hier alles NICHT so einfach und wortwörtlich bestimmbar ist. Es sind eher Tendenzen, die man dann in Richtung „Das Geheimnis, welches man nicht ergründen/erkennen kann“ oder auch „die Kraft/Macht/Dynamik/Energie, die immer und überall wirksam ist“ verstehen muss, was dann aber keine echte Übersetzung ist. Voodoo hat nun einmal eine vielschichtige Bedeutung, sodass man hier eben KEINE klaren und wortwörtlichen Übersetzungen vollziehen kann. Die Vokabel „Voodoo“ ist mehr als ein Konzept zu deuten. Tja und Konzepte und Religionen sind doch recht nah zusammen, nicht wahr? Deswegen kann man Voodoo auch mit „Geist/Gott/Macht“ übersetzen, die dann aber immer und überall ist.

So ist es also auch kein Problem, dass man statt der Begrifflichkeit „Voodoo“ auch einfach den Begriff „Geist“, „Gott“, „göttliche Macht“, „göttliche Potenz“, „Engel“ oder auch „Äther“ bzw. „Quintessenz“ verwenden kann. Sogar „Blut“ kann hier als Synonym verwendet werden, denn wenn man das Blut als fünftes Element versteht, als Element des Geistes, passt es perfekt auch in die verschiedenen religiösen Handlungen des Voodoo, wo nun einmal mit Blut gearbeitet wird.

In diesem Zusammenhang muss man natürlich auch begreifen, dass Voodoo uralt ist, dass es letztlich eine Naturreligion ist, eine Naturreligion, die den Animismus verwendet, die Allbeseeltheit der Natur, was wiederum bedeutet, dass man hierbei den ganzen afrikanischen Kontinent berücksichtigen muss. Auch hier geht es wieder um Hochkulturen, wobei man sich jetzt darüber streiten kann, wie alt die jeweiligen Kulturen sind, denn es gibt hier keine klaren Aufzeichnungen und keine klaren Funde. Daher muss man dabei bleiben, dass die älteste Hochkultur ganz klar im Zweistromland zu finden ist, in Sumer, wobei es dann auch wieder Verbindungen zu Ägypten gab, die dann auch Verbindungen zu Äthiopien führten, wobei hier die Legende der „Königin von Saba“ zu nennen ist, wobei es aber keine 100-prozentigen Beweise wirklich dafür gibt, dass diese Person aus Äthiopien kam. Doch auch der Sudan und Nubien sind hier zu nennen, wobei diese Länder alle im Osten Afrikas liegen, und die Länder Nigeria, Benin, Togo und Ghana an der Westküste. Doch eigentlich ist es auch irrelevant, wie alt Voodoo ist, da Voodoo eine Religion ist, eine Maxime, die sich den Gegebenheiten anpasst, was bedeutet, dass Voodoo nicht mehr die alten und überholten Traditionen lebt, sondern mit der Zeit geht. Aber es klingt für die Menschen faszinierend, dass Voodoo sicherlich 10.000 Jahre alt ist. Nun, Voodoo ist eine Naturreligion, und somit ist Voodoo älter als 100.000 Jahre. Dies gilt im Übrigen für jede Naturreligion, da die Geschichte der Menschheit deutlich älter ist als 100.000 Jahre. Da aktuelle Ausgrabungen und Forschungen davon ausgehen, dass die ältesten Funde, welche in Marokko (in Djebel Irhound) gefunden wurden, ca. 300.000 Jahre alt sind, kann man davon ausgehen, dass das Leben in und mit der Natur ein entsprechendes Alter besitzt, sodass alle Schamanismen, alle Naturreligionen, somit auch Voodoo, ungefähr 300.000 Jahre alt sind.

Frage! Ist dies eigentlich alles wichtig, wenn es um die Magie geht, um das magische Potenzial im Voodoo??? Ja und nein! Voodoo ist Magie, Voodoo ist Religion, und man muss bei diesen ganzen Dingen immer den christlichen Synkretismus berücksichtigen, genauso wie die Flexibilität im Voodoo. Wenn ich das haitianische Voodoo betreiben will, werde ich auch immer Verbindungen zum Christentum betreiben. Dies kann im magischen Kontext problematisch werden, wenn man europäisch arbeitet, und versteht, dass gerade in Europa die Kirche einen gigantischen Machtmissbrauch ausübte und eigentlich auch immer noch ausübt. Will man sich wirklich mit diesen Verknüpfungen, Netzwerken, Energien und „Verwebungen/Verklebungen“ einlassen? Ich kann hier ganz bewusst sagen, dass sich dies vermeiden will! Es geht um Magie, es geht um Energiearbeit, es geht um Flexibilität, und zum Glück ist Voodoo auf der einen Seite sehr flexibel und auch tolerant! Tja, das Problem ist aber die andere Seite, denn Voodoo kann auch sehr dogmatisch, hinterwäldlerisch und intolerant sein.

Auch wenn Voodoo nicht eine primäre Schriftreligion ist, auch wenn Voodoo flexibel ist, auch wenn Voodoo sich dem Zeitgeist anpasst, und nicht irgendwelche besonderen Institutionen, Anführer oder dergleichen besitzt, gibt es dennoch hier verschiedene Ämter, Aufgabenbereiche und „Berufsbezeichnungen“! Doch da Voodoo eine Naturreligion ist, muss man auch wieder ganz klar und deutlich sagen, dass es im Allgemeinen, KEINE religiösen Institutionen und auch keine strikten Hierarchien gibt. Es gibt NICHT so etwas wie den Papst, den Dalai-Lama, den Kohen Gadol כהן גדול, (wörtlich „großer Priester“) oder den Iman. Dennoch gibt es hier spezifische Titel, die sich auf „praktische“ oder auch „wissende / weise“ Menschen beziehen. Doch welche Bezeichnungen, Titel, Aufgaben, Berufe sind dies? Nun, in diesem Kontext muss der Houngan/Oungan oder die Mambo erwähnt werden, da es sich hier um klassische Priesteraufgaben handelt. Wenn man dann zu der Bezeichnung des Bokor / Bocor / Bòkò / Azetó, oder auch zu der Caplata kommt, dann findet man hier die klassischen Hexen, Zauberer, Magier, die eben auch für schadensmagische Arbeiten aufgesucht werden. Letztlich ist dann aber auch noch der Bokonon zu nennen, der auf der einen Seite ein Apotheker ist, aber auch ein Kräuterkundiger, ein Arzt, ein Exorzist, und irgendwie alles, was eben von einem Houngan/Oungan, einer Mambo, einem Bokor / Bocor / Bòkò / Azetó oder einer Caplata NICHT abgedeckt wird. Primär geht es hier um besondere Aufgaben, es geht um einen Wissensstand, der sich jedoch erarbeitet wurde, was wiederum bedeutet, dass diese Titel Arbeitstitel sind, und definitiv nicht von anderen Menschen vergeben werden, da diese Menschen eigentlich BERUFEN werden bzw. berufen sind, da sie sich im Grunde selbst berufen bzw. sie werden durch die Energien der Natur, durch die Vodun / Loas / Iwas, also im Grunde von Mutter Natur und Vater Himmel selbst, berufen, initiiert und eingesetzt. Dass es hier dann eben auch magische Initiation gibt, wo die bereits initiierten Priester die jeweiligen Rituale leiten, sollte klar sein, was aber nicht bedeutet, dass irgendein Houngan/Oungan, irgendeine Mambo, so agieren würde, wie die katholische Kirche, dass die höheren Kirchenämter eigentlich alles politische Ämter sind. Nein, es geht um Fähigkeiten, es geht um Wissen und Weisheit, es geht um ein Nutzen für die Gemeinschaft, für die Familie, für den Stamm, für diesen Bund, für das Dorf.

Titel! Besondere Bezeichnungen! Menschen, die sich besonders benennen! Muss das sein? Ja, denn wenn es um eine Gruppierung, um eine Organisation, eine Religion oder auch nur um magische Maximen geht, müssen spezifische Vokabeln her, sodass es hier Unterscheidungen gibt. Es ist in jeder Religion so, dies ist auch in allen magischen Maximen so, auch wenn es hier zum Teil gigantisch viele Bezeichnungen gibt, oder wirklich nur einzelne. Doch überall, wo Menschen agieren, überall wo Menschen leben, ist es ein logischer Schluss, dass hier besondere Betitelungen gewählt werden, um Aufgaben zu verifizieren, Möglichkeiten zu eruieren, Arbeitsbereiche abzustecken und auch Verantwortungen zu markieren.

In der Voodoo-Religion gibt es hier eben einige Titel, die sich dahingehend unterscheiden, dass hier spezifische Aufgaben deklariert sind. Doch bei diesen ganzen Titeln, bei diesen ganzen Bezeichnungen, bei den ganzen verschiedenen Schreibweisen, muss man immer wieder bedenken, dass Voodoo eine mündliche Überlieferung verwendet, sodass hier eine Lautschrift reflektiert werden muss, und nicht irgendwelche Wörterbücher. Im afrikanischen Voodoo werden auch die jeweiligen Priester, die hier einfach als „Priester“ bezeichnet werden, als „Vodúnnɔ́“ betitelt, was in der Fon-Sprache eben wortwörtlich „Priester“ heißt. Doch der Begriff „Vodúnnɔ́“ wird im Grunde literarisch nicht verwendet, da hier eben die Vokabel Houngan/Oungan existiert. Wenn man sich etymologisch den Begriff „Houngan/Oungan“ anschauen will, dann findet man auch hier eine Vokabel, die aus dem Wortschatz der Fon kommt. Dies bedeutet, dass man also hier auch wieder die „afrikanische Heimat“ des Voodoo betiteln kann, also primär das Land Benin, sekundär aber auch die Länder Togo, Ghana und Nigeria. Andere Quellen sprechen davon, dass es sich um ein Wort aus der Bantu-Sprache handelt, was jedoch ein relativ neuer Begriff ist, der erst 1856 sprachwissenschaftlich eingeführt wurde, und sich auf das kongolesische Wort „Bantu“ bezieht, was man einfach mit „Mensch“ übersetzen kann. Hierdurch wird eine Sprachfamilie gekennzeichnet, die in Mittel- und Südafrika von über 200.000.000 Menschen gesprochen wird, und in der Familie der „Niger-Kongo-Sprachen“ zu finden ist. Nun, zu dieser Familie gehört auch die Fon-Sprache, sodass man sagen kann, dass die Bantu-Sprache hier als eine Art Großfamilie zu sehen ist, während Fon eine speziellere Bezeichnung darstellt. Doch was heißt „Houngan/Oungan“ denn in der Übersetzung? Um hier eine Antwort zu finden, muss man etwas tiefer dringen, denn selbstverständlich gibt es doch weitere Unterschiede in den Sprachen, Bezeichnungen, Lautschriften und Übersetzungen. Diese Unterschiede beziehen sich einmal darauf, dass der Titel Houngan/Oungan sich auf die Fon-Bezeichnung „Hounnongan“ bezieht, und einmal auf die Bantu-Sprache (bzw. dann die Kikongo-Sprache, also das Kongolesische), wobei hier der Begriff „Nganga“ klassifiziert ist. Und was es jetzt richtig? Eigentlich sind beide Möglichkeiten denkbar, denn das Fon-Wort „Hounnongan“ setzt sich aus den Silben „Houn“ (oder auch „Oun“) und „Gan“ zusammen, wobei die Übersetzungen „Geist“ und „Oberhaupt/ Anführer“ lauten, woraus dann der „Anführer der Geister“, der Hounnongan, der Houngan/Oungan wird. Und da der Houngan/Oungan als klassischer Priester zu sehen ist, der mit den Vodun / Loas / Iwas arbeitet, hier die jeweiligen Zeremonien ausführt, also die Geister beschwört, eine Invokation leitet, Geister aufnimmt und anführt, ist diese Bezeichnung ohne weiteres denkbar und auch sinnvoll. Wenn es dann um den Begriff „Nganga“ geht, findet man hier eine Bezeichnung, die einen spirituellen Heiler, einen Kräuterkenner, einen Apotheker beschreibt. Hier geht es auch wieder um die Wortfamilie, denn in der Fon-Sprache würde eine solche Person als Bokonon bezeichnet werden. Man sieht hier, dass der Kongo doch sprachlich etwas weiter von Benin und von der Fon-Sprache entfernt ist, als man denken möchte.

Dies hat sich selbstverständlich auch auf die „Voodookolonien“ ausgeweitet, wenn man die Länder in Süd-, Mittel- und Nordamerika denn so bezeichnen will. Wenn es also um das haitianische Voodoo geht, dann ist hier die Vokabel „Houngan/Oungan“ primär zu nennen. Wenn man sich jetzt auf die afrikanischen Länder, speziell auf Benin beziehen will, dann wäre es eigentlich Hounnongan oder auch einfach Vodúnnɔ́, da hier die Magie UND die Priesterschaft etwas ganz Alltägliches sind. Dies gilt aber auch für die Mambo, denn sie ist das weibliche Pendant des Houngan / Oungan / Hounnongan / Vodúnnɔ́, sodass auch hier alle entsprechenden Aufgaben und Pflichten erfüllt werden. Dies sollte logisch sein, denn selbstverständlich gibt es in der Voodoo-Religion auch männliche und weibliche Führungskräfte. Der Begriff „Mambo“ stammt auch wieder aus der Fon-Sprache, wo hier die Vokabel „Nanbo“ zu finden ist, was in der Übersetzung grob „Mutter der Geister/Magie“ bedeutet.

Da der Houngan / Oungan / Hounnongan / Vodúnnɔ́, genauso wie die Mambo, mit den Vodun / Loas / Iwas in einem engen Kontakt steht, sodass es hier zu einem klaren Austausch kommt, sind letztlich auch der Houngan / Oungan / Hounnongan / Vodúnnɔ́, genauso wie die Mambo als eine Instanz zu verstehen, die auch entsprechende Verfehlungen der Voodoosi/Voodonsi ahnden kann. Ahnden? Nun ja, da die religiösen Gemeinschaften und die Voodoo-Familien stets darauf achten, dass das Leben hochgehalten wird, es aber dennoch entsprechende Straftaten, Vergewaltigungen, Diebstähle, Morde etc. gibt, und man in der Voodoo-Religion für seine Taten vollkommen verantwortlich ist, werden der Houngan / Oungan / Hounnongan / Vodúnnɔ́ und die Mambo definitiv die jeweiligen Verfehlungen bei den Vodun / Loas / Iwas thematisieren. Da sowieso im Voodoo-Glauben davon ausgegangen wird, dass die Vodun / Loas / Iwas immer und überall sind, sodass sie alles und jeden sehen, ist hier eine Thematisierung einer Straftat eigentlich nicht nötig, doch es ist typisch menschlich, da man sich eben auch „sicher sein will“, dass die entsprechenden Straftaten geahndet werden. Und letztlich ist dies ein sehr sinnvoller Zug in der Religion. Selbstverständlich wird dieses Glaubensparadigma nicht die Straftaten abschaffen. Auch wenn die Voodoosi/Voodonsi daran glauben, dass sie von den Vodun / Loas / Iwas bestraft werden, wenn sie irgendwelche Vergehen vollziehen, gibt es dennoch Raub, Mord, Totschlag, Vergewaltigung etc., sodass hier nicht die Macht ausgeübt wird, die man sich möglicherweise erhofft bzw. erwünscht. Und doch wird man aus einer psychologischen Sicht davon ausgehen können, dass hier eine andere Hemmschwelle existiert, als in einer monotheistischen Religion, die einem alles verzeiht, wenn man dies nur beichtet, angeblich bereut (ach nein, d. h. ja aufrichtig bereut) und dann noch mal kurz drei „Ave Maria“ und zehn „Vater Unser“ betet – danach ist alles vergeben und vergessen. In der Voodoo-Religion ist dies nicht so. Die Vodun / Loas / Iwas sind hier sehr menschlich, was bedeutet, dass sie Emotionen besitzen, sodass man sie überhaupt durch Opferungen milde stimmen kann.

Doch dadurch, dass sie eben dem Menschen zum Teil sehr ähnlich sind, ist es auf der einen Seite einfacher, mit diesen Energien umzugehen, auf der anderen Seite wird es aber auch wieder etwas verkompliziert, denn hierdurch erhalten die Vodun / Loas / Iwas die Möglichkeit, andere Menschen zu hassen, launenhaft zu sein, wütend, eifersüchtig, liebevoll, väterlich oder mütterlich, sodass man hier zum Teil doch sehr komplizierte Präferenzen besitzen kann. Wie tritt man einem Vodun / Loa / Iwa gegenüber, der eine nicht leiden kann? Oder wie verhält man sich, wenn der Vodun / Loa / Iwa in einen selbst verliebt ist? Tja, die Vodun / Loas / Iwas haben nun einmal Charaktereigenschaften, gewisse Gesetzmäßigkeiten und letztlich auch ihre Macken. So hat jeder Vodun / Loa / Iwa eine eigene Persönlichkeit. In diesem Kontext bedeutet das aber auch, dass hier entsprechende Stärken, Schwächen, Spezialisierungen und auch Fachgebiete existieren. Dies alles macht die Vodun / Loas / Iwas sehr menschlich, sodass die Voodoosi/Voodonsi eben auch einen innigen, geschwisterlichen Kontakt pflegen. Der größte Unterschied ist einfach, dass die Vodun / Loas / Iwas einfach unsichtbar sind, sodass es nicht verwundert, dass diese Energien im haitianischen Voodoo auch manchmal als „Mystères“ bezeichnet werden, als „Unsichtbare“. Doch auch wenn sie unsichtbar sind, machen Sie eigentlich einen sehr guten Job. Und genau dies ist wichtig für die Schöpfung, dies ist wichtig, wenn es darum geht, dass die Schöpfung verwaltet wird. Ob man jetzt die oberste Instanz, den eigentlichen Gott des Voodoo mit dem Namen „Bon Dieu / Bondyé / Bondye / Bóndyé“ oder mit „Mawu / Mawu-Lisa / Sêgbo-Lisa / Dada Sêgbo / Sêmêdo / Gbêdoto“ bezeichnet, ist eigentlich sekundär und eben auf das jeweilige Land, auf die jeweilige Kultur, auf die jeweilige Sprache zu münzen. Doch da dieses Schöpfungsprinzip unendlich weit weg von den Menschen, von der dritten Dimension, von der Erde ist, müssen die Voodoosi/Voodonsi mit dessen Kindern, mit den Vodun / Loas / Iwas interagieren. Doch ist dies sinnig? Ist es nicht immer besser, sich direkt an den Schöpfer zuwenden, so wie es ja das Christentum, der Islam und auch das Judentum tun? Nun ja, man kann das ja einfach mal mit einem klassischen Kaufhausbesuch vergleichen! Mit einem Kaufhausbesuch? Was wird das denn für eine Analogie? Eine alltägliche Analogie!!! Man stelle sich vor, man hat in einem großen Kaufhaus etwas gekauft, und ist mit der Qualität nicht zufrieden. Es ist entweder beschädigt, zu klein, zu groß, es gefällt dann doch nicht mehr, irgendetwas ist damit, und man will es jetzt umtauschen. Und jetzt? Geht man jetzt zum obersten Chef, zum Aufsichtsrat, zum Besitzer des Kaufhauses oder wendet man sich an einen Verkäufer, eine Verkäuferin, eine Abteilungsleitung, die gegebenenfalls hier viel besser, viel genauer viel effektiver arbeiten kann, über die Thematik Bescheid weiß, und die Reklamation auch nachvollziehen kann? Nun, ich denke, dass sich jeder selbst die Antwort geben kann! Und genauso verläuft der Gedankengang in der Voodoo-Religion. Gut, es geht jetzt nicht wirklich um einen Kaufhausbesuch, nein, es geht um den Alltag, es geht um die Familie, es geht um den Job, es geht um das eigene Leben.

Und da das Schöpfungsprinzip unendlich weit weg von der Materie, vom Alltag und von der dritten Dimension ist, ist es viel besser, sich an die jeweiligen Energien zu halten, die hier als Beobachter, Verkäufer, Putzkräfte, Sicherheitsdienst oder als was auch immer eingesetzt sind. Und genau dies sind die Vodun / Loas / Iwas! Und die menschlichen Vertreter, die menschlichen „Mitarbeiter“ sind eben der Houngan / Oungan / Hounnongan / Vodúnnɔ́ oder die Mambo, zumindest wenn es um die klassischen Aufgaben einer Priesterschaft geht. Wenn es dann doch eher darum geht, dass hier magisch gearbeitet werden soll, auch via Schadensmagie, da eben man sich nicht so ganz sicher ist, dass die Vodun / Loas / Iwas auch wirklich Strafen ausführen, nun, dann geht man zu einem Bokor / Bocor / Bòkò / Azetó, oder auch dem weiblichen Pendant, der Caplata. Wie schon erwähnt, dies sind die Bezeichnungen der klassischen „Zauberer“, „Hexen“ und „Magier“, die auf der einen Seite natürlich auch Gutes bewirken können, also Flüche lösen, Heilungen bringen, Krankheiten nehmen etc., die aber auch ebenso ambivalent sind wie die Vodun / Loas / Iwas, was bedeutet das der Bokor / Bocor / Bòkò / Azetó und auch die Caplata Flüche senden können, Krankheiten und Unglücke bewirken können, genauso wie Pech, Schicksalsschläge oder auch familiäre Katastrophen. Man kann diese Thematik am besten mit einem klassischen Ausspruch des haitianischen Voodoos erklären! Hier gibt es die Aussage: „Nenpòt Bocor posib pou yon witcher, li gen pouvwa sekrè!“, was so viel bedeutet wie „Einem Bokor ist alles möglich, er hat geheime Kräfte!“. Und ja, dies ist auch im Glauben der Voodoosi/Voodonsi fest verankert. Hierbei ist die Bezeichnung Bokor / Bocor / Bòkò primär auf das haitianische Voodoo zu münzen, während der Begriff Azeto sich auf das afrikanische Voodoo bezieht. Das weibliche Pendant, die Caplata, findet man in beiden Bereichen.

Man sieht hier also sehr deutlich, dass Voodoo einen festen Glauben besitzt, definitiv in der Magie beheimatet ist, mit der Magie verwurzelt ist, mit der Magie verwoben ist, sodass es klar ist, dass die Religion des Voodoo nun einmal einen sehr besonderen Ruf besitzt, sodass sich alle erdenklichen Mythen um die Praxis der Voodoo-Religion ranken, da es immer wieder Erfahrungsberichte gibt, die in den Ländern existieren, die Voodoo als Religion leben. Diese Erlebnisberichte, diese Erfahrungsberichte stammen jedoch meistens von Außenstehenden. Gleichzeitig ist es aber so, dass die Magie im Voodoo alltäglich ist, was wiederum bedeutet, dass eben hier auch die Schadensmagie alltäglich ist. Verwünschungen und Flüche sind definitiv keine Seltenheit, und auch wenn der Großteil der Voodoo-Religion sich darauf bezieht, dass man sein eigenes Leben in Frieden, Freude, Harmonie und Eintracht leben will, leben soll, leben kann, sodass die Familie finanziell, gesundheitlich und energetisch abgesichert ist, ist es doch „menschlich“, dass man eben auch Magie als Waffe, als destruktives Werkzeug verwendet.

Doch auch die positiven Wirkungen der magischen Arbeiten im Voodoo sind hier sehr wichtig, wie zum Beispiel Heilarbeiten und energetische Unterstützungen sowie Glücks- und Hilfsrituale. Die meisten Heilarbeiten, die meisten Fluchauflösungen und energetischen Unterstützungen, beziehen sich darauf, dass die jeweiligen destruktiven Anhaftungen, Schwingungen und bösen Geister aufgelöst werden sollen. Es scheint, dass hier ein wirklich ewiger Kreislauf existiert. Doch in diesem Kontext muss man eben auch wissen, dass manche Flüche reale pharmazeutische Vergiftungen sind. Deswegen ist es mehr als nur von Vorteil, wenn man auch einen sogenannten Bokonon zurate zieht. Vereinfacht kann man sagen, dass der Bokonon ein klassischer Kräuterdoktor, ein Busch-Apotheker, ein Botaniker, ein weiser Mensch, ein Praktiker und auch ein klassisches Orakel ist. Ja, der Bokonon ist ein echter Apotheker, ein Apotheker, der auch sein Handwerk versteht, und nicht nur einfach studiert hat, weil Mama und Papa das Studium finanziert haben. Nein, der Bokonon ist meistens auch eine letzte Hoffnung, die letzte Anlaufstation, gerade dann, wenn es eben um reale Verletzungen, reale Krankheiten und reale Vergiftungen geht. Reale pharmazeutische Vergiftungen sind hier ohne weiteres die primären Flüche, da die Eingeweihten, egal ob es jetzt der Houngan / Oungan / Hounnongan / Vodúnnɔ́, die Mambo, der Bokor / Bocor / Bòkò / Azetó oder die Caplata ist. Jeder hat sein Spezialgebiet, doch der rote Faden ist eben die Kräuterkunde, sodass hier verschiedene Pflanzen identifiziert werden können, dass das Wissen existiert, wie die Inhaltsstoffe der Pflanzen wirken, wo sich diese Inhaltsstoffe befinden (in den Wurzeln, in dem Blüten, in den Blättern, in der Rinde, überall in der Pflanze etc.) und wie man diese am besten extrahiert und einsetzt bzw. appliziert. Doch das Pflanzenwissen ist hier nur ein Teil von einem viel größeren Ganzen. So muss natürlich auch noch die Psychologie berücksichtigt werden, denn der Bokonon ist letztlich auch ein Psychologe, ein Psychotherapeut, irgendwie auch ein Physiotherapeut und wenn man schon dabei ist, auch Eheberater und klassischer Arzt. So wird auch hier mit entsprechenden „Tricks“ gearbeitet, denn selbstverständlich wird reflektiert, dass der Glaube der Voodoosi/Voodonsi gigantisch machtvoll ist, gerade dann, wenn es um die Thematiken einer Verfluchung oder einer Heilung geht. Selbst wenn es hier um reale, pharmazeutische Vergiftungen geht, muss immer noch der so genannte Nocebo-Effekt berücksichtigt werden. Viele kennen den Placebo-Effekt, wenige kennen den Nocebo-Effekt. Der Nocebo-Effekt ist einfach eine fachspezifische Bezeichnung für eine Reaktion, welche auf eine spezielle Wirkung aufbaut, meist eine pharmakologische, aber auch oft eine psychosomatische Wirkung. Lapidar kann man sagen, dass eine erwartete bzw. befürchtete Wirkung auch eintritt bzw. eintreten muss. Das Gegenteil ist der Placebo-Effekt, der viel, viel, viel bekannter ist, als der Nocebo-Effekt. Man kann es sich so vorstellen, dass im Gegensatz zur positiven Wirkung beim Placebo-Effekt, beim Nocebo-Effekt eine negative Reaktion erfolgt.