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Buch lesen: «Verwehte Spuren», Seite 11

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Die zwei Männer, welche die Tracht trugen, die allgemein in diesen Wäldern getragen wurde, traten ans Ufer. Auf einen Wink des Offiziers wurden ihnen die Büchsen genommen.

»Und was nun?« fragte trotzig der, der schon eben aus dem Boote den Kapitän angerufen hatte, eine hohe, kräftige, wild aussehende Gestalt, während die andre untersetzt und breitschultrig daneben stand.

»Was nun? Möchte euch einmal ansehen, Männer! Betrachte Leute immer gern in der Nähe, welche dem Anrufe eines Staatenoffiziers nicht folgen, und sich lieber Kugeln um die Ohren sausen lassen. Wie heißt Ihr denn. Mann?« wandte er sich an den Großen, »woher kommt Ihr und was sucht Ihr hier?«

»Leicht zu beantworten, Herr, heiße Harper, wohne am Grand Traverse und bin mit meinem Nachbar Miller auf der Jagd hierher geraten. Sind auf dem Heimweg begriffen.«

»So? Verwünscht weit hier vom Grand Traverse. Wißt wohl nicht. Mann, daß Ihr hier in der Nähe des Forts nicht jagen dürft? Wie?«

»Haben das Fort gar nicht gesehen.«

»Wäret sonst einige Meilen davon entfernt geblieben, denk‘ ich, he?«

»Ich weiß nicht, Herr, was Ihr wollt. Wie kommt Ihr dazu, freie Bürger so zu vergewaltigen. Kann Euch teuer zu stehen kommen, kalkuliere ich.«

»Ich kalkuliere anders. Mann, kalkuliere, habe das Recht, mir verdächtige Gesellen in der Umgebung des Forts anzusehen.«

»Verdächtige Gesellen? Herr!«

»Seht einmal ein wenig nach, Leute, was in dem Kanoe sich vorfindet.«

Zwei Soldaten untersuchten dasselbe, fanden aber nur zwei wollene Decken, Pulverhörner, etwas gebratenes Rehfleisch und andre, dem Jäger im Walde unentbehrliche Dinge.

»Wie kommt ihr denn zu dem Kanoe, Gentlemen?«

Der Große, der sich Harper genannt hatte, sagte: »Wir jagen öfter hier und hatten das Boot hier versteckt.«

»So nahe am Fort? Und jagt öfters hier? Und wußtet doch nichts von dem Fort? Ei, ei!«

Die beiden Männer wechselten einen Blick.

»Will euch was sagen, Gentlemen, muß euch das Fort doch zeigen, damit ihr es kennen lernt, erweist mir deshalb die Ehre, mich zu begleiten.«

Er hatte kaum ausgesprochen, als der größere der beiden einen Zischlaut ausstieß, worauf die bisher ruhig dastehenden Männer rechts und links die nächsten der umstehenden Soldaten faßten, sie zur Seite schleuderten, wobei der Große noch einem der Leute das Gewehr entriß, und mit großer Schnelligkeit in den Wald sprangen.

Der Kapitän wie die Soldaten waren von diesem unerwarteten Angriff der waffenlosen Männer so verblüfft, daß sie im Augenblick unfähig waren, Gegenmaßregeln zu treffen, nur der Indianer, welcher etwas abseits stand, besaß Geistesgegenwart genug, hinter ihnen her zu feuern, doch bei den dicht stehenden Bäumen vergeblich.

»Feuer!« schrie der wütende Offizier.

Die Soldaten schossen den Flüchtlingen nach, doch augenscheinlich mit demselben Erfolg, wie der Indianer.

»Ihnen nach!« befahl Davis, »soll ich mich auch von diesen Schurken noch verhöhnen lassen? Vorwärts, Pottawatomie, zeige, was du kannst und nimm die Fährte dieser Bursche auf. Ich muß sie haben, koste es, was es wolle.«

Gehorsam setzte sich der Läufer an die Spitze des Zuges und führte Davis und seine Schar rasch auf der Spur weiter.

Die flüchtigen Männer hatten mit großer Schnelligkeit den Wald durchmessen und sicher bereits einen weiten Vorsprung vor den Soldaten, die ihnen nicht gleich rasch zu folgen vermochten, gewonnen. Der leichtfüßige Indianer mußte oft seinen Schritt mäßigen, um sie herankommen zu lassen.

Nachdem sie etwa drei Meilen zurückgelegt hatten, standen sie am Ufer eines mit Schilf umsäumten seichten Baches, in welchen die Verfolgten hineingegangen waren.

Hier war guter Rat teuer, denn es erforderte jetzt eine zeitraubende Untersuchung, um zu ermitteln, wo sie den Bach wieder verlassen hatten. Der Kapitän war walderfahren genug, um dies einzusehen und wußte auch, daß er es hier mit zwei verwegenen und geschickten Gesellen zu tun habe. Außer dem Indianer war auch niemand von ihnen wohl geeignet, um eine solche Verfolgung mit Aussicht auf Erfolg fortzusetzen.

Er überlegte einen Augenblick und gab sich dann zähneknirschend darein, das Nachsetzen aufzugeben.

»Willst du folgen, Indianer? Du sollst für jeden Skalp der beiden zehn Dollar haben. Schieß die Hunde nieder, wenn sie dir nicht gutwillig folgen. Jedenfalls bringe mir Nachricht ins Fort.«

Des Indianers Augen funkelten vor Mordlust, als er seine Bereitwilligkeit, die Verfolgung fortzusetzen, zu erkennen gab, und verschwand augenblicklich im Walde.

Davis mit seinen Soldaten machte einen Augenblick Rast. Er brütete finster vor sich hin und die Soldaten wagten deshalb keinen Laut von sich zu geben. Nicht fünf Minuten waren verflossen, als der Pottawatomie wieder erschien.

»Nun?« fragte der hierüber erstaunte Offizier.

»Ottawa!« flüsterte der leise.

»Wo?«

»Dort.« Der Indianer deutete die Richtung an.

»Wieviel?«

»So viel,« und der Läufer hob drei Finger.

»Dann vorwärts, entgehen uns jene Spitzbuben, bekommen mir doch vielleicht einige von den Kuhdieben.«

Er rief drei von seinen Leuten an sich, welche am geschicktesten waren, sich heranzuschleichen und befahl den andern, langsam zu folgen.

Mit äußerster Vorsicht bewegten sie sich durch die Büsche.

Nach einer Weile blieb der Indianer stehen und machte den Offizier auf eine Öffnung im Laube aufmerksam, durch welche man in etwa fünfzig Schritt Entfernung ein hellbrennendes Feuer erkennen konnte, um welches drei Indianer gelagert waren. Die Leute mußten sich in voller Sicherheit wähnen, denn sie führten eine so lebhafte Unterhaltung, daß die Lauscher ihre Stimmen deutlich vernahmen.

»Gehen näher,« sagte der Pottawatomie, »Büchsen stehen an Baum, ich sie fortnehmen, dann haben.«

Von neuem bewegten sie sich möglichst geräuschlos vorwärts. Die Stimme der Redenden übertönte wohl ihrem Ohre das Nahen des Kapitäns. Auf etwa zwanzig Schritt herangekommen, zeigte der Pottawatomie dem Offizier den Baum, an welchem die Büchsen der Leute lehnten, und machte ihm durch Gebärden deutlich, daß er diese in seine Gewalt bringen wolle, und daß er dann handeln möge.

Gleich einer Schlange schlich er davon. Davis winkte seinen Soldaten, sich in Anschlag zu legen.

Plötzlich erhob einer der roten Männer das Haupt, die andern schwiegen, als auch schon der Pottawatomie hinter dem Baume hervortrat und die Büchse schußfertig in der Hand sich vor die Waffen der Lagernden stellte.

Blitzschnell sprangen die Indianer empor, als auch schon Davis rief: »Im Namen des Gesetzes, steht oder ich schieße,« und rasch vorwärts eilte, gefolgt von seinen Soldaten.

Im Augenblick waren die entwaffneten Leute von drohenden Augen und auf sie gerichteten Musketen umringt.

Die Indianer standen ganz ruhig, wie es schien mehr erstaunt als erschreckt.

»Wer seid ihr? Was sucht ihr hier?« herrschte sie Davis an.

Einer derselben, eine hohe muskulöse Gestalt, aus dessen finsterm Gesicht sich ein Paar dunkle Augen drohend auf den Offizier richteten, antwortete in ganz verständlichem Englisch: »Ist es den Kindern der Ottawas verwehrt, in diesen Wäldern zu weilen, daß ein Offizier der Staaten mit der Waffe drohend vor ihnen steht?«

»Was sucht ihr hier? Sowie einer eine Bewegung macht, schießt ihn nieder,« rief er den Soldaten zu.

»Wir kehren von einem Jagdzug nach unsern Dörfern zurück.«

»So? Wo ist denn die Beute?«

Außer einigen Stücken Fleisch, welche auf Blättern am Feuer lagen und wahrscheinlich an demselben gebraten waren, sah man keine Jagdbeute.

»Meine jungen Männer sind auf dem Wege zu unsern Wigwams damit.«

»Was du sagst, Indianer, und unterwegs heißen sie auch noch meine Kühe mitgehen? Aber das sollt ihr teuer büßen, ihr roten Halunken.«

»Bindet sie. Ihr sollt mir nicht entwischen wie die andern Banditen.«

Auf einen gebieterischen Blick dessen, der geredet hatte, verhielten sich die beiden andern ruhig, während er selbst sagte: »Ich bin Peschewa, das Haupt der Ottawas. Warum willst du mich binden? Wünschest du, daß ich dir zum Fort folge, so soll es geschehen.«

»Ja, das wünsche ich, Mann, Peschewa oder wie du Bursche heißest, aber damit du mir nicht in die Büsche springst, will ich dich fesseln.«

»Du tust unrecht,« sagte Peschewa mit immer gleicher Ruhe, obgleich aus seinen Augen ein verzehrendes Feuer leuchtete, »mich zu binden, ich weile friedlich hier, und werde ruhig mit dir gehen. Bindest du mich, werde ich mich bei dem großen Vater in Washington beschweren.«

»Haha,« lachte der Offizier laut auf. »Beschwere dich, rotes Fell, vorher aber will ich dir und den Deinen die Lust verleiden, meine Kühe zu stehlen.«

Die Indianer ließen sich ruhig von den Soldaten die Hände binden, Peschewa mit einer Haltung von solcher Würde, daß sie jeden Fürsten geziert haben würde, dabei einen Zug von Verachtung in seinem Gesicht zeigend, der den Offizier aufs äußerste erbitterte.

Kapitän Davis war kein übler Mensch, aber er war heißblütig, etwas galliger Natur und besaß die ganze Verachtung des Südstaatenmannes gegen farbige Leute, gleichviel, ob es Neger, Mulatten oder indianische Häuptlinge waren.

Auf seinen Befehl wurde der Rückmarsch nach dem Fort angetreten, während der Pottawatomie die Verfolgung der entsprungenen Männer aufnahm, und in den Büschen verschwand.

Die Soldaten, welche die Büchsen der drei Indianer an sich genommen hatten, führten die in finsterem Schweigen einhergehenden roten Männer in raschem Schritt nach dem Fort, welches sie nach drei Stunden erreichten.

Die beiden andern Abteilungen, welche die Ufer des Sees abgesucht hatten, waren bereits eingetroffen. Der Sergeant meldete, daß er die Stelle gefunden, wo die dritte Kuh geschlachtet worden war.

Dies ärgerte den Kapitän, der sich, da er nur die Überreste von zwei Kühen angetroffen hatte, der stillen Hoffnung hingab, daß diese letzte Milchspenderin den Räubern entgangen sei, noch mehr. Auch der finstere, hochmütige Trotz der drei gebundenen Männer, welche ihre Erniedrigung mit schweigender Würde ertrugen, reizte ihn.

Er ließ sich einen Stuhl ins Freie tragen, setzte sich und befahl, die Indianer vor ihn zu führen.

»Wo sind unsre Kühe?« fragte er, als die drei Männer vor ihm standen.

»Ich weiß nichts von deinen Kühen. Peschewa stiehlt keine Kühe.«

»Na, mein roter Prinz, so ganz zweifelsfrei wird das wohl nicht sein. Wenn du jetzt nicht gestehst, Indianer, wo die Kühe hingekommen sind und wer sie gestohlen hat, so lass‘ ich euch Hunde bis aufs Blut peitschen, so daß ihr die Striemen mit ins Grab nehmen sollt.«

Mit einem Blick unsäglichen wilden Stolzes entgegnete ihm der Ottawahäuptling: »Du wirst nicht wagen, Peschewa zu peitschen, kleiner Yankeehäuptling.«

»Meinst du, roter Spitzbube,« entgegnete der Offizier, den die offenbare Verachtung und der Hochmut des halbnackten Indianers immer mehr in galligen Zorn versetzte, »meinst du, ich würde es nicht wagen? Du sollst gleich erfahren, wie viel ich euch Gesindel gegenüber wage. Bindet die Kerle an die Pfosten dort und holt Peitschen herbei, ich will ein Exempel statuieren und diesen Schuften für immer den Appetit nach meinen Kühen verleiden.«

Mit einem Nachdruck, der etwas Hoheitsvolles an sich hatte, sagte der Ottawa: »Ich bin Peschewa, das Haupt des großen Ottawavolkes.«

»Meinetwegen der großmächtige Großmogul!«

Die Indianer wurden, wie Davis befohlen hatte, an die von ihm bezeichneten Pfosten gebunden und einige Soldaten holten schwere Peitschen herbei.

Der jüngere Offizier des Platzes nahte sich dem Kommandanten und sagte, an den Hut greifend: »Gestatten der Herr Kapitän eine Bemerkung?«

»Immer zu, Herr Leutnant.«

»Soweit ich die Indianer kenne, wird eine solche Züchtigung eine tiefe Erbitterung unter ihnen hervorrufen, zumal da, wie ich höre, der eine der Männer der Häuptling Peschewa ist.«

»Nun, was bedeutet das, wenn das rote Gesindel erbittert ist,« sagte der Südstaatenmann mit dem Ausdruck äußerster Geringschätzung.

»Ich möchte mir doch in diesem Falle anzuraten erlauben —«

»Danke sehr, Mister Sounders, wenn ich Ihres Rates bedarf, werde ich mir ihn erbitten.«

Der jüngere Offizier, welcher besser als sein Vorgesetzter die Indianer und die Folgen kannte, welche aus einem solchen Vorgehen erwachsen konnten, fuhr trotz der ihm zu teil gewordenen Abfertigung fort: »Ich bitte wenigstens die Exekution zu verschieben — bis —«

»Kommandieren Sie hier oder ich?« fuhr ihn Davis an, worauf Mister Sounders schwieg. Auch der alte Sergeant, welcher mit besorgtem Gesicht sich seinem Chef genaht hatte, um augenscheinlich ebenfalls Vorstellungen zu machen, zog sich, die Stimmung des Kapitäns gewahrend, wieder zurück.

Die Peitschen waren gebracht.

»Kommandieren Sie einmal ein paar kräftige Leute zur Exekution, Sergeant!«

Es geschah, und neben jedem der Indianer stand ein Mann mit der Peitsche.

»Mit solchem Gesindel soll man auch noch Umstände machen. Wollt ihr jetzt gestehen, wer die Kühe gestohlen hat?«

Die Indianer, unbeweglich, mit ehernen Gesichtszügen an den Pfosten stehend, antworteten nicht.

»Drauf, Leute, und haut fest zu!« schrie Davis.

Die ersten Hiebe fielen.

Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des Häuptlings. Es war kein durch Körperschmerz erpreßter Laut, dieser Seufzer. Als vielleicht ein Dutzend Hiebe gefallen waren, schon färbte das Blut der Indianer die Fetzen ihrer Jagdhemden, fragte Davis: »Wollt ihr jetzt gestehen?«

Keine Antwort.

»Nun dann vorwärts, zählt ihnen die fünfundzwanzig auf und dann laßt die Hunde laufen, damit sie zu Hause erzählen, wie man im Fort Jackson Kuhdiebe behandelt.«

Von neuem sausten die Peitschen hernieder, bis jeder der Indianer fünfundzwanzig Hiebe empfangen hatte.

Dann befahl der Kapitän, sie loszubinden, nach ihren Wunden zu sehen und zum Fort hinauszulassen.

Die Indianer hatten nicht einen Laut von sich gegeben, nicht eine Bewegung des Schmerzes veränderte ihre finsteren Gesichtszüge während der Exekution.

Dies machte Davis, der zum erstenmal Indianer in solcher Situation sah, und an das Schmerzensgeheul der Neger, welche Prügel erhielten, gewöhnt war, doch betroffen.

Der Chirurg sah nach den Rücken der Geschlagenen, und wandte die ihm zu Gebote stehenden Linderungs- und Heilmittel an.

»Na, dann kommt, Leute,« sagte der Sergeant, als dies beendet war, und winkte ihnen nach dem Tore hin.

»Erhalten wir nicht unsre Büchsen zurück?« fragte Peschewa.

»Nein,« rief Davis, »die bleiben als Ersatz für die gestohlenen Kühe hier.«

Hierauf gingen die drei Indianer langsam und würdevoll zum Tore hinaus, welches der Sergeant hinter ihnen schloß.

»Wenn das gut geht,« murmelte der erfahrene Grenzkrieger, »so kenne ich die indianische Natur nicht. Wäre ich der Kapitän, bekäme mich seit dieser Stunde kein Mensch außerhalb der Wälle zu sehen.«

Hätte der Kapitän den Blick furchtbarsten Hasses sehen können, welchen der Häuptling der Ottawas vom Walde nach dem Fort zurücksandte, so wären ihm über die Folgen der von ihm verhängten Exekution doch wohl allerlei Bedenken aufgestiegen.

Noch am Abend kehrte der Pottawatomie mit einer Wunde am Beine in das Fort zurück. Er war in hitzigem Nachsetzen in einen Hinterhalt gefallen und durfte es nur der Eile, mit welcher die verfolgten Männer ihren Weg fortsetzten, danken, daß er mit dem Leben davongekommen war.

Es begab sich dies etwa vier Wochen früher, als unsre Freunde auf der Reservation der Ottawas erschienen.

Achtes Kapitel. Am großen Ratsfeuer der Chippeways

Die Niederlassungen der Ottawas dehnten sich in zerstreuten Dörfern über fast zehn deutsche Quadratmeilen aus, ein Gebiet, welches ihnen von der Regierung der Vereinigten Staaten nach ihrer Vertreibung aus ihren früheren Wohnsitzen angewiesen worden war und das ihnen nicht genommen werden konnte, solange sie sich ruhig verhielten.

An einem kleinen See, drei Tagemärsche westlich von Fort Jackson lag das Hauptdorf dieser Stämme, in welchem ihr Oberhaupt Peschewa hauste.

Es bestand zum größten Teile aus gewöhnlichen Indianerhütten, welche durch zusammengenähte, gegerbte Tierfelle, die über in einer Spitze vereinigte Stangen gezogen waren, gebildet, den Bewohnern einen nur mangelhaften Schutz gewährten; doch zeigten sich auch einige kleine Blockhütten an dem Ufer des Sees.

In der ansehnlichsten derselben wohnte Peschewa, der die Ottawas regierte, soweit man bei einem Indianerstamm von Regierung sprechen kann. Das Dorf wies im ganzen etwa hundert Behausungen auf. Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte die Ottawas aus Ohio und vom Eriesee, wo sie ziemlich zahlreich wohnten, gleichwie die in Michigan umherschweifenden Stämme, als deren ausgedehnte Jagdgründe der sich mehrenden ackerbautreibenden Bevölkerung zu neuen Ansiedlungen notwendig wurden, hierher zurückgewiesen und unterstützte sie vertragsmäßig mit Geld, Vieh, Kleidungsstücken, Kernfrüchten und so weiter, was alles leider häufig durch die betrügerische Handlungsweise der Agenten, welchen die Vermittlung übertragen war, arg verkürzt wurde oder in üblem Zustande zu den Indianern kam.

Der Leichtsinn dieser Naturmenschen ging noch dazu keineswegs haushälterisch mit dem um, was wirklich in ihren Besitz gelangte, so daß, da die Jagd immer unergiebiger wurde und der Anbau von Mais und Korn sehr geringfügig war, oftmals empfindlicher Mangel in der Reservation der Ottawas herrschte.

Die Gegend, in welche die Regierung sie verwiesen hatte, war nicht übel; zahlreich waren Bäche und fischreiche Seen, auch war das Land fruchtbar. Im ganzen waren aber die Indianer auf die Unterstützung der Regierung angewiesen, um nicht zu verkommen.

Die hier im Nordwesten der Halbinsel angesiedelten Ottawas mochten an fünf- bis sechstausend Köpfe stark sein und konnten leicht über tausend kampffähige Männer ins Feld stellen.

Die bitterste Not, verursacht durch die Manipulationen gewissenloser Agenten, hatte vor drei Jahren einen Teil des Volkes zu einem verzweifelten Angriff auf die südlich ihrer Reservation gelegenen Farmen veranlaßt, wofür sie dann, nachdem sie mit Feuer und Schwert alles verwüstet hatten, was sie erreichen konnten, zuerst von den erbitterten Farmern und später noch durch die Regierungstruppen grausam gestraft wurden.

Peschewa, der eine für einen Indianer nicht üble Kenntnis der Verhältnisse der Weißen besaß, hatte damals von dem aussichtslosen Kriegszug energisch abgeraten und durch seinen Einfluß auch den größeren Teil seines Volkes von der Beteiligung an demselben zurückgehalten. Wie weise er geraten hatte, lehrte die Folge. Nachdem die Ruhe, nach Abhaltung eines strengen Gerichtes über die Ottawa, wieder hergestellt worden war, wählte ihn sein Volk, da der bisherige Führer durch den Strang hingerichtet worden war, zum Oberhaupt sämtlicher Ottawastämme. Peschewa, der alle wilden Instinkte des Indianers besaß und als rücksichtsloser, grausamer Krieger sich in früheren Kämpfen ausgezeichnet hatte, war, sobald er die Leitung der Angelegenheiten seines Volkes in die Hand genommen hatte, klug genug, sich mit der Regierung und den Agenten auf möglichst guten Fuß zu stellen und verstand es, seine wilden Untergebenen von Ausschreitungen zurückzuhalten, so daß während der drei Jahre seiner Herrschaft ein leidliches Verhältnis zwischen den Ottawas und den Weißen bestand, wenn der tiefe Haß der Indianer gegen ihre Unterdrücker auch mit unverminderter Kraft unter leichter Decke schlummerte.

Die Regierung hatte hier oben im Norden an den Seen, nächst den Ottawas, auch die Pottawatomies angesiedelt, und jenseits der Straße von Mackinaw auf der nördlichen Halbinsel von Michigan die Saulteux, wie einen kleinen Teil des Huronenvolkes, welches, früher von Kanada her eingewandert, noch im Anfang des Jahrhunderts inmitten Michigans seßhaft gewesen war.

Das waren die Verhältnisse, in welchen die Ottawas lebten, als Graf Edgar sich anschickte, sie aufzusuchen.

Wenn für gewöhnlich das Dorf, welches gewissermaßen als Mittelpunkt sämtlicher zerstreuter Niederlassungen dieses Volkes gelten konnte, die Ruhe aufwies, welche bei dem Indianer vorwaltet, wenn er nicht von wilder Leidenschaft hingerissen ist, so herrschte heute ein, freilich nur dem Kenner indianischer Art bemerkbares Leben zwischen den in unregelmäßigen Zwischenräumen errichteten Hütten.

In einzelnen Gruppen standen die Männer zusammen und unterhielten sich leise.

Flinke Boten eilten aus dem Walde der Blockhütte Peschewas zu, andre kamen von dort und suchten die Ferne.

Hie und da schritt ein alter Häuptling, dem die Gruppen der andern bereitwillig Platz machten, nach der Hütte des Hauptes der Nation. Von Zeit zu Zeit trafen über den See, im Kanoe kommend, oder aus den Wäldern auftauchend, Ottawahäuptlinge und alte erfahrene Krieger des Stammes ein. Ja, der Kenner indianischer Trachten würde erkannt haben, daß heute Männer der den Ottawas verwandten Stämme, der Pottawatomies und selbst der fern wohnenden Saulteux anwesend waren. Diese wurden von den ältesten der hier ansässigen Ottawas bewillkommt und zu einem großen Feuer geführt, wo sie mit Fleisch und Rum gastlich bewirtet wurden.

Obgleich wohl an dreihundert und mehr Männer hier versammelt waren, hörte man doch keinen lauten Ton. Die Indianer unterhielten sich in gemessener Weise. Einzelne Weiber machten sich an den Feuern zu schaffen, an welchen Fleischstücke geröstet wurden.

Selbst die wilde Jugend des Dorfes, welche oftmals den nahe gelegenen Wald von ihrem Geheule widerhallen ließ, war heute verstummt, und bewegte sich in ehrfurchtsvoller Stille im weiten Umkreise des Dorfes oder barg sich in den Wigwams, mitunter neugierig durch deren Spalten lugend.

Es war klar, im Hauptdorfe der Ottawas bereitete sich etwas Besonderes vor.

Peschewa hatte man seit Tagen nicht gesehen, er hatte seine Blockhütte nicht verlassen, und nur die angesehensten Häupter hatten Zutritt zu ihm während dieser Tage gehabt.

Über dem Ganzen lag eine Stimmung, welche gerade wegen ihrer Ruhe und der ernsten Gehaltenheit im Benehmen aller etwas Unheimliches hatte.

Die Sonne hatte den Zenith schon weit überschritten, als zwei neue Gäste anlangten, welche die Aufmerksamkeit der zerstreuten Gruppen erregten. In beschmutzten und zerrissenen Kleidern erschienen Morris und Tyron an den ersten Hütten des Dorfes und schritten ungehindert auf dessen Mitte und das dort lodernde Feuer los, an welchem die Gäste bewillkommnet wurden. Morris trug eine Soldatenflinte in der Hand. In einigen der Gruppen, an welchen die wüst und verkommen aussehenden Gestalten vorüberschritten, flüsterte man: »Die rote Hand.« Als die beiden an dem großen Feuer angelangt waren, wo einige Morris bekannte Ottawahäuptlinge weilten, rief er einem derselben zu: »Ah, Kitate, ich freue mich, dein ehrliches Spitzbubenantlitz zu sehen. Wie befindet sich mein Freund Peschewa?«

Mit keineswegs freundlichem Gesicht entgegnete der Angeredete: »Was führt die rote Hand zu den Wigwams der Ottawas?«

»Das Bedürfnis, meine alten lieben Freunde zu sehen. Gib mir deine tapfere Rechte.« Dabei streckte er die seinige dem Indianer entgegen.

Dieser war durchaus nicht bereit, sie zu nehmen.

»Wie? Alter Freund, heißest du mich nicht willkommen, mich, der so manche Flasche Rum für dich bezahlt hat?«

»Denke, Peschewa, Rothand sagen, er nicht mehr zu Ottawa kommen.«

»Das ist ganz richtig, aber das kam dem ehrlichen Peschewa durchaus nicht aus dem Herzen-, du weißt so gut als ich, daß die verd— Schurken in Lansing mich von hier vertrieben haben. Sie hassen mich, diese Hunde, wie sie euch hassen. Wo ist denn der große Häuptling der Ottawas?«

»Peschewa in sein Wigwam.«

»So? Nun, so will ich Seiner Hoheit doch sogleich meine Aufwartung machen.« Er wandte sich nach der Blockhütte Peschewas zu, die er von seinem früheren Aufenthalt her recht gut kannte, als der Indianer vor ihn trat und ihm zurückwinkte.

»Was bedeutet das, Kitate?«

»Peschewa nicht sprechen.«

»Das ist stark. Meinen alten lieben Freund Peschewa, die Perle aller roten Leute, nicht sprechen! Ja, wozu bin ich denn hierher gekommen, als um seine ehrliche Hand zu schütteln.«

»Denke, du gekommen weil Sheriff auf deiner Fährte, du bergen gern dein Haupt vor ihm in den Wigwams der Ottawas.«

Morris lachte gezwungen. »Unsinn, alter Bursche, ich stehe mit dem Sheriff und allen weißen Leuten auf dem besten Fuße, sie lieben mich außerordentlich. Aber ich habe schon unten am Muskegon ein Vöglein pfeifen hören, es könnte sich am Ende ereignen, daß man hier zwei gute Büchsen, wie die meine und die meines Freundes, brauchen könnte. Was sagst du dazu, Kitate?«

Der Ottawahäuptling, dessen Auge alle Aeußerlichkeiten der beiden bereits prüfend überflogen hatte, entgegnete trocken: »Zwei Büchsen? Sehe — nur Flinte von Langmesser hier — eine.«

»Ja, denke dir, mir sind von Raubgesindel angehalten worden da am Chippewaysee, haben uns alles abgenommen, waren in eine Falle gegangen. Kommen todmüde und halbverhungert hier an. Wollt Ihr mir, einem alten Freunde, in dieser Lage Gastfreundschaft verweigern?«

Der Indianer hatte aus dem Zustande, in welchem Morris und Tyron vor ihm standen, bereits seine Schlüsse gezogen. Er sagte jetzt: »Kitate wird zu Peschewa sprechen, ihm sagen, die rote Hand sei da.«

Damit ging er zu des Oberhauptes Hütte.

Morris und Tyron sahen sich an.

»Der Empfang war ja recht erbaulich, Bill, was meinst du?«

»Kalkuliere, sind sehr erfreut uns zu sehen.«

»Nun vielleicht geruhen Seine rothäutige Majestät uns nach geschehener Anmeldung zu empfangen. Uebrigens, Bill, ich müßte mich schlecht auf Indianer verstehen oder hier wird etwas Absonderliches vorbereitet. Der Iltis hat doch ganz recht gehabt, als er erzählte, die Bursche steckten die Köpfe zusammen. Wenn uns der rote Spitzbube übrigens ein Haus weiter schickt, so hoffe ich, daß er uns wenigstens Gewehre und Munition geben wird. Wir müssen dann sehen, wie mir uns durch die Wirrsale dieser Welt möglichst glimpflich durchschlagen.«

»Wäre alles schon gut,« knurrte Tyron, »wenn ich nur etwas zu essen hätte, ich bin krank vor Hunger.«

Und er warf einen sehnsuchtsvollen Blick nach dem Feuer, wo Stücke Hirschfleisches schmorten.

In kurzer Frist erschien Kitate, der Otter, wieder und sagte: »Die rote Hand und sein Freund können an den Feuern der Ottawas bleiben. Am Abend wird entschieden werden, ob sie weiter gehen müssen.«

»Und will mich Freund Peschewa nicht sprechen?«

»Ihn jetzt nicht sprechen. Am Abend sprechen.«

Er wies auf das nahe Feuer, wo ein altes Weib beschäftigt war, den Bratspieß zu drehen; einige Krieger lagen daneben ausgestreckt.

Morris ließ sich nicht lange nötigen, er und sein Genosse setzten sich an der bezeichneten Stelle nieder. »Gebt ein wenig Raum, Freunde,« sagte er zu den dort liegenden Indianern, zog ungeniert sein Messer und schnitt sich ein gehöriges Stück Fleisch ab. Ein gleiches tat Tyron. Ihre indianischen Nachbarn erhoben sich schweigend und setzten sich an ein andres Feuer.

Ingrimmig aber leise stieß Morris einen Fluch aus, als das geschah, doch ließ er sich nicht in Befriedigung seines Heißhungers stören. Mit gleich wölfischer Gier schlang Tyron die Fleischstücke hinunter.

Endlich mußten sie nun doch ihre Mahlzeit schließen und Morris sagte mit einem Ausdruck tiefer Befriedigung: »Ha, das traf sich gut, es schmeckt doch nicht besser, als wenn man gefastet hat wie mir. Verd— sei der uniformierte Schuft, der uns seine Musketenkugeln um die Ohren sausen ließ. Wenn er mir im Walde begegnet, soll er es bereuen, zwei ehrenwerte Bürger so behandelt zu haben. Haha! Tyron,« lachte er roh auf, »schickt er uns noch den Esel von Pottawatomie nach — der wie ein hungriger Wolf auf der Fährte herlief. Muß meine Kugel ordentlich gesessen haben, daß der Bursche seine Jagd einstellte.«

»War ‚ne unangenehme Geschichte da am See — meine Büchse zum Teufel. Ohne Büchse in den Wäldern komme ich mir vor wie ein Fisch auf dem Trockenen! Habe die Notion, wird dem Herrn Offizier auch nicht gut ergehen, wenn er Bill Tyron schußgerecht in den Weg kommt.«

»Bin neugierig genug zu erfahren, was die roten Halunken vorhaben. Ich sehe Pottawatomie hier und sogar Saulteux. Die werden doch nicht etwa Onkel Sam über den Haufen rennen wollen? Wenn ich nur erst den braven Peschewa gesprochen hätte. Der Mann ist für allerlei kleine Pläne zugänglich.«

»Seine Freundschaft für dich scheint doch nicht allzugroß zu sein.«

»Ja, bei großen Herren ist man nie sicher, wie man aufgenommen wird, wenn man nach längerer Zeit wiederkommt und zwar wie wir mit leerer Hand.«

»Möchte doch wissen, was aus Burton und dem Iltis geworden ist,« äußerte Tyron nach einer Weile, »war eine ganz verteufelte Idee der beiden, sich nach Süden zu wenden statt mit uns nach Norden zu gehen.«

»Kalkuliere, Burton fühlt sich nicht wohl in der Wildnis, ist ein Gentleman, eignet sich mehr für die Stadt. Kommt nur zu uns, wenn es ihm dort zu heiß wird. Versteht mehr wie mir, Bill, kann dir Kartenkunststücke machen, daß einem die Augen übergehen. Ist auch ein saures Leben im Walde. Kalkuliere, tut recht der Burton, in die Städte zu gehen, ist ein gewandter Mann. Freilich ist er dem Strick dort viel näher als hier — aber — ist ein gewandter Mann. Habe es eigentlich satt, Bill. Wenn ich auf irgend eine Weise ein paar Tausend Dollar ergattern könnte, ging ich nach dem Westen und würde ein solider ruhiger Bürger.«

»Würden bald zu Ende sein, die paar Tausend Dollar.«

»Denke nicht, habe große Lust ein anständiger Kerl zu werden, bin der ewigen Hetzerei müde. Wie jagten die Hunde am Muskegon hinter uns her? Fehlt nicht viel, waren mir am Ende. Wenn ich der schuftigen Rothaut noch einmal begegne — dann — aber haha — ‚s war doch ein Hauptspaß, als das Feuer ihnen im Nacken brannte. Gloriose Idee vom Iltis. Möchte wohl wissen, ob sie entkommen sind, oder ihre Knochen in der Prairie gelassen haben. Haha! Gaben die Schufte Fersengeld. Tröstete mich einigermaßen für die schönen Pferde. Hoffe, die Hunde sind Staub und Asche geworden.«

Altersbeschränkung:
12+
Veröffentlichungsdatum auf Litres:
30 August 2016
Umfang:
670 S. 1 Illustration
Rechteinhaber:
Public Domain

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