Der Sohn des Glücklichen

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Der Sohn des Glücklichen
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Franz Ertl

Der Sohn des Glücklichen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Mutlose Manager

Kapitel 2 Manipulierbare Herdentiere

Kapitel 3 Selbstbestimmt und Fremdbestimmt

Kapitel 4 Der Sattel von John Wayne

Kapitel 5 Ein eifersüchtiger Belgier

Kapitel 6 Dichtung und Wahrheit

Kapitel 7 5S Frauen

Kapitel 8 Der Spion und der Zauberer

Kapitel 9 Sex, Drugs and Rock´n Roll

Kapitel 10 Verzaubert

Kapitel 11 Verliebt

Kapitel 12 Das beste Parfum der Welt

Kapitel 13 Der Glückskeksphilosoph als Bestsellerautor

Kapitel 14 Diesellamborghini und Rennrad

Kapitel 15 Lebensgefühle

Kapitel 16 Haustiere in der Backstube

Kapitel 17 Honig und Toy-Boys

Kapitel 18 Traumhafte Erinnerung

Kapitel 19 Haarige Angelegenheiten

Kapitel 20 Das Gästebuch

Impressum neobooks

Kapitel 1 Mutlose Manager

Es sollte ein Abend werden wie andere auch, ich räumte die Flaschen ein, überprüfte die Kühlung, um genügend Eis zu haben, und polierte die Gläser. Einfach die Dinge, die ein Barmann vor Dienstantritt macht. Ich dachte, dass mich nicht mehr viel überraschen konnte, aber an diesem Abend und in dieser Nacht veränderte sich mein Leben. Mein kleines Lokal hatte an der Bar zehn Plätze, an vier Tischen nochmals Platz für 16 Personen. Im oberen Stock, wo eine Wendeltreppe hinführte, stand ein Pool-Billardtisch. Um 18 Uhr öffnete ich die Bar. Ein Mann, um die fünfzig, etwa 180 cm groß, schwarze Jeans, ein auffälliger breiter, brauner Ledergürtel mit einer silbernen Schnalle, die graviert war, graues Polo, schöne, braune gelochte Rauhledermokassins und ein dunkelblaues legeres Sakko, etwas längere grau melierte Haare, betrat das Lokal und setzte sich an die Bar. »Geben Sie mir ein Bier bitte, dass brauche ich jetzt.« »Hatten Sie einen starken Tag?« fragte ich. »Ja, das kann man wohl sagen«.sagte er.

Ich zapfte das Bier, als gleichzeitig weitere zwei Herren, in ähnlichem Alter das Lokal betraten. Der eine sagte im Hereingehen »Da können Sie mir auch gleich eines herunterlassen.« Die beiden Herren gehörten wohl nicht zusammen, denn sie saßen nicht nebeneinander, sondern einige Barhocker voneinander entfernt. Der das Bier schon im Gehen bestellt hatte, war gut gekleidet, ein sportlicher Anzug, aber keiner von der Stange, zumindest ein bekanntes, aber vor allem ein teures Label. Die schwarzen Haare zurückfrisiert und mit Gel haltbar gemacht. Er zog eine Duftwolke nach sich, Rasierwasser war das keines. Hier musste schon kräftig gesprüht worden sein. Kein schlechter Duft, aber too much. Der andere machte eher einen „alternativen“ Eindruck, er trug eine runde Brille, einen Siebentagesbart und die Kleidung, die er trug, dürfte in dreißig Jahren wieder modern werden. »Was darf es für Sie sein«, fragte ich den Dritten. »Haben Sie eine Cocktailkarte?« »Nein, so etwas habe ich nicht, aber ich mixe Ihnen jeden Cocktail, den Sie kennen und auch solche, die Sie nicht kennen.« Nachdem ich die beiden Herren mit Bier versorgt hatte, bestellte der Dritte: »Einen trockenen Weißwein bitte.« »Also keinen Cocktail?« sagte ich. »Nein, vielleicht später.« Der Erstbesteller setzte zu einem Riesenschluck an, das Glas war fast leer, nachdem er es wieder absetzte.

»Ein Scheißtag,« sagte er, nachdem er sich den Schaum von der Oberlippe wischte. »Wem sagen Sie das, solche Tage streiche ich im Kalender immer mit einem braunen Stift an. Wenn ich mehr als dreißig braune Tage im Jahr angestrichen habe, belohne ich mich selbst mit einer neuen Uhr.« sagte der zweite Biertrinker. Alle blickten auf seine Uhr, die, wenn sie echt war, den Wert eines Kleinwagens gleichkam. »Wie oft haben Sie denn mehr als dreißig beschissene Tage im Jahr?« fragte der Mann im dunkelblauen Sakko. »Jedes Jahr, also muss ich mir jedes Jahr eine neue Uhr kaufen.« »Stellen Sie sich vor, ich war heute vorstellen, aber nicht als ich selbst, sondern als jemand anderer«. schmiss der Mann im dunkelblauen Sakko in die Runde. »Wie darf man das verstehen« fragte ich. »Also, ich bekam einen Anruf von einer Personalfirma zu einem Vorstellungsgespräch, um mich bei einem Berater, einem gewissen Dr. Wenig vorzustellen. Nun muss ich vorausschicken, dass ich schon reiflich genervt bin, da ich schon seit fünf Jahren einen Job suche. Wie auch immer, jedenfalls hatte ich schon unzählige Termine mit Personalfirmen, machte die Spielchen deren Assessment Center mit und sagte mir, jetzt halte ich denen einmal den Spiegel vor. Ich ging also zu dem Gespräch, aber verkleidet, kaufte mir einen Magnum Schnauzer und eine Perücke. Ich sah so verkleidet aus, als ob ich auf ein Kostümfest gehen würde.

Ich saß also Doktor Wenig gegenüber, der blätterte in den Unterlagen, nahm das Blatt mit dem Foto und sah mir ins Gesicht. »Sie sehen dem Foto aber nicht ähnlich.« sagte er. »Kein Wunder«, sagte ich, »das bin ich ja auch nicht.« »Ja, dann muss ich wohl die Bewerbungsunterlagen verwechselt haben, « merkte Wenig an. »Nein« sagte ich, »Sie haben schon die richtigen Unterlagen, nur ich bin nicht der Bewerber. « Doktor Wenig´s Stirn legte sich nun in Falten und sein Kopf drehte langsam ein bisschen nach links und ein bisschen nach rechts, dann räusperte er sich und suchte nach den richtigen Worten. »Würden Sie mir das erklären« kam es jetzt mit einem lauteren und gereizten Tonfall. Ich lehnte mich zurück, setzte ein leichtes Lächeln auf und sagte nun auch mit etwas lauterer, aber mit einem Tonfall, den man nur mit lächelndem Mund hat: »Die Sache ist doch ganz einfach, Sie sind ein externer Personalberater und führen Sondierungsgespräche und ich bin ein Firmenberater und führe für meinen Klienten, dessen Unterlagen Sie vor sich haben, Sondierungsgespräche.« Das Kopfschütteln des Doktor Wenig wurde nun heftiger, er richtete seinen Oberkörper auf und stützte sich in die Armlehnen seines Stuhls. Bevor er zu einem neuen Satz ansetzen konnte, stellte ich ihm schon eine Frage. »Nun, Herr Doktor Wenig, können Sie mir einiges über die Firmenstruktur, die Unternehmenskultur und das Aufgabengebiet für die ausgeschriebene Position, für die sich mein Klient beworben hat, erzählen.« Wenig holte Luft, und es hatte den Anschein als ob er etwas sagen wollte, blies die geholte Luft aber durch die Lippen wieder aus und als er wieder hörbar Luft holte, fuhr ich schon wieder fort: »Weiters ist es von Interesse, wo sieht sich das Unternehmen in fünf Jahren, kann es den wachsenden Ansprüchen der Globalisierung auch folgen und vor allem, denken sie, dass das Jahresgehalt für diese Position ausreichend ist?« Wenig bekam jetzt eine gesunde Gesichtsfarbe, die graugelben Wangen wurden jetzt rot und am Hals konnte man die Schlagader pulsieren sehen. »Ich glaube, wir sollten das Gespräch jetzt beenden.« sagte er mit aufgebrachter Stimme. »Wenn ihr Klient - wie Sie es nennen, es nicht für notwendig hält, hier persönlich zu erscheinen, dann kann ich keine Auswahl treffen.« »Ihr Auftraggeber findet es ja auch nicht notwendig, persönlich mit meinem Auftraggeber zu sprechen« konterte ich. »Ja, ja Herr Doktor Wenig, wir sind schon in einer verrückten Welt, nicht wahr, die Entscheidungsträger verstecken sich hinter Personal- und Unternehmensberatern, nur um Fehlentscheidungen nicht selbst verantworten zu müssen.« Er stand auf, packte die Unterlagen zusammen und hielt mir die ausgestreckte Hand vor die Nase. »Guten Tag und richten Sie Ihrem Klienten aus, er soll entweder selbst kommen oder die Stelle vergessen.« Ich stand auf und reichte dem Personalberater die Hand und verabschiedete mich mit den Worten:

»Das Gleiche können Sie ihrem Auftraggeber ausrichten.« Die Herren hatten ausgetrunken und bestellten noch einmal die gleichen Getränke. Mittlerweile hatten sich noch ein paar Gäste eingefunden. Zwei Männer in den Zwanzigern, die immer zum Poolspielen zu mir kamen, gingen gleich nach oben. Die hatten immer denselben Trick, sobald Fremde am Tisch standen und zusahen, spielten sie, als ob sie blutige Anfänger wären. Doch die beiden spielten jeden Tag und waren so gut, dass sie bei Meisterschaften hätten mitmachen können. Aber die wollten nur Spaß haben und sich die Getränke mit Pool finanzieren. Sobald nämlich vermeintlich Clevere ihnen ein Angebot machten, um Geld oder Drinks zu spielen, wurden diese abgezockt. An einem Tisch gesellten sich zwei Damen, die eine dürfte Ende dreißig gewesen sein, die andere vielleicht zehn Jahre jünger. Die ältere der beiden Damen trug eine hellblaue, enge Jeanshose im Destroyedlook und eine gelbe Bluse mit Rüschen, der Ausschnitt war so gestaltet, dass man den schwarzen spitzenbesetzten Büstenhalter samt Inhalt gut sehen konnte. Sie hatte kurze schwarze Haare und riesige rote Ohrgehänge, die zu den roten Pumps gut passten. Die andere hatte einen leichten, weißen Sommerrock an, dazu eine kobaltblaue Bluse, die aber hochgeschlossen war. Sie hatte eine unglaublich schöne dunkelblonde Mähne. Die Konturen ihres wohlgeformten Körpers zeichneten sich in Rock und Bluse ab.

 

Wenn Sie, als Mann, jemals so eine Frau gesehen haben, mit einem zarten Sommerrock, der ganz leicht transparent ist, ganz leicht den Slip durchscheinen lässt, bei jedem Schritt die Schenkel und der Po sich abzeichnen, dann wissen Sie wovon ich spreche. Das ist Phantasie pur, das schlägt jedes stangentanzende Gogo-Girl. Sie beherrschte den Gang in ihren Highheels perfekt. Jeder Mann, der hierbei nicht zusieht, ist schwul. Beide würde man als sehr attraktiv bezeichnen. Meinen männlichen Gästen waren sie natürlich auch nicht entgangen. Wenn jeder Blick als Text eingeblendet werden würde, wären die Damen wahrscheinlich gleich wieder gegangen. Gut, dass es so etwas (noch) nicht gibt, aber manchmal sagen Augen sowieso mehr als Worte. »Sie sind doch auch schon ein paar Wochen über 40« sagte der stark parfümierte Herr zum Erzähler der Vorstellungsgeschichte. »Ja, das ist es ja, in unserer Gesellschaft gehört man zum alten Eisen.« Plötzlich meldete sich der Herr mit dem Siebentagebart. »Der von mir sehr geschätzte englische Dramatiker William Somerset Maugham sagte: Wenn man genug Erfahrungen gesammelt hat, ist man zu alt, sie auszunutzen.« »Da ist was dran«, bemerkte ich. »Also, ich kann meine Erfahrungen sehr gut ausnutzen, obwohl ich auch schon über vierzig bin.« sagte der Herr mit der teuren Uhr. »Was machen Sie beruflich?«, fragte der Arbeitslose. »Ich bin - und jetzt wurde er mit Blick auf die Damen, leiser - Gynäkologe.«

Die beiden Herren blickten nun auch zu den Damen, um zu sehen ob sie etwas gehört hätten, doch die waren in ein Gespräch vertieft und dürften nicht allzu viel Interesse an den Herren gehabt haben. »Sie wissen, was Schopenhauer gesagt hat?« fragte der Rundbebrillte. Um es uns auch gleich mitzuteilen: »Der einzige Mann, der wirklich nicht ohne Frauen leben kann, ist der Frauenarzt.« »Sie zitieren wohl gerne« gab der Gynäkologe zurück. »Ja, ich bin Buchhändler und schon berufsbedingt sehr belesen, aber auch den bewegten Bildern sehr zugetan, manche bezeichnen mich auch als Serienjunkie.« »Ich nehme noch einmal dasselbe.« sagte der Arbeitslose, die zwei anderen schlossen sich an. »Was haben Sie eigentlich beruflich gemacht?« wollte der Frauenarzt mit Blick auf den Arbeitslosen wissen. »Ich bin professioneller Lügner.« »Also in der Werbebranche.« sagte der Arzt. »So ist es.« »Die Franzosen sagen: »Selbst der liebe Gott hat es nötig, dass für ihn die Glocken geläutet werden.« zitierte der Buchhändler. Der Werbefuzzi und der Arzt warfen sich einen Ob-der-immer-so-ist?-Blick zu. Die Gläser wurden rasch geleert und meine Strichliste brauchte mehr Raum. Die drei Herren hatten sich nun auf einen Tisch zusammengesetzt, um nicht immer die Hälse verdrehen zu müssen. Außerdem hatten sie einen besseren Blick auf die Damen und ich mehr Bewegung.

Der Buchhändler hatte offenbar genug vom trockenen Weißwein, der übrigens genauso trocken war wie seine Zitate. Er wollte nun, wie er es schon deponiert hatte, einen Cocktail. »Ich nehme einen Martini, aber ganz klassisch zubereitet.« »Sie mögen anscheinend alles Trockene,« sagte der Gynäkologe, »aus meiner Praxis kann ich Ihnen jedoch sagen, feucht ist besser als trocken.« Der Werber lachte so laut, dass die Damen aus ihrem Gespräch gerissen wurden und zu den Herren blickten. »Wollen wir nicht auch auf etwas Härteres umsteigen?« fragte der Werber den Arzt. »Natürlich, hart ist besser als weich.« »Ich nehme einen Single Malt und Sie?« »Da bin ich dabei, aber einen Doppelten, da müssen Sie nicht so oft gehen.« »Also, zwei doppelte Single Malts und einen Krug Wasser« bestellte der Arzt. Nachdem sie die Getränke erhalten hatten, sagte der Werber: »Ich bin Leo« »ich heiße Paco«, der Buchhändler stellte sich mit Theo vor. »Theo, du hast doch sicher einen Trinkspruch für uns.« sagte der Arzt. »Natürlich, noch dazu vom deutschen Dichterfürsten Goethe: »Euch ist bekannt, was wir bedürfen, wir wollen starke Getränke schlürfen.«

»Bist du eigentlich verheiratet« fragte Leo Paco. »Verheiratet? Nein, Käfighaltung ist nichts für mich, ich bin für Freilandhaltung!« Er nahm eine Visitenkarte aus seiner Sakkotasche und zeigte sie seinen Mittrinkern. Seine Praxis hatte den Namen: „Viva la vulva“. Der Werber war amüsiert, der Buchhändler fand das nicht lustig, dabei war das doch trockener Humor. »Ihr müsst wissen, sagte Paco, die Frauen wollen immer, dass ich so bin, wie sie mich haben wollen.« »Das haben Frauen so an sich, ich habe ja eine Theorie, warum es zwischen Frauen und Männern nicht klappt« sagte Leo. »Lass hören«, kam von Theo. »Nun, eine Frau lernt einen Mann kennen und will, dass er sich ändert, aber er ändert sich nicht. Ein Mann lernt eine Frau kennen und will, dass sie sich nicht ändert, aber sie ändert sich.«

Kapitel 2 Manipulierbare Herdentiere

Die beiden Damen schauten nun zu den Herren und die dunkelhaarige Dame sagte mit Blick auf Leo »Wissen Sie eigentlich, dass 30% der Männer den Haushalt erledigen.« »Wirklich?« sagte Leo. »Ja, sie sind Single!« »Chapeau« sagte Paco, »Ich mag humorvolle Frauen, wollen sie sich nicht zu uns gesellen?« Die dunkelhaarige Dame warf ihrer Begleiterin einen Blick mit einer leichten Kopfdrehung in Richtung dem Tisch der Herren zu. »Warum nicht« sagte jetzt die mit der Mähne eines Haflingers. Sie schoben die zwei kleinen Tische zusammen und saßen nun zu fünft. »Darf ich den Damen etwas bestellen?« fragte Paco, um gleich nachzulegen »Vielleicht einen Sex on the Beach?« »Der ist doch aus den späten 80ern, den haben Sie wohl in Ihren zwanziger Jahren getrunken?« fragte die Dame mit dem roten Ohrgehänge. »Das können Sie unmöglich wissen, in den späten 80ern waren Sie doch noch gar nicht geboren« wollte sich Paco mit dieser abgedroschenen Phrase einschleimen. Sie ließ diesen Spruch mit einem müden Lächeln unkommentiert und bestellte einen Gin Tonic, die Haflingermähne tat es ihr gleich. »Sind Sie Freundinnen?« wollte Leo wissen. »Wir sind Arbeitskolleginnen.« sagte die Dame mit dem sexy Rock. Sie schlug ihre Beine übereinander und man konnte die schön gebräunte Haut ihrer Oberschenkel durch den Rock sehen. Alle Männer am Tisch wollten einen Blick erhaschen.

»In welcher Branche sind Sie tätig?« fragte Paco. »Im Marketing« sagte die Highheellady. »War ja klar« sagte Leo etwas geringschätzig, »Wer ist heutzutage eigentlich nicht im Marketing tätig.« »Haben Sie etwas gegen Marketingleute?« fragte die Dunkelhaarige, wobei sie ihre rotbemalten Lippen etwas zuspitzte. »Nein, aber ich habe etwas gegen Herdentiere und die meisten im Marketing sind Herdentiere und überhaupt ist der Mensch das dümmste Lebewesen auf dieser Erde. Wenn Sie sich jetzt fragen warum, gehören Sie schon dazu. Aber ich werde es Ihnen erklären. Der Mensch ist das dümmste Herdentier. Alle wollen Individualisten sein, also anders als alle anderen. In Wirklichkeit gibt es ganz wenige Individualisten. Die Machthaber, also Regierungen, Politiker, Führungspersonen in der Wirtschaft, tun sich mit Herdentieren natürlich viel leichter. Herdentiere sind leicht zu manipulieren und zu steuern. Was denken Sie, ist leichter einzufangen und zu zähmen, ein Zuchtpferd oder ein Wildpferd? Die meisten Menschen sind gleichgeschaltet, sie haben vielfach die gleiche Meinung, fahren die gleichen Fahrzeuge, in der gleichen Farbe, tragen die gleiche Kleidung usw. Warum ist das aber so? Geht es hier um Zugehörigkeit? Firmenchefs gefällt das, Teamplayer werden gesucht, das Individuum ist nicht wirklich gefragt. Ist das gut für eine Firma?

Nein, denn ich habe in meinem Berufsleben viele „Jasager“ kennengelernt, nicht nur auf der unteren Ebene, nein auch in der ganz oberen, also Entscheidungsträger. Diese sogenannten Entscheidungsträger haben leider ein Problem, sie trauen sich keine Entscheidungen treffen. Entscheidungen zu treffen braucht Mut, Mut kannst du auf keiner Uni und in keiner Schule lernen, den musst du haben. Also, was machen diese Manager heute in den meisten Unternehmen? Sie nehmen sich externe Berater, das Consultinggeschäft boomt. Für alles gibt es heutzutage Consulter. Wenn der Consulter richtig gelegen ist, bestätigt das die Firmenleitung und sie klopfen sich auf die Schulter. Wenn der Consulter falsch gelegen ist, wird der Auftraggeber der beratenden Firma die Schuld geben. Der beratenden Firma ist das aber egal, weil sie mit diesem Auftrag sehr viel Geld verdient hat. Sie bekommt vielleicht keinen Folgeauftrag mehr, aber es gibt ja noch genug andere Dumme. Das Hauptproblem von Herdentieren ist, dass sie nicht selbstbestimmt sind. Sie sind fremdbestimmt. Einer geht vor und alle anderen trotteln hinterher. Nur selbstbestimmte Menschen haben den Mut und die Courage gegen den Strom zu schwimmen, wo ihnen die toten Fische entgegenkommen. Man kann auch nur gegen den Wind starten, um in die Höhe zu kommen. Vielleicht sollten Manager von heute mehr von den Naturgesetzen lernen, als Marketing oder Gewinnoptimierung.

Das Bild vom Manager, der in einer Hand die Zigarette und in der anderen das Whiskyglas hält, wenn er die nicht gerade auf dem Arsch der Sekretärin hat, ist vorbei. Heute sind Manager Marathonläufer, das soll Durchhaltevermögen, Willenskraft, Ausdauer und Standfestigkeit vermitteln. Das mit der Sekretärin hat sich bis heute nicht geändert. Denn wenn eine am Tisch sitzt, steht sie auch auf der Speisekarte. Das mit dem Leistungssport ist alles nur Fassade, früher waren es Macher, mutige Menschen, die keine hoch bezahlten Berater brauchten, keine Abteilungen, in der menschliche Ressourcen, wie es heute heißt, gesucht werden. Nun werden viele sagen, der Mann hat doch keine Ahnung wie man eine Firma leitet. Wenn Sie mir nicht glauben, dann vielleicht Steve Jobs, immerhin ein Mensch, der eine Firma aufgebaut hat, die zu den Weltgrößten gehört. Der Mitbegründer von Apple sagte: Es macht keinen Sinn, kluge Leute einzustellen und ihnen zu sagen, was zu tun ist. Wir stellen kluge Leute ein, damit sie uns sagen können, was zu tun ist.

Kapitel 3 Selbstbestimmt und Fremdbestimmt

Im Privatleben ist es genau so. Mit fremdbestimmten Menschen kannst du keine Beziehung führen. Jeder Mensch hat seine Stärken und seine Schwächen, seine Laster, seine Marotten usw. Aber das wichtigste ist, dass der Mensch selbstbestimmt ist und handelt. Wenn jemand einen Guru braucht, also im Prinzip wie in der Wirtschaft, einen Consulter braucht, um diesen viel Geld zu bezahlen, dass dieser einem sagt, wie man leben soll, dann ist das der Anfang vom Ende der Selbstbestimmtheit. Machen Sie Fehler im Leben, die macht jeder. Haben Sie Ecken und Kanten, denn nur eine Null hat keine Ecken und Kanten. Aber das Wichtigste im Leben ist: Seien Sie selbstbestimmt! Warum ist mir diese Botschaft so wichtig? Weil die Fremdbestimmtheit Arbeitsplätze und Beziehungen zerstört. Kriege verursacht, Hunger und Tod bringt. Ja, deshalb ist die Welt wie sie ist, durch Fremdbestimmtheit. Wenn sich viel mehr von der Herde lösen würden, Individualisten wären, den Mut hätten, hinter ihrer Meinung zu stehen, wäre diese Erde eine bessere. Wer der Herde folgt, sieht nur Arschlöcher.« Nach diesem Vortrag folgte eine Schweigeminute am Tisch. »Er ist arbeitslos und verständlicherweise etwas frustriert.« wollte Paco die Stimmung wieder zurückholen. »Er hat aber recht.« sagte der Buchhändler und auch die Damen stimmten ihm nach einiger Zeit des Nachdenkens zu.

»Ich habe mich ja auch von der Herde gelöst, sonst könnte ich als Buchhändler gar nicht mehr leben.« »Was machst du anders?« wollte Leo wissen. »Ich habe mich auf Antiquarisches spezialisiert, ich sammelte schon als Jugendlicher Bücher mit Signaturen. Ein Buch, sagen wir zum Beispiel die Autobiographie von Roman Polanski mit Unterschrift bringt erheblich mehr ein als ohne, noch dazu wenn jemand ein Bewunderer von Polanski ist. Ich habe signierte Bücher von Künstlern, Sportlern, Politikern, Sängern usw.« Theo richtete den Blick auf die Damen und fragte: »Nennen Sie mir jemanden der ihr Interesse hat.« »Der Dalai Lama«, sagte die Dame mit der gelben Bluse. »Hab ich, eine Autobiographie mit Unterschrift!« »Tatsächlich, was würde dieses Buch kosten?« »Nun, darüber müssten wir verhandeln, es ist natürlich eine Rarität, vielleicht sogar ein Unikat, jedenfalls wird er nicht sehr viele signiert haben.« »Sie interessieren sich für den Dalai Lama?« fragte Leo. »Mich interessiert der Buddhismus.« gab die Dame zur Antwort. »Haben Sie sich schon näher mit dem Buddhismus und dem Dalai Lama beschäftigt, ich denke das haben Sie nicht, sonst würden sie weder von dem einen, noch von dem anderen ein Anhänger sein. Sie enttäuschen mich, Sie sind ein weibliches Herdentier.

 

Wissen Sie eigentlich, dass die Tibeter, insbesondere der Dalai Lama sich als Herrenvolk sehen. Warum glauben Sie, konnten Heinrich Harrer und Peter Aufschnaiter 1944 überhaupt Tibet betreten. Sie gehörten zum sogenannten Herrenvolk aus Deutschland. Als Engländer hätten sie dieses Land nicht betreten dürfen. Die Buddhisten und Hindus sind das frauenfeindlichste Volk überhaupt.« Leo wurde richtig emotional bei diesem Thema, seine Stimme wurde kratzig und er musste sich mehrmals räuspern, außerdem wurde er immer lauter. »Ich verstehe die Frauen nicht, alle wollen sie einen Mann mit einem Waschbrettbauch und stellen sich zuhause Buddhas auf, mit fetten Bäuchen.« Leo nahm den Whisky in die Hand und leerte mit einem Schluck das Glas. Danach wiederholte er: »Ich verstehe das nicht, wie kann man nur so kurzsichtig sein, ich wette, Sie haben einen ausgefressenen Glatzkopf daheim stehen.« Die Runde war kurz etwas schweigsam, bevor die Dame mit dem einladenden Dekolleté antworten konnte, sagte Theo: »Die Biographie von Heinrich Harrer mit Unterschrift könnte ich auch besorgen.« »Moment einmal«, sagte die Dekolletierte, »haben Sie generell etwas gegen Religionen, oder nur gegen den Buddhismus und ja, ich habe eine Buddhastatue zuhause.«

»Religionen sind eine Erfindung der Menschen und nicht alles was Menschen erfunden haben ist gut. Um es kurz zu beantworten: Ja, ich finde alle Religionen entbehrlich, denn alle Religionen und Sekten wurden deshalb gegründet, um sich Macht und Geld zu sichern. Alle! - ausnahmslos! Fragen Sie sich einmal, welches Religionsbekenntnis Gott hat.« Leo bestellte eine Runde für alle, jetzt dürfte er warmgelaufen sein, man konnte es auch an seinem mittlerweile roten Gesicht sehen. »Die Religions- und Sektengründer sahen und sehen sich als Eliten, sehen Sie sich doch die Weltgeschichte an und dann werden Sie feststellen, was diese Religionen schon alles auf dieser Erde zu verantworten haben.« »Es gibt aber Menschen, denen der Glaube Halt gibt und das sollte man respektieren, allerdings wollen Priester „Verkehrsregeln“ machen und haben nicht einmal einen Führerschein.« sagte der Arzt. »Natürlich Paco, das respektiere ich auch, aber es sind eben Herdentiere und Glauben ist nicht Wissen, wie wir ja alle wissen. Außerdem bist du Mediziner und die Medizin ist ja auch nur zu dreißig Prozent Wissenschaft und siebzig Prozent ist Erfahrung. Wahrscheinlich basiert die Medizin auch hauptsächlich auf Glauben.

Wenn man manchen Ärzten zuhört, bin ich schon fast überzeugt, dass die Medizin auch eine Glaubensgemeinschaft ist.« »Sie sind Mediziner?« wollte die Dame mit dem luftigen Sommerrock wissen. »Ja, ich bin...äh Mediziner, also ich habe eine Praxis.« »Kennen Sie sich eigentlich schon länger?« wollte die Dame mit den roten Pumps wissen. »Wir haben uns erst heute hier kennengelernt.« gab der Buchhändler zur Antwort. »Theo, du hast nicht zufällig die signierte Biographie von Keith Richard. Ich habe das Buch gelesen und es hat mich so gefesselt, dass ich es rasch ausgelesen habe.« »Doch Paco, ich könnte es dir signiert besorgen. Eventuell sogar mit einer persönlichen Widmung, was sich natürlich auch preislich niederschlägt.« »Was soll das heißen?« sagte Paco, »Willst du mir vielleicht erzählen, dass du Keith Richard persönlich kennst?« »Ich denke, ich kenne jetzt das Geschäftsmodell von Ihnen«, sagte die Dame mit der schön gebräunten Haut, die der Sommerrock bekleidete. »Was meinen Sie?« sagte Theo etwas verlegen und nippte hastig an seinem trockenen Martini. »Ja ich denke, dass Sie die Bücher selbst signieren.« Alle Augen waren jetzt auf Theo gerichtet, der sich ertappt fühlte und jetzt nur zwei Möglichkeiten hatte, entweder alles abzustreiten oder nach vorne zu gehen und sich zu rechtfertigen. »Also gut, es stimmt, dass ich einige Biographien selbst signiere und Widmungen schreibe. Ich muss doch sehen, wo ich bleibe.

Die Welt möchte doch betrogen werden, wir werden doch alle betrogen und wenn ich Menschen eine Freude machen kann, es kann doch nicht so falsch sein.« Leo bekam einen Lachanfall, auch alle anderen waren amüsiert, obwohl man sich einig war, dass es Betrug war. Aber es gibt ja nicht nur berühmte Kunstfälscher, die den Markt aufgemischt haben. Und außerdem, meinte Theo, gibt es doch die wirklich großen Betrüger in der Lebensmittelindustrie, Automobilindustrie, die Banken und viele andere, die uns täglich übers Ohr hauen, die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zutritt hat. Da wären seine „frisierten“ Antiquariate harmlos dagegen. »Was ist schon ein Bankraub, gegen die Gründung einer Bank.« zitierte er Bert Brecht. »Könnten wir uns nicht auch aufs Du einigen, jetzt wo wir sozusagen Komplizen bzw. Mitwisser von Theo sind« meinte Paco in Richtung der Damen. »Können wir, sagte die Dame mit dem roten Ohrgehänge, »ich heiße Betty«, »mein Name ist Stella«, sagte die andere. »Leo, Theo und ich bin Paco« ergänzte der Arzt. Mittlerweile hatten die beiden Jungs, die sich den Abend mit Poolbillard verdienten, das Lokal verlassen. Keiner der beiden hat nur einen Cent gebraucht. Sie hatten wieder willige Opfer gefunden. Als der Billardtisch im Obergeschoß frei war, schlug Leo vor, man könne sich doch nach oben begeben um eine Partie zu spielen.

Die drei Herren und die zwei Damen gingen nun die Wendeltreppe hoch. Zuerst Leo, dann Paco, danach Theo, es folgten Betty und Stella. Ich musste zwar jetzt Stiegen steigen, um die Getränke zu servieren, aber alleine Stella zu beobachten, wie sie als letzte die Treppen hinaufstieg, war es wert. Da es eine Wendeltreppe war, sah ich sie einmal von hinten, dann wieder von vorne und wieder von hinten. Es war ihr nicht entgangen, dass ich sie beobachtete und sie schritt die Treppen hinauf, als ob sie es mit einem Choreographen einstudiert hätte. Als ich sie in der Drehung in Richtung Bar sah, schenkte sie mir ein Nun-gefällt-dir-was-du-siehst - Lächeln. Ich genehmigte mir selbst auch einen Drink und in diesem Moment wäre es mir lieber gewesen, ich wäre Gast und nicht Gastgeber, aber der Abend war noch nicht zu Ende. Trotz ihrer hochgeschlossenen Bluse und ihres relativ langen Rockes, oder gerade deshalb, war sie sich ihrer erotischen Ausstrahlung bewusst. Es war aber nicht nur ihre Figur, die einen fesselte, es war vielmehr ihr Gesicht, oder besser gesagt ihr Gesichtsausdruck. Natürlich, sie hatte volle Lippen, hohe Wangenknochen, aber alleine diese Attribute machen eine schöne Frau noch nicht aus, sie hatte grüne Augen, weniger als zwei Prozent der Menschen haben grüne Augen. Aber nicht nur, dass sie zu den zwei Prozent gehörte, sie wusste einfach mit ihrer Körpersprache, mit ihrer nonverbalen Ausdrucksweise umzugehen.

Es war nicht einstudiert, obwohl es zeitweise so wirkte, es war wahrscheinlich angeboren. Ihre dunkelblonden Haare waren nicht gefärbt, sie hatte keine gefärbten Strähnchen im Haar, ihre Strähnchen waren von der Sonne gefärbt. Wie überhaupt glaube ich, dass diese Frau, mit dieser natürlichen Ausstrahlung, ein Wunder der Natur war. In der Gastronomie lernt man viele Menschen kennen. Man liest die Menschen, schätzt sie ein, schubladisiert sie, teilt sie in arm, in reich, in hässlich, in hübsch, in durchschnittlich ein, aber oft täuscht man sich auch, sieht auf den zweiten Blick oft einen anderen Menschen. Jedoch gibt es Menschen, von denen man vom ersten Augenblick fasziniert ist und kann seine Augen und seine Gedanken nicht mehr von ihnen lassen. Stella war so eine Frau. Paco hatte wenig Interesse Billard zu spielen. Er wollte lieber mit den Damen oder zumindest mit einer an dem kleinen Tischchen sitzen, das auch noch oben stand. Da nur zwei Stühle an dem Tischchen standen, bat Leo mich, ob ich nicht noch drei Stühle von unten bringen könnte. Dieser Bitte kam ich gerne nach, um mir ein Danke von Stella abzuholen. Leo und Betty legten sich die Billardkugeln zurecht, kreideten die Queuekappen ein und begannen zu spielen. Paco und Stella nahmen am kleinen Tischchen Platz. Theo setzte sich zu ihnen, wandte sich aber eher den Spielenden zu.