Marie - Folge 1

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Aus der Reihe: Marie #1
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Marie - Folge 1
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MARIE

Folge 1

Verdorben

Fatih O.

Artcover: Giada Armani

Copyright: BERLINABLE UG

Berlinable lädt dich ein, alle deine Ängste hinter dir zu lassen und in eine Welt einzutauchen, in der Sex der Schlüssel zur Selbstbestimmung ist.

Unsere Mission: Die Welt verändern - Seele für Seele.

Akzeptieren Menschen ihre eigene Sexualität, formen sie eine tolerantere Gesellschaft.

Worte der Inspiration, des Mutes, der Veränderung.

Öffne deinen Geist und befreie deine tiefsten Begierden.

Alle Rechte vorbehalten. Es ist nicht erlaubt, die Inhalte dieses eBooks ohne die ausdrückliche Genehmigung durch den Verlag zu kopieren, weiter zu verbreiten öffentlich vorzutragen oder anderweitig zu publizieren. Änderungen, Satzfehler und Rechtschreibfehler vorbehalten. Die Handlung und die handelnden Personen dieses Buchs sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.

Verdorben

Ein weiterer an ermüdenden Lesungen an der Humboldt-Universität nicht zu übertreffender Tag wurde von der elfköpfigen Berliner Dancehall-Kombo SEEED um 6:10 Uhr basslastig aus dem Radiowecker eröffnet: „Dickes B, oben an der Spree, im Sommer tust du gut und im Winter tut‘s weh!“

Marie war bei diesen Worten sofort putzmunter, denn sie liebte diesen Song und insbesondere diese Textpassage, welche das Lebensgefühl einer echten Berliner Pflanze nicht besser beschreiben könnte. Der Wechsel zwischen unbändiger Lebensenergie im Sommer zu suizidaler Tristesse im grauen November bis hin zu depressiven Schüben in dem meist noch dunklen und verregneten März hätte mit Worten nicht prägnanter vermittelt werden können.

Marie konnte es sich nicht erklären, aber die Worte dieser Textzeile trieben ihr immer wieder Erinnerungen ihres „ersten Mals“ durch den Kopf. „Gut tun“ und „weh tun“ waren zwei gegensätzliche Gefühle, die sich selten näher waren als beim Sex. Jedenfalls war das zu ihrer Abizeit die Quintessenz der diversen Berichte ihrer Freundinnen gewesen, wenn es um deren Schilderung der Entjungferung gegangen war. Alle Schilderungen hatten stets eins gemeinsam gehabt: Das „erste Mal“ war zwar irgendwie schön und aufregend, aber auch sehr schmerzhaft. Trotzdem hatten ihre Freundinnen es danach immer und immer wieder gewollt! Unbedingt und am besten jeden Tag! Marie hingegen hatte nur staunend zuhören können, denn das Leben bei ihrem Ziehvater war sehr kontrolliert und behütet gewesen.

Sie hatte Verständnis dafür, dass er ambitioniert versucht hatte, dem letzten Wunsch ihres leiblichen Vaters, sie vor allen Gefahren schützend großzuziehen, nachzukommen, aber manchmal hatte sie sich wie an einer Leine gefühlt. Es war ein sehr erdrückendes Gefühl gewesen, denn jeder ihrer Schritte war minutiös durchgetaktet gewesen – und auch dementsprechend kontrolliert worden . Kontakte zu ihren Freunden waren selektiert und insbesondere die männlichen mit Argusaugen überwacht worden. Jedes Mal, wenn Maries Interesse an einem Jungen aufgeflackert war, hatte ihr Ziehvater die Leine spürbar enger gezogen und die sich unweigerlich ergebenden Diskussionen immer mit dem entwaffnenden Satz beendet: „Du weißt, was ich deinem Vater versprechen musste!“

Auch ihre Versuche, die sich aufbauende Neugierde am anderen Geschlecht zumindest über das Internet oder Handy zu stillen, waren der digitalen Kontrolle erlegen. Sie hatte ihr Handy zum Schlafengehen stets im Flur liegen lassen müssen und nur über den jederzeit einsehbaren PC im Arbeitszimmer ins Internet gedurft. Marie durchzog jedes Mal ein Schauer, wenn sie an das inquisitorische Verhör nach ihren ersten Schritten durchs Internet dachte. Ihr Ziehvater war mit hochrotem Kopf schnaubend vor ihr gestanden und hatte sie gefragt, warum sie Seiten aufgerufen hatte, bei denen es um Sex sowie um die Erektion und Samenergüsse von Männern ging. An ihren genauen Wortlaut erinnerte sie sich heute nicht mehr, aber ihre oscarverdächtige Erklärung, dass das alles doch ausschließlich für den Biologieunterricht gewesen sei, hatte ihn überzeugt und er hatte ihr sogar geglaubt. Maries unschuldige blaue Engelsaugen hatten seine harte Fassade schon oft ins Bröckeln gebracht gehabt.

So war es ihr auch ergangen, als sie das erste Mal die Zunge eines Jungen in ihrem Mund und seine Hand unter ihrer Bluse auf ihrer Brust gespürt hatte. Wochenlang hatte Marie den Jungen im Gymnasium beobachtet und ihm neugierige Blicke zugeworfen gehabt, bis er sie eines Tages nach Hause begleitet und sie im Hausflur einfach geküsst und zugepackt hatte. Wie es der Zufall so wollte, hatte ihr Ziehvater die beiden natürlich in flagranti erwischt, ihn zum Teufel gejagt und sie zur Rede gestellt. Sie war mit tränenunterlaufenen Augen vor ihm gestanden und geschluchzt, dass sie das gar nicht gewollt hatte, bis er butterweich geworden war und sie schützend in den Arm genommen hatte. Die Tränen waren ihr aber eigentlich nur gelaufen, weil sie sich unglaublich erleichtert und vor allem berauscht gefühlt hatte. Bis heute hatte sich das elektrisierende Gefühl seiner Berührungen an jungfräulichen Stellen ihres Körpers wie eine nicht mehr entfernbare Narbe in ihre Erinnerung gebrannt. In diesem Moment war der Knoten sprichwörtlich geplatzt und ihr Interesse an dem männlichen Geschlecht war von Tag zu Tag gewachsen. Ebenso hatte sie Gefallen an den Reaktionen der jungen Männer, wenn ihre nicht zu übersehenden weiblichen Attribute in der Menge aufblitzten, entwickelt.

Im Laufe ihrer Pubertät hätte Marie den ersten Sex sicherlich selbst bereits mehrfach erleben können, denn die Blicke der Männer, die ihren Weg gekreuzt hatten, waren oftmals mehr als eindeutig gewesen. Mit fast 18 Jahren hatte sie erfahren müssen, welches unbändige Verlangen ihr weiblicher Körper und ihre bloße Präsenz bei den Männern entfachte...

***

Aus Höflichkeit ihrem Ziehvater und seiner Frau gegenüber hatte sie eingewilligt, die beiden zu einer Geburtstagsfeier eines sehr vermögenden Geschäftspartners zu begleiten – wohl wissend, dass sie sich zu Tode langweilen würde. Das Einzige, was dieses Todesurteil versüßte, war die Tatsache, dass die Feier in einer sagenumwobenen, dekadenten Villa im Bauhaustil an der elitären Adresse „Am Löwentor“ im gesitteten Berliner Bezirk Wannsee stattfand. Normalsterblichen war ein Zugang zu solchem Anwesen für gewöhnlich versagt, sodass diese Exklusivität als „Schmerzensgeld“ ausreichen musste. Zu ihrer Rettung hatten dort zwei Brüder im Alter von 19 und 21 die gleiche Höflichkeit zu Tage befördert und sich dieser ermüdenden Gesellschaftsverpflichtung ebenfalls widerwillig hingegeben. Umso stärker flackerte unbändige Begeisterung in deren Augen auf, als Maries leuchtende Haarpracht das erste Mal wallend ihre Neugierde wachküsste.

Es war ein heißer Sommerabend und das Anwesen, auf dem die opulente Feier stattfand, hatte einen parkähnlichen Garten, in dem man sich mit etwas Mühe auch hätte verlaufen können. Es war unausweichlich, dass die einzigen drei jungen Menschen dieses zwar teuren aber aus deren Sicht sehr angestaubten Events sofort zueinander fanden. Man sah dem älteren Bruder allein aufgrund seines ausgefallenen Jacketts sofort an, dass er ein richtiger Rebell war und sich gern von der Masse abzuheben versuchte. Er „lieh“ sich eine Flasche Wodka von der Bar und schlug vor, man könne doch in der Abgeschiedenheit des Gartens untertauchen. Das monotone Gefasel der alten Menschen über Karriere, Wirtschaft und körperliche Gebrechen war einfach zu langweilig, um die kostbare Lebenszeit in deren Gesellschaft zu vergeuden. Außerdem kribbelte Maries Neugierde unter ihrer gesamten Haut schon beim ersten Blick in die leuchtenden Augen dieses Rauhbeins. Ein erregendes Gefühl, dass sich im Umfeld des Verbotenen immer wieder einstellte, wenn sich die Möglichkeit eines intensiven Blickwechsels ergab. Die Langeweile, die die drei jungen Leute bis gerade eben verspürt hatten, konnte selbst durch die Gegenwart einiger Prominenter der Berliner Immobilien- und Gastronomieszene nicht gelindert werden. Aber genau das änderte sich unvermittelt.

Marie schaute sich um und sah ihren Ziehvater in sicherer Entfernung angeregt diskutieren. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich umdrehte und den beiden Jungs folgte. Die Aufregung, endlich mal unbeaufsichtigt zu sein, versetzte ihren Körper in einen ungewohnten aber angenehmen Zustand, den sie nicht definieren konnte.

Marie hatte ein kurzes Top und einen noch kürzeren Rock an, sodass man bei jeder Bewegung ihren, anscheinend nur aus minimalen Stofffetzen bestehenden, Slip erahnen konnte. Das Rauhbein war sichtlich daran interessiert, dass der Inhalt der Wodkaflasche möglichst rasch und möglichst durch Marie geleert werden sollte. Marie war seine Intention durchaus bewusst, aber sie wollte sich weder die einzige Gelegenheit des dortigen Zeitvertreibs durch die Finger gehen lassen, noch sich seinen Unmut über eine etwaige Zurückweisung zuziehen. Außerdem musste sie zugestehen, dass seine dominante und bestimmende Art in Verbindung mit den stahlblauen Augen sie auf angenehme Weise in Anspannung versetzten.

Der jüngere Bruder war genau das Gegenteil von ihm: zarte, sensible Züge eingebettet in ein Gesicht, das ein Künstler mit einem Pinsel feiner nicht hätte malen können. Auch er nahm die Offerten des Bruders zum Trinken gern an und Marie fragte sich, ob er sie nur vor dem Betrunkenwerden schützen oder sich selbst etwas Mut antrinken wollte, denn augenscheinlich war Maries Gegenwart der Grund seiner Gesichtsrötung, die immer stärker wurde, je mehr sie mit ihm flirtete. Marie genoss es, zwischen beiden zu stehen und wie in einem Umspannwerk die sich aufbauenden Spannungsblitze zu kompensieren.

 

Die Blicke des Älteren intensivierten sich mit jedem Schluck des Wodkas und schienen Maries gespielte Fassade des Selbstbewusstseins zu demontieren. Sie spürte, wie die Unsicherheit sich den Weg durch ihr Inneres bahnte und für aufkeimende Hitze sorgte. Wie oft hatte sie die sexuellen Erfahrungsberichte ihrer Freundinnen aufgesogen, in der Hoffnung, dass auch sie bald über ihr erstes sexuelles Erlebnis berichten könnte. Ihr war jedes Mal heiß und kalt geworden und ihr Slip hatte die von ihren Schamlippen abgesonderte Flüssigkeit aufgesogen, wenn von einem Blowjob auf dem Schulklo, einem Quickie auf einer Party oder einem Dreier mit zwei Freunden ausschweifend berichtet worden war. Bislang hatte sie aufgrund ihrer katholischen Erziehung nie den Mut aufbringen können, eine der vielzähligen männlichen Offerten anzunehmen und sich fallen zu lassen. Noch nie hatte sie die jahrelangen Vorhaltungen ihres Ziehvaters über Sex vor der Ehe beiseite wischen und einfach ihr Leben und ihre Jugend im Hier und Jetzt genießen können, ohne an die Folgen oder gar einen tieferen Sinn zu denken.

Noch nie!

Und genau bei diesem Gedanken und dem nächsten Schluck aus der Wodkaflasche nahm sie wahr, dass die Situation, in der sie sich gerade befand, an Spannung kaum zu übertreffen war. Der Schleier der Zurückhaltung schien sich gerade zu heben oder wurde durch die alkoholische Lösung in der Flasche auf chemische Weise aufgelöst und sie realisierte, dass die Szenerie den Schilderungen ihrer Freundinnen zu gleichen schien. Sie befand sich beschwipst und kokett gackernd zwischen den beiden Brüdern und ging mit den Händen immer wieder auf Tuchfühlung, wenn sie dem einen oder dem anderen etwas zusäuselte. Ihr Haar streichelte dabei sanft die Gesichter der beiden und ihr betörendes Parfum tat gleiches mit ihren pulsierenden Nüstern, sobald ihre Bewegungen den Luftzug entsprechend begünstigten.

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