ÜBERLEBT - Infiziert mit dem Superkeim MRSA

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ÜBERLEBT - Infiziert mit dem Superkeim MRSA
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Ezra Pierpaoli

ÜBERLEBT - Infiziert mit dem Superkeim MRSA

120 Tage in der Intensivstation und der Rehabilitation

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2013

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Bild: 3D und computergefertige Darstellung von Staphylokokken (in lila) auf Fasern (in braun). Dreamstime.com

Graphische Umschlaggestaltung: Reinhard Hammel

Umschlagkonzeption: Ezra Pierpaoli

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALTSVERZEICHNIS

COVER

TITEL

IMPRESSUM

VORWORT

ANGESTECKT

15. August 2011

16. August 2011

17. August 2011

18. August 2011

19. August 2011

20. August 2011

21. August 2011

22. August 2011

IM KÜNSTLICHEN KOMA

23. August - Anfangs Oktober 2011

23. August 2011

24. August 2011

25. August bis anfangs September 2011

2. – 12. September 2011

14. – 20. September 2011

21. September 2011

24. September 2011

3. Oktober 2011

GEWECKT

Anfang Oktober 2011

Der Naseneingriff

Dialysen

Schlechtes Sehen

Wie dünn sind meine Beine!

Tremor (Muskelzittern), Fernsehen und Musik

Lernen, wieder selbständig zu atmen

Apfelstückchen

Umlagerungen

Erstes Aufsitzen, Rundgang durch das Krankenhaus

Wie lange bin ich noch hier?

16. Oktober: Besuche und die Buchstabiertabelle

Physio- und Ergotherapie, Logopädie

Arztvisiten, Motivation

Wo ist mein Laptop geblieben?

Entfernen der Trachealkanüle

Odyssee, Überführung in die Reha

IN DER RIA

26. Oktober – 8. November 2011

Die ersten Tage

Die Urinflasche

Logopädie

Das erste Mal duschen

Therapien

Physiotherapie

Psychologische Unterstützung

Ergotherapie

Medikamententherapie

Besuch

IN DER REHA

8. November 2011: Verschiebung ins Zimmer 313. 3. Stock

12. November 2011: Angehörigentag und Vermicelles

14. November 2011: Entfernung der Bauchsonde

15. November 2011: Geburtstag

21. November 2011: Nachkontrolle in der HMO-Abteilung, Kantonsspital Aarau

28. November 2011: Erster Abstrich

29. November 2011: Operation am Ohr im Kantonsspital Aarau

9. Dezember 2011: Auflösung der Isolation

12.-16. Dezember 2011: Die letzte Rehawoche

16. Dezember 2011: Entlassung

NACHWORT

LITERATURVERZEICHNIS

HERZLICHEN DANK!

KONTAKTMÖGLICHKEIT

Für meine Familie

VORWORT

Im August des Jahres 2011 bin ich aus heiterem Himmel schwer erkrankt. Wie sich nach einigen Tagen herausstellte, hatte ich mich mit dem multiresistenten Bakterienkeim MRSA angesteckt. MRSA ist eine Abkürzung für Methicillin-Resistenter oder Multi-Resistenter Staphylococcus Aureus, ein Bakterium, das die Hautoberfläche besiedeln und dort monate- bis jahrelang überleben kann. Multiresistent bedeutet, dass viele Antibiotika, die üblicherweise zur Bekämpfung einer solchen Infektion benutzt werden, nicht mehr wirken, da die Bakterien dagegen resistent geworden sind. Wo, wie und warum diese Infektion aufgetreten ist, war mir zu Beginn schleierhaft und konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Nach vielen Diskussionen und Recherchen konnte ich zumindest verschiedene Vermutungen aufstellen, wann und wo ich mich mit den Keimen infiziert hatte. Niemals hätte ich gedacht wie schnell und brutal einen eine solche bakterielle Infektion treffen und niederstrecken kann. Nach einer mehrmonatigen Krankheitsgeschichte habe ich mich mit dieser Thematik auseinandergesetzt, mit der ich mich vorher nicht allzu sehr beschäftigt hatte.

Es ist eine traurige Tatsache, dass jährlich weltweit Zehntausende an MRSA Infektionen sterben. Obwohl die Thematik „Superkeime“ immer wieder in den Medien auftaucht, scheinen deren verheerenden Folgen im öffentlichen Bewusstsein wenig bekannt zu sein. Wahrscheinlich sind sich auch viele Ärzte nicht im Klaren darüber, wie schwer einen eine MRSA-Infektion treffen kann. In den USA erkranken jedes Jahr fast hunderttausend Menschen an Infektionen mit MRSA. Eine Studie, die 2005 in den USA durchgeführt wurde und 2007 in der renommierten wissenschaftlichen amerikanischen Zeitschrift JAMA publiziert wurde, hat gezeigt, dass jeder fünfte Fall einer Infektion tödlich endete. Damit wären im Jahre 2005 in den Vereinigten Staaten 18,650 Personen an MRSA gestorben. Gemäß einem Jahresbericht des Europäischen Systems zur Überwachung antimikrobieller Resistenzen kann man davon ausgehen, dass in der erweiterten Europäischen Union pro Jahr bis zu 50,000 Todesfälle als Folge von MRSA auftreten. Die genaue Zahl zu erfassen ist schwierig, da als Todesursache nicht unbedingt MRSA erkannt und daher auch nicht aufgeführt wird. Zudem wird ein großer Teil dieser Fälle auf Spitalinfektionen mit den sogenannten nosokomialen Erregern zurückzuführen sein.

 

Obwohl MRSA als „Spitalkeim“ ein vieldiskutiertes Thema in Krankenhäusern und auch der Öffentlichkeit ist und bleiben wird, ist der Sachverhalt, dass man sich mit einer anderen Form des Bakteriums, dem „community-aquired“-MRSA oder CA-MRSA auch in der Allgemeinheit, im öffentlichen Raum, anstecken kann, weniger bekannt und umso erschreckender. Obwohl die Zahl an nosokomialen MRSA-Infektionen eher im Sinken begriffen ist, steigt die gesamte MRSA Prävalenz auf Grund der steigenden Zahl an CA-MRSA-Fällen. Diese Form von MRSA kann auch junge und vollständig gesunde Menschen treffen. Zwar ist dies in einem Land wie der Schweiz vermutlich äußerst selten aber durch einen Auslandaufenthalt in einem Land mit hohem Auftreten von CA-MRSA, z.B. den USA oder einem südeuropäischen Land als auch durch Kontakt mit einer CA-MRSA-positiven Person aus einem Land mit hohem Auftreten dieses Keims ist eine Ansteckung trotzdem möglich.

Haben sich die Bakterien erst einmal auf dem Körper der entsprechenden Person eingenistet, kommt es noch zu keiner Erkrankung. Ein Pickel, ein Schnitt oder eine kleine Wunde jedoch genügen, und die Bakterien können in kurzer Zeit in den Blutkreislauf gelangen. Innerhalb weniger Tage können sie dabei zu einer akuten Sepsis mit anschließendem Organversagen führen. Es gibt nur wenige Antibiotika, die diese Bakterien stoppen können.

Leider hat der unverantwortliche Umgang mit Antibiotika in vielen Ländern die Entwicklung solcher multiresistenten Superkeime sehr stark begünstigt. Auch das vorschnelle Abbrechen von Antibiotikatherapien kurz nach Abklingen der Symptome, anstatt sich an die vom Arzt verordnete Dauer der Therapie zu halten, trägt zur Entstehung solch resistenter Bakterienstämme bei.

Die Feststellung, dass die Entwicklung von Antibiotika mit neuen Wirkmechanismen von der Pharmaindustrie in den letzten Jahrzehnten in der Forschung eine eher untergeordnete Rolle mit niedriger Priorität gespielt hat, wird sich in Zukunft damit auswirken, dass für gewisse Infektionen wenige bis gar keine geeignete Antibiotika zur Verfügung stehen werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Gefahr, die von multiresistenten Bakterienstämmen ausgehen, durchaus erkannt und letztes Jahr die Pharmaindustrie, Regierungen und Gesundheitsbehörden dringend dazu aufgerufen, gemeinsam diese globale Gefahr der Antibiotikaresistenz zu bekämpfen. In Antwort darauf hat dieses Jahr die Europäische Kommission eine 224 Millionen Euro Initiative lanciert. Ziel dieser Initiative ist die Wirkungsweise von antibiotikaresistenten Bakterien besser zu verstehen und erfolgsversprechende Ansätze dazu zu benutzen, neue Antibiotika zu entwickeln. Fünf namhafte Pharmafirmen sind darin involviert.

In diesem Buch möchte ich beschreiben, wie sich der ganze Krankheitsverlauf zugetragen hat und was es bedeutet, wochenlang mit einer solchen Erkrankung in der Intensivstation zu liegen und intensivmedizinisch behandelt zu werden. Ich glaube auch für Ärzte und das Pflegepersonal, die dort arbeiten, ist es schwierig nachzuvollziehen, wie man sich wirklich fühlt und was man aus der Sicht des Patienten durchmacht und erlebt, genauso wie es schwierig ist, sich bei einem Besuch einer schwerkranken Person in diese hineinzuversetzen. Die Situation war zugleich drastisch und unglaublich. Ich vermute, man kann es erst richtig verstehen, wenn man es selbst erlebt hat. Ich hatte unglaubliches Glück, die schwere Sepsis mit mehrfachem Organversagen zu überleben und bin daher in der einzigartigen Lage, davon überhaupt berichten zu können.

In einem zweiten Teil des Buches möchte ich beschreiben, was es heißt, von einer solchen buchstäblich körperlichen Totalkollision wieder Schritt für Schritt in monatelanger Arbeit den Körper aufzubauen, die Kräfte zurückzugewinnen und erneut die für einen gesunden Menschen selbstverständlichen Funktionen wie atmen, sprechen, essen, verdauen und gehen erneut zu erlernen, um ins normale Leben zurückkehren zu können.

Die ganze Erkrankung war wie eine lange und wahnsinnige Reise, aus der ich auf unerklärliche und wundersame Weise heil zurückgekehrt bin.

ANGESTECKT
15. August 2011

Alles begann ganz harmlos. Nicht im Traum hätte ich damit gerechnet, dass ich eine Woche später in der Intensivstation um mein Leben kämpfen würde.

An einem dieser ungeliebten Montage hatte ich im Büro plötzlich eine gereizte Nase und musste ständig niesen. Auch die Nasenschleimhäute waren ausgetrocknet, gespannt und schmerzten leicht, wie ich es von meinem jährlichen Heuschnupfen oder von Flugreisen gut kannte. Die Nase lief in einem fort. Alles deutete darauf hin, dass ich wieder einmal eine Erkältung aufgeschnappt hatte. Es war allerdings etwas sonderbar, wie die Symptome so plötzlich begonnen hatten, denn beim Aufstehen fühlte ich mich noch gut, aber unüblich war es sicher nicht. Ich kehrte zeitig von der Arbeit nach Hause zurück und legte mich sofort ins Bett, da allmählich auch unangenehme Gliederschmerzen auftraten.

Dieser Montag war der zweite Geburtstag meiner jüngsten Tochter, die im Gegensatz zu allen anderen Familienmitgliedern im Sommer geboren wurde. Dies war natürlich ein besonderer Tag für uns und unser Nesthäkchen. Noch gut hatten wir ihre schnelle Geburt an einem Samstag Spätnachmittag in Erinnerung.

Meine Frau hatte ein feines Nachtessen vorbereitet und einen Schokoladenkuchen gebacken. Um ca. 19.00 Uhr stand ich wieder auf, um mit meiner Familie zu essen und mit den Kindern zu feiern. Obwohl ich mich immer noch nicht besser fühlte, entwickelte ich einen rechten Appetit. Um mich zu schonen und am nächsten Tag wieder fit zu sein, ging ich jedoch frühzeitig zu Bett.

16. August 2011

Auch nach der einigermaßen gut verbrachten Nacht ging es mir nicht viel besser. Ich wurde bis am Freitag der vorangegangenen Woche wegen einer Schleimbeutelentzündung am linken Ellbogen mit einem Antibiotikum behandelt und hatte nun den Verdacht, dass diese nicht ausgeheilt war und wieder neu aufgeflammt sein könnte. Deshalb rief ich gleich nach dem Aufstehen meinen Hausarzt an. Dieser fand jedoch, dass ein neuer Ausbruch der Infektion sehr unwahrscheinlich sei und es sich vermutlich um das Anfangsstadium einer Erkältung oder Grippe handle. Ich solle mich wieder melden, falls es in zwei Tagen nicht besser sei. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass ich schon wieder eine Grippe bekommen sollte, denn schon anfangs des Jahres war ich für fast zehn Tage, gemäß den Symptomen vermutlich an der Schweinegrippe, erkrankt. Ohnehin war ich eigentlich selten krank oder erkältet. Da ich mich nicht kräftig genug fühlte, um zur Arbeit zu gehen, meldete ich mich bei der Firma krank. Den Tag verbrachte ich wieder größtenteils im Bett.

Bis am Abend ging es mir um einiges schlechter: ich lag unter einer dicken Decke und fror so jämmerlich, wie ich nie zuvor gefroren hatte. Auf meine Bitte brachte mir meine Frau eine Wolldecke, die sie mir zusätzlich auf das Daunenduvet auflegte. Doch auch das half nicht sehr. Zudem waren die Gliederschmerzen ziemlich heftig geworden. Ich nahm zwei Alcacyl-Brausetabletten ein und hoffte, diese würden eine Linderung bringen.

In der Nacht wachte ich auf und maß die Körpertemperatur. Ich erschrak: das Thermometer zeigte 40° an! Das erklärte den starken Schüttelfrost. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so hohes Fieber gehabt hatte. Die Nacht war schlimm mit Fieberträumen, schwitzen und schlottern. Eine erneute Temperaturmessung um etwa drei oder vier Uhr morgens zeigte, dass diese in der Zwischenzeit trotz fiebersenkendem Medikament überhaupt nicht gefallen war und immer noch bei 40° lag.

17. August 2011

Am Morgen fühlte ich mich so miserabel und schwach, dass ich kaum die Kraft hatte, aufzustehen. Es war mir klar: jetzt musste dringend etwas passieren! Ich wusste nicht, was mit mir los war. Irgendwie ahnte ich instinktiv, dass etwas Schlimmes geschehen war. Die Symptome waren so stark, dass dies nicht eine Grippe sein konnte. Ich rief gleich um 08:00 nochmals den Hausarzt an, wo jedoch nur ein Anrufbeantworter verlauten ließ, dass die ganze Belegschaft auf einem Betriebsausflug sei. Das hatte gerade noch gefehlt! Aber etwas Gutes hatte es auch. Da ich über das Hausarztmodell versichert war, musste ich zuerst den Hausarzt konsultieren, der mich falls nötig, an einen Spezialisten oder das Spital weiterleiten würde. Dies entfiel nun glücklicherweise.

Meine Frau riet mir, mich direkt in der Notfallstation des nahegelegenen Regionalspitals Rheinfelden anzumelden. Ich rief das Spital gleich an und teilte dem Empfang mit, dass ich nächstens eintreffen würde. Wie sich später zeigen sollte, war es mitunter das rechtzeitige Handeln, das mir wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Jeder Tag weiteren Zögerns und Abwartens wäre verheerend gewesen. Bevor ich mich ankleidete, kletterte ich völlig entkräftet in die Badewanne und versuchte, den überhitzten Körper mit einer lauwarmen Dusche zu kühlen, wie wir das auch bei unseren Kindern bei hohem Fieber zu tun pflegten.

Meine Frau fuhr mich anschließend in Begleitung meines Sohnes ins Spital. Vor dem Eingang wartete ich auf einer Bank bis meine Frau einen Parkplatz gefunden hatte. Jedes Mal, wenn ich heute an diesem Spital vorbeifahre und die Bank sehe, muss ich an diesen Augenblick denken und wie die ganze Geschichte begonnen hatte.

In der Notaufnahme muss man ja zum Teil mehrere Stunden warten, bis man an die Reihe kommt. Ich hatte keine Kraft, um zu sitzen, bis ich aufgerufen würde und bat deshalb einen vorbeieilenden Arzt, mich irgendwo hinlegen zu dürfen. Mein schlechter Zustand war offensichtlich, und er brachte mich sofort in ein Ambulatorium mit einer Liege. Ich war so dankbar, dass ich wenigstens liegen konnte.

Nach einer Weile wurde ich von einer Ärztin befragt und untersucht. Meine Nase war in der Zwischenzeit stark geschwollen, und ich blutete leicht aus dem linken Nasenloch. Ich wurde gefragt, ob das Nasenbluten der Grund sei, warum ich hier sei. Es wurde mir eine Infusion angelegt und ein fiebersenkendes Medikament infundiert. Als Folge davon begann ich, wie verrückt zu schwitzen. Bald war mein Poloshirt komplett durchgeschwitzt und ich musste es gegen ein Krankenhaushemd auswechseln. Zudem begannen in meinem Kopf migräneartige Kopfschmerzen zu hämmern. An die verschiedenen Untersuchungen kann ich mich nicht mehr im Detail erinnern. Jedenfalls erhielt ich ein Medikament gegen die Kopfschmerzen, wurde geröntgt, ein Elektrokardiogramm wurde aufgenommen und Blutproben für Untersuchungen und Bakterienkulturen entnommen. Vor Anstrengung und Aufregung musste ich mich übergeben. Danach wurde mein Kopf mittels einer Schichtbild-Computertomographie vor und nach Gabe eines intravenösen Kontrastmittels untersucht. Wie ich später erfuhr, wurde die Diagnose einer Nasennebenhöhlenentzündung gestellt und mir per Infusion ein entsprechendes Antibiotikum verabreicht.

Nach all den Untersuchungen war es klar, dass ich im Krankenhaus bleiben musste. Infolgedessen wurde ich auf ein Zimmer verlegt. Meine Frau bemerkte erschreckt, dass mein rechtes Auge plötzlich völlig geschwollen war und hielt mir einen Spiegel vor das Gesicht. Unglaublich, das Augenlied und rund um das Auge war das Gewebe wie nach einer Schlägerei angeschwollen, wie nach einem Treffer mitten auf das Auge. Was war denn jetzt schon wieder geschehen? Im Laufe des Abends begann auch das linke Auge anzuschwellen. Die Nase war auch extrem geschwollen und sicher doppelt so breit wie normal. Es sah übel aus und erinnerte an das Gesicht eines Boxers, der während eines Boxmatches viele Schläge einstecken musste.

Am Abend besuchte mich meine Frau mit den drei Kindern, unserem achtjährigen Sohn sowie der dreieinhalbjährigen und der zweijährigen Tochter. Mein Sohn und meine ältere Tochter waren von meinem Anblick so erschrocken, dass sie zu weinen begannen. Daran kann ich mich noch erinnern. Das wollte ich nun wirklich nicht. Es tat mir schrecklich leid, und wir versuchten, sie zu trösten.

 

18. August 2011

Die nächste Neuigkeit war, dass das Regionalspital für einen Fall wie mich nicht ausgerüstet war, da nun dringende Untersuchungen durch einen Hals-Nasen-Ohren Spezialisten benötigt wurden. Es wurde beschlossen, mich ins Kantonsspital Aarau zu verlegen. Nochmals musste ich mich übergeben.

Der Transfer ging sehr effizient. Bald lag ich auf einer Bahre festgezurrt in der Ambulanz auf dem Weg nach Aarau. Dort wurde ich in ein Ambulatorium gebracht und auf eine Untersuchungsliege gebettet, die so unbequem war, dass sich mein Rücken bald total verspannte.

Nach einer Weile warten wurde ich vom Stationsarzt befragt und untersucht. Besonders die starke Gesichtsschwellung war augenfällig. Er untersuchte meine Nase und vermutete einen Abszess in der Nasenhöhle. Darauf führte er eine feine Lanzette tief in das rechte Nasenloch, worauf mir ein Schwall Blut und Eiter über Schnurrbart und Mund lief. Es zeigte sich, dass sich tatsächlich ein großer Abszess an der Schleimhaut der rechten Nasenscheidewand gebildet hatte. Ich war froh, dass er diesen so schnell entdeckt hatte und problemlos öffnen konnte. Eine Lascheneinlage, d.h. ein wattierter Verband wurde unter der Nase von einem Ohr zum anderen angelegt, da weiterhin ständig eitrige Flüssigkeit aus der Nase floss. Nach einer Röntgenuntersuchung des Brustraumes musste ich wieder erbrechen. Endlich, nach einem zweiten speziellen Computertomogramm des Schädels, wurde ich in ein Stationsabteil der Überwachungsstation gebracht, wo ich die Nacht verbringen sollte, abgetrennt nur durch einen Stoffvorhang von anderen Patienten.

Zu meiner Freude kam ein Freund und Arbeitskollege zu Besuch, der extra die Fahrt nach Aarau auf sich genommen hatte. Ich glaube, er war von meinem Zustand und Aussehen ziemlich schockiert, obwohl er sich nichts anmerken ließ. Ich erzählte ihm, wie es mir bis dahin gegangen war und wie miserabel ich mich vor dem Spitaleintritt gefühlt hatte. Es war schön zu sehen, dass er sich um meine Gesundheit kümmerte. Bald ging er wieder. Ich wusste nicht, dass ich ihn für viele Monate nicht mehr sehen würde.

In der Station war es heiß und laut. Gegenüberliegend war ein Mann in erbärmlichen Zustand mit seltsam verdrehten und bandagierten Beinen und einer übergestülpten Sauerstoffmaske, der furchtbar schnarchte. Trotzdem konnte ich einigermaßen gut schlafen.