1001 Tausendundeine Lüge

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Wahre Geschichte Nr. 02 – Maria
Bezness-Anleitung – oder „Wie man in Europa zu etwas kommen kann“

Im September 1992 wurde durch einen Urlaub in Tunesien mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.

Bedingt durch einige berufliche und private Rückschläge, hatte ich das Gefühl einfach mal die Seele baumeln zu lassen und mir zwei Wochen Urlaub am Strand mit Sonne und Meer zu gönnen. Meiner Freundin Tanja ging es genau wie mir und so beschlossen wir, kurzfristig eine günstige Pauschalreise zu buchen. Im Reisebüro wurde uns ein Hotel in Monastir empfohlen, zu einem wirklich guten Preis, dem wir nicht widerstehen konnten.

Mit im Gepäck jede Menge Warnungen von Freunden und Verwandten, sich auf nichts dort einzulassen, die wir lachend zu Kenntnis nahmen. Männer – nein danke und aus Tunesien schon mal gar nicht, dachten wir uns.

Nach einer langen Reise mit Verspätung und unerträglicher Hitze am Flughafen, kamen wir völlig erschöpft gegen Mitternacht im Hotel an. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie seltsam wir es fanden, dass nur Männer auf den Straßen unterwegs waren und von Frauen nichts zu sehen war.

Am nächsten Tag weckte uns die Sonne und der Blick von unserem Balkon auf das Meer war atemberaubend. Nach einem guten Frühstück machten wir uns auf den Weg um die Anlage zu erkunden. In der Hotelhalle hielten sich sehr viele Tunesier auf, die Kaffee tranken und beim Abchecken von „Frischfleisch“ waren. Das belustigte uns und wir beschlossen die zum Teil eindeutigen Annäherungsversuche einfach zu ignorieren.

Gegen Abend beschlossen wir, uns in der Hotelbar einen Drink zu genehmigen und danach in der hoteleigenen Diskothek den Abend ausklingen zu lassen. Kaum hatten wir die Bar betreten, setzten sich schon zwei gut aussehende Tunesier zu uns. Ungefragt bestellten sie uns Getränke und fragten, was wir denn noch so den Abend machen. Wir erzählten ihnen, wir wären sehr müde und würden bald ins Bett gehen. Schnell verabschiedeten wir uns, gingen zuerst Richtung Zimmer und auf der Rückseite des Hotels wieder raus – Richtung Diskothek. Dort hatten wir uns gerade einen Drink bestellt, als die zwei Typen von der Bar wieder auf der Matte standen und sich ungefragt an unseren Tisch setzten. Dieses Spiel ging am nächsten Tag so weiter, ich war am Anfang unglaublich genervt, aber mit der Zeit hat es mir ein wenig imponiert, wie hartnäckig ein Mann daran interessiert war, mit mir zusammen zu sein. Samir (mein Schatten) ließ mich keine Minute aus den Augen und versuchte alle meine Wünsche zu erfüllen. Wenn wir zum Frühstück ins Restaurant, zum Umziehen auf das Zimmer oder nachts zum Schlafen gingen, ich fand ihn immer wartend in der Hotellobby.

Ich erwähnte zum Beispiel, dass mir sein Bart nicht gefallen würde, am nächsten Tag kam er glattrasiert zum Strand. In der Disco bestellte er ein Lied für die „schönste Frau“ im Club. Als ich im Gespräch erwähnte, dass ich etwas Landestypisches kaufen wollte, organisierte er für mich eine Fahrt auf den größten Markt im Umkreis. Mit diesen und vielen anderen Aktionen, eroberte er mein Herz.

Nach einer Woche gingen wir abends an den Strand, um uns den Sonnenuntergang anzusehen. Dort gestand er mir seine Liebe und dass er mich unbedingt seiner Familie vorstellen wollte. Ich war damit leicht überfordert, zumal ich mich nicht auf eine Beziehung einlassen wollte. Allerdings musste ich zu diesem Zeitpunkt feststellen, dass ich Schmetterlinge im Bauch hatte und bat ihn um Bedenkzeit – das ignorierte er einfach und plante den Besuch bei seiner Familie.

Mitte der nächsten Woche war es dann soweit – der Besuch bei der Familie stand an. Aufgeregt und mit kleinen Geschenken bepackt machten wir uns auf den Weg. Ich wurde dort von Anfang an trotz Sprachdifferenzen sehr gut aufgenommen, jeder sorgte sich um mich, die Kinder bewunderten meine helle Haut und die blonden Haare.

Am Ende meines Urlaubs musste ich feststellen, dass ich mich Hals über Kopf verliebt hatte. Meiner Freundin ging es ähnlich, so dass der Abschied tränenreich vonstatten ging.

Im Alltag in Deutschland angekommen, ging er mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich bekam viele Briefe und zweimal wöchentlich telefonierten Tanja und ich mit unseren Habibis aus Tunesien. Ich setzte alle Hebel in Bewegung, um schnellstmöglich wieder nach Tunesien zu fliegen zu können.

Nach meinem dritten Aufenthalt dort im Dezember 1993 machte mir Samir recht unromantisch einen Heiratsantrag im Konsulat in Tunis. Wir waren dort hingefahren, um ein Gesuch für ein Besuchervisum für ihn einzureichen. Da er allerdings keinen festen Job vorweisen konnte, war es nicht möglich, dieses zu bekommen. Deshalb fragte er mich, warum wir nicht heiraten, um für immer zusammen zu sein. Ich war sehr überrascht und hatte innerhalb kürzester Zeit einen Antrag für Familienzusammenführung in der Hand. Samir meinte, das wäre doch kein Problem, er bekäme ein Visum für drei Monate und wenn es nicht klappen würde, könnte er ja jederzeit wieder nach Hause fahren. Wir wären jetzt ja schon längere Zeit zusammen und es wäre doch schön, wenn wir für immer zusammen sein könnten. Da ich keine Zeit hatte darüber nachzudenken und ein „Nein“ das Ende dieser bis dahin wunderbaren Beziehung gewesen wäre, habe ich den Antrag unterschrieben.

Von diesem Tag an wurde das Verhältnis zwischen mir und Samir anders. Er betrachtete mich bereits als seine Frau und wurde schrecklich eifersüchtig, wenn ein Mann mich nur einmal anschaute. Ich fand seine übertriebene Fürsorge zu diesem Zeitpunkt noch sehr rührend, zeigte sie mir doch offensichtlich, wie sehr er mich liebte.

Zurück in Deutschland fielen meine Eltern aus allen Wolken, als ich ihnen mitteilte, dass Samir so schnell wie möglich bei uns einziehen würde und wir heiraten werden. Keine Warnung, keine Bedenken konnten mich von diesem Plan abbringen – im Gegenteil. Je mehr ich kritisiert wurde, umso stärker wollte ich es allen zeigen – mein zukünftiger Ehemann war nicht auf ein Visum aus – er war anders!?

Anfang März konnte ich ihn endlich, nach vielem Drängen bei den Behörden, am Flughafen in die Arme schließen. Überglücklich stellte ich ihn meinen Eltern vor, die sich sehr große Mühe mit ihm gaben. Da er fast kein Gepäck bei sich hatte, musste ich ihn komplett neu ausstatten. Selbstverständlich hatte mein zukünftiger Mann auch kein Geld, so dass ich auch die Ausstattung für die Hochzeit noch bezahlen musste. Gott sei Dank hatte ich noch einen Nebenjob, der uns so einigermaßen über die Runden brachte. Ende April haben wir dann endlich geheiratet und da ging das Drama richtig los.

Mein Ehemann wollte nicht einsehen, dass unser Geld knapp war, alles wollte er nur vom Feinsten, begnügte er sich früher mit No-Name-Kleidung, musste es plötzlich Markenware sein und wenn ich ihm einen Wunsch abschlug, trotzte er wie ein kleines Kind, drohte mir mit Trennung oder brüllte laut herum. Da mich viele vor der Hochzeit gewarnt hatten, traute ich mich nicht darüber zu sprechen, sondern gab in den meisten Fällen nach.

Nach sechs Monaten besorgte ich ihm einen Job, der uns finanziell ein wenig besser dastehen ließ. Da er in meine Wohnung einzog, gingen alle Kosten automatisch von meinem Konto ab, da ich als Frau für den Einkauf zuständig war, bezahlte ich diesen auch. Als ich ihn darauf ansprach, meinte er, wir könnten doch von einem Gehalt leben und das andere sparen für größere Ausgaben. Zu diesem Zeitpunkt fand ich die Reglung gar nicht so schlecht und ließ mich leider darauf ein.

Samir hatte nun jeden Monat sein ganzes Geld zur Verfügung, machte seinen Führerschein und kaufte sich ein Auto. Da er sich so einsam ohne seine Familie fühlte, knüpfte er Kontakte mit vielen Tunesiern, die sich im Umkreis aufhielten. Jedes Wochenende war er unterwegs, bis spät in die Nacht. Oft brachte er Besuch mit nach Hause, da ich in den Urlauben bei seiner Familie gelernt hatte, wie man tunesisch kocht. Natürlich wollte jeder der Bekannten bei uns essen und testen, ob ich das denn schon genauso gut wie die Frauen aus Tunesien könne. War es gut, wurde ich in höchsten Tönen gelobt, ging etwas daneben, flog die Schüssel quer durch die Küche und ich war bis in die frühen Morgenstunden damit beschäftigt sauber zu machen.

Unseren gesamten Urlaub verbrachten wir in Tunesien, ich bei der Familie – er zu seinem Vergnügen. Wollte ich mal ans Meer, musste ich betteln, manchmal schaffte ich es gerade zweimal in vier Wochen an den Strand zu kommen. Ich habe immer wieder Entschuldigungen für sein Verhalten gefunden, es gab kaum eine Möglichkeit von dort wegzukommen, er hat seine Freunde so lange nicht gesehen, in Tunesien leben die Frauen halt anders, es ist doch schön bei der Familie …

Die Bedingungen im Haus meiner Ex-Schwiegereltern waren nicht die besten und der Urlaub wurde für mich zur Qual. Am Anfang gab es nur ein Plumpsklo und ich hatte Verstopfungen, dann wurde eine neue Toilette eingebaut, allerdings so konstruiert, dass keine Dichtungen funktionierte und man beim Bedienen der Spülung mit den Beinen im Wasser stand.

Meine Schwägerin erzählte mir von günstigen Bauplätzen und da wir etwas gespart hatten und ich mir etwas mehr Privatsphäre im Urlaub versprach, war ich gegen einen Neubau nicht abgeneigt. Da wir allerdings das ganze Jahr nicht vor Ort waren, ergab sich die Gelegenheit bei meinen Schwiegereltern aufzustocken. Eine riesige Wohnung mit 150 qm im arabischen Stil mit drei Balkonen und einer riesigen Dachterrasse. Der Bau dauerte drei Jahre, wir haben alles bar bezahlt und es wurde eine wunderschöne Wohnung.

Meine Schwiegereltern überwachten den Bau, wir hatten ein Bankkonto in Tunesien eröffnet, von dem mein Schwiegervater regelmäßig die Zinsen abhob und in Alkohol investierte, weil Zinsen im Islam eine Sünde (Haram) sind. Meine Schwiegermutter kochte für die Bauarbeiter und selbstverständlich auch gleichzeitig für die ganze restliche Familie – natürlich von unserem Geld.

 

Als die Wohnung endlich fertig war, wurde sie für jeden der Familie zum Eigentum. Eine Tante kam aus Italien, natürlich wurde sie mit ihren Kindern in unserer Wohnung untergebracht ohne mich darüber zu informieren. Meine Schwiegereltern nutzten die Badewanne ohne danach einen Lappen zu benutzen. So hatte ich zumindest immer gleich eine Aufgabe, wenn ich nach meinem Flug dort ankam – in der Wohnung den Dreck der vielen Besucher zu entfernen. Viele Dinge fehlten einfach, manches war kaputt – eigentlich gab es immer irgendetwas über das ich mich aufregte, wenn ich dort ankam.

Samir lebte wie ein Single, der aber auf seine Rechte als verheirateter Mann pochte (was er als Recht bezeichnete). Dazu gehörte ein ordentlich geführter Haushalt, jeden Tag frisch gekochtes Essen, die Bewirtung von allen Familienangehörigen, Freunden und Bekannten, wann immer die das Bedürfnis hatten, uns zu besuchen. Natürlich gehörte es auch zu den Rechten eines Ehemanns, dass die Frau täglich im Bett zur Verfügung stand, außer sie war gerade unpässlich. Dass ich nicht schwanger geworden bin, grenzt fast an ein Wunder. Natürlich wurde ich bei jedem Aufenthalt in Tunesien begutachtet, wann es denn nun endlich so weit wäre, aber über zwei Jahre wurde ich absolut nicht schwanger, obwohl die Ärzte meinem Ex und mir bestätigen, dass keine Probleme oder Störungen da wären. Ich denke, es sollte nicht sein und im Rückblick ist es auch viel besser so, denn mir ist so Einiges erspart geblieben. Danach habe ich mir, ohne das Wissen meines Ehemanns, die Spirale einsetzen lassen.

Ich hatte kaum noch Freunde, die meisten wurden erfolgreich von Samir vergrault. Wenn ich mich mit einer Freundin traf, war das eine riesige Aktion. Eine Frau geht nicht allein weg, war seine Aussage und wenn ich mich einmal wirklich durchsetzte, spürte ich das noch Wochen danach. An jedem meiner Freunde hatte er etwas auszusetzen und wenn wir wirklich mal zusammen weggingen, inszenierte er einen Konflikt, weil ihm irgendetwas nicht passte und da hatte niemand Lust drauf, sich das noch einmal anzutun.

Nachdem er einige Wochenenden nacheinander weggeblieben war und mir nicht sagen wollte, wo er hinfuhr, fand ich zufällig einen Liebesbrief unter unseren gemeinsamen Unterlagen von einer anderen Frau. Als ich ihn darauf ansprach, machte er eine Szene – ob ich ihm nachspionieren würde und was mir einfallen würde, ihm so etwas zu unterstellen.

Ich hatte diese Beziehung schon längst beenden sollen, aber ich wollte mir nicht eingestehen, dass mein Mann mich nur ausnutzte und sich auf meine Kosten ein schönes Leben machte. Er brachte sich kaum im Haushalt ein, auf Bitten meiner Eltern sie zu unterstützen reagierte er nur: „Die können auch mal was selbst machen, die sind ja den ganzen Tag zuhause“ und „Das Haus gehört ja schließlich nicht mir – warum soll ich etwas machen?“ Meine Eltern waren in Rente, mein Vater war schwerkrank und meine Mutter hatte ein Rückenleiden! Nach sechs Jahren beantragte er seinen deutschen Pass. Entgegen aller Unkenrufe, waren wir auch danach noch zusammen. Hatte ich nicht gleich gesagt, dass Samir mich nicht nur wegen der Papiere heiratete?

Nach acht Jahren in dieser Ehe starb mein Vater. Für mich brach eine Welt zusammen. Anfänglich versprach mein Mann mir, mich zu unterstützen, dieses Versprechen hielt leider nur zwei Wochen. Dann stand ich auf der Leiter mit der Heckenschere über dem Kopf in Jogginghose und mein toller Mann fuhr in Designer-Kleidung, mit Goldkettchen in der Luxuskarosse spazieren. Mir wurde langsam bewusst, dass ich mich auf ihn nicht verlassen konnte und ich auch gut allein klar käme. Gerade in dieser Zeit hätte ich eine Schulter zum Anlehnen gebraucht, doch Samir vergnügte sich lieber mit irgendwelchen Freunden und anderen Weibern in der Stadt.

Da ich meinen Ex kaum noch ertragen konnte, erklärte ich ihm, dass ich mich von ihm trennen wollte. Er rastete vollkommen aus, beschimpfte mich und baute vor lauter Wut einen Unfall mit dem Auto. Von diesem Zeitpunkt an wurde unsere Ehe katastrophal. Ich habe fast ein Jahr gebraucht, ihn dazu zu bewegen auszuziehen. Er zog alle Register, bekam einen Nervenzusammenbruch, ich bekam bei jeder Gelegenheit Morddrohungen, er wollte das Haus in die Luft sprengen, zertrümmerte einen Teil der Wohnung, zwang mich zum Sex, beschimpfte und kontrollierte mich. Da ich allerdings konsequent dabei blieb, dass ich die Ehe nicht weiterführen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig als in den sauren Apfel zu beißen. Nicht ohne alle Konten aufzulösen und das Geld abzuheben, Verträge zu kündigen und mich so unter Druck zu setzen, dass ich ihm noch Möbel für die neue Wohnung kaufte.

Ich war mittlerweile so kaputt, dass ich nur noch ein Ziel verfolgte – seinen Auszug. Ich hätte auf dem Boden geschlafen und auf Pappkartons gesessen, nur um meinen inneren Frieden wiederzubekommen. Der Auszug lief wider Erwarten einigermaßen gut ab, von einigen Spitzen abgesehen, aber ich war so glücklich, als er den Schlüssel auf den Tisch legte, mir fiel ein richtiger Stein vom Herzen.

Mein Konto war komplett leer, ich hatte Schulden, aber ich war frei, dachte ich zumindest. Für ihn war die Beziehung noch nicht beendet. Er ließ keine Gelegenheit aus, mich unter Druck zu setzen, ich war so zermürbt, dass ich Angst vor ihm hatte. Das merkte er natürlich und nutzte das schamlos aus. Ich nahm mir einen Anwalt, der mir davon abriet, etwas von dem Eigentum in Tunesien einzuklagen, da ich keine Belege vorweisen konnte – wie denn auch – die Baufirma hat in Tunesien abends immer mit meinen Schwiegereltern auf Zeitungspapier abgerechnet. Rechnungen gab es nur für die Materialien, die mir natürlich auch nicht vorlagen.

Davon wusste Samir aber nichts und eines Tages drängte er massiv darauf die Scheidung durchzubekommen. Ich wunderte mich darüber sehr, bis ich heraus bekam, warum das so war. Er hatte aus Angst, dass ich Ansprüche stellen würde die Immobilie an meinen Schwiegervater überschrieben, so dass mir nichts zustehen würde.

Die Scheidung ging relativ problemlos über die Bühne, außer dass die Richterin festlegte, dass ich meinem Ehemann eine Rente zahlen müsste, da ich ja mehr verdient hatte. Er wollte großzügig darauf verzichten, was abgelehnt wurde. Nach der Verhandlung sagte er mir, dass er wusste, wer die Verhandlung führt, durch Verbindungen zu der Mutter der Richterin, die das Verfahren leitete. Auch hier zeigte sich wieder einmal seine Skrupellosigkeit.

Mittlerweile hatte er auch eine neue Freundin gefunden. Mir war klar, dass er mit ihr nur aus Berechnung zusammen war, da sie ein kleines Kind hatte. Nach fast zwölf Jahren Beziehung wusste ich, dass das für ihn ein absolutes no go war. Allerdings hatte sie einen guten Job bei einer Behörde und verdiente richtig viel Geld. Eine Möglichkeit für ihn, seiner Geldgier weiter nachzugehen. Er zog bei ihr ein, beteiligte sich finanziell mit einer geringen Summe am Haushalt, meldete sein Auto ab, denn sie hatte ja eins und sparte sich so über vier Jahre eine Anzahlung für eine Eigentumswohnung zusammen. Auch diese Beziehung hielt ihn nicht davon ab, sich in Tunesien zweimal zu verloben.

Von Tunesien bekam er auch noch einiges an Geld, da wir den Rohbau für seinen Neffen im Voraus mitfinanziert hatten, denn der hatte zu diesem Zeitpunkt kein Geld. Ich wusste das als wir gebaut haben nicht, wurde nur später stutzig, als er sich plötzlich in Tunesien neu einrichtete und ein Auto für den Urlaub kaufte.

In seiner Nachbarschaft in Deutschland befand sich ein altes Ehepaar, das sehr zurückgezogen lebte. Er bot ihnen mit seiner charmanten Art Unterstützung an, die er zuerst noch kostenlos, mit der Zeit allerdings nur nach Bezahlung erledigte. Auch so verdiente er sich noch Einiges dazu. Als die Frau starb und der Mann völlig allein dastand, kümmerte er sich rührend um die Finanzen und brachte den Mann sogar so weit, dass er ihm sein kleines Haus vermachte. Vorher wurden allerdings erst alle Konten leergeräumt, um ein tolles Auto zu kaufen.

Mit dieser Einnahmequelle war er endlich soweit, dass die Jungfrau aus Tunesien konnte kommen, die Thronfolger wurden geboren. Die Hochzeit fand in der von mir mitfinanzierten Wohnung statt. Eine Woche später schickte er mir die Hochzeitsbilder per E-Mail. Sie hat kein schönes Leben, er spricht nicht liebevoll von ihr und manchmal tut sie mir sogar ein wenig leid, da ich ihn sehr gut kenne. Aber sie hat sich ohne irgendetwas zu tun, finanziell gut gesetzt und wenn ihr Mann so weiter macht, wird sie in ein paar Jahren als reiche Frau in ihr Heimatland zurückkehren.

Ich kenne niemanden, der einen solchen Luxus innerhalb so kurzer Zeit durch ehrliche Arbeit und Sparsamkeit erreicht hat. Er hat es geschafft, auf Kosten Anderer. Nicht zuletzt hat er das auch dem Umstand zu verdanken, dass ich es ja war, die ihm seinerzeit den gut bezahlten Job besorgte, den er heute noch, ganz in meiner Nähe, ausübt.

Während ich meine Geschichte aufschreibe, kann ich immer noch nicht verstehen, wie ich mich darauf einlassen konnte. Ich möchte alle Frauen warnen, sich selbst aufzugeben, sich einem Mann unterzuordnen. Oft ist das ein schleichender Prozess, den man selbst nicht mitbekommt. Es kostet eine unwahrscheinliche Kraftaufwendung sich zu lösen und manchen gelingt es das ganze Leben nicht.

Leider fand ich kein Gehör in meinem Umfeld. Immer wenn ich dieses Thema angeschnitten habe, bekam ich die Antwort: „Das habe ich dir doch gleich gesagt“, oder „Wie kann man sich auch nur auf so etwas einlassen?“

Einen wesentlichen Schritt weiter kam ich, nachdem ich die Internetseite 1001Geschichte gefunden hatte. Ich fand Menschen, denen ähnliches passiert ist, die mir zuhörten und mir Mut machten. Ich fand es gut, dass man sich nach diesen Erfahrungen nicht die Decke über den Kopf zieht, sondern das Beste daraus macht.

Ich bin seit Jahren in einer neuen Beziehung, die völlig anders läuft. Ich entscheide, was ich tue, natürlich auch mit Kompromissen, ich kann meine Meinung sagen, wenn ich das möchte.

Natürlich haben wir auch manchmal Probleme, aber mein Stellenwert ist ein völlig anderer. Ich werde nicht mehr dauerhaft unter Druck gesetzt und ich habe keine Angst mehr, dass mich mein Partner verlässt.

Nie wieder werde ich mein Leben von einem Mann bestimmen lassen und mich aufgeben.

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