Mörderische Sammlung

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Mörderische Sammlung
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Evelyne Kern

Mörderische Sammlung

Eine Kriminalgeschichte aus Teneriffa

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Impressum:

© By Red Scorpion Books EK

© Alle Rechte bei der Autorin

Redaktion: www.evelyne-kern.de Vertrieb: Zeilenwert / Libreka

EPUB: 9783959249454

MobiPocket: 9783959249461

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Textbeginn

Der Boden unter Marinas Füssen scheint zu beben als sie einen Schritt nach vorne auf ihn zugeht. Nur sehr langsam setzt sie zögernd einen Fuß vor den anderen.

Gebannt sieht sie in diese magischen dunkelblauen Augen, die sie seit Jahren im Traum verfolgen.

Kann es sein? Steht er nun wirklich leibhaftig vor ihr? Wieder geht sie einen Schritt auf den Türrahmen zu, an dem er lässig lehnt und ihr lächelnd entgegensieht.

„Viktor?“, nur leise und fast so, als würde sie dieses einzige Wort, diesen Namen noch nie ausgesprochen haben, kommt der vertraute Name ungläubig über ihre Lippen.

Er lächelt ihr zu und nur andeutungsweise bewegt er seinen Kopf zu einem leichten Nicken.

Noch ein Schrittchen weiter. Als sie nun fast einen Meter vor ihm steht, bewegt sie diese unerwartete Begegnung so sehr, dass sie das Gleichgewicht verliert. Sie sinkt, schon halb ohnmächtig in seine starken Arme, die sie schützend auffangen.

Sein heißer Atem kriecht an ihrem Hals entlang und als sie die Augen wieder öffnet, sieht sie direkt in dieses unbeschreibliche Dunkelblau in seinen von langen Wimpern umrahmten Augen. Noch immer hält er sie fest in seinen Armen und führt sie zu einer nahestehenden weiß gestrichenen Holzbank.

„Marina“, flüstert er nun mit seiner rauchigen Stimme, die sie schon damals so fasziniert hatte, „Marina, bist du es wirklich?“

„Ja, Viktor, ja, ich bin es.“

„Das kann doch nicht sein. Jahrelang habe ich dich gesucht und nun stehst du einfach so vor mir.“

„Du hast mich gesucht?“, fragt sie etwas ungläubig, als sie sich wieder etwas gefasst hat.

„Warum zweifelst du? Ja, ich habe dich gesucht. In ganz Deutschland habe ich Inserate in den großen Zeitungen geschaltet. Doch du hast dich nie gemeldet.“

„Und ich habe geglaubt, dass ich nur ein Urlaubsflirt für dich war, als du plötzlich von Bord gebracht wurdest und keine Nachricht mehr von dir kam.“

„Nein Marina, du weißt genau, dass wir beide damals die ganz große Liebe füreinander fühlten, als wir diese wunderbare Zeit auf dem Kreuzfahrtschiff miteinander verbringen durften.“

„Was war passiert, Viktor? Hast du wirklich deine Frau umgebracht?“

Sie wollte das nicht sagen, aber die Frage hatte sich all die Jahre so in ihr manifestiert, dass sie nun unverzüglich heraus musste.

Sehr ernst sieht er sie an.

„Marina, das ist eine lange Geschichte. Komm, lass uns in den Garten gehen und etwas trinken. Ich werde dir alles erzählen.“

Er legt seinen Arm um ihre Schulter und lenkt sie in den schönen Hotelgarten hinaus. Max steuert auf ein lauschiges Plätzchen inmitten der dunkelroten Oleandersträucher zu.

Es ist schon seltsam, dass die beiden sich gerade hier auf Teneriffa über den Weg laufen. Weit ab von Deutschland und sieben Jahre nachdem sie sich verloren haben.

*

Damals hatte Marina, nachdem ihr Mann verunglückt war und sie den ganzen Beerdigungsstress bewältigt hatte, eine Mittelmeerkreuzfahrt gebucht, um von den tragischen Ereignissen abzuschalten und ein wenig vergessen zu können.

Ihr Mann und sie hatten sich schon sehr lange auseinandergelebt. Als Anwalt hatte er nur noch seine Kanzlei und seine Mandanten im Kopf und außerdem eine Affäre mit seiner jungen, langbeinigen Sekretärin. Die sogenannte Midlife Crisis hatte ihn schon mit knapp vierzig Jahren erwischt, dennoch spielte Marina noch zwei Jahre lang die liebende Gattin, der Leute wegen.

Sie war sechsunddreißig als der Wagen ihres Mannes, in dem er mit seiner Sekretärin saß, auf der Autobahn bei Hannover von einem Raser bei einem waghalsigen Überholmanöver erfasst und über die Leitplanke geschleudert wurde. Der schwere BMW ging in Flammen auf und beide waren sofort tot. Zuvor hatte sie den beiden schon manchmal die Pest an den Hals gewünscht, aber dass sie so sterben mussten, hat sie dann doch sehr erschüttert.

Sechs Wochen später ging sie an Bord des Luxusliners und freute sich auf die Reise. Fünfzehn Tage sollte sie an Bord verbringen und südliche Länder und Inseln besuchen.

Schon am zweiten Abend gesellte sie sich nach dem Abendessen in eine der zahlreichen Bars an Deck. Ihr fliederfarbenes Chiffonkleid wehte leicht im Wind als sie sich mit ihrem Champagnerglas an die Reling lehnte, aufs Meer hinaus schaute und der Band lauschte, die schöne Melodien von Mantovani spielte.

Plötzlich stand er neben ihr. Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen und drehte sich langsam zu ihm um. Eine Sekunde lang sah sie in seine Augen. Das genügte um zu wissen, dass sie diesem Mann überall hin folgen würde. Sein tiefer Blick aus funkelnden, dunkelblauen Augen faszinierte sie so sehr, dass sie nicht anders konnte, als darin zu versinken.

Viktor erging es nicht anders. Er sah diese bezaubernde Frau allein an der Reling stehen und war von ihr fasziniert. Er konnte gar nicht anders, als zu ihr zu gehen und als sie sich so tief in die Augen sahen, war es um sie beide geschehen.

Tatsächlich, es war Liebe auf den ersten Blick. Dass es so etwas wirklich geben würde, hatten sie beide nie im Leben geglaubt.

Engumschlungen tanzten sie auf der kleinen gläsernen Tanzfläche inmitten anderer Gäste, die sie aber nicht wahrnahmen. Sie hatten nur noch Augen füreinander und als er sie spät in der Nacht zu ihrer Kabine begleitete, verabschiedeten sie sich mit einem langen, innigen Kuss.

Die nächsten Tage verbrachten sie ausschließlich miteinander. Sie frühstückten zusammen, gingen schwimmen, bummelten durch das gigantische Schiff und machten die Landausflüge zusammen. Sie lachten und tanzen viel miteinander und jede Berührung schien Funken zu sprühen. Sie konnten die Finger nicht mehr voneinander lassen und als er sie nach einer Woche, spät in der Nacht wieder zur Kabine brachte, konnte sie nicht anders und zog ihn hinein. Diese Liebesnacht war das Schönste, was sie jemals erlebt hatte. Seine einfühlsame und unsagbar zärtliche Art sie zu lieben, waren für sie der Himmel auf Erden. Viele Jahre zuvor blieb es ihr versagt, solche Gefühle zu entwickeln.

Doch beide vermieden es bewusst, über private Dinge zu sprechen. Außer, dass sie ihre Vornamen kannten, wussten sie nichts voneinander. Marina mochte noch nicht über ihr Schicksal mit ihrem verstorbenen Mann sprechen und Viktor schwieg aus Gründen, die er einfach nicht zur Sprache bringen konnte.

Beide wussten, dass sie sich unendlich liebten und wollten die Dinge auf sich zukommen lassen. Das, was sie an Bord dieses Luxusliners erlebten, sollte der Beginn eines gemeinsamen Lebens sein, das wussten beide, ohne darüber zu sprechen. Wenn die Zeit reif ist, würden sie alles über sich erzählen.

Doch dazu sollte es nicht kommen. Viktor wollte sie nach dem Frühstück zurück in ihre Kabine bringen. Sie wollte sich umziehen, um mit ihm auf Teneriffa an Land zu gehen. Gemeinsam wollten sie sich Santa Cruz ansehen und den Ausflug in die kleine Hafenstadt Puerto de la Cruz genießen.

Doch als sie auf Deck 3 um die Ecke bogen, um zu den Kabinen zu gelangen, kamen zwei Sicherheitsleute schnellen Schrittes hinter ihnen her und riefen: „Halt, bleiben Sie stehen, Herr Harmsfeld, sie müssen kurz mit uns kommen.“

„Aber wieso?“, fragte Viktor.

„Bitte kommen Sie kurz mit. Irgendetwas stimmt mit ihrem Bordpass nicht.“

„Okay, ich komme ja.“

Er drehte sich um und sagte zu Marina, sie solle sich schon umziehen und ihn dann an Deck treffen, wo die Gruppen zu den Ausflügen stehen. Sie war völlig perplex aber gleichzeitig erstaunt, denn soeben hatte sie seinen Nachnamen erfahren.

Doch das war das letzte Mal, dass sie Viktor Harmsfeld gesehen hat.

Vergeblich wartete sie am Landungssteg auf ihn. Sie fragte den Steward, der die Ausflugsgruppen einteilte, nach Viktor. Er war auf seiner Liste eingetragen.

„Ja hier, Viktor Harmsfeld“, er hat zusammen mit Ihnen gebucht, ist aber noch nicht hier, sonst wäre er abgehakt. Wollen Sie warten, oder schon mal allein in den Bus steigen?“

„Nein, nein, ich warte. Er muss ja gleich kommen.“

Komisch, das kannte sie nicht von ihm. Viktor war doch sonst die Pünktlichkeit in Person.

Doch sie wartete vergeblich. Die Ausflugsgruppen fuhren ohne sie weg und sie machte sich auf den Weg zu seiner Kabine. Sie klopfte, aber es rührte sich nichts.

Sie ging zur Sicherheit, dort sagte man ihr, dass Viktor verhaftet und von Bord gebracht wurde.

 

Was war geschehen, was konnte dieser wunderbare Mann getan haben, dass man ihn hier auf Teneriffa verhaftete? Alle ihre Fragen bei der Schiffsbesatzung blieben unbeantwortet. Verstört und teilnahmslos setzte sie ihre Reise fort, blieb die meiste Zeit in ihrer Kabine und erst, als sie am Ende der Kreuzfahrt in Genua gerade von Bord gehen wollte, nahm sie der nette Steward, der sie in den letzten zwei Wochen immer mal wieder aufzumuntern versuchte, beiseite.

„Frau Herbst, bitte – bleiben Sie einen Moment stehen, ich muss Ihnen etwas sagen.“

Marina wusste sofort, dass es sich um Viktor handelte.

„Sagen Sie schon, Roger, warum hat man ihn von Bord geholt?“

Der Steward druckste etwas herum.

„Ich darf es eigentlich nicht, aber ich habe gesehen, wie verliebt sie beide waren und dass Sie seit er von Bord musste, so traurig sind.“

„Nun sagen Sie schon, ich werde Sie auch nicht verraten.“

„Viktor Harmsfeld soll seine Frau getötet haben“, platzte er dann heraus. „Interpol war ihm auf den Fersen und ehe er irgendwo auf den Kanaren verschwinden konnte, hat man ihn verhaftet.“

Marina war geschockt, brachte kein Wort heraus und musste sich einen Moment an Rogers Arm festhalten, der munter weitersprach: „Wussten Sie, dass Herr Harmsfeld auf Teneriffa ein Haus hat?“

„Nein, das wusste ich nicht.“

„Er hat auch noch Domizile auf Gran Canaria und auf dem Festland in der Nähe von Barcelona, außerdem eine Wohnung in Paris. Aber sein Hauptwohnsitz ist in Hamburg. Er ist Deutscher und wohl ein sehr erfolgreicher Anlagestratege.“

„Woher wissen Sie das alles?“

„Nun ja, ich bin eben neugierig und habe seine Akte bei dem Interpol-Mann gesehen, in die ich kurz hineinschaute, als diese in unserem Sicherheitsbüro auf dem Tisch lag.“ „Und? Stand da auch drin, dass er seine Frau umgebracht hat?“

„Nicht direkt. Er wurde verdächtigt, sie im Swimmingpool in ihrem Haus auf Gran Canaria ertränkt zu haben.“

„Nein, das kann doch nicht sein“, stammelte sie nur noch und wandte sich ab. „Danke, dass Sie es mir gesagt haben. Auf Wiedersehen Roger und nochmals vielen Dank.“ Sie wollte schon gehen, blieb dann aber stehen, griff in ihre Handtasche, holte einen Geldschein heraus und steckte ihn dem ihrer Meinung nach doch etwas zu geschwätzigen Steward zu, der sich höflich und mit viel zu vielen Worten bedankte. Als sie die Gangway hinunter ging, überlegte sie, ob sie das alles eigentlich wirklich wissen wollte.

Mit diesem furchtbaren Wissen fuhr Marina nun von Genua mit der Bahn nachhause. Unterwegs spielten sich all diese wunderbaren Szenen, die sie mit Viktor verbracht hatte hinter ihren geschlossenen Augen ab. Dazwischen mischten sich erschreckende Bilder. Bilder von Viktor, der mit wirrem Blick den Kopf einer blonden Frau in einem Pool gewaltsam unter Wasser hielt. Die Frau versuchte sich zu wehren, strampelte mit den Beinen, versuchte sich an ihm festzuklammern, vergeblich. Sie tauchte kraftlos ab und lag dann reglos auf dem Grund des Pools. Marina versuchte diese schrecklichen Bilder zu vertreiben, aber es gelang ihr nicht.

Viktor ganz aus ihrem Gedächtnis zu streichen, war einfach nicht möglich. Auch zuhause in ihrer schönen Villa nähe Hannover nicht. Manchmal war sie nahe daran, seinen Namen ins Internet einzugeben. Aber den Gedanken, dass sie ihn dort als Mörder wiederfinden würde, konnte sie nicht ertragen. Sie ließ es und so nach und nach verblassten die Erinnerungen. Aber ganz konnte sie ihn nie vergessen, sie konnte und wollte einfach nicht glauben, dass er ein Mörder war.

*

Nun sitzen sie sich in dem wunderschönen Hotelgarten in Puerto de la Cruz gegenüber und sehen sich lange an, ehe Viktor das Wort ergreift.

„Ehe ich dir die Geschichte erzähle, will ich dir sagen, dass du die einzige und wahre Liebe meines Lebens bist und ich wirklich, nachdem ich wieder freigelassen wurde, intensiv nach dir gesucht habe. Ich habe es über die Passagierliste versucht. Aber da ich deinen Nachnamen nicht kannte, gestaltete es sich schwierig. Da ich aber wusste, dass du in Hannover zuhause bist habe ich dort Inserate aufgegeben. Ich suchte darin unter meinem Namen nach der schönen Marina, die ich auf der Kreuzfahrt getroffen habe. Leider ohne Erfolg.“

Marina denkt nach. Sie hätte doch mitbekommen müssen, dass er in der Tageszeitung inserierte. Aber beim besten Willen, da war nichts, was ihr hätte auffallen müssen. Zugegeben, manchmal überfliegt sie das Blatt auch nur. Es muss ihr entgangen sein.

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