Buch lesen: «Jürgen Klopp», Seite 7

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Klopp bringt »die Süd« wieder hinter ihr Team

Trotz Platz dreizehn, der schlechtesten Platzierung des BVB seit genau 20 Jahren, lockten die Schwarz-Gelben auch 2007/08 die meisten Zuschauer an: 72.510 waren es im Schnitt. Dennoch ist sie zu dieser Zeit nur noch ein Anachronismus, die einst grandiose Stimmung im Signal Iduna Park. Ebenso wie das sportliche Spektakel, das dort herrschte, als der Park noch Westfalenstadion hieß. Doch mit den teuer erkauften Titeln der Ära um Ex-Präsident Dr. Gerd Niebaum und Ex-Manager Michael Meier stieg auch die Erwartungshaltung der Fans. Das Stadion wuchs zwar auf fast doppelte Größe an, aber die Anzahl »echter« Fans, die nicht nur deshalb kamen, weil sie am Erfolg teilhaben wollten, weil es »en vogue« war, zur Borussia zu gehen, sie konnte damit nicht Schritt halten. Der Heimvorteil kehrte sich um, zuweilen schienen die eigenen Spieler den Unmut der gigantischen Südtribüne zu fürchten, wenn der eigene Pass beim Gegenspieler ankam. Es kann verdammt laut sein, wenn 25.000 Anhänger plötzlich gemeinsam schweigen.

Ganz anders hingegen zeigte sich die Stimmung bei Auswärtsspielen: Unter jenen BVB-Fans, die für ihre Fahrten quer durch Deutschland regelmäßig ihr Wochenende opfern. Fans, die selbst bei einem 0:5-Rückstand in München noch feiern. Mit Sarkasmus zwar, aber sie pfiffen ihr Team zumindest nicht aus.

»Eine Wand des Sounds«

Klopp sollte es gelingen, den alten Südtribünen-Geist zu wecken, die Fans wieder bedingungslos hinter die Borussia zu bekommen. Sicher, beim Eilen von Sieg zu Sieg wie in der Meistersaison mag das keine Kunst sein. Doch charakteristisch fiel ein englischer Zeitungskommentar aus, geschrieben nach dem 1:1 in der Champions League im September 2011 gegen den FC Arsenal:

»(Arsenal-Trainer Arsène) Wenger hatte das Westfalenstadion18 als Tempel des deutschen Fußballs beschrieben und es war schwer, ihm zu widersprechen. (…) Die riesige Gelbe Wand ist wie das Holte End im Villa Park19, nur größer. (…) Nach dem Anstoß war sie auch eine Wand des Sounds«, schrieb die von der Atmosphäre beeindruckte Independent.

Erst in der 89. Minute gelang dank eines fulminanten Schusses von Ivan Perišic der späte aber vollkommen verdiente Ausgleich, nachdem der BVB seit der ersten Halbzeit einem unglücklichen Rückstand hinterhergelaufen war. Der Partie vorausgegangen war eine ernüchternde 1:2-Heimniederlage gegen Aufsteiger Hertha BSC Berlin in der Bundesliga. Nun, gegen Arsenal, hatte vor allem die »Gelbe Wand« der Südtribüne ihr Team mit unermüdlicher Anfeuerung förmlich zum Ausgleich getrieben – unterstützt auch von den übrigen, sonst eher zurückhaltenden Tribünen.

Rasenschach verpönt

Ähnliche Ziele wie der enthusiastische Neue hatten in Dortmund zuvor auch schon andere Trainer formuliert, um dann von der Realität widerlegt zu werden. Klopps Vor-Vorgänger Jürgen Röber hielt bei seiner Präsentation eine flammende Rede über Leidenschaft und Einsatzwillen. Nach nicht einmal drei Monaten war er seinen Posten wieder los. Während der Saisonvorbereitung 2007 war die Euphorie nach einem 4:0-Testspielsieg über den AS Rom riesengroß. Vergessen wurde, dass die Stars der Roma gerade erst aus dem Urlaub zurückgekehrt waren und gedanklich noch am Strand lagen. Die folgende 1:3-Auftaktpleite gegen den MSV Duisburg war der Beginn einer trostlosen Bundesligasaison, an deren Ende auch für Röbers Nachfolger Thomas Doll das Kapitel Borussia Dortmund beendet war.

»Rasenschach hat noch keine meiner Mannschaften gespielt«, gibt Klopp gleich bei seiner Vorstellung im Mai die Richtung vor – und will seinem Team eine neue Philosophie vermitteln. »Wiedererkennungswert« müssten die Spiele des BVB haben, fordert er. Dabei besitzt der Trainer den Mut, die von den Mittdreißigern Christian Wörns und Robert Kovac verkörperte alte Manndeckerschule in Rente zu schicken. Stattdessen setzt er auf die Youngster Mats Hummels und Neven Subotic, beide 19 Jahre alt und somit das jüngste Innenverteidiger-Paar der Bundesligageschichte – medial gerne auch als »Kinderriegel« bezeichnet. Subotic war direkt mit Klopp aus Mainz gekommen, nachdem er sich dort im Vorjahr als Stammspieler etabliert hatte. Vertrauen in die Jugend, das belohnt werden sollte, kassierte der BVB in der Saison 2008/09 doch die zweitwenigsten Gegentreffer aller Bundesligaklubs.

In Brackel wird in diesem Sommer 2008 jeder noch so kleine Hinweis, dass es mit der Borussia wieder aufwärts gehen könnte, mit Dankbarkeit registriert. Stellvertretend für die BVB-Anhänger blickt ein Trainingskiebitz optimistisch in die Zukunft: »Eigentlich wollte ich in der neuen Saison meinen Enkel ins Stadion schicken, der hat vielleicht noch die Geduld für so ein Gegurke wie in den letzten Jahren.« Nun will er selber hingehen und den Stammplatz behalten. »Wegen Kloppo«, wie er sagt.

Die irre Aufholjagd im Revierschlager

Wie von Klopp gefordert, behielten reichlich BVB-Fans ihren »Stammplatz«. Nach dem Rekordverkauf im Vorjahr von 50.549 Dauerkarten, pendelte er sich 2008 bei einer immer noch bemerkenswerten Anzahl von 49.500 ein. Dank überzeugender Auftritte wurde bald darauf die 50.000-Marke wieder geknackt, ehe nach dem Meisterjahr mit 53.000 abgesetzten Dauertickets ein neuer Bundesliga-Rekord aufgestellt wurde. Nicht nur die Mannschaft hörte auf ihren neuen Trainer.

Klopps Arbeit trägt auch sportlich sofort erste Früchte: Der Auftakt in die neue Spielzeit 2008/09 fällt mit einem 3:2 bei Bayer Leverkusen nach Maß aus. Ein großer Wermutstropfen ist die Verletzung von Dede, seit 1998 beim BVB eine »Bank« als linker Außenverteidiger. Der Brasilianer zieht sich einen Kreuzbandriss zu und fällt monatelang aus. Klopps Heimspieldebüt am 2. Spieltag wird mit einem 1:1 gegen den amtierenden Deutschen Meister Bayern München zumindest zu einem Achtungserfolg. Der 1:0-Sieg bei Energie Cottbus gerät dann zur gelungenen Einstimmung auf das anstehende Revierderby gegen den ewigen Erzrivalen Schalke 04. Klopps erstes Derby sollte gleich zu einem Meilenstein seiner Premieren-Saison in Dortmund werden.

Jeder Neuankömmling in Dortmund oder Schalke bekommt es unverzüglich eingeimpft: Es gibt in der Bundesliga 34 Spieltage, aber nur zwei Begegnungen, in denen es um mehr als drei Punkte geht. In diesen Spielen geht es um die sportliche Vorherrschaft im Revier, um die Harmonie am Arbeitsplatz jedes Fußballfans in schwarz-gelb oder blau-weiß: die beiden Derbys gegen den großen Rivalen.

Ausgerechnet dieses bereits traditionell hochbrisante Revierderby geriet zu einem der wichtigsten Spiele in Klopps erster Dortmunder Saison: Vor eigenem Publikum lag der BVB am 13. September 2008 nach knapp einer Stunde mit 0:3 desillusionierend zurück. Schalkes Angreifer Kevin Kuranyi hätte bei einer Großchance für die endgültige Entscheidung zugunsten von Königsblau sorgen können, doch er vergab. Besser machte es kurz darauf BVB-Verteidiger Neven Subotic, der in der 67. Minute auf 1:3 verkürzte. Ein Treffer, der nicht nur seiner Mannschaft, sondern auch den 25.000 auf der Südtribüne neues Leben einhauchte. Und die ihr Team immer leidenschaftlicher nach vorne trieben, als der zur Pause eingewechselte Alexander Frei nur drei Minuten später mit einem Traumschuss in den Winkel für den Anschluss zum 2:3 sorgte – allerdings aus nicht geahndeter Abseitsposition.

Derbyheld Alexander Frei

Schalke verlor nun die Nerven und musste die letzte knappe Viertelstunde zu neunt agieren, nachdem sowohl Christian Pander als auch Fabian Ernst vom Platz gestellt worden waren. Trotz wütender Angriffe wollte dem BVB der Ausgleich zunächst nicht gelingen, ehe Gäste-Verteidiger Mladen Krstajic der Ball im Strafraum an den Arm geschossen wurde. Die Folge: ein zweifelhafter Strafstoß. Ob berechtigt oder nicht, Alex Frei war es schnuppe: Er versenkte die Kugel in der vorletzten Spielminute zum nicht mehr erwarteten 3:3 – der Signal Iduna Park geriet zum Tollhaus! Was für ein Comeback: Denn für den Schweizer Ausgleichsschützen war dies sein erster Saisoneinsatz nach zuvor monatelanger Verletzung. Vermutlich rettete die Gäste nur der erstaunlich pünktliche Schlusspfiff des Schiedsrichters – ohne jede Nachspielzeit – vor einem weiteren Gegentreffer und somit einer schmachvollen Niederlage.

Mit Blick zu seinem Schalker Trainerkollegen Fred Rutten, der ebenfalls erst vor dieser Saison bei seinem neuen Klub angeheuert hatte, staunte Klopp nach dem Spiel: »Das war für uns beide ein Crash-Kurs, was in einem Derby alles abgehen kann.«

Ein Derby, für das Klopp und sein Trainerteam ihre Kicker besonders motiviert hatten: Vor Spielbeginn hatten sie den BVB-Profis ein Video gezeigt, auf dem eine Zusammenfassung vergangener siegreicher Derbys zu sehen war – verbunden mit dem Hinweis, nun selbst Geschichte zu schreiben. Auch wenn Klopp dabei vermutlich an einen anderen Spielverlauf gedacht hatte, seine Spieler hatten zweifellos auf ihn gehört.

Keine klassische Rollenverteilung

Nach drei Jahren in Dortmund verließ Derbyheld Alexander Frei den BVB 2009 und ging zurück in seine Schweizer Heimat zum FC Basel. Dass die Borussia ihren Torjäger ziehen ließ, lag auch an der veränderten Spielphilosophie unter Jürgen Klopp, in der die klassische Rollenverteilung passé war, wie Thomas Hennecke als Reporter und ehemaliger Leiter der Redaktion West des Kicker Sportmagazins erklärt:

»Bei Klopp verschwinden die Grenzen zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen. Verteidiger eröffnen das Spiel und schieben es an; Stürmer leiten die ersten defensiven Störmanöver ein. Entsprechend systemkompatibel müssen Klopps Spieler sein. Angreifer wie Mladen Petric oder Alexander Frei gab er ab, weil sie sein laufintensives Anforderungsprofil nicht erfüllten. So kritisch diese Personalien 2008 (Petric) und 2009 (Frei) auch von mir hinterfragt wurden, Klopps Entscheidungen machten Sinn. Und die Nachfolgefrage regelte er mit Lucas Barrios goldrichtig: In ihm fand Klopp einen Angreifer nach Maß. Einen »Knipser«, der auch Bälle behaupten und ablegen konnte und die taktischen Vorgaben seines Chefs punktgenau erfüllte.«

Mit dem Remis gegen Schalke blieb der BVB auf Augenhöhe mit dem punktgleichen Reviernachbarn aus Gelsenkirchen. Das zarte Pflänzchen Aufbruchstimmung, das Klopp in den ersten Wochen seit seiner Amtsübernahme erweckt hatte, es durfte sich weiterentwickeln. Daran konnte auch die deutliche 1:4-Niederlage bei 1899 Hoffenheim eine Woche später nichts ändern. Letztlich beendete der BVB die Saison auf einem achtbaren sechsten Rang – und verpasste damit nur um zwei Zähler den Einzug in die Europa League, dem Nachfolger des bisherigen UEFA-Cups.

Bitter dabei: Aufgrund eines eigentlich irregulären Treffers in der Nachspielzeit zog der Hamburger SV »last minute« noch am BVB vorbei auf Platz fünf. Dem Siegtor zum 3:2 bei Eintracht Frankfurt war eine Abseitsposition vorausgegangen. Dennoch: Im Vergleich zu Rang dreizehn im Vorjahr hatte die Mannschaft einen enormen Schritt nach vorne gemacht. Der Anfang einer Entwicklung war gemacht.

Welch enorme Bedeutung ein Sieg im Revierderby besitzt, merkte Klopp spätestens zwei Jahre später, als die Borussia – wieder am 4. Spieltag – in beeindruckend souveräner Manier in der »Höhle des Löwen«, der Schalker Veltins-Arena, mit 3:1 triumphierte. Bei ihrer Rückkehr nach Dortmund per Bus wurden die siegreichen Helden von hunderten BVB-Fans stürmisch gefeiert, Doppeltorschütze Shinji Kagawa sogar auf Schultern getragen. »Das war pure Ekstase. Gänsehaut pur, so was habe ich noch nie erlebt. Jetzt hat auch der Letzte gesehen, was so ein Derby-Sieg bedeutet«, staunte Klopp.20

Inventur in der Winterpause

Mit weniger Glück als bei der Derby-Aufholjagd gegen Schalke verlief Klopps erster Auftritt mit dem BVB auf internationalem Terrain. In der ersten Runde des UEFA-Cups 2008/09, für den sich die Borussia als Vize-Pokalsieger qualifiziert hatte, traf sie auf den italienischen Vertreter Udinese Calcio. Ernüchternd fiel das 0:2 auf eigenem Platz aus, als sich die Gastgeber etwas naiv auskontern ließen. Begeisternd dagegen war die Aufholjagd im Rückspiel in Udine, das nach 120 Minuten eine 2:0-Führung der Borussen sah. Nur aufgrund des verlorenen Elfmeterschießens verpassten die Westfalen den Einzug in die Gruppenphase.

Noch während seiner ersten Saison in Dortmund krempelte Klopp sein Team kräftig um: Zum Wintertransfermarkt 2008/09 verließen Antonio Rukavina, Diego Klimovicz, Giovanni Federico, Delron Buckley, Marc-André Kruska und Robert Kovac den Verein, die beim BVB nur noch eine Nebenrolle gespielt hatten. Bereits vor Saisonbeginn hatte Abwehrhaudegen Christian Wörns, mehrjähriger Kapitän und seit neun Jahren bei der Borussia, kein neues Vertragsangebot mehr erhalten und seine Karriere beendet.

Ein glückliches Händchen besaßen die Dortmunder bei den Neuverpflichtungen, die sich fast durchweg als wertvolle Verstärkungen erweisen sollten: Im Sommer war neben Klopps Weggefährten aus Mainz, Neven Subotic, mit Angreifer Mohamed Zidan (im Tausch mit Mladen Petric) ein weiterer Ex-Mainzer dazugekommen, der bei den 05ern unter Klopp seine bisher stärksten Leistungen gezeigt hatte. Nuri Sahin, der bereits als 16-Jähriger für den BVB debütiert hatte und nach seiner Ausleihe von Feyenoord Rotterdam zurückgekehrt war, entwickelte sich nach seiner Rückkehr zum großen Mittelfeldlenker.

Auch weitere Neuzugänge saßen: Ob der brasilianische Innenverteidiger Felipe Santana, der ungarische Mittelfeldspieler Tamas Hajnal, DFB-Nationalspieler Patrick Owomoyela oder der südkoreanische Außenverteidiger Young-Pyo Lee, der als Vertreter des verletzten Dede zum BVB stieß – sie alle wurden während Klopps Dortmunder Anfangszeit zu Stützen des umgekrempelten BVB-Kaders. Auch der im Winter für ein halbes Jahr von Tottenham Hotspur ausgeliehene Kevin-Prince Boateng deutete schon damals sein Talent an, das er bei späteren Stationen wie AC Mailand oder Eintracht Frankfurt zur vollen Entfaltung brachte. Die Radikalkur wirkte, Klopps neues Team nahm immer mehr Konturen an.

Siegesserie nach Vertragsverlängerung

Das Jahr 2009 begann für den BVB mau: Von den ersten sieben Rückrundenspielen wurde nicht eines gewonnen. Doch die Vereinsführung dokumentierte ihr unverändertes Vertrauen in die Arbeit von Jürgen Klopp und verlängerte den Vertrag vorzeitig bis 2012. Der Lohn: Direkt das nächste Spiel gegen Werder Bremen wurde mit 1:0 gewonnen und in den letzten zehn Bundesliga-Partien folgten acht Siege, die Schwarz-Gelb noch auf Rang sechs hievten.

Klopps Farbenlehre

Für Kicker-Reporter und Dortmund-Experte Thomas Hennecke bewies Jürgen Klopp 2009 in der Phase siegloser Spiele seine Beharrlichkeit, als der Trainer seinem Stil unbeeindruckt treu blieb: »Damals gab es Schlagzeilen wie ›Ist Klopps Zauber verflogen?‹ Davon hat er sich überhaupt nicht beirren lassen. Und da habe ich gelernt, dass er nicht im Wochenrhythmus schwarz oder weiß sieht, sondern seine Grautöne mitnimmt und – um in der Farbenlehre zu bleiben – unglaublich konsequent an einem roten Faden arbeitet. Ganz gleich, was geschrieben oder gesagt wurde und an taktischen Änderungen gefordert wurde.«

In dieser Charaktereigenschaft liegt für Hennecke ein wesentlicher Schlüssel zu Klopps erfolgreicher Arbeit: »Auch in sportlichen Schwächephasen weicht er nicht einen Millimeter von seinem Kurs ab. Weil er von dem, was er tut, total überzeugt ist. Die sportliche Entwicklung der folgenden Monate hat ihm dann auch hundertprozentig Recht gegeben. Das ist für mich ein ganz wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit, dass er nicht ständig sein Koordinatensystem wechselt. Egal, von wo der Wind bläst – Klopp knickt nicht ein. Diese Standfestigkeit zahlt sich aus.«

Die Entwicklung setzt sich fort

Die Saison 2009/10 wurde für Borussia Dortmund zu einem weiteren Jahr der Stabilisierung; mit dem abschließenden Tabellenplatz fünf zeichnete sich Konstanz ab – wonach es zu Saisonbeginn erst überhaupt nicht ausgesehen hatte. Der BVB startete holprig und musste einige Rückschläge verdauen: Ein saftiges 1:4 gleich am zweiten Spieltag beim Hamburger SV lieferte erste Anzeichen dafür, dass Klopps geliebtes Spiel gegen den Ball von seiner Mannschaft nur unzureichend umgesetzt wurde. So kam die Borussia am fünften Spieltag auch vor eigenem Publikum gegen Bayern München mit 1:5 böse unter die Räder. Nach vorne ging kaum etwas, und die Defensive zeigte sich plötzlich vogelwild.

Zu allem Überfluss ging das nächste Heimspiel ebenfalls verloren, mit 0:1 ausgerechnet gegen den Erzrivalen Schalke 04. Die Zwischenbilanz nach sieben Ligaspielen: erst ein Sieg, Platz 15, nur ein Zähler von der Abstiegszone entfernt. Es war nur etwa ein Fünftel der neuen Saison gespielt, doch sie schien schon jetzt verkorkst – und dies ausgerechnet in dem Jahr, in dem der BVB 09 sein 100-jähriges Vereinsbestehen zu feiern gedachte. Eigens dafür war auch Real Madrid angereist, das sich jedoch als »Partycrasher« erwies, indem es dem überforderten Gastgeber seinen Jubeltag mit einer 0:5-Packung gründlich verhagelte.

Doch ähnlich wie zu Beginn des Kalenderjahres startete der BVB auch jetzt wieder eine furiose Aufholjagd – diesmal auch ohne eine erneute Vertragsverlängerung von Jürgen Klopp. Bis zur Winterpause rollten seine »Jungs«, wie Klopp seine Spieler bevorzugt nennt, das Feld von hinten auf, verloren kein weiteres Spiel mehr und rückten bis auf Rang fünf vor. Diese Position sollte der BVB bis Saisonende verteidigen und damit direkt in die Europa League einziehen. Wäre da nur nicht die erneute Niederlage gegen Schalke 04 (1:2) in der Rückrunde gewesen ...

Und auch das Wiedersehen mit seinen alten Weggefährten in Mainz, die nach seinem Abschied nicht eingebrochen, sondern 2009 direkt wieder in die Bundesliga aufgestiegen waren, hatte sich Klopp sicher anders vorgestellt: Das 0:1 am 30. Spieltag sorgte für gemischte Gefühle bei Klopps Rückkehr an den Bruchweg.

Der fünfte Platz 2010 und damit die Qualifikation für das internationale Geschäft wurde von den BVB-Fans bereits begeistert gefeiert. Doch da ahnten sie noch nicht, welch herausragenden Feieranlass ihnen ihr Team ein Jahr später bescheren sollte ...

Meistersaison, die erste

Die Saison 2010/11 sollte pünktlich zu Klopps zehnjährigem Trainerjubiläum zum bis dahin größten Erfolg seiner Laufbahn werden. Dabei war es nicht allein der Gewinn der Meisterschaft an sich, der begeisterte, sondern vor allem die Art und Weise, mit der sie errungen wurde. Um es mit Klopps eigenen Worten zusammenzufassen: »Dieser Kindergarten nagelt hier durch die Liga, als gäb’s kein Morgen. Das ist außergewöhnlich.«21 Mit dem 2:0-Sieg über den 1. FC Nürnberg, zwei Wochen vor Saisonende, hatte seine Mannschaft gerade den vorzeitigen Titelgewinn perfekt gemacht.

Nach dem letzten Spieltag feierte das Team erst in einem italienischen Restaurant, ehe sie es in einer Diskothek bis in die Morgenstunden so richtig krachen ließ. »Und dabei hat die Mannschaft gefeiert, wie sie gespielt hat: sehr leidenschaftlich«, verriet Klopp später. Und das zurecht, getreu des Trainers Motto: »Wer hart arbeitet, der darf auch feiern!«

Dabei hatte es zunächst alles andere als nach einer glanzvollen Spielzeit ausgesehen: Gleich der Saisonauftakt gegen Bayer Leverkusen ging vor eigener Kulisse mit 0:2 in die Hose. Was niemand ahnte: Es sollte bis zum Hinrundenausklang, dem 0:1 bei Eintracht Frankfurt, die vorerst letzte Niederlage bleiben. Dazwischen lag eine fantastische Serie von vierzehn Siegen und einem Remis. 43 Punkte bedeuteten die zweitbeste Hinrunde, die je ein Bundesligist gespielt hatte. Und nie zuvor hatte ein Herbstmeister einen größeren Vorsprung als der BVB mit zehn Punkten.

Während der Winterpause wurde in der Öffentlichkeit intensiv darüber diskutiert, ob diese junge Truppe bereits reif sei für den Titel. Ob sie während der Pause nachzudenken beginne und ihre Unbekümmertheit verlieren werde. Ob sie ihren satten Vorsprung noch verspielen werde. Ob, ob, ob. Doch gleich zum Rückrundenauftakt strafte der Spitzenreiter alle Zweifler Lügen, als er mit Bayer Leverkusen bei einem der ärgsten Verfolger einen beachtlichen 3:1-Erfog landete.

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