Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere

Text
Aus der Reihe: Tarzan bei Null Papier #3
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Zu­erst, als Tar­zan die zot­ti­gen Men­schen­af­fen ge­wahr­te, war es ihm wie ein Hoff­nungs­schim­mer vor­ge­kom­men: Vi­el­leicht hat­te ihn doch die Lau­ne ir­gend­ei­nes un­er­gründ­li­chen Schick­sals nun ge­ra­de zu sei­nem al­ten Stam­me zu­rück­ge­führt? Aber als er jetzt nä­her hin­sah, war er über­zeugt, dass ihm hier doch an­de­re ge­gen­über­stan­den.

Uner­müd­lich kreis­te das Un­ge­tüm wei­ter, hart­nä­ckig blieb es in sei­ner dro­hen­den Hal­tung, und ab und zu schi­en es jetzt zu ei­nem plötz­li­chen Vor­stoß an­zu­set­zen. Als wä­ren sie zwei Hun­de, die ein­an­der zum ers­ten Male in den Weg lie­fen, so kam es ihm vor. Dann fiel ihm mit ei­nem Male ein, dass er doch pro­bie­ren müs­se, ob ei­gent­lich die Spra­che die­ses Af­fen­stam­mes ir­gen­det­was Ge­mein­sa­mes mit der sei­ner al­ten Ge­nos­sen auf­wei­se. Und so wand­te er sich in Ker­schaks wohl­be­kann­ten Lau­ten an sein Ge­gen­über. Wer bist du? frag­te er. Wer wagt sich ge­gen den Af­fen-Tar­zan?

Über­ra­schung flamm­te in des strup­pi­gen Un­ge­heu­ers Au­gen auf.

Akut bin ich, kam die Ant­wort von drü­ben.

Wie Tar­zan ver­mu­te­te: Ganz die glei­chen urein­fa­chen Lau­te, wie die sei­nes al­ten Stam­mes, bei dem er die ers­ten zwan­zig Jah­re sei­nes Le­bens zu­ge­bracht! So we­nig ent­wi­ckelt je­des Wort, dass es gar nicht an­ders sein konn­te.

Akut bin ich, sag­te der Affe. Mo­lak ist tot, jetzt bin ich der Kö­nig. Fort mit dir, oder ich wer­de dich tö­ten.

Du sahst, wie leicht ich Mo­lak tö­te­te, er­wi­der­te Tar­zan. Ver­lang­te ich Kö­nig zu sein, gin­ge es dir eben­so. Aber der Af­fen-Tar­zan will nicht über den Stamm der Akuts herr­schen. Nichts wei­ter will er als fried­lich le­ben in sei­nem Lan­de. Wir wol­len Freun­de sein. Der Af­fen-Tar­zan kann euch hel­fen, ihr könnt dem Af­fen-Tar­zan hel­fen.

Du kannst Akut nicht tö­ten, ent­geg­ne­te der an­de­re. Nie­mand ist so groß wie Akut. Hät­test du Mo­lak nicht ge­tö­tet, wür­de Akut es ge­tan ha­ben, denn Akut war ge­rüs­tet, die Macht an sich zu rei­ßen.

Der Af­fen­mensch ant­wor­te­te hier­auf nur mit ei­nem mäch­ti­gen Sprung nach dem Geg­ner, des­sen Wach­sam­keit wäh­rend die­ses Wort­wech­sels nach­ge­las­sen hat­te.

Im Bruch­teil ei­nes Au­gen­blicks hat­te der Wei­ße den Rie­sen­af­fen am Hand­ge­lenk ge­packt und, ehe der sich ir­gend­wie zur Wehr set­zen konn­te, im Wir­bel her­um­ge­ris­sen. So­gleich auch schwang er sich auf des­sen brei­ten Na­cken und be­gann ihn am Hal­se zu wür­gen.

Und wie er einst Ter­kop sich für Tod oder Le­ben ent­schei­den ließ, so bot Tar­zan jetzt Akut die Wahl zwi­schen Sein oder Nicht­sein; denn er fühl­te, dass je­ner ihm viel­leicht als mäch­ti­ger Ver­bün­de­ter schließ­lich ein­mal nüt­zen kön­ne. Ei­nen an­de­ren Aus­weg gab es nicht: Akut in Freund­schaft mit ihm oder – tot, ge­nau so ins Jen­seits be­för­dert wie er es eben bei sei­nem bis­her un­be­sieg­ten Kö­nig ge­se­hen hat­te.

»Ka-goda?« raun­te Tar­zan dem Af­fen zu.

Die­sel­be Fra­ge hat­te er einst an Ter­kop ge­rich­tet. In der Af­fen­spra­che be­deu­tet das so viel wie: Er­gibst du dich?

Akut däm­mer­te auf, wie er vor­hin Mo­laks Wir­bel kra­chen ge­hört, und ein ei­si­ges Schau­dern über­lief ihn. Er zö­ger­te noch. Soll­te er so auf sein Kö­nigs­recht ver­zich­ten? Doch alle Be­frei­ungs­ver­su­che wa­ren ver­geb­lich. Ein plötz­lich ver­stärk­ter Druck auf sein Ge­nick zwang das »Ka-goda!« von des zu Tode Ge­quäl­ten Lip­pen.

Tar­zan lo­cker­te ein we­nig die ei­ser­ne Klam­mer. Akut, du sollst Kö­nig sein, sag­te er. Sag­te Tar­zan dir nicht, dass ihn nicht nach der Kö­nigs­wür­de ver­langt? So oft nur je­mand dein Recht an­zu­tas­ten sucht: Tar­zan wird dir ein Hel­fer im Strei­te sein.

Der Af­fen­mensch er­hob sich, und Akut kam lang­sam wie­der in die Höhe. Zor­nig schüt­tel­te er sein Haupt und trot­te­te zu sei­nen Stam­mes­ge­nos­sen. Er mus­ter­te einen nach dem an­de­ren, be­son­ders die stär­ke­ren un­ter ih­nen; viel­leicht, dass er auch dort einen Ri­va­len fürch­te­te?

Aber kei­ner rühr­te sich, sie wi­chen ihm förm­lich aus und ver­schwan­den fast au­gen­blick­lich in der Rich­tung, aus der sie ge­kom­men, zu­rück in den Dschun­gel … Und Tar­zan war wie­der al­lein am Stran­de.

Die Wun­den, die Mo­lak ihm ge­schla­gen, schmerz­ten wohl et­was, doch was küm­mer­te ihn das? Ge­las­sen und tap­fer er­trug er es, wie die wil­den Tie­re auch. Die hat­ten ihn ge­lehrt, im Dschun­gel so zu le­ben, wie es alle ta­ten, die dort ihre Hei­mat hat­ten.

Vor al­lem brauch­te er jetzt frei­lich Waf­fen zu An­griff und Ab­wehr; das war ihm klar. Ge­nug­sam war er ge­warnt: Der Zwi­schen­fall mit den Af­fen und das wil­de, wenn auch noch fer­ne Brül­len Nu­mas, des Lö­wen, und Shee­tas, des Leo­par­den! Wohl­be­ha­gen und be­que­me Si­cher­heit wür­de es hier fürs ers­te nicht ge­ben …

Ja, das war ein­fach Rück­kehr zu sei­nem al­ten Le­ben, zu im­mer neu­en Ge­fah­ren, zu Ja­gen und Ge­jagt­wer­den. Furcht­ba­re Tie­re wür­den sich an ihn her­an­schlei­chen, ganz wie da­mals, und nie­mals – nicht bei hel­lich­tem Tage noch in stock­dunklen Näch­ten – wür­de er jene ein­fa­chen Waf­fen bei­sei­te­le­gen kön­nen, die er sich jetzt wie­der mit blo­ßer Hand aus dem, was die Na­tur zu bie­ten hat­te, zu­recht­bas­teln muss­te. Am Stran­de stieß er auf ein halb­ver­wit­ter­tes brü­chi­ges Fels­stück; un­ter un­säg­li­chen Mü­hen und nach vie­len Fehl­schlä­gen ge­lang es ihm, ein schma­les Stück gleich­sam her­ab­zu­split­tern: Etwa fünf­und­zwan­zig Zen­ti­me­ter lang war es und da­bei nur etwa drei­vier­tel Zen­ti­me­ter im Durch­mes­ser. Nach dem einen Ende zu ver­jüng­te es sich fast zu ei­ner rich­ti­gen Spit­ze: kein Zwei­fel, er hat­te ein Ding, das die Diens­te ei­nes Mes­sers ver­se­hen konn­te. Nun ging’s auf die Su­che in den Dschun­gel. Da war ein Hart­holz­baum ir­gend­wo vom Stur­me zu Fall ge­bracht! Ein schma­ler, gut­ge­wach­se­ner Ast wur­de mit der lei­der recht stump­fen Waf­fe ab­ge­sägt. Dann bohr­te er ein en­ges run­des Loch in den Stamm des Waldrie­sen und stopf­te tro­ckene Bor­ken­split­ter hin­ein. Ritt­lings auf dem Stam­me sit­zend, führ­te er nun sei­nen Stab mit der Spit­ze in die Höh­lung und dreh­te ihn in ra­schem Wir­bel zwi­schen den dicht und doch lose an­ge­leg­ten Hand­flä­chen hin und her.

Nicht lan­ge, da rin­gel­te leich­ter blau­er Rauch aus dem Zun­der her­vor, und einen Au­gen­blick spä­ter schon lo­der­te ein hel­les Flämm­chen. Ein paar Zwei­ge und dür­re Äste nähr­ten das Feu­er, und bald sah Tar­zan, wie es sich in des Bau­mes mor­scher Höh­le im­mer mehr ent­fal­te­te.

In die­sen Flam­men ließ er von sei­ner Mes­ser­klin­ge, die er hin und wie­der be­feuch­te­te, klei­ne Tei­le ab­split­tern.

Auf sol­che Wei­se woll­te er sei­nem all­zu un­fer­ti­gen Jagd­mes­ser eine ei­ni­ger­ma­ßen schar­fe Schnei­de ge­ben. Nicht auf ein­mal wür­de ihm dies Kunst­stück ge­lin­gen, das wuss­te er, und so war er heil­froh, als er end­lich we­nigs­tens eine schar­fe Schnei­de­flä­che von etwa zehn Zen­ti­me­ter Län­ge ge­schaf­fen hat­te. Nun konn­te er das Mes­ser bes­ser brau­chen und schnitt sich da­mit denn auch gleich einen lan­gen elas­ti­schen Bo­gen, einen Mes­ser­griff, einen hand­fes­ten Knüt­tel und vie­le Pfei­le zu­recht.

In den Zwei­gen ei­nes mäch­ti­gen Bau­mes, der in der Nähe ei­nes klei­nen Flus­ses gen Him­mel rag­te, barg er dies al­les und rich­te­te sich dort oben ein von Pal­men­blät­tern über­dach­tes La­ger her.

Schon kro­chen die Schat­ten der Däm­me­rung her­auf. Tar­zan ver­spür­te hef­ti­gen Hun­ger.

Wäh­rend ei­nes kur­z­en Ab­ste­chers über den Fluss ent­deck­te er in ei­ni­ger Ent­fer­nung von sei­nem Bau­me eine Trän­ke, wo sich – nach den Fuß­spu­ren im schlam­mi­gen Bo­den zu ur­tei­len – eine Fül­le der ver­schie­dens­ten Tie­re re­gel­mä­ßig tum­mel­ten. Dor­thin trieb der Hun­ger den Af­fen­menschen.

Er schwang sich leicht und be­hän­de wie ein Äff­chen durch die Baum­kro­nen, und, so schwer auch al­les, was er in den letz­ten Ta­gen und Wo­chen er­lebt, auf sei­nem In­ne­ren las­te­te, er emp­fand es doch als ein Glück, der al­ten Frei­heit sei­ner Ju­gend­jah­re wie­der­ge­ge­ben zu sein. Au­gen­blick­lich ver­fiel er wie­der in die tau­sen­der­lei klei­nen Ge­wohn­hei­ten zu­rück, die wohl in Wirk­lich­keit mehr ein Teil sei­ner selbst wa­ren als jene dün­ne Tün­che, die we­ni­ge Jah­re der Zi­vi­li­sa­ti­on und Ge­mein­schaft mit der wei­ßen Welt über ihn ge­zo­gen hat­ten. Ja, ein dün­ner An­strich war es wohl nur ge­we­sen, der die Ecken und Kan­ten die­ses Tier­menschen, der sich Af­fen-Tar­zan nann­te, über­deckt hat­te.

Mäu­schen­still duck­te er sich jetzt im un­te­ren Ge­äst ei­nes Baum­rie­sen dicht über dem Wild­pfad, sei­ne schar­fen Au­gen bohr­ten sich in das Dickicht, aus dem je­den Au­gen­blick sein Op­fer und da­mit das er­wünsch­te Nachtes­sen her­vor­bre­chen konn­te.

Er brauch­te nicht lan­ge zu war­ten.

Kaum hat­te er es sich auf sei­nem Baum­sitz ein we­nig be­quem ge­macht und die ge­len­ki­gen Bei­ne dicht an den Kör­per her­an­ge­zo­gen, da duck­te sich un­ten auch schon der Löwe zum Sprun­ge, denn Bara, der Hirsch, war zur Trän­ke un­ter­wegs, um end­lich den Durst zu stil­len.

Doch nicht Bara al­lein. An­de­re folg­ten ihm, von de­nen Bara nichts ahn­te.

Tar­zan aber ent­ging von sei­nem er­höh­ten Hin­ter­hal­te aus kei­ne Be­we­gung. Er wuss­te ge­nau, was es mit dem auf sich hat­te, der sich im­mer etwa hun­dert Me­ter hin­ter dem arg­lo­sen Tie­re durch das Dschun­gel­ge­strüpp vor­ar­bei­te­te: Ir­gend­ein Raub­tier war es, das eben­so beu­te­hung­rig wie Tar­zan dem flin­ken Bara nach­stell­te. Aber wer?

Numa viel­leicht? Oder Shee­ta, der Leo­pard?

 

Es könn­te noch so wer­den, dach­te Tar­zan, dass ihm sei­ne Mahl­zeit ent­schlüpf­te, wenn Bara jetzt nicht et­was schnel­ler zur Trän­ke zog.

Und es kam auch so. Der Hirsch moch­te ir­gend­wie sei­nen Ver­fol­ger ge­wit­tert ha­ben, denn plötz­lich hielt er zit­ternd inne und brach dann in blitz­schnel­ler Wen­dung ge­ra­de auf den Fluss und auf Tar­zan zu durch das Dickicht. Er woll­te durch die seich­te Furt das an­de­re Ufer ge­win­nen; drü­ben wür­de er dann dem Ver­fol­ger ent­schwin­den.

Kaum hun­dert Me­ter war Numa hin­ter ihm.

Tar­zan konn­te den Lö­wen jetzt deut­lich se­hen, Bara jag­te ge­ra­de di­rekt un­ter dem Baum­sitz vor­über.

Soll­te er es wa­gen? Und noch hat­te der hung­ri­ge Tar­zan sich die­se stum­me Fra­ge nicht recht be­ant­wor­tet, da schwang er sich auch schon von sei­nem Sitz her­ab, di­rekt auf den ge­hetz­ten Hirsch. Im nächs­ten Au­gen­blick wür­de Numa sich auf sie bei­de stür­zen, schoss es dem Af­fen­menschen durch den Kopf, und woll­te er heu­te und über­haupt je wie­der et­was zu bei­ßen be­kom­men, so hieß es rasch han­deln.

Kaum hat­te der Hirsch ihn auf sei­nem glat­ten, wei­chen Fell ver­spürt, brach er auch schon auf die Knie nie­der. Tar­zan aber pack­te ihn am Ge­weih und riss ihm mit ei­nem ein­zi­gen blitz­schnel­len Ruck den Kopf her­um, bis das Ge­nick krach­te.

Wü­tend brüll­te der Löwe hin­ter ihm … Den Hirsch ge­packt und dann hin­auf auf den nächs­ten star­ken Ast, das war für Tar­zan das Werk we­ni­ger Au­gen­bli­cke.

Gera­de als Numa im Sprun­ge her­an­schnell­te, konn­te er sich und sei­ne Beu­te aus dem Be­rei­che der furcht­ba­ren Tat­zen ret­ten.

Dumpf dröh­nend fiel das be­tro­ge­ne Kat­zen­tier zu Bo­den. Der Af­fen-Tar­zan aber brach­te sei­nen »Bra­ten« wei­ter nach oben ins Ge­äst. Da war er si­cher. Und dann schau­te er mit spöt­ti­schem Lä­cheln auf das Raub­tier, das mit sei­nen fun­keln­den gel­ben Au­gen von un­ten her­auf­starr­te. Wie ein Jun­ge konn­te er sich nicht ge­nug da­mit tun, die le­cke­re Beu­te sei­nem Geg­ner zu zei­gen. Dann ging er schmun­zelnd an sei­ne Mahl­zeit, wäh­rend der Löwe un­ten knur­rend auf und ab trot­te­te. Es schmeck­te Tar­zan wie­der ein­mal aus­ge­zeich­net.

Ge­sät­tigt ver­wahr­te er die Res­te sei­ner Beu­te auf ei­ner ho­hen Ast­ga­bel sei­nes Bau­mes und eil­te dann, vom ra­che­durs­ti­gen Numa noch lan­ge ver­folgt, durch die Baum­kro­nen zu­rück zu sei­nem Baum­la­ger. Dort schlief er, bis die Son­ne wie­der hoch am Him­mel stand.

Sheeta, der Leopard

Die nächs­ten Tage be­schäf­tig­te sich Tar­zan da­mit, sei­ne Waf­fen­aus­rüs­tung zu ver­voll­stän­di­gen und den Dschun­gel zu er­kun­den. Seh­nen des Hir­sches, der ihm sei­ne ers­te Abend­mahl­zeit hier ge­lie­fert hat­te, wur­den auf den Bo­gen ge­spannt. Bes­ser dazu wä­ren Shee­tas ge­trock­ne­te Ge­där­me ge­we­sen, aber er war doch vor­erst zu­frie­den. Es hieß eben war­ten, bis ihm ein­mal durch glück­li­chen Zu­fall eine der großen Kat­zen zum Op­fer fiel.

Er flocht sich auch einen lan­gen Grass­trick – ge­nau wie den, mit dem er vor vie­len Jah­ren den bö­sen Tu­blat er­würgt hat­te. Was hat­te er als klei­ner Af­fen­jun­ge mit die­ser wun­der­vol­len Waf­fe nicht al­les an­stel­len kön­nen!

Schei­de und Griff für sein Jagd­mes­ser wur­den fer­tig, dann auch ein Kö­cher für die Pfei­le und aus Ba­ras Fell Gür­tel und Len­den­schurz. Dann mach­te er sich auf die Wan­de­rung, um end­lich et­was mehr über das Land in Er­fah­rung zu brin­gen, nach dem er nun ein­mal ver­schla­gen war. Er merk­te wohl, dass er nicht an der ihm alt­be­kann­ten West­küs­te Afri­kas sein konn­te, denn die Son­ne er­hob sich all­mor­gend­lich aus dem Mee­re und glitt erst dann hoch über den Dschun­gel da­hin. Das Meer im Os­ten!

And­rer­seits war er sich dar­über klar, dass er auch nicht an der Ost­küs­te Afri­kas sein kön­ne. Es war si­cher, dass die »Kin­caid« nicht durch das Mit­tel­län­di­sche Meer, den Suez­ka­nal und das Rote Meer ih­ren Weg ge­nom­men hat­te. Auch die Fahrt um das Kap der Gu­ten Hoff­nung war in die­ser kur­z­en Zeit un­mög­lich. Dann war es auch un­denk­bar, dass man den At­lan­ti­schen Ozean durch­quert und ihn auf ir­gend­ei­ner un­be­wohn­ten In­sel Süd­ame­ri­kas aus­ge­setzt ha­ben soll­te. Numa, der Löwe, war ja hier. Das konn­te also auf kei­nen Fall zu­tref­fen. Wo moch­te er denn nun ei­gent­lich sein?

Tar­zan zog ein­sam durch den Dschun­gel da­hin, im­mer in ge­wis­sem Ab­stand vom Stran­de. Wenn er nur et­was Ge­sell­schaft ge­habt hät­te! Er be­dau­er­te es all­mäh­lich, dass er sich nicht neu­lich den Af­fen an­ge­schlos­sen hat­te. Nichts hat­te er wie­der von ih­nen seit je­nem ers­ten Tage ge­se­hen, an dem er im Grun­de noch den gan­zen Bal­last der Kul­tur­welt mit sich schlepp­te.

Jetzt war er schon bald wie­der ganz der alte Tar­zan. Wenn er auch fühl­te, dass er nur we­nig ge­mein­sa­me In­ter­es­sen mit die­sen großen Men­schen­af­fen ha­ben könn­te: Sie schie­nen ihm doch we­nigs­tens bes­ser als nichts zu sein.

Ohne zu has­ten, bahn­te er sich sei­nen Weg bald un­ten am Bo­den, bald zwi­schen den her­ab­hän­gen­den Zwei­gen. Da fand er Früch­te, dort schob er einen Baum­stamm bei­sei­te oder stieß auf eine klei­ne Beu­te.

Eine Mei­le oder mehr moch­te er an die­sem Tage so zu­rück­ge­legt ha­ben, als ihm der Wind Shee­tas Na­hen an­kün­dig­te.

Gera­de Shee­ta, der Leo­pard! Noch nie war er ihm so will­kom­men ge­we­sen: Die Där­me der großen Kat­ze soll­ten ihm für sei­nen Bo­gen ge­ra­de recht sein und das Fell für einen Kö­cher und einen neu­en Len­den­schurz. Wäh­rend er bis­her bei­na­he ge­dan­ken­los da­her­ge­schlen­dert war, ver­kör­per­te er jetzt ge­ra­de­zu laut­lo­se Span­nung und größ­te Vor­sicht.

Rasch und doch lei­se ar­bei­te­te er sich auf der Fähr­te der wil­den Kat­ze durch die Bü­sche, und trotz all sei­ner ed­len Ab­kunft schi­en sei­ne gan­ze wild­wü­ti­ge Art der des wil­den Raub­tiers, an das er sich jetzt her­an­pirsch­te, völ­lig ver­wandt zu sein.

Tar­zan über­leg­te noch, wie er das Tier über­lis­ten kön­ne, als ihm ein Wind­hauch von rechts neue Wit­te­rung brach­te: Dem durch­drin­gen­den Ge­ruch nach muss­ten meh­re­re große Af­fen in der Nähe sein.

Der Leo­pard hat­te sich in den un­te­ren Äs­ten ei­nes Baum­rie­sen hin­ter den Stamm ge­duckt. Er ge­wahr­te un­ten in ei­ni­ger Ent­fer­nung Akut mit sei­nen Ge­nos­sen, wie sie es sich in ei­ner Wald­lich­tung gut sein lie­ßen. Ei­ni­ge schlie­fen, mit dem Rücken an einen Baum ge­lehnt, an­de­re spran­gen her­um, ris­sen die Rin­de von den Bäu­men und hol­ten sich le­cke­re Ma­den und Kä­fer zum Schmau­se.

Akut war Shee­ta am nächs­ten.

Die große Kat­ze lag ge­duckt auf ei­nem di­cken Ast, des­sen dich­tes Laub­werk sie den Bli­cken des Af­fen ver­ber­gen muss­te. Ge­dul­dig war­te­te sie, dass der Men­schen­af­fe auf Sprung­wei­te her­an­käme.

Vor­sich­tig kroch Tar­zan hin­über. Jetzt war er dicht über dem Leo­par­den und zück­te mit der Lin­ken sei­ne schar­fe Stein­klin­ge. Viel lie­ber hät­te er zu sei­nem Fangstrick ge­grif­fen, doch zu dicht war die Blät­ter­wand zwi­schen ihm und der mäch­ti­gen Kat­ze. Der Wurf wür­de wahr­schein­lich sein Ziel ver­fehlt ha­ben.

Akut hat­te sich in­zwi­schen di­rekt auf den Baum zu be­wegt, in des­sen Zwei­gen der Tod auf ihn lau­er­te. Der Leo­pard schob sich lei­se noch ein Stück auf dem Aste vor­wärts, bis er fast ge­nau über ihm war. Ein wü­ten­des Rol­len – und er setz­te an, um sich auf den großen Af­fen her­ab­zu­schnel­len. Al­lein noch den Bruch­teil ei­ner Se­kun­de zu­vor hat­te sich ein an­de­res Raub­tier über ihn ge­stürzt: Un­heim­lich und wild über­tön­te des­sen Kampf­schrei sein Brül­len.

Als Akut, zu Tode er­schro­cken, auf­blick­te, sah er den Leo­par­den und auf des­sen Rücken je­nen wei­ßen Af­fen, der ihn neu­lich am großen Was­ser zum Kamp­fe her­aus­for­der­te.

Die Zäh­ne des Af­fen­menschen hat­ten sich fest in Shee­tas Na­cken ver­bis­sen, sein rech­ter Arm spann­te sich ei­sern um die vor Wut be­ben­de Keh­le, und in der Lin­ken schwang er einen schlan­ken Stein­dolch, hol­te aus und bohr­te ihn mit mäch­ti­gem Sto­ße dicht hin­ter dem lin­ken Blatt in den Leib des Leo­par­den. Ein lau­ter Krach, und die bei­den saus­ten auf die Erde nie­der. Akut konn­te ge­ra­de noch rasch zur Sei­te sprin­gen; er wäre sonst von der Last der kämp­fen­den Dschun­ge­lun­ge­heu­er er­drückt wor­den.

Schreck­lich er­klang Shee­tas Knur­ren und Brül­len, doch zähe und ohne einen Laut von sich zu ge­ben, klam­mer­te sich der wei­ße Affe an sein Op­fer.

Im­mer und im­mer wie­der hat­te der Stein­dolch rück­sichts­los das blan­ke Fell durch­bohrt, tief hat­te er sich hin­ein­ge­senkt – da, ein letz­tes ver­zwei­fel­tes Sichauf­bäu­men, ein letz­tes Brül­len – – – das Raub­tier über­schlug sich und roll­te zur Sei­te. Moch­ten sei­ne Mus­keln in stum­mem Kamp­fe noch zu­cken – – bald lag es still – – ver­en­det.

Der Af­fen­mensch aber setz­te den Fuß auf sei­ne Beu­te, riss sein Haupt hoch zu­rück – und wie­der ein­mal hall­te sein wild­ge­wal­ti­ger Sie­ger­schrei über den Dschun­gel.

Akut und sei­ne Stam­mes­ge­nos­sen blick­ten starr vor Ent­set­zen und Be­wun­de­rung auf Shee­ta, den Ge­tö­te­ten, und auf jene ge­schmei­di­ge star­ke Man­nes­ge­stalt, die ihn be­zwun­gen.

Tar­zan brach zu­erst das Schwei­gen.

Er hat­te Akut das Le­ben ge­ret­tet, doch nicht um­sonst. Er kann­te je­doch die Gren­zen des Af­fen­ver­stan­des nur zu gut und wuss­te, dass er die gan­ze Be­deu­tung die­ser Tat den Men­schen­af­fen erst ein­mal ge­hö­rig klar ma­chen müs­se. Sie wür­den ihm sonst kaum so nüt­zen kön­nen, wie er es er­hoff­te.

Ich bin der Af­fen-Tar­zan, rief er. Ein großer Jä­ger bin ich und ein mäch­ti­ger Kämp­fer. Am großen Was­ser schon­te ich Akut. Hät­te ich ihn ge­tö­tet, wäre ich euer Kö­nig. Und jetzt? Vor Shee­tas rei­ßen­den Pran­ken habe ich Akut wie­der vom Tode ge­ret­tet.

Sind Akut oder die Sei­nen in Ge­fahr, dann sol­len sie Tar­zan ru­fen …, – und der Af­fen­mensch er­hob sei­ne Stim­me zu je­nem furcht­ba­ren Schrei, mit dem Ker­schaks Stamm die fer­nen Ge­nos­sen zu­rück­lock­te, so oft Ge­fah­ren droh­ten.

Und, fuhr er fort, wenn ihr vom Stam­me Akuts die­sen Not­schrei Tar­zans hört, dann sollt ihr dar­an den­ken, was er für Akut ge­tan, und, so schnell es ir­gend geht, zu ihm ei­len. Wollt ihr das?

Huh! kam Akuts Zu­stim­mung, und wie in ei­nem Chor tön­te es von al­len Sei­ten: Huh!

Dann setz­ten die Af­fen ihre Nah­rungs­su­che fort, als sei in­zwi­schen gar nichts wei­ter vor­ge­fal­len. Und John Clay­ton, Lord Grey­sto­ke, schmaus­te mit.

Es war merk­wür­dig, dass Akut kaum von sei­ner Sei­te wich und ihn öf­ters mit sei­nen klei­nen blut­un­ter­lau­fe­nen Au­gen voll ei­gen­ar­ti­ger Be­wun­de­rung an­sah. Und mit ei­nem Male tat er, was Tar­zan wäh­rend all der lan­gen Jah­re, die er frü­her un­ter den Af­fen zu­ge­bracht, nie­mals er­lebt hat­te: Akut hat­te einen ganz be­son­de­ren Lecker­bis­sen ge­fun­den – und gab ihn Tar­zan!

Wenn nun der gan­ze Stamm auf die Jagd aus­zog, war Tar­zan stets da­bei: Grell stach sein glän­zen­der Kör­per ge­gen die schwarz­brau­nen, zot­ti­gen Fel­le sei­ner Ge­fähr­ten ab. Oft ka­men sie wohl ein­an­der auch ins Ge­he­ge, wenn sie den Dschun­gel durch­streif­ten, aber die Af­fen hiel­ten es be­reits für aus­ge­macht, dass er zu ih­nen ge­hör­te, ja dass er ge­nau wie Akut zu re­spek­tie­ren war.

Es pas­sier­te wohl, dass er ei­ner Äf­fin und ih­rem Jun­gen zu nahe kam und dass sie dann un­ter Knur­ren ihre großen Fang­zäh­ne zeig­te; oder dass ihn ein fre­cher Jun­gaf­fe an­fuhr, weil er von Tar­zan bei sei­ner Mahl­zeit ge­stört zu wer­den glaub­te. Doch so und ähn­lich ging es al­len an­de­ren vom Stam­me auch.

Tar­zan fühl­te sich also im All­ge­mei­nen bei die­sen wil­den Tie­ren wie zu Hau­se. Wenn eine Äf­fin ihm mit dro­hen­der Ges­te be­geg­ne­te, wich er je­des Mal aus. Das mach­ten sie alle so, ab­ge­se­hen von ge­le­gent­li­chen stär­ke­ren Wut­aus­brü­chen, bei de­nen dann das Tie­risch-Rohe die Ober­hand ge­wann. Ab und zu knurr­te er schließ­lich einen be­son­ders un­ver­schäm­ten Jun­gaf­fen ge­hö­rig an und zeig­te ihm sei­ne Zäh­ne, just so, wie sie es selbst ge­wohnt wa­ren. So fiel er ganz wie­der in sei­ne alte ge­wohn­te Le­bens­wei­se zu­rück. Leicht, ge­ra­de­zu selbst­ver­ständ­lich, voll­zog sich die­se Wand­lung, als hät­te er nie ir­gen­det­was mit de­nen sei­nes ei­ge­nen Blu­tes ge­mein ge­habt.

 

Den größ­ten Teil der Wo­che war er mit sei­nen neu­en Freun­den auf der Jagd im Dschun­gel. Er freu­te sich, nun wie­der Ge­fähr­ten um sich zu ha­ben, und au­ßer­dem hoff­te er, sich so am si­chers­ten einen Platz in ih­rem reich­lich kur­z­en Ge­dächt­nis zu si­chern. Wuss­te er doch aus Er­fah­rung, wie vor­teil­haft es ein­mal sein konn­te, auf die Hil­fe die­ser kraft­vol­len und furcht­ge­bie­ten­den Tie­re rech­nen zu dür­fen.

Als er der Über­zeu­gung war, dass sich sein Bild ih­nen ge­nug­sam ein­ge­prägt ha­ben müs­se, be­schloss er, die Er­kun­dung der Ge­gend wie­der auf­zu­neh­men. So zog er ei­nes Ta­ges in der Frü­he nord­wärts, im­mer in ge­wis­sem Ab­stand vom Mee­re. Rasch streb­te er vor­an, bis die Nacht sich nie­der­senk­te.

Im Däm­mern des nächs­ten Mor­gens ging er zum Stran­de. Doch nicht wie neu­lich er­hob sich die Son­nen­ku­gel heu­te aus den Was­sern: Aus dem Dschun­gel zu sei­ner Rech­ten kam sie em­por­ge­stie­gen! Er schloss dar­aus, dass die Küs­te hier nach Wes­ten ab­bog. Am zwei­ten Tage kam er fast eben­so schnell vor­wärts, oft gar noch schnel­ler: Wie ein Eich­hörn­chen klet­ter­te er auf hal­ber Höhe der Bäu­me durch die wei­ten Wäl­der. Heu­te Abend sank die Son­ne zum Meer hin­ab … Was er im Stil­len be­fürch­tet, be­stä­tig­te sich: Ro­koff hat­te ihn auf ei­ner In­sel aus­ge­setzt!

Das hat­te die­ser Schuft na­tür­lich ge­wusst! Und hät­te der Rus­se noch ir­gend­ein grau­sa­me­res Schick­sal für ihn aus­den­ken kön­nen, er hät­te es ihm be­stimmt; das war ge­wiss. Konn­te es über­haupt et­was Furcht­ba­re­res ge­ben als für ein gan­zes Le­ben auf die­se un­be­wohn­te In­sel ver­bannt zu sein?

Ro­koff muss­te zwei­fel­los von hier aus di­rekt auf den Kon­ti­nent zu­ge­steu­ert sein. Dort wür­de er kur­zer­hand und ohne Schwie­rig­kei­ten den klei­nen Jack wil­den Pfle­ge­el­tern aus­ge­lie­fert ha­ben …, so lau­te­te ja die Dro­hung auf je­nem ge­heim­nis­vol­len Zet­tel!

Tar­zan schau­der­te bei dem Ge­dan­ken an die Lei­den, die dem Klei­nen un­ter den grau­sa­men Wil­den be­schie­den sein muss­ten, wenn er es auch nicht für aus­ge­schlos­sen hielt, dass Jack nicht ge­ra­de den größ­ten Roh­lin­gen in die Hän­de ge­fal­len wäre. Oft wa­ren ihm ja auch Wil­de zu Ge­sicht ge­kom­men, die durch­aus mensch­lich han­del­ten. Aber im gan­zen blieb ihr Le­ben doch eben nur eine Rei­he von Raub­zü­gen, Ge­fah­ren und Quä­le­rei­en.

Ein Kan­ni­ba­le, ein wil­der Men­schen­fres­ser sein klei­ner Jack! Furcht­ba­rer Ge­dan­ke!

Mit zu­ge­feil­ten Zäh­nen, die Nase durch­bohrt und das zar­te Ge­sicht gräss­lich tä­to­wiert!

Tar­zan seufz­te tief. Könn­te er jetzt die­sen teuf­li­schen Rus­sen mit sei­nen ner­vi­gen Fin­gern er­wür­gen!

Und Jane!

Zwei­fel, Furcht und Un­ge­wiss­heit muss­ten sie fol­tern, sie wür­de sich vor Qua­len win­den. Unend­lich schlim­mer ihre Lage im Ver­gleich zu der sei­nen! Er wuss­te ei­nes sei­ner Lie­ben we­nigs­tens da­heim si­cher ge­bor­gen, und sie? Kei­ne Ah­nung konn­te sie ha­ben über das Wo und Wie von Mann und Kind … Für Tar­zan war es im­mer­hin gut, dass er die vol­le Wahr­heit nicht ein­mal ahn­te. Tau­send­fa­che Qua­len wä­ren ihm nicht er­spart ge­blie­ben. –

Lang­sam streif­te er in Ge­dan­ken ver­sun­ken durch das Dickicht. Plötz­lich ver­nahm er hef­ti­ges Schar­ren, doch konn­te er sich nicht er­klä­ren, wo­von die­ses Geräusch her­rüh­re.

Vor­sich­tig folg­te er dem Lärm und bald stieß er auf einen star­ken Leo­par­den, der sich un­ter ei­nem ge­stürz­ten Baum fest­ge­klemmt hat­te.

Das Raub­tier emp­fing Tar­zan mit grim­mi­gem Ge­knurr und such­te sich mit al­len Kräf­ten aus sei­ner üb­len Lage zu be­frei­en. Kaum eine Hand­breit kam es je­doch von der Stel­le: Ein star­ker Ast lag quer über sei­nem Rücken, und die Füße wa­ren im wil­den Ge­wirr der Zwei­ge ge­fes­selt.

Der Af­fen­mensch nä­her­te sich der hilflo­sen Kat­ze und griff zum Bo­gen. Er woll­te sie tö­ten, ehe sie dem lang­sa­men Hun­ger­to­de ver­fiel. Doch eine plötz­li­che Lau­ne ließ ihn in­ne­hal­ten, als die Seh­ne schon zum töd­li­chen Schwung aus­hol­te.

Wa­rum dem ar­men Ge­schöpf Le­ben und Frei­heit rau­ben, wenn er ihm bei­des so leicht wie­der­schen­ken konn­te? Er sah ja, dass der Leo­pard sich mit al­len vie­ren um sei­ne Frei­heit müh­te: Sie wa­ren also heil ge­blie­ben, und auch das Rück­grat schi­en un­ver­letzt. Da war nichts ge­bro­chen.

Er tat den Pfeil in den Kö­cher zu­rück, hing den Bo­gen wie­der über die Schul­ter und trat noch nä­her an das ein­ge­klemm­te Tier her­an. Mit sei­nen Lip­pen ahm­te er das schmei­cheln­de Schnur­ren großer Kat­zen nach, mit dem sie ein­an­der ge­wöhn­lich ihr Wohl­be­ha­gen be­zeu­gen. Es schi­en ihm das der bes­te Weg, um sich mit Shee­ta freund­schaft­lich zu ver­stän­di­gen.

Der Leo­pard ließ auch gleich sein Knur­ren und sah dem Af­fen­menschen fast fra­gend in die Au­gen.

Wenn Tar­zan jetzt die wuch­ti­ge Last von Shee­tas Rücken wäl­zen woll­te, muss­te er un­be­dingt so nahe an das Tier her­an­ge­hen, dass es ihn in sei­ne lan­gen, schar­fen Kral­len be­kam. Dann wäre er ihm nach voll­brach­tem Werk auf Gna­de und Un­gna­de aus­ge­lie­fert … Doch Tar­zan kann­te kei­ne Furcht. Hat­te er sich ein­mal ent­schie­den, schritt er im­mer rasch und rück­sichts­los zur Tat.

Ohne zu zö­gern, sprang er mit­ten in das wir­re Ge­äst dicht ne­ben den Leo­par­den. Im­mer noch klang das be­gü­ti­gen­de Schnur­ren von sei­nen Lip­pen. Die Kat­ze wand­te den Kopf und starr­te ihn fra­gend an. Ihre lan­gen Pran­ken wa­ren weit ge­öff­net, wie es ihm schi­en, mehr in Er­war­tung als zum An­griff be­reit.

Tar­zan schob sei­ne rech­te Schul­ter un­ter den Stamm, ei­nes sei­ner nack­ten Bei­ne dicht ge­gen das sei­di­ge Fell der Kat­ze ge­presst.

Lang­sam streck­ten sich sei­ne ge­wal­ti­gen Mus­keln, und im­mer mehr ho­ben sich Baum­stamm und wir­res Ge­zweig. So­wie der Leo­pard nicht mehr den vol­len Druck der Last ver­spür­te, kroch er schleu­nigst dar­un­ter her­vor. Tar­zan ließ den Stamm zur Erde zu­rück­fal­len, und die bei­den wil­den Tie­re stan­den sich Auge in Auge ge­gen­über.

Ein grim­mi­ges Lä­cheln lag auf den Lip­pen des Af­fen­menschen, denn er wuss­te, dass er nun sein Le­ben ganz in die Hand je­nes furcht­ba­ren Dschun­gel­tie­res ge­ge­ben hat­te. Es hät­te ihn nicht ge­wun­dert, wenn sich die Kat­ze im glei­chen Au­gen­blick, in dem sie ihre Frei­heit wie­der­fühl­te, über ihn ge­stürzt hät­te.

Doch sie tat es nicht; sie stand in ei­ni­ger Ent­fer­nung und schi­en zu war­ten, bis der Af­fen­mensch wie­der aus dem wil­den Durchein­an­der der Zwei­ge her­aus­kam. Jetzt war Tar­zan drau­ßen, nur drei Schrit­te vom Leo­par­den. Soll­te er in die Bäu­me hin­ter sich bis in die höchs­ten Kro­nen hin­auf­klim­men, weil Shee­ta ihm da­hin nicht fol­gen konn­te?

Ir­gend­ei­ne Ein­ge­bung – fast war es Toll­kühn­heit zu nen­nen – be­stimm­te ihn, sich dem Tie­re freund­lich zu nä­hern und zu se­hen, ob in ihm so et­was wie Dank­bar­keit ste­cke. Dann konn­ten sie sich ja mit­ein­an­der ver­tra­gen.

Er ging nä­her: Die große Kat­ze wich seit­lich aus, und der Af­fen­mensch folg­te ih­rer Fähr­te, nur einen Fuß­breit hin­ter ihr. Als er dann durch den Wald da­v­on­schritt, kam der Leo­pard ihm nach, wie ein Hund sich zu sei­nem Herrn hält.

Tar­zan konn­te sich erst lan­ge nicht dar­über klar wer­den, ob das Tier ihm aus ei­ner ge­wis­sen dank­ba­ren An­häng­lich­keit folg­te oder um sich doch noch auf ihn zu stür­zen, so­bald der Hun­ger sich mel­de­te.