Mündliche Sprachmittlung im Spanischunterricht

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Zusammenführung der bisherigen Ergebnisse

Bevor Gemeinsamkeiten und eventuelle Unterschiede zwischen den Disziplinen herausgearbeitet werden, gilt es festzuhalten, dass der Begriff der ‚Mediation‘ durchaus als Synonym für Sprachmittlung verwendet wird. Dies ist damit zu erklären, dass aus den fremdsprachlichen Begriffen ‚médiation linguistique (et culturelle)‘, ‚mediación lingüística‘ oder ‚mediazone linguistica der deutsche Begriff entlehnt wurde (vgl. Rössler, Reimann 2013: 11). Allerdings wird ‚Mediation‘ mit zwei Konzepten verbunden; zum einen mit Sprachmittlung und zum anderen mit dem aus der Psychologie stammenden Verfahren der Konfliktlösung (vgl. Königs 2016: 112), so dass im weiteren Verlauf der Arbeit der Begriff Sprachmittlung priorisiert wird.

Zieht man zwischen Fachdidaktik und Fachwissenschaft Vergleiche oder sucht nach Differenzen, stellt man fest, dass, abgesehen von der Begriffsdiskussion letzterer, doch viele Punkte in beiden Disziplinen von Relevanz und bei der Erarbeitung einer Definition maßgeblich zu berücksichtigen sind.

Innerhalb der Fachdidaktik rücken die Lernenden erstaunlicherweise nur selten in den Vordergrund, lediglich die Formulierung der Orientierung an Zweck, Adressat oder Situation reduziert vermeintlich den Anspruch der Aufgabe. Dies lässt sich aber überraschenderweise auch in der Fachwissenschaft durch das Postulat der ‚Skopos-Theorie‘ (vgl. Reiß, Vermeer 1984) wiederfinden.

Gerade die Übernahme dieses Konzepts in die Fachdidaktik, die an die Stelle der ‚Äquivalenz‘ rückt, ist sehr zu begrüßen, da so auch eine Unterscheidung zwischen ‚Übersetzen‘ und ‚Sprachmitteln‘ möglich ist. Diese Abgrenzung findet sich, wenn auch sehr isoliert, bei Rössler und Reimann (2013: 11f.) wieder, die Sprachmittlung als eine alltägliche, nicht-professionelle Handlung verstehen und so die Anforderungen an diese komplexe Kompetenz reduzieren, wie dies auch bei Knapp und Knapp-Potthoff (1985) der Fall ist.

Beiden Disziplinen scheint darüber hinaus gemein, dass sie die Rolle des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin, wenn auch zum Teil nur implizit, als wichtig erachten, da er/sie aktiv in das Gespräch eingreifen muss und dadurch auch Veränderungen, ggf. durch die Anwendung verschiedener Strategien, vornimmt, vor allem um interkulturellen Missverständnissen vorzubeugen.

Anhand dieser Überlegungen wird nun versucht, eine Definition vorzulegen, die folgende Aspekte aus den beiden vorangegangenen Teilkapiteln umfasst: Orientierung an Adressat, Situation bzw. Zweck (‚Skopos‘); ‚Adäquatheit‘ statt ‚Äquivalenz‘; Einbezug mehrerer Sprachen in interkulturellen Situationen; schriftliche oder mündliche Aufgabenstellung mit einem weiten Textbegriff; Übermittlung in beide Sprachen; Sprachmittlung als ein freies Format, dass auch Paraphrasieren und Zusammenfassen mit einschließt und eine informelle, alltägliche, nicht-professionelle Tätigkeit darstellt.

Sprachmittlung ist ein freies Format, das auch Tätigkeiten wie Paraphrasieren, Zusammenfassen oder informelles Dolmetschen umfasst, bei dem es um die adäquate, am ‚Skopos‘ orientierte Übertragung von Kommunikationsinhalten zwischen mehreren Sprachen geht und somit als eine alltägliche, informelle und nicht-professionelle Handlung im Rahmen interkultureller Begegnungssituationen aufgefasst werden kann; die Grundlage ist neben einem weiten Textbegriff und Textsortenwechsel auch eine konkrete Aufgabenstellung, die detaillierte Informationen für die Lernenden hinsichtlich Adressat, Situation, Zweck/Sinn und zu erstellendem Text enthält.

Mündliche und schriftliche Sprachmittlung im FSU

Sprachmittlung wird als ein Aspekt des Fremdsprachenunterrichts der modernen Fremdsprachen Englisch, Französisch und auch Spanisch immer wichtiger und gewinnt an Bedeutung, da auch in Abschlussprüfungen dieses Format abgefragt wird (vgl. exemplarisch Niedersächsisches Kultusministerium 2018, 2015; Senatorin für Kinder und Bildung 2015a; vgl. dazu auch Teilkapitel 2.3.5). Wie im Teilkapitel 2.1 aufgezeigt wurde, ist Sprachmittlung immer noch nicht eindeutig definiert, was auch daran liegen mag, dass die bildungspolitischen Vorgaben, die den Rahmen für die Auseinandersetzung darstellen, nicht einheitlich sind und sich zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Die einzelnen Dokumente wie der GeR auf europaweiter Ebene, die in Deutschland gültigen Bildungsstandards und auch die lokal relevanten Bremer Bildungspläne werden im Folgenden hinsichtlich ihrer Angaben zu Sprachmittlung untersucht, gegenübergestellt und diskutiert.

Bildungspolitische Vorgaben

Bei den diversen Dokumenten wird versucht, den Fokus auf die Fremdsprache Spanisch zu legen; dies ist aber nicht immer möglich, so dass auch die anderen Fremdsprachen Englisch und Französisch mit in die Betrachtung einbezogen werden, um so ein möglichst realistisches Bild erstellen zu können. Gerade Spanisch als noch recht neues Schulfach gewinnt zwar immer mehr an Bedeutung, konnte aber aufgrund dieser jüngsten Entwicklungen bei der Erstellung einiger Dokumente noch nicht im gleichen Umfang berücksichtigt werden wie dies zum Beispiel der Fall für das Fach Französisch ist.

Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen

Der Common European Framework of Reference (CEFR) ist im Jahr 2000 bzw. die deutschsprachige Fassung als Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen (GeR) 2001 erschienen. An letzterem haben diverse Ministerien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wie auch das Goethe Institut mitgearbeitet, das maßgeblich für die Übersetzung verantwortlich war. Die Grundlage für den CEFR bzw. GeR und somit für die erstmalige Entwicklung von Skalen zur Erfassung und Beschreibung der Leistungen der Lernenden, waren die Erkenntnisse und Diskussionen innerhalb der Fremdsprachendidaktiken der letzten 40 Jahre. Dies umfasst vor allem „Wissen und Fertigkeiten, mit denen der Sprachlernende im öffentlichen, beruflichen und privaten Bereich sprachlich handlungsfähig und kulturell sensibilisiert ist.“ (Europarat 2001: 3). Die Lehrkräfte erhalten durch den GeR ein Dokument, in dem ausführlich dargestellt ist, welche Inhalte, Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen die Schülerinnen und Schülern erwerben sollen, um eine Sprache kommunikativ verwenden zu können (vgl. ebd.: 14). Unter diese Aktivitäten fällt neben der Rezeption, der Produktion und der Inter-aktion auch die Sprachmittlung, die dort erstmals explizit und eigenständig in einem offiziellen Dokument aufgeführt wird. Zudem werden ‚Dolmetschen‘ und ‚Übersetzung‘ als nahezu gleichberechtigte Formen ebenfalls mit angeführt, die dann auch noch durch die Zusammenfassung und den Bericht sowie die Paraphrase ergänzt werden (vgl. ebd.: 26, 89f.). Eine Differenzierung dieser Begriffe erfolgt jedoch nicht – obwohl dies an vorheriger Stelle mit anderen Termini durchaus stattfindet – es wird lediglich darauf hingewiesen, dass alle diese Formen sowohl mündlich wie auch schriftlich erfolgen können und es sich dabei um „Kommunikation zwischen Menschen [handelt], die aus irgendwelchen Gründen nicht direkt miteinander kommunizieren können.“ (ebd.: 26).

Entscheidend ist außerdem die Erwähnung, dass der/die Sprachmittler/in bewusst den Ausgangstext verändert und somit einen neuen Text erstellt (vgl. Teilkapitel 2.1.1). Somit nehmen die Lernenden im Rahmen des Gespräches eine aktive und zugleich produktive Rolle ein, die ebenfalls „eine wichtige Stellung im alltäglichen sprachlichen Funktionieren unserer Gesellschaft“ (ebd.: 26) hat und so durchaus realistisch bzw. authentisch ist. Allerdings steht diese Aussage durchaus im Kontrast zu der im weiteren Verlauf ausführlichen Beschreibung von Sprachmittlung, denn dort heißt es, dass die Lernenden keine eigenen Intentionen mit einbringen, sondern nur zwischen den verschiedenen Parteien vermitteln sollen (vgl. ebd.: 89).

Auch wenn die Schülerinnen und Schüler nicht aktiv in das Gespräch eingreifen, erfolgt jedoch immer eine individuelle Auswahl der Inhalte, die gemittelt werden sollen, so dass diese Vorgänge durchaus als eigene produzierte Beiträge im Gesprächsverlauf aufgefasst werden können (vgl. Kolb 2016: 38). Des Weiteren wird die zunächst recht offen gehaltene Erläuterung der Notwendigkeit der Sprachmittlung etwas eingeschränkt, da in der späteren Erklärung darauf hingewiesen wird, dass die beiden Beteiligten meist nicht dieselbe Sprache sprechen, auch wenn das nicht immer der Fall sein muss, meist aber der häufigste ist (vgl. Europarat 2001: 89).

Sprachmittlung wird im GeR noch weiter ausdifferenziert in mündliche und schriftliche Sprachmittlung mit jeweils unterschiedlichen Tätigkeiten sowie der Angabe von Strategien. Leider sind aber für die Evaluation dort noch keine Skalen herausgearbeitet worden, so dass lediglich auf beispielsweise die Skalen der mündlichen Produktion zurückgegriffen werden kann1. Unter die Tätigkeit der mündlichen Sprachmittlung fallen das Simultan- und Konsekutiv-Dolmetschen, ersteres beispielsweise bei Konferenzen, Besprechung oder Reden und letzteres bei Führungen oder auch Ansprachen. Außerdem zählt dazu auch das informelle Dolmetschen, das vor allem für Besucher im eigenen Land, Muttersprachler/innen im Ausland, bei Dienstleistungssituationen oder auch bei Schildern, Speisekarten oder Ähnlichem vorkommen kann. Die schriftliche Sprachmittlung umfasst neben der genauen Übersetzung von zum Beispiel Verträgen oder wissenschaftlichen Texten, auch die literarische Übersetzung dieser Texte sowie die schon erwähnte Paraphrase und Zusammenfassung von verschiedensten Texten in den jeweils beteiligten Sprachen (vgl. ebd.: 90).

 

Die Strategien der Sprachmittlung beinhalten die Aspekte der Planung, Ausführung, Evaluation und Korrektur, die jeweils für die unterschiedlichen Phasen Hilfestellungen geben sollen und allgemein widerspiegeln „wie man mit begrenzten Mitteln Informationen verarbeiten und eine äquivalente Bedeutung herstellen kann.“ (ebd.).

In der Planungsphase sollen die Lernenden demnach durch vorausschauendes Handeln Hintergrundwissen entwickeln, sich ggf. Unterstützung holen, ein Glossar für die Aufgabe anlegen, in dem sie auch die Bedürfnisse der Gesprächspartner berücksichtigen und den Umfang der zu erstellenden Übersetzung festlegen (vgl. ebd.: 90). Allerdings erscheint hier nicht nur der angeführte Terminus der Übersetzung etwas misslich gewählt, wie im vorherigen Teilkapitel bereits aufgezeigt wurde, sondern auch die Tatsache, dass in diesem frühen Stadium schon entschieden werden muss, welche Inhalte in welchem Umfang gemittelt werden sollen. Dies mag bei einigen Aufgabenstellungen zwar möglich sein, beispielsweise wenn ein Text schriftlich in eine andere Sprache zu übertragen ist, bei dialogischen Gesprächen muss dieser Schritt aber nach jedem Beitrag eines Gesprächspartners erneut erfolgen, vor allem im Hinblick auf die sich möglicherweise verändernde Thematik und deren kulturellen Eigenheiten sowie den wechselnden Adressaten.

Dieser Vorgang fällt zum Teil auch in die nächste Phase der Ausführung, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die Lernenden sowohl antizipierend wie auch vorrauschauend denken müssen, indem sie die neuen Informationen verarbeiten und dabei gleichzeitig die erhaltenen Informationen übertragen und weitergeben müssen. Gegebenenfalls kann es vorkommen, dass für bestimmte Begriffe Äquivalente in der anderen Sprache oder umschreibende Erklärungen gefunden oder auch Gesprächslücken überwunden werden müssen.

Bei der Evaluation müssen die Schülerinnen und Schüler sowohl die Kongruenz der beiden erstellten Texte wie auch die Konsistenz bezüglich der Verwendung prüfen, um notfalls in der Korrekturphase eingreifen zu können. Dafür kann es unter Umständen nötig sein, ein ein- oder zweisprachiges Wörterbuch zu Rate zu ziehen oder einen Experten zu befragen (vgl. ebd.: 90).

Diese in Teilen recht ausführlichen Erläuterungen zu Sprachmittlung sind in manchen Aspekten dennoch sehr vage gehalten, um einen gewissen Spielraum zu gewähren, den die einzelnen Länder durch ihre eigenen Vorgaben unterschiedlich ausfüllen können.

Die Ergänzung des GeR, die im Jahr 2018 erschienen ist, greift vor allem das Desiderat der mangelnden Skalen für die Sprachmittlung auf und liefert nun sehr detailliert ausgearbeitete Beschreibungen für unterschiedliche Aspekte der Sprachmittlung (vgl. Council of Europe 2018). Ebenfalls wird eine Definition vorgestellt, die im Jahr 2001 so explizit nicht vorhanden war, die viele Aspekte aufgreift, die auch in der fachdidaktischen Diskussion angeklungen sind (vgl. Teilkapitel 2.1.2), wobei immer noch deutlich die Stellung des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin betont wird, der/die die Kommunikation ermöglichen soll:

„In mediation, the user/learner acts as a social agent who creates bridges and helps to construct or convey meaning, sometimes within the same language, sometimes from one language to another (cross-linguistic mediation). The focus is on the role of language in processes like creating the space and conditions for communicating and/or learning, collaborating to construct new meaning, encouraging others to construct or understand new meaning, and passing on new information in an appropriate form. The context can be social, pedagogic, cultural, linguistic or professional.“ (Council of Europe 2018: 103)

Die Definition wurde dahingehend erweitert, dass die Situationen sehr unterschiedlicher Natur sein können und es ebenfalls denkbar ist, dass auch innerhalb einer Sprache gemittelt werden muss, um so die Kommunikation zu ermöglichen oder zu unterstützen. Sprachmittlung wird anschließend in die beiden großen Bereiche der Aktivitäten und Strategien differenziert, die wiederum noch in weitere zahlreiche Unterpunkte gegliedert werden (vgl. Abbildung 2.1). Für jeden genannten Aspekt innerhalb der ‚Mediation Activities‘ und der ‚Mediating Strategies‘ wie beispielsweise ‚Managing Interaction‘ oder ‚Adapting Language‘ und auch für Sprachmittlung im Allgemeinen werden dann ausführliche Skalen für die einzelnen Niveaustufen A1 bis C2 angeführt (vgl. dazu ausführlich Council of Europe 2018: 105-129).

Die Skalen, die in der Ergänzung zum GeR für Sprachmittlung im Allgemeinen vorgelegt werden (vgl. im Folgenden ebd.: 105), umfassen zahlreiche Aspekte und sind sehr differenziert verfasst und erneut wieder mit den bereits bekannten ‚Can do‘-Statements formuliert. Grundsätzlich lässt sich hier die Unterscheidung der drei Niveaus A – B – C damit wiedergeben, dass auf dem ersten Niveau (A1 und A2) der/die Sprachmittler/in vor allem mit einfachen Worten agiert, einfache bzw. vorhersehbare Informationen in kurzen Sätzen, Notizen oder einem ähnlichen Format wiedergeben kann.

Dabei fällt auf, dass bereits in Ansätzen mit einfachen Wörtern Erklärungen gegeben werden können und auch die Kommunikation unterstützt werden kann, wenn der/die andere/n Beteiligte/n langsam sprechen. Für das fortgeschrittene Niveau B1 sollen die Personen dann in der Lage sein, bezüglich bekannter Themen oder zu Aspekten, die von Interesse sind, Informationen in eindeutigen, strukturierten Äußerungen wiederzugeben – auch wenn dabei lexikalische Grenzen erreicht werden. Außerdem soll auf diesem Niveau die Kenntnis vorhanden sein, dass Aussagen von verschiedenen Personen unterschiedlich aufgefasst werden können und so dementsprechende Reaktionen von Nöten sind; beispielsweise durch empathisches Verhalten.

Einen weiteren Schritt findet man für das Niveau B2, denn dort sollen die Handelnden in der Lage sein, komplexere Aussagen zu treffen oder auch eine positive Atmosphäre herzustellen.

Für die Niveaus C1 und C2 gelten dann die höchsten Anforderungen, die sich – ähnlich der Niveaustufen A1 und A2 – nur noch wenig voneinander unterscheiden, da dort ein sicheres und effektives Handeln beschrieben wird. Die Aussagen können in klarer, gut strukturierter und sicherer Art und Weise differenziert formuliert werden, so dass auch feine Nuancen bzw. Bedeutungsunterschiede erkannt und in kohärenten, komplexen Texten oder Gesprächen berücksichtigt werden können.


Abbildung 2.1: Übersicht über die Aktivitäten und Strategien der Sprachmittlung in der Ergänzung des CEFR (Council of Europe 2018: 104)

Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz

Die Basis für die Entwicklung der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) bilden einerseits der GeR, als ein international anerkanntes Standardmodell, und zum anderen Kompetenzmodelle der Kernfächer, die maßgeblich anhand der Erfahrungen aus der Praxis generiert worden sind. Ziel dieser Bildungsstandards ist es einerseits „die Qualität schulischer Bildung, die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu sichern.“ (Kultusministerkonferenz (KMK) 2003: 3) und dabei auch die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler zu erfassen; dies schließt ggf. auch notwendige Unterstützungsmaßnahmen mit ein. Die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2012) verfolgen andererseits das Ziel, für die nötige Transparenz schulischer Anforderungen zu sorgen, die Förderung der Entwicklung kompetenzorientierten Unterrichts voranzutreiben sowie die Grundlage zur Überprüfung der erlangten Ergebnisse zu schaffen (vgl. KMK 2012: 5). Die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2012), die an die für den Mittleren Schulabschluss (2003) anknüpfen, wurden durch das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Kooperation mit verschiedenen Expertinnen und Experten sowie einer Steuerungsgruppe der KMK generiert.

Bei beiden Richtlinien geht es um die Nennung derjenigen Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler am Ende einer bestimmten Jahrgangsstufe erreicht haben sollen; wobei Kompetenz hier als „Fähigkeit verstanden [wird], Wissen und Können in den jeweiligen Fächern zur Lösung von Problemen anzuwenden.“ (KMK 2012: 5).

Die im Jahr 2003 verabschiedeten Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss für die erste Fremdsprache Englisch bzw. Französisch und die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife für die fortgeführte Fremdsprache Englisch bzw. Französisch aus dem Jahr 2012 werden im Hinblick auf Sprachmittlung genauer betrachtet, da diese beiden Dokumente am ehesten den beiden im Bundesland Bremen vorhandenen Schultypen der Oberschule und des Gymnasiums entsprechen.

Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003)

Das Erlernen der ersten Fremdsprache Englisch oder Französisch soll den Schülerinnen und Schülern am Ende der Sekundarstufe I unter anderem ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, sich für ein lebenslanges Fremdsprachenlernen zu begeistern und dabei selbständig sowie selbstverantwortlich agieren zu können (vgl. KMK 2003: 7f.). Die dafür relevanten Kompetenzen sind in der folgenden Tabelle 2.2 dargestellt.

Durch diese systematische Entwicklung der funktional kommunikativen Kompetenzen, zu denen auch elementare Formen der Sprachmittlung zählen, die in einem praktischen Anwendungsbezug erworben werden, können die Lernenden in der Fremdsprache kommunizieren, die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse auf ihrem weiteren Lebensweg einsetzen und explizit für die berufliche Weiterbildung nutzen (vgl. ebd.: 8f.).


Funktionale kommunikative Kompetenzen
Kommunikative Fertigkeiten Verfügung über die sprachlichen Mittel
- Hör- und Hör-/Sehverstehen - Leseverstehen - Sprechen * an Gesprächen teilnehmen * zusammenhängendes Sprechen - Schreiben - Sprachmittlung - Wortschatz - Grammatik - Aussprache und Intonation - Orthografie
Interkulturelle Kompetenzen
- soziokulturelles Orientierungswissen - verständnisvoller Umgang mit kultureller Differenz - praktische Bewältigung interkultureller Begegnungssituationen
Methodische Kompetenzen
- Textrezeption (Leseverstehen und Hörverstehen) - Interaktion - Textproduktion (Sprechen und Schreiben) - Lernstrategien - Präsentation und Mediennutzung - Lernbewusstheit und Lernorganisation

Tabelle 2.2: Übersicht über die Kompetenzbereiche der Sekundarstufe I (vgl. KMK 2003: 8)

Die Beschreibung der einzelnen Kompetenzbereiche und die darin aufgegliederten Teilkompetenzen erfolgen sehr nah am GeR, so dass zunächst keine großen Unterschiede zwischen diesen beiden verbindlichen Dokumenten vorhanden sein sollten. Es fällt jedoch sofort auf, dass der Absatz zu Sprachmittlung in den Bildungsstandards des Mittleren Schulabschlusses (2003) sehr kurz ausfällt und dabei auch keine verschiedenen Formen, wie im GeR (2001), angegeben werden. Die genauere Beschreibung dieser Teilkompetenz lautet wie folgt: „Die Schülerinnen und Schüler können mündlich in Routinesituationen und schriftlich zu vertrauten Themen zusammenhängende sprachliche Äußerungen und Texte sinngemäß von der einen in die andere Sprache übertragen.“ (KMK 2003: 14). Des Weiteren sollen die Lernenden am Ende der 10. Jahrgangsstufe dazu in der Lage sein, in „Alltagssituationen sprachmittelnd agieren, persönliche und einfache Sach- und Gebrauchstexte sinngemäß übertragen [zu können].“ (ebd.: 14). Diese Auffassung von Sprachmittlung nimmt deutlich andere Aspekte, als die des GeR, in den Fokus, denn dort geht es zunächst um die Begründung, warum Sprachmittlung sinnvoll bzw. notwendig ist und im Folgenden dann um mögliche zu erlernende Strategien (vgl. Teilkapitel 2.2.2). Die Nennung der diversen Formen, wie die ‚Übersetzung‘ oder das ‚Dolmetschen‘, die unter Sprachmittlung fallen, wird hier nicht wiederholt; es bleibt aber fraglich, ob die Lehrkräfte, die eher weniger mit dem GeR arbeiten dürften, sich dieses Umstandes bewusst sind. Ebenfalls fehlt hier, wenn auch zumindest nur knapp, eine Erläuterung, welche Texte geeignet wären und welche Situationen als alltäglich aufgefasst werden können. Einen Anhaltspunkt bieten die Aufgabenvorschläge am Schluss, auch wenn es durchaus überraschend ist, dass für diese Aufgaben keine explizite Vorbereitung im Unterricht nötig sein soll, was vielleicht an der Tatsache liegen mag, dass die Inhalte als „vertraut“ eingestuft werden (vgl. KMK 2003: 44, 46, 67).

 

Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (2012)

Zur Kontrastierung bzw. Ergänzung werden auch die Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife für die fortgeführte Fremdsprache Englisch oder Französisch (2012) genauer betrachtet, um so ein umfassenderes Bild hinsichtlich der Rahmenrichtlinien zu erhalten.

Ein ganz wesentlicher Unterschied zu den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) ist die auf den ersten Blick unterschiedliche Anordnung der Kompetenzbereiche und die jeweils darunter fallenden Teilkompetenzen (vgl. Tabellen 2.2 und 2.3).

Wie in der Tabelle 2.3 durch die Positionierung im Zentrum deutlich wird, kommt den funktional kommunikativen Kompetenzen eine große Bedeutung zu, die die Teilkompetenzen des Hör-/Hörsehverstehens, des Leseverstehens, des Schreibens, des Sprechens und der Sprachmittlung umfassen. Dabei wird aber ausdrücklich betont, dass „für die Realisierung der einzelnen Kompetenzen […] das Verfügen über angemessene sprachliche Mittel und kommunikative Strategien“ (ebd.: 13) unerlässlich ist und diesen eine dienende Funktion zukommt. Dieser Umstand spielt allerdings in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003) keine Rolle, ist aber für die Realisierung von Sprachmittlungsaufgaben unabdingbar, worauf später noch genauer eingegangen wird (vgl. Kapitel 11).


Sprachlernkompetenz Interkulturelle kommunikative Kompetenz Verstehen Handeln Wissen Einstellungen Bewusstheit Sprachbewusstheit
Funktionale kommunikative Kompetenz Hör-/Hörsehverstehen Leseverstehen Schreiben Sprechen Sprachmittlung Verfügen über sprachliche Mittel und kommunikative Strategien
Text- und Medienkompetenz mündlich schriftlich medial

Tabelle 2.3: Übersicht über die Kompetenzbereiche der Sekundarstufe II (vgl. KMK 2012: 12)

Die weiteren Ausführungen zur Sprachmittlung sind etwas ausführlicher, sowie in ein grundlegendes und ein erweitertes Niveau differenziert und enthalten detailliertere Angaben:

„Die Schülerinnen und Schüler können – auch unter Verwendung von Hilfsmitteln und Strategien – wesentliche Inhalte authentischer mündlicher oder schriftlicher Texte, auch zu weniger vertrauten Themen, in der jeweils anderen Sprache sowohl schriftlich als auch mündlich adressatengerecht und situationsangemessen für einen bestimmten Zweck wiedergeben.“ (KMK 2012: 18).

Auffallend ist einerseits, dass hier die beiden Formen der ‚Übersetzung‘ und des ‚Dolmetschens‘ keine Rolle spielen da, wie auch in den Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (2003), keine Nennung erfolgt. Andererseits sind die Angaben für die Lernenden deutlich konkreter und hilfreicher, da für die Erstellung des Zieltextes mehr Informationen gegeben werden. Auf dem grundlegenden Niveau sollten sie zum Ende der Schulzeit in der Lage sein – und dies sowohl schriftlich wie auch mündlich – Informationen anhand der Situation und der beteiligten Personen in der anderen Sprache als Zusammenfassung wiedergeben und anhand der interkulturellen Kompetenzen und etwaiger Strategien die Inhalte, je nach Adressat, filtern zu können und zu übertragen. Des Weiteren sollen sie in Sprachmittlungssituationen in der Lage sein, Nachfragen zu beantworten und dabei, falls notwendig, Hilfsmittel wie etwa Wörterbücher oder aber Strategien passend einsetzen zu können; dies umfasst ebenfalls Mimik und Gestik und ist immer an der jeweiligen Situation und den beteiligten Personen auszurichten. Für das erhöhte Niveau fordert der Bildungsplan darüber hinaus, dass die Schülerinnen und Schüler notwendige Erläuterungen zur Vermeidung von Missverständnissen antizipieren und einbringen und währenddessen auch kreativ mit den beiden Sprachen umgehen können (vgl. ebd.: 18).

Am Ende des Dokuments der Bildungsstandards werden ebenfalls Prüfungs- und Lernaufgabenbeispiele für die beiden Fremdsprachen zur Illustrierung aufgeführt, die unter anderem auch Angaben zu den Gewichtungen und den Bewertungen machen, so dass der Einsatz des Materials für die Lehrkräfte deutlich leichter gestaltet ist (vgl. ebd. u.a.: 32-53, 113-129).