Mündliche Sprachmittlung im Spanischunterricht

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Lerntheoretische Anbindung

Im folgenden Kapitel werden die Grundlagen für die Konzeption des Lehr-/Lernarrangements gelegt, indem auf die relevanten Begriffe der Kompetenz (vgl. Teilkapitel 3.1) einerseits und den theoretischen Auffassungen des Lehrens und Lernens andererseits eingegangen wird (vgl. Teilkapitel 3.3). Darunter fallen vor allem die verschiedenen Auffassungen bzw. Ausprägungen des Konstruktivismus, die in Teilen auch maßgeblich auf die Entwicklung der Fremdsprachendidaktik eingewirkt haben. Als Bindeglied kann das Konzept des ‚Intercultural Speaker von Byram (1997, 2009) angesehen werden, da er die Kompetenzen im Rahmen der ‚savoirs erläutert und somit einen Meilenstein in der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts gelegt hat (vgl. Teilkapitel 3.2).

Der Kompetenzbegriff

Der Begriff ‚Kompetenz‘ findet sich mittlerweile in vielen verschiedenen Kontexten wieder und spielt eine große Rolle. Nicht zuletzt durch den PISA-Schock rückte der Begriff immer weiter in den Mittelpunkt; dazu haben auch zahlreiche Publikationen verschiedenster Disziplinen beigetragen (vgl. Schott, Azizi Ghanbari 2012; Caspari, Grünewald, Hu, Küster, Nold, Vollmer & Zydatiß 2008; Erpenbeck, Rosenstiel 2007). Ein weiteres viel rezipiertes Beispiel aus der Bildungsforschung ist der mit den Vergleichstests einhergehende Wechsel von der Input- zur Output-Orientierung und der damit verbundenen Kompetenzorientierung, die sich auch in den bildungspolitischen Dokumenten niederschlägt und manifestiert hat und zu einer Verbesserung des schulischen Lernens führen soll (vgl. Caspari et al. 2008).

Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob der Begriff der ‚Kompetenz‘ in all diesen angesprochenen Bereichen einheitlich verstanden wird, oder ob sich doch nicht viel mehr unterschiedliche Ideen, Meinungen, Konzepte und Ausprägungen hinter diesem Begriff verbergen und dieser nur vermeintlich einheitlich gebraucht wird.

Eine mögliche Annäherung an den Begriff und das Verständnis von ‚Kompetenz‘, die noch ohne jegliche Wertung vollzogen werden kann, geschieht über den Duden, das deutsche Standardnachschlagewerk. Dort findet sich folgende Definition:

„Kompetenz, die:

Bedeutungsübersicht:

1. a. Sachverstand; Fähigkeiten

b. (besonders Rechtssprache) Zuständigkeit

2. (Sprachwissenschaft) Summe aller sprachlichen Fähigkeiten, die ein Muttersprachler besitzt“ (Duden 2017b).

Bereits hier wird deutlich, dass der Begriff unterschiedliche Akzentuierungen aufweist und je nach Bereich anders aufgefasst wird. Nach der für die Sprachwissenschaft aufgeführten Definition stellt sich daran anknüpfend die Frage, welche Aspekte sich hinter dem Begriff ‚Fähigkeit‘ verbergen. Zudem ist hier darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen um solche handelt, die so ausgebildet sein müssen, dass sie einem muttersprachlichen Standard gleichgesetzt werden können. Diese ‚Fähigkeiten‘ werden im Duden definiert als: „(Fachsprache) durch bestimmte Anlagen, Eigenschaften geschaffene Möglichkeit, gewisse Funktionen zu erfüllen, gewissen Anforderungen zu genügen, etwas zu leisten“ (Duden 2017a).

Diese, unter dem Begriff ‚Kompetenz‘ gefassten sprachlichen Fähigkeiten, können sich also in Form von erworbenen Möglichkeiten zeigen, mit denen spezifische Anforderungen erfüllt werden; sind aber nur dann als ausreichend anzusehen, wenn sie sehr weit entwickelt sind. Hier zeigt sich offensichtlich ein sehr leistungsorientiertes Denken, wobei sich die Frage stellt, inwieweit diese Fähigkeiten sichtbar bzw. beobachtbar sind; ein wichtiger Aspekt, auf den gleich erneut eingegangen wird. Dieser Eindruck der Leistungsorientierung bestätigt sich auch durch die vielen aufgeführten Synonyme zu Kompetenz. Dies sind Begriffe wie „Befähigung, Begabung, Beschlagenheit, Fähigkeit, Fertigkeit, Können, Qualifikation, Sachverstand, Sachverständnis, Talent; (gehoben) Vermögen“ (ebd.), die größtenteils in Verbindung mit dem institutionalisierten Lernen stehen und ebenfalls schwer zu greifen bzw. zu definieren sind.

Im Duden lassen sich neben Definitionen, Synonymen und Antonymen auch die Entstehung und Herkunft von Begriffen finden, im Falle von Kompetenz wird einerseits als Grundlage der lateinische Begriff ‚competentia für Zusammentreffen aufgeführt, andererseits wird auch auf den englischen Begriff ‚Competence verwiesen – mit Bezug auf den bekannten amerikanischen Sprachwissenschaftler Chomsky (1962).

Er gilt oftmals als Referenz für die Kommunikationswissenschaft und wird als Ansatzpunkt für die geschichtliche Entwicklung gewählt (vgl. Erpenbeck, Rosenstiel 2007; Klieme, Hartig 2007). In seiner Definition von ‚Kompetenz‘ betont er vor allem die Selbstorganisation von Individuen und wendet sich klar vom Behaviorismus ab; auch wenn man hier einräumen muss, dass diese Herangehensweise und Annäherung an den Kompetenzbegriff eindeutig auf einer rein technischen Begriffsebene vollzogen wird (vgl. Klieme, Hartig 2007: 15). Er betont dabei aber auch die Fähigkeit, aus einem gegebenen Inventar unendlich viele neue sprachliche Sätze zu bilden, so dass in diesem Punkt die konkrete Ausgestaltung bzw. Performanz relevant wird. Aus Sicht des Psychologen White (1959) werden Kompetenzen ebenfalls unter Betonung des Aspekts der Selbstorganisation verstanden, allerdings werden sie eher als Ergebnisse von Entwicklungen gesehen und stellen somit die Grundbedingung bzw. Voraussetzung für die Performanz dar (vgl. Erpenbeck, Rosenstiel 2007: XVIII).

Wie nun Kompetenzen beobachtet oder gar gemessen werden können, ist weder für Chomsky (1962) noch für White (1959) von großer Bedeutung, erste Ansätze finden sich hier bei McClelland (1973), der postuliert, dass sich nur in der Anwendung und des Gebrauchs von Kompetenz diese beschreiben lässt, wobei dies nur anhand von Beobachtungen der jeweils handelnden Person möglich ist. Da es sich immer um eine entsprechende Person handelt, deren Kompetenzen aufgrund von Performanz erschlossen werden sollen, ist es offensichtlich, dass dies individuell und subjektzentriert geschieht. Diese Performanzzuschreibungen basieren außerdem auf expliziten, kontextspezifischen theoretischen Grundannahmen, so dass Kompetenzen theorierelativ sind, das heißt, dass „nur innerhalb der spezifischen Konstruktion einer Theorie von Kompetenz eine definierte Bedeutung“ (ebd.: XX) entstehen kann (vgl. dazu auch Erpenbeck, Rosenstiel 2007: XIXf.).

Diese Kontextspezifität betonten auch Klieme und Leutner (2006) indem sie Kompetenzen definieren „als kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen.“ (ebd.: 879; Hervorhebungen im Original). Dieser Definition, inklusive der kontextuellen Gebundenheit, schließen sich auch Klieme und Hartwig (2007) an; gehen aber zudem noch auf motivationale und volitionale Aspekte ein, die für die Erfassung von Kompetenzen ebenfalls eine Rolle spielen und mitbedacht werden sollten. „Kompetenz bezieht sich sowohl auf Handlungsvollzüge als auch auf die ihnen zugrundeliegenden mentalen Prozesse und Kapazitäten, zu denen Kognition, Motivation und Volition bzw. Wissen und Können gehören.“ (ebd.: 13).

Die Ansicht, dass Kompetenzen in Form von Dispositionen vorhanden sind, findet sich auch in anderen Publikationen, wie zum Beispiel dem Positionspapier des Vorstandes der ‚Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung‘ (DGFF), die dieses Verständnis aber zusätzlich um den Begriff der Problemlösefähigkeit kontrastieren bzw. ergänzen, denn die bereits erworbenen Kompetenzen sollen auch zukünftig mehr oder weniger flexibel einsatzbereit sein, um auftretende Probleme, welcher Art und Natur sie auch immer sein mögen, lösen zu können (vgl. Caspari et al. 2008: 3).

Eine umfassende Definition, die neben den bereits angesprochenen Aspekten der Motivation und Volition auch den Aspekt des Erlernens von Fähigkeiten aufgreift, legt Weinert (2001) vor, die im Bereich der Bildungswissenschaften breit rezipiert und anerkannt ist. Kompetenzen sind demnach

„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (ebd.: 27f.).

Obwohl Schott und Azizi Ghanbari (2012: 26) sich bei dieser Definition die Frage stellen, was genau unter dem komplexen Begriff ‚kognitiv‘ zu verstehen ist, ist diese Begriffsbestimmung weit anerkannt und diente sogar als Grundlage für weiterführende Versuche. Einer dieser ist die breit anerkannte und ebenfalls vielfach rezipierte Definition im Rahmen der Expertise der Bildungsstandards (vgl. Klieme, Avenarius, Blum, Döbrich, Gruber, Prenzel, Reiss, Riquarts, Rost, Tenorth & Vollmer 2007). Der Fokus liegt hier vor allem auf den Bildungswissenschaften und den rahmengebenden, bildungspolitischen Dokumenten:

„Mit dem Begriff ‚Kompetenzen‘ ist ausgedrückt, dass die Bildungsstandards – anders als Lehrpläne und Rahmenrichtlinien – nicht auf Listen von Lehrstoffen und Lerninhalten zurückgreifen, um Bildungsziele zu konkretisieren. Es geht vielmehr darum, Grunddimensionen der Lernentwicklung in einem Gegenstandsbereich (einer ‚Domäne‘, wie Wissenspsychologen sagen, einem Lernbereich oder einem Fach) zu identifizieren. Kompetenzen spiegeln die grundlegenden Handlungsanforderungen, denen Schülerinnen und Schüler in der Domäne ausgesetzt sind.“ (ebd.: 21f.).

 

Eben diese grundlegenden Handlungsanforderungen, die die Kompetenz im Kern darstellen, sind für Lehrkräfte entscheidend, da sie unter anderem die Inhalte für den (Fremdsprachen-) Unterricht entscheidend mit prägen. Auch der GeR legt eine Definition von ‚Kompetenz‘ vor, stützt sich dabei aber nicht explizit erkennbar auf die vorangegangenen Definitionen von Weinert (2001) oder Klieme et al. (2007), wobei letztere allein schon aus zeitlichen Aspekten nicht von Relevanz ist. Kompetenzen im kommunikativen Zusammenhang sind folglich „die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen.“ (Europarat 2001: 21). Im weiteren Verlauf werden dann noch weitere Begriffe wie ‚Kontext‘, und ‚Domäne‘ spezifiziert, so dass die recht kurz gehaltene Definition um weitere Aspekte ergänzt bzw. erweitert wird. Durch die angesprochenen Bereiche des Wissens und der Fertigkeiten (‚savoir-faire‘) sowie der persönlichkeitsbezogenen Aspekte (‚savoir-être‘), die im Verlauf noch weiter ausdifferenziert werden, ist hier bereits auch der Rückgriff auf bzw. die Verbindung mit einem anderen theoretisches Konzept implizit angelegt; es handelt sich hierbei um das von Byram (1997) vorgelegte und vielfach rezipierte Konzept des ‚Intercultural Speaker unter Bezug auf die ‚Intercultural Communicative Competence (ICC), welches im folgenden Teilkapitel aufgegriffen und erläutert wird (vgl. Plikat 2017: 177).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein Individuum, das über unterschiedliche Kompetenzen verfügt, diese in einer bestimmten Situation angemessen effektiv bzw. produktiv anwenden kann, um das gegebene Problem zu lösen. Dieses Verhalten wiederum ist von außen von anderen Personen aufgrund der sichtbaren Performanz beobachtbar. Die aufgrund der Performanz attribuierten Kompetenzen sind somit subjektspezifisch, kontextgebunden, theorierelativ und mehrdimensional; sie umfassen viele verschiedene Aspekte wie Wissen, Können, Fertigkeiten, Fähigkeiten sowie zudem motivationale und volitionale Punkte.

Byrams Konzept des ‚Intercultural Speaker‘

„When two people talk to each other, they do not just speak to the other to exchange information, they also see the other as an individual and as someone who belongs to a specific social group, for example a ‘worker’ and an ‘employer’ or a ‘teacher’ and a ‘pupil’.” (Byram, Gribkova & Starkey 2002: 5; Hervorhebungen im Original).

Mit diesem Zitat erhält man bereits einen großen Einblick in die Argumentationslinie des von Byram (1997) vorgelegten Modells des ‚Intercultural Speaker‘, welches als eine Ausprägung des kommunikativen Ansatzes, der sich in etwa den 1990er Jahren in der Fremdsprachenforschung etabliert hat, angesehen werden kann. Darauf basierend ist unter anderem auch der GeR entstanden, auch wenn dort nicht explizit auf das von Byram (1997) entwickelte Modell verwiesen wird; so lassen sich doch Hinweise darauf finden, da beispielsweise einige Termini wie die ‚savoirs‘ übernommen worden sind (vgl. Europarat 2001; Plikat 2017: 177).

Das Konzept des ‚Intercultural Speaker‘ stellt einen Aspekt der ‚Intercultural Competence dar, die wiederum als eine Teilkompetenz in die Theorie der sogenannten ICC eingebettet ist. Dieses Modell ist, wie bereits erläutert, in den ‚Natural Approach integriert, und basiert laut Angaben Byrams (2009: 322) auf den Arbeiten von Hymes (1972) zur kommunikativen Kompetenz, der Theorie der sozialen Identität von Tajfel (1981), der interkulturellen Kommunikation von Gudykunst (1984) und Bourdieus (1990) Arbeiten zum sozialen und kulturellem Kapitalbegriff.

Grundsätzlich gibt er zu bedenken und versucht, die folgenden Aspekte in seinem Modell zu vereinen, dass für die interkulturelle Kommunikation zwischen Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, viele verschiedene Aspekte von Bedeutung sind. Wie im obigen Zitat bereits angedeutet, ist einer dieser Punkte die Tatsache, dass das Gegenüber, also der/die Gesprächspartner/in, als ein Individuum wahrgenommen wird, welches viele verschiedene Identitäten, basierend auf der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen sozialen Gefügen, aufweist (vgl. hier und im Folgenden Byram 1997, 2009; Byram et al. 2002). Dies hat zur Folge, dass den Schülerinnen und Schülern im Sinne der kommunikativen Kompetenz, dieser Umstand bewusst gemacht werden muss, so dass nicht nur grammatikalisches Wissen von Bedeutung ist, sondern sie auch lernen müssen, in welcher Art und Weise sie angemessen mit ihrem Gegenüber kommunizieren. Eine dieser unterschiedlichen Identitäten sind beispielsweise die sogenannten ‚National Identities (Byram et al. 2002: 5), das heißt, dass eine Person in ihrer Muttersprache kommuniziert und die andere Person in einer für sie erlernten Fremdsprache, die dann in dieser Konstellation als lingua franca fungiert. Dieser Umstand führt dazu, dass die beiden Interlokutoren genauestens antizipieren müssen, welche Konsequenzen sich aus dieser Situation ergeben, um entsprechen zu reagieren und unter anderem der Entstehung kulturell bedingter Stereotypen vorbeugen zu können (vgl. ebd.). Einen weiteren wichtigen Aspekt stellen Mimik und Gestik, also generell die nonverbale Kommunikation, dar, die oftmals von Lehrkräften des Fremdspracheunterrichts unterschätzt und dementsprechend kaum in die Überlegungen bzw. Unterrichtsplanungen mit einbezogen werden (vgl. Byram 2009: 322).

Des Weiteren sprechen sich Byram et al. (2002) strickt gegen die Auffassung bzw. der impliziten bis dato gültigen Forderung, dass Fremdsprachenlernende in allen Belangen den Stand eines ‚Native Speaker erreichen sollen und dadurch „becoming like a person from another country.“ (ebd.: 5, Byram 1997: 70). Diese Forderung der Imitierung eines muttersprachlichen Könnens ist vor allem vor dem Hintergrund bedeutungslos, dass sich Kulturen, Sprachen etc. permanent und mit großer Geschwindigkeit verändern und diese Veränderung in keiner angemessen Weise – auch aufgrund der aktuellen Schnelllebigkeit – bei der Festlegung der zu erlernenden Inhalte des Fremdsprachenunterrichts Berücksichtigung finden können. Basierend auf dieser deutlichen Formulierung fordern Byram et al. (2002) deshalb nicht die Ausbildung einer perfektionistischen ‚Intercultural Competence‘ – die davon abgesehen nie weder vollständig noch abgeschlossen sein kann – sondern „to develop learners as intercultural speakers or mediators who are able to engage with complexity and multiple identities and to avoid stereotyping which accompanies perceiving someone through a single identity.“ (ebd.: 5; Hervorhebungen im Original).

Es geht also darum, die Lernenden im Fremdsprachenunterricht zu einem ‚Intercultural Speaker auszubilden, so dass sie verschiedene Kompetenzen erwerben, die es ihnen ermöglichen, in interkulturell kommunikativen Situationen angemessen (re-)agieren zu können. Diese umfassen neben der bedeutenden ‚Intercultural Competence‘ noch die ‚Linguistic Competence‘, die ‚Sociolinguistic Competence und die ‚Discourse Competence‘, die in ihrem Zusammenspiel die ICC ergeben (vgl. Abbildung 3.1; Byram 1997: 48).

Unter ersterer, der ‚Linguistic Competence‘, versteht Byram (ebd.) die Fähigkeit der Lernenden, die über ein bestimmtes Wissen der Standardsprache verfügen, diese auf andere Kontexte, beispielsweise auf gesprochene oder geschriebene Sprache, zu übertragen, zu verstehen und auch anwenden zu können. Die zweite Teilkompetenz, die ‚Sociolinguistic Competence‘, beschreibt die Fähigkeit, in einer Kommunikationssituation der Sprache des Gegenübers, unabhängig davon ob diese/r Muttersprachler/in ist oder nicht, Bedeutung beizumessen, die entweder als gültig angesehen wird oder aber (explizit) ausgehandelt worden ist. Als letztes ist die ‚Discourse Competence zu nennen, die die Fähigkeit beschreibt, Strategien zu kennen, zu entdecken und anzuwenden, um Monologe oder auch Dialoge zu interpretieren und die Umstände für deren Entstehung nachvollziehen zu können. Bei diesen Texten muss allerdings beachtet werden, dass sie gewissen Kulturkonventionen unterliegen oder sogar „are negotiated as intercultural texts for particular purposes.“ (Byram 1997: 48).

Zudem betont Byram (2009) die Tatsache, dass er das vorgelegte Modell auch für analytische Tätigkeiten geeignet hält, „to determine the presence or absence of subcompetences, and thence to predict the success or failure of individuals in intercultural interaction.“ (ebd.: 326, Byram 1997). Die Begründung, Lernende zu interkulturell erfolgreich agierenden Subjekten auszubilden, besteht darin, dass die Schülerinnen und Schüler als potentielle, zukünftige Migrant/innen angesehen werden. Um in einem anderen Land Fuß fassen zu können, unabhängig ob privat oder beruflich, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Personen entsprechend darauf vorbereitet werden, um die damit einhergehenden interkulturellen Situationen bewältigen zu können (vgl. Plikat 2017: 178).


Abbildung 3.1: Modell der ICC (Byram 2009: 323)

Die einzelnen Elemente der ICC umfassen auf einer allgemeinen eher unspezifischen Ebene: ‚Skills bzw. Fähigkeiten, ‚Attitudes‘ bzw. Haltungen/Einstellungen und ‚Knowledge bzw. Wissen (vgl. Byram 1997: 34; Byram et al. 2002: 7ff.). Diese einzelnen Komponenten werden von Byram (1997) noch weiter ausdifferenziert bzw. spezifiziert (vgl. Tabelle 3.1) und um den Aspekt der Werte, die einen Teil der sozialen Identität ausmachen, ergänzt; diese sind höchst individuell und ergeben sich aufgrund der Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Gruppen (vgl. Byram et al. 2002: 7ff.).

Die fünf Schwerpunkte der ‚Intercultural Competence‘, die sich allgemein in Wissen, Haltungen/Einstellungen und Fähigkeiten differenzieren lassen, nehmen jeweils unterschiedliche Aspekte in den Blick und vermitteln dadurch ein deutlicheres Bild im Hinblick auf die inhaltlichen Schwerpunkte des ‚Intercultural Speaker‘.


Skills interpret and relate (‚savoir comprendre’)
Knowledge of self and other; of interaction: individual and societal (‚savoirs’) Education political education critical cultural awareness (‚savoir s’engager’) Attitudes relativising self valuing other (‚savoir être’)
Skills discover and/or interact (‚savoir apprendre/faire’)

Tabelle 3.1: Einzelne Elemente der ‚Intercultural Competence‘ (Byram 1997: 34)

Es gilt zu beachten, dass die visuelle Darstellung bewusst gewählt worden ist, da ‚Education und die darunter fallende ‚Critical Cultural Awareness den Mittelpunkt bilden und somit verdeutlicht wird, dass „savoir s’engager in the center symbolizes its significance as the element, which ensures that language teaching has an educational function.“ (Byram 2009: 325; Hervorhebungen im Original). Außerdem soll verdeutlicht werden, dass zwischen den einzelnen Schwerpunkten keine hierarchischen oder Abhängigkeitsverhältnisse herrschen; es dient lediglich der Aufzählung der einzelnen Elemente: ‚savoirs‘, ‚savoir comprendre‘, ‚savoir s’engager‘, ‚savoir apprendre/faire‘ und ‚savoir être‘, die nachfolgend erläutert werden (vgl. dazu im Folgenden Byram 2009: 322ff.; Byram et al. 2002: 7ff.; Plikat 2017: 180ff.).

 ‚Savoirs‘ bzw. ‚Knowledge‘:

Dieser Aspekt umfasst Wissensbereiche über soziale Gruppen, deren Produkte und Praktiken, sowohl im eigenen Herkunftsland wie auch im Land des Gesprächspartners bzw. der Gesprächspartnerin. Dazu zählt auch das Wissen über die allgemeinen Prozesse der sozialen und individuellen Interaktionen. Plikat (2017) führt an, dass durch die Erläuterungen deutlich erkennbare Überschneidungen mit den Inhalten des Landeskundeunterrichts vorhanden sind, welches in den bildungspolitischen Dokumenten unter dem Aspekt des ‚soziokulturellen Orientierungswissens‘ Eingang in die Beschreibung der Interkulturellen Kompetenz gefunden hat.

 

Dieses Wissen umfasst nicht nur zwangsläufig das Wissen über diverse Kulturen, deren historische Geschichte oder Traditionen, vielmehr geht es darum, Wissen darüber zu erlangen, wie Kulturen, Gesellschaften oder soziale Gruppen interagieren, funktionieren und ihre Identität definieren. Außerdem wird auch der Aspekt der Kommunikation angesprochen, so dass diese Kenntnis auch dafür eingesetzt werden soll, sich über die Zugehörigkeit zu einer oder mehrerer Kulturen der anderen Person klar zu werden und so kulturell bedingte Aspekte zu antizipieren.

 ‚Savoir comprendre’ bzw. ‘Skills of Comparison, Interpreting and Relating’:

Die Lernenden sollen in der Lage sein, Bezüge zwischen verschiedenen Dokumenten und Ereignissen der fremden und der eigenen Kultur herstellen zu können sowie die Geprägtheit von Deutungen zu erkennen. Diese stellen einerseits die Quelle für Missverständnisse dar und sollen als solche identifiziert werden, um anderseits vermittelnd einzugreifen und Konflikte zu lösen bzw. in ihrer Entstehung unterbinden zu können; darüber hinaus sollen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, beispielsweise durch Vergleiche, unüberbrückbare Differenzen zu erkennen und ggf. zu überwinden.

 ‚Savoir apprendre/faire’ bzw. ‚Skills of Discovery and Interaction’:

Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit, sich neues Wissen über eine fremde, bis dahin unbekannte Kultur zu beschaffen und in den bestehenden Wissensstand zu integrieren. Es ist ebenfalls eine Handlungsfähigkeit, das heißt, dass eine Person in interkulturellen Begegnungssituationen und unter Zeitdruck in der Lage ist, die verschiedenen Elemente der ‚Intercultural Competence‘ (‚Skills‘, ‚Attitudes‘ und ‚Knowledge‘) anwenden zu können. Beispielsweise ist dies erforderlich, wenn zwischen zwei Interlokutoren der eigenen und fremden Kultur vermittelt werden muss oder um eine andere Person bezüglich ihrer Meinungen oder Einstellungen, die oftmals tiefgründig und schwer zu erklären sind, angemessen befragen zu können.

 ‚Savoir être’ bzw. ‚Intercultural Attitudes’:

Dieser Aspekt umfasst Neugierde und Offenheit sowie die Disposition, sich auf andere Kulturen und die damit einhergehenden andersartigen Sichtweisen, Traditionen, Werte und Meinungen etc. einzulassen. Es geht auch um die Bereitschaft, fälschliche Vorstellungen über die fremde Kultur zu erkennen und zu revidieren und sich der Tatsache bewusst zu werden, dass die eigenen Annahmen zwangsläufig nicht immer richtig sind. Hinsichtlich kommunikativer Situationen umschließt dies auch die Aspekte der nonverbalen Kommunikationen, also etwa der Mimik und der Gestik.

 ‚Savoir s’engager’ bzw. ‚Critical Cultural Awareness’:

Der letzte Aspekt der ‚Intercultural Competence‘ beinhaltet die Heranführung der Lernenden an eine Fähigkeit der Evaluation; diese soll einerseits kritisch sein und andererseits auf bestimmten Kriterien, Perspektiven etc. beruhen, so dass die eigene und die fremde Kultur angemessen reflektiert werden können. Unabhängig davon, wie offen man gegenüber Neuem oder Fremden eingestellt ist, sind die eigenen Überzeugungen sehr tiefliegend und führen ungewollt immer zu bestimmten Aktionen und möglicherweise sogar auch zu Ablehnung. Deshalb müssen sich die Schülerinnen und Schüler als angehende ‚Intercultural Speaker‘ dieser Tatsache bewusstwerden; nur so ist eine angemessen kritische Haltung möglich, die auch das Erkennen und Einbeziehen von explizit oder implizit vorhandenen Werten und Normen miteinschließt.

Die Ausbildung bzw. Förderung dieser fünf beschriebenen Kompetenzschwerpunkte ist eine der zentralen Aufgaben von Bildungseinrichtungen bzw. Schulen, genauer gesagt von Fremdsprachenlehrkräften; erfolgen kann dies sowohl an schulischen als auch an außerschulischen Lernorten. Dieses Lernen sollte nach der Schule fortgesetzt werden – im Sinne des lebenslangen Lernens: „Die Grundlagen müssen jedoch bereits in der Schule in Form von generalisierbaren Kompetenzen systematisch angelegt werden.“ (Plikat 2017: 182). Bezugnehmend auf den bereits erwähnten Aspekt, dass Lehrkräfte nicht die Wertvorstellungen der Schülerinnen und Schüler ändern sollen, führen Byram et al. (2002) hier eine weitere wichtige Aufgabe der Fremdsprachenlehrkräfte an; sie sollen grundsätzlich die Lernenden dazu anleiten, die Menschenrechte und die Gleichheit von Menschen anzuerkennen, die die Basis für demokratisches Handeln bilden. Dafür müssen neben Haltungen, Fähigkeiten und Wertvorstellungen auch kultur- bzw. länderspezifisches Wissen vermittelt werden.

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