Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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2.4 UmwG

27

Die SE-VO trifft für nationale Umwandlungsvorgänge unter Beteiligung einer SE keine eigenständigen Regelungen und entfaltet diesbezüglich auch keine Sperrwirkung.[12] Für den Fall der Verschmelzung einer SE mit einer nationalen AG oder die Verschmelzung von zwei nationalen SE[13] ergibt sich aus Art. 52 Abs. 2 S. 2 SE-VO i.V.m. §§ 65 Abs. 1, 13 Abs. 1 UmwG eine weitere Zuständigkeit der Hauptversammlung. Für die Rückumwandlung einer SE in eine AG gilt Art. 66 SE-VO.

6 › II › 3. SEAG

3. SEAG

28

Das SEAG enthält nur wenige Regelungen zur Zuständigkeit der Hauptversammlung, die sich sämtlich auf das monistische System beziehen:

29

Zum einen wird der Hauptversammlung das Recht zugestanden, von ihr entsprechend der SE-VO gewählte Mitglieder des Verwaltungsrats vor Ablauf ihrer Amtszeit wieder abzuberufen. Auch ein Mitglied des Verwaltungsrats, das auf Grund satzungsmäßiger Bestimmungen in den Verwaltungsrat entsandt wurde, kann die Hauptversammlung bei Wegfall der in der Satzung festgelegten Voraussetzungen des Entsendungsrechts abberufen (§ 29 Abs. 1 und 2 SEAG).

30

Des Weiteren hat die Hauptversammlung gem. § 48 SEAG die Aufgabe, den vom Verwaltungsrat gebilligten und damit festgestellten Jahresabschluss und den Lagebericht entgegenzunehmen sowie einen Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns zu fassen.

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Grundsätzlich stellt der Verwaltungsrat den Jahresabschluss fest. § 47 Abs. 4 und 5 SEAG erlauben es dem Verwaltungsrat, diese Zuständigkeit auf die Hauptversammlung zu übertragen. Hat der Verwaltungsrat per Beschluss die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung überlassen oder hat er den Jahresabschluss nicht gebilligt, ist es Aufgabe der Hauptversammlung, den Jahresabschluss festzustellen. § 47 Abs. 5 SEAG überträgt auch die Zuständigkeit der Billigung eines Konzernabschlusses auf die Hauptversammlung, wenn der Verwaltungsrat des Mutterunternehmens den Konzernabschluss nicht gebilligt hat.

6 › II › 4. Satzung

4. Satzung

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Art. 52 S. 2 2. Alt. SE-VO schafft generell die Möglichkeit, der Hauptversammlung der SE Entscheidungsbefugnisse auch durch Bestimmungen in einer mit dem deutschen Aktienrecht in Einklang stehenden Satzung zu übertragen. Aus der Formulierung des § 119 Abs. 1 AktG ergibt sich ebenfalls, dass der Hauptversammlung Befugnisse durch Bestimmungen in der Satzung übertragen werden können. Allerdings regelt bereits das Gesetz die Zuständigkeit der Hauptversammlung und auch die Zuständigkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat ausführlich.[14] Aufgrund dessen und der in § 23 Abs. 5 AktG normierten zwingenden Kompetenzordnung sind daher die Fälle, in denen die Hauptversammlung sich kraft der ihr zustehenden Satzungshoheit quasi selbst für zuständig erklären kann, von der Anzahl her begrenzt.[15] In der Praxis wird hauptsächlich im Zusammenhang mit der Bildung von gesetzlich nicht vorgesehenen Gremien wie Beiräten oder Ausschüssen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Hauptversammlung in Zusammenhang damit stehende Kontroll- oder Entscheidungsfunktionen zu übertragen.[16]

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Ausdrücklich vom Gesetz erlaubt ist es, der Hauptversammlung durch eine entsprechende Regelung in der Satzung die Zustimmung zur Übertragung von Aktien zu überlassen (§ 68 Abs. 2 S. 3 AktG zur sog. „Vinkulierung“ von Namensaktien).

6 › II › 5. Ungeschriebene Zuständigkeiten

5. Ungeschriebene Zuständigkeiten[17]

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Die offene Gestaltung in Art. 52 SE-VO bietet Raum für gemeinschaftsrechtlich begründete ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, auch wenn sich anders als im nationalen Recht bisher keine überzeugende und allgemein akzeptierte Kasuistik herausgebildet hat.[18] Die Anerkennung von ungeschriebenen Zuständigkeiten aufgrund nationalen Rechts auf die SE ist umstritten, sollte aber beachtet werden.[19] Der Wortlaut des § 119 Abs. 1 AktG legt den Schluss nahe, dass es neben den im Gesetz oder in der Satzung geregelten Fällen grundsätzlich keine Hauptversammlungszuständigkeit gibt, es sei denn, der Vorstand riefe gem. § 119 Abs. 2 AktG von sich aus die Hauptversammlung an.[20] Das würde bedeuten, dass selbst substanzielle Eingriffe in die Unternehmensstruktur (z.B. die Veräußerung erheblicher Vermögenswerte der Gesellschaft unterhalb der quantitativen Grenze des § 179a AktG oder der Erwerb großer Beteiligungen) der Gesellschaft selbst oder ihrer Tochtergesellschaften ausschließlich der Entscheidungsbefugnis des Leitungsorgans unterliegen würden. Dieses Ergebnis erscheint umso unbefriedigender, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Sachverhalte nicht weniger bedeutungsvoll sind als viele, die der Hauptversammlung per Gesetz zur Entscheidung übertragen worden sind.[21]

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Dieses Kompetenzdefizit der Hauptversammlung ist alsbald nach Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 in der Literatur erkannt worden.[22] Im Jahre 1982 hat erstmals auch der BGH im sog. „Holzmüller-Urteil“ festgestellt,[23] dass es über die gesetzlichen Regelungen hinaus eine erweiterte Zuständigkeit der Hauptversammlung für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen gibt; so für den Fall, dass durch die Maßnahme tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingegriffen wird. Des Weiteren muss es sie auch geben für grundlegende, die Rechtsstellung der Aktionäre der Obergesellschaft bedeutsame Entscheidungen in der Tochtergesellschaft. In solchen Fällen – so der BGH in der Holzmüller-Entscheidung – werde aus dem Recht des Vorstands, eine Entscheidung der Hauptversammlung einzuholen (vgl. § 119 Abs. 2 AktG), eine Verpflichtung.[24]

36

In seinen beiden Urteilen aus dem Jahre 2004 (Gelatine),[25] die sich mit der Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands der AG beschäftigen, hat der BGH klargestellt, dass eine Einschaltung der Hauptversammlung nur ausnahmsweise geboten ist. Danach kommt eine Mitwirkung der Hauptversammlung bei solchen Maßnahmen in Betracht, welche „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“ Der BGH hat deutlich gemacht, dass er diese Voraussetzung nicht nur für den Fall der Ausgliederung von wichtigen Betriebsteilen auf eine Tochtergesellschaft (wie etwa im Holzmüller-Fall) als gegeben ansieht, sondern auch bei einer sonstigen Umstrukturierung des Anteilsbesitzes (etwa bei Einbringung einer Tochtergesellschaft in eine andere Tochtergesellschaft).

37

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es eine über die Zuweisungen in Gesetz und Satzung hinausgehende Zuständigkeit der Hauptversammlung geben muss und auch gibt. Die Leitungsorgane der Unternehmen haben dementsprechend gehandelt und in einigen Fällen die Umsetzung geplanter Maßnahmen, die per Gesetz oder Satzung eigentlich nicht der Zustimmung der Hauptversammlung bedurften, in der Praxis doch davon abhängig gemacht.[26]

38

Die beiden erwähnten Urteile des BGH haben in zwei Fragen Rechtssicherheit geschaffen: Zum einen ist die Mitwirkung der Hauptversammlung an Umstrukturierungen regelmäßig erst dann geboten, wenn der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung im Holzmüller-Fall (dort waren es 80 % des Gesellschaftsvermögens) erreicht. Zum anderen bedarf die Zustimmung der Hauptversammlung einer Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals, ohne dass diese Schwelle durch die Satzung herabgesetzt werden kann.[27]

39

Es bleiben allerdings auch noch Fragen in diesem Zusammenhang offen:

40

Die Herleitung der ungeschriebenen Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung ist einer dieser offenen Punkte. Es gibt verschiedene Ansatzmöglichkeiten für die Begründung der Hauptversammlungszuständigkeit: In der Holzmüller-Entscheidung hat der BGH sich noch an § 119 Abs. 2 AktG mit der Folge einer Ermessensreduzierung beim Vorstand auf Null aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre angelehnt. Jetzt spricht er von einer offenen Rechtsfortbildung in Anbetracht der Tatsache, dass die zu beurteilende Maßnahme zwar noch keine Satzungsänderung sei, ihr aber in der Wirkung sehr nahe komme. Die h.M. im Schrifttum[28] gibt der Hauptversammlung eine originäre Zuständigkeit und leitet diese aus einer Analogie zu den im Aktiengesetz oder im Umwandlungsgesetz definierten Strukturmaßnahmen her.

 

41

Der BGH hat auch in den beiden zuvor zitierten Urteilen nicht abschließend darüber befunden, bei welchen konkreten Geschäftsführungsmaßnahmen der Vorstand intern gehalten ist, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. Neue Rechtsunsicherheit resultiert insbesondere aus der Formulierung des BGH, dass die Geschäftsführungsmaßnahme ihrer Wirkung nach einer Satzungsänderung nahe kommen muss.

42

Offen ist auch weiterhin, welche Bemessungsgrundlage für eine Einschaltung der Hauptversammlung entscheidend ist – das Vermögen, der Umsatz oder der Ertrag der Gesellschaft. Das OLG Frankfurt ist dem im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die Entlastung des Vorstands in seiner Entscheidung[29] entgegen getreten. Mit seinem Leitsatz führt das OLG Frankfurt aus, dass der Erwerb einer Beteiligung unabhängig von der hierbei geschaffenen Anteilsquote bei der Aktiengesellschaft in die Reihe vorstandsautonomer Geschäftsführungsangelegenheiten gehöre, wenn die satzungsmäßige Zulassung genereller Art vorliege. Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nach der sog. „Holzmüller-“ bzw. „Gelatine-Rechtsprechung“ des BGH komme dann nicht in Betracht. Eine hauptversammlungspflichtige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstandes liege also dann nicht vor, wenn in der Satzung der Gesellschaft der Unternehmensgegenstand auch den Erwerb von Unternehmen nennt (Konzernöffnungsklausel). Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH[30] zurückgewiesen, jedoch wurde damit die Auffassung des OLG Frankfurt auch nicht im Ergebnis bestätigt. In seiner Urteilsbegründung führt der BGH u.a. aus, die Anfechtungsklage sei unbegründet gewesen, da in der unterlassenen Beteiligung der Hauptversammlung jedenfalls kein eindeutiger Gesetzesverstoß durch Vorstand und Aufsichtsrats vorliege. Da umstritten sei, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungserwerb zu einer ungeschriebenen, auf einer richterlichen Rechtsfortbildung beruhenden Hauptversammlungszuständigkeit führt, hätten sich Vorstand und Aufsichtsrat nicht über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweggesetzt. Will ein Aktionär geltend machen, der Vorstand habe zu einer Maßnahme die notwendige Zustimmung der Hauptversammlung nicht eingeholt, sei er nicht auf die mittelbare Prüfung durch eine Anfechtungsklage gegen den Entlastungsbeschluss angewiesen.

43

In der Praxis sollte daher mit der ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung wie folgt umgegangen werden:

44

Zunächst ist eine konkret anstehende Entscheidung des Leitungsorgans, die über die gesetzlich vorgesehenen Fälle der Zustimmungspflicht hinausgeht, dahin zu überprüfen, ob sie mit den bereits höchstrichterlich entschiedenen Fällen zur Hauptversammlungskompetenz vergleichbar ist. Wenn ja, ist die Vorlage an die Hauptversammlung dringend zu empfehlen, um die größtmögliche Sicherheit zu erhalten, dass die zu treffende Entscheidung auch Bestand haben wird.

45

Was die Mehrheitsverhältnisse bei der Entscheidung durch die Hauptversammlung angeht, ist mit der Rechtsprechung des BGH davon auszugehen, dass eine Mehrheit von drei Viertel des vertretenen Grundkapitals erforderlich ist.

Anmerkungen

[1]

Siehe auch Knapp DStR 2012, 2392.

[2]

MünchKomm AktG/Kubis Art. 53 SE-VO Rn. 22.

[3]

So im Ergebnis auch Habersack ZGR 2003, 724, 741; a.A. Brandt S. 129 ff. und MünchKomm AktG/Kubis Art. 53 SE-VO Rn. 22, die die Übertragbarkeit der „Holzmüller“- Doktrin auf die SE verneinen.

[4]

Dies gilt nicht, soweit Aufsichtsratsmitglieder gem. § 101 AktG in den AR zu entsenden sind. Bei der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der AN ist die Hauptversammlung gem. § 36 Abs. 4 S. 2 SEBG an die Wahlvorschläge gebunden.

[5]

Gem. § 84 Abs. 3 S. 2 AktG kann die Hauptversammlung einem Vorstandsmitglied lediglich das Vertrauen entziehen und damit dem AR die Möglichkeit geben, die Bestellung aus wichtigem Grund zu widerrufen.

[6]

A.A. Brandt S. 149 f., der die SE-VO insoweit für abschließend hält.

[7]

S. Art. 63 SE-VO.

[8]

Hüffer § 77 Rn. 5.

[9]

A.A. Brandt S. 150, der die Anwendbarkeit von § 111 Abs. 4 S. 3–5 AktG verneint, da die Vorschriften durch Art. 48 SE-VO überlagert würden. Siehe auch MünchKomm AktG/Kubis Art. 52 SE-VO Rn. 20 (Anwendbarkeit verneinend für Konfliktkompetenz § 111 Abs. 4 S. 3 AktG, im Ergebnis bejahend für § 119 Abs. 2 AktG).

[10]

Hüffer § 119 Rn. 13.

[11]

Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff/Hefermehl § 119 Rn. 23.

[12]

Habersack/Drinhausen/Bücker Art. 52 SE-VO Rn. 41; ausführlich hierzu 10. Kap. Rn. 19.

[13]

Zur Zulässigkeit von Verschmelzungen dieser Art vgl. 10. Kap. Rn. 19.

[14]

S. Rn. 23 ff.

[15]

Hüffer § 119 Rn. 10.

[16]

MünchKomm AktG/Kubis § 119 Rn. 17.

[17]

Vgl. Rn. 20.

[18]

Vgl. Habersack/Drinhausen/Bücker Art. 52 SE-VO Rn. 15.

[19]

Vgl. Habersack/Drinhausen/Bücker Art. 52 SE-VO Rn. 42.

[20]

Vgl. Rn. 25.

[21]

Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 34 Rn. 34.

[22]

Kropff FS Geßler, S. 111 ff.; Lutter FS H. Westermann, S. 364 ff.; Ulmer AG 1975, 15, 16.

[23]

BGH AG 1982, 158; NJW 1982, 1703.

[24]

BGH AG 1982, 158; NJW 1982, 1703.

[25]

BGH WM 2004, 1085 ff.; WM 2004, 1090 ff.

[26]

Münch. Hdb. GesR IV/Semler § 34 Rn. 39 m. w. N.

[27]

Vgl. BGH WM 2004, 1085, 1089.

[28]

Rehbinder ZGR 1983, 92, 98; Hübner FS Stimpel, S. 795 f.

[29]

OLG Frankfurt NZG 2011, 62.

[30]

BGH NZG 2012, 347.

6 › III. Einberufung

III. Einberufung

6 › III › 1. Einberufungsgründe

1. Einberufungsgründe

46

Gem. Art. 55 Abs. 1 SE-VO muss die Hauptversammlung einberufen werden, sofern dies von Aktionären beantragt wird, deren Anteil am gezeichneten Kapital mindestens 10 % beträgt. Die Satzung oder einzelstaatliche Rechtsvorschriften können jedoch unter denselben Voraussetzungen, wie sie für eine AG gelten, einen niedrigeren Prozentsatz vorsehen. Hierzu bestimmt § 50 Abs. 1 SEAG, dass die Einberufung der Hauptversammlung und die Aufstellung ihrer Tagesordnung von einem oder mehreren Aktionären beantragt werden kann, sofern sein oder ihr Anteil am Grundkapital mindestens 5 % beträgt.[1] Wird dem Einberufungsantrag der Aktionäre nicht entsprochen, können diese nach Art. 55 Abs. 3 SE-VO ein staatliches Einberufungsverfahren in die Wege leiten. Zuständig ist das für den Satzungssitz der SE zuständige Registergericht,[2]das über die Regelung des § 122 Abs. 3 AktG hinaus nicht nur die antragstellenden Aktionäre zur Einberufung ermächtigen, sondern alternativ die Einberufung auch anordnen kann. Es ist in diesem Fall aber nicht berechtigt, unmittelbar die Einberufung vorzunehmen, sondern spricht gegenüber dem geschäftsführenden Organ, also dem Vorstand, eine entsprechende Verpflichtung aus.[3]

47

Ansonsten kann gem. Art. 54 Abs. 2 SE-VO die Hauptversammlung jederzeit vom Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgan, von jedem anderen Organ oder jeder zuständigen Behörde nach den für eine AG im Sitzstaat der SE maßgeblichen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften einberufen werden.[4] Die Einberufungsgründe richten sich also nach nationalem Recht.

48

Für die Hauptversammlung der monistischen SE war der deutsche Gesetzgeber mangels entsprechender Bestimmungen im Aktiengesetz aufgerufen, Regelungen zur Einberufung zu treffen. Dies wurde im SEAG umgesetzt. Gem. § 48 Abs. 1 S. 1 SEAG muss der Verwaltungsrat, sobald er seinen Bericht an die Hauptversammlung den geschäftsführenden Direktoren zugeleitet hat, die Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses und des Lageberichts sowie zur Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns einberufen.

49

Im Übrigen ist nach nationalem Recht zwischen gesetzlichen und statuarischen Einberufungsgründen sowie der Einberufung zum Wohl der Gesellschaft zu unterscheiden.[5]

50

Die wichtigsten gesetzlichen Fälle sind:


Einberufung der (ordentlichen) Hauptversammlung gem. § 175 Abs. 1 S. 1 AktG nach Eingang des Berichts des Aufsichtsrats;
Einberufung bei Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals gem. § 92 Abs. 1 AktG;
Beschluss der Hauptversammlung über den in der Versammlung gestellten Antrag zur Einberufung einer weiteren Hauptversammlung gem. § 124 Abs. 4 S. 2 AktG;
auf Verlangen von Aufsichtsbehörden in der Versicherungswirtschaft (§ 83 Abs. 1 Nr. 6 VAG).

51

Die Satzung kann innerhalb des engen Spielraums, der ihr durch § 23 Abs. 5 S. 1 AktG zugebilligt wird (Grundsatz der „Satzungsstrenge“), die Einberufungsgründe erweitern.[6] Beispiele für zulässige erweiterte Einberufungspflichten sind die Zustimmung der Hauptversammlung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien, die Bestellung der Mitglieder von Beiräten oder anderen zusätzlichen Gremien, die Reduzierung des Quorums für die Einberufung der Hauptversammlung auf Antrag einer Aktionärsminderheit und Einberufungspflichten nach den Grundsätzen der „Holzmüller“-Entscheidung bei Maßnahmen von grundlegender Bedeutung.[7]

 

52

Außerdem sehen §§ 121 Abs. 1, 111 Abs. 3 AktG die Einberufung der Hauptversammlung vor, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Hier ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob die Hauptversammlung einberufen werden muss. Die Beurteilung obliegt dem Einberufungsorgan im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens.[8] Beispiele sind der Vertrauensentzug für ein Vorstandsmitglied von Seiten der Hauptversammlung (vgl. § 84 Abs. 3 AktG) und die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds, das die Gesellschaft schädigt (vgl. § 103 Abs. 1 AktG).

6 › III › 2. Einberufungszuständigkeit

2. Einberufungszuständigkeit

53

Die Frage der Einberufungszuständigkeit regelt Art. 54 Abs. 2 SE-VO; die dort Genannten sind unabhängig vom nationalen Aktienrecht zur Einberufung einer Hauptversammlung berechtigt.[9] Die Pflicht zur Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung ergibt sich über Art. 53 SE-VO aus § 175 Abs. 1 S. 1 AktG, § 48 Abs. 1 SEAG.

54

Im monistischen System ist gem. § 48 Abs. 1 S. 1 SEAG der Verwaltungsrat dafür zuständig, die (ordentliche) Hauptversammlung zur Entgegennahme des festgestellten Jahresabschlusses und des Lageberichts sowie zur Beschlussfassung zur Verwendung des Bilanzgewinns einzuberufen. Auch wenn dies nicht ausdrücklich geregelt wurde, ist für die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung ebenfalls der Verwaltungsrat zuständig.

55

Sowohl für das monistische als auch für das dualistische System gilt außerdem § 50 Abs. 1 SEAG, wonach die Einberufung der Hauptversammlung von einem oder mehreren Aktionären beantragt werden kann, sofern sein oder ihr Anteil am Grundkapital mindestens 5 % beträgt.[10]

56

Die Einberufung der Hauptversammlung im dualistischen System obliegt gem. § 121 Abs. 2 S. 1 AktG in erster Linie dem Vorstand, da es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt.[11] Für den Einberufungsbeschluss genügt die einfache Mehrheit des Vorstands. Die konkrete Umsetzung des Vorstandsbeschlusses, also die Durchführung der Einberufung, kann ohne weiteres einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern übertragen werden.

57

Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft verlangt (§ 111 Abs. 3 S. 1 AktG). Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Aufsichtsrat Maßnahmen gegen Vorstandsmitglieder ergreifen will, insbesondere einen Vertrauensentzug gem. § 84 Abs. 3 S. 2 AktG oder die Erhebung von Ersatzansprüchen beschließen lassen möchte.[12]

58

Auch Aufsichtsbehörden können die Einberufung der Hauptversammlung durch den Vorstand verlangen.[13] Ein eigenständiges Einberufungsrecht, wie es z.B. früher das VAG in § 83 Abs. 3 S. 2 kannte, gibt es heute für keine der Aufsichtsbehörden mehr.[14]

59

Im Falle der Einberufung auf Verlangen von Minderheitsaktionären ist ebenfalls der Vorstand zuständig. Wird dem Verlangen nicht entsprochen, können die Aktionäre selbst die Einberufung der Hauptversammlung betreiben, indem sie sich hierzu gerichtlich ermächtigen lassen (§ 122 Abs. 3 S. 1 AktG).

6 › III › 3. Durchführung der Einberufung