Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea

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2.5 Geschäftsführung

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Art. 39 Abs. 1 SE-VO sieht vor, dass das Leitungsorgan die Geschäfte der SE in eigener Verantwortung führt. Weitere Regelungen finden sich in der SE-VO nicht. Das SEAG hat keine eigenen Regelungen getroffen, sodass § 77 AktG für die Geschäftsführung der SE über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO gilt.

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Die Geschäftsführungsbefugnis liegt gem. § 77 Abs. 1 AktG beim Vorstand. § 77 Abs. 1 AktG definiert den Begriff der Geschäftsführung nicht, sondern setzt ihn voraus. Unter Geschäftsführung ist jede vom Vorstand für die Gesellschaft durchgeführte Tätigkeit zu verstehen, seien es nun tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Handlungen.[84] Sie umfasst jede Einzelmaßnahme, die der Vorstand intern oder gegenüber Dritten trifft.[85] Die Geschäftsführung durch den Vorstand erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt fasst der Vorstand den Beschluss, im zweiten Schritt werden dann die Beschlüsse ausgeführt.

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§ 77 Abs. 1 S. 1 AktG geht davon aus, dass grundsätzlich eine gemeinschaftliche Geschäftsführung durch den Vorstand zu erfolgen hat. Die Gesamtgeschäftsführung bedeutet, dass beim mehrköpfigen Vorstand der Beschluss grundsätzlich einstimmig zu erfolgen hat. Die SE-VO weicht von diesen Regelungen des deutschen Aktienrechts ab.[86] Nach Art. 50 Abs. 1 und Abs. 2 SE-VO gilt grundsätzlich das Mehrheitsprinzip, wobei bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt. Jedoch kann durch Satzung von der Regelung des Art. 50 SE-VO abgewichen werden.

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Üblicherweise wird die Geschäftsverteilung in einer Geschäftsordnung des Vorstands geregelt. Die Geschäftsordnung gibt sich der Vorstand im Rahmen seiner Leitungsverantwortung selbst. § 77 Abs. 2 S. 1 AktG räumt allerdings die Möglichkeit ein, in der Satzung dem Aufsichtsrat die Kompetenz für den Erlass der Geschäftsordnung für den Vorstand einzuräumen. Von dieser Ermächtigung wird in der Regel in der Satzung Gebrauch gemacht. Die Geschäftsordnung für den Vorstand ist schriftlich niederzulegen. Wenn der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung erlässt, ergibt sich dies bereits aus der Protokollierungspflicht in § 107 Abs. 2 S. 1 AktG.[87]

2.6 Vertretung

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Während die Geschäftsführung bestimmt, was der Vorstand im Innenverhältnis darf, regelt die Vertretung, was der Vorstand im Außenverhältnis kann. Die Vertretung, die gem. § 78 Abs. 1 AktG ebenfalls dem Vorstand zugewiesen wird, regelt somit die organschaftliche Zurechnung des Vorstandshandelns für die SE. Die organschaftliche Vertretungsmacht beruht dabei unmittelbar auf der Bestellung.[88]

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Die organschaftliche Vertretungsmacht des Vorstands betrifft sowohl die außergerichtliche als auch die gerichtliche Vertretung und ist gem. § 82 Abs. 1 AktG nicht beschränkbar. In einigen gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen sind andere Organe anstelle des Vorstands oder gemeinsam mit dem Vorstand vertretungsbefugt. Namentlich sind dies die Fälle des Abschlusses von Rechtsgeschäften gegenüber dem Vorstand. Hier ist gem. § 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig. Bei Anfechtungsklagen wird die Gesellschaft gem. § 256 Abs. 2 S. 1 AktG vom Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam vertreten. Unter bestimmten Voraussetzungen können Aktionäre auch einen besonderen Vertreter bestellen, der gem. § 147 Abs. 2 AktG Ersatzansprüche gegen Organe oder Dritte geltend machen kann.[89]

81

Verfügt die Gesellschaft über einen mehrköpfigen Vorstand, gilt gem. § 78 Abs. 2 S. 1 AktG der Grundsatz der Gesamtvertretung. Danach sind alle Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur aktiven Vertretung, d.h. zur Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft befugt. Für die Entgegennahme von Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft (passive Vertretung) sieht § 78 Abs. 2 S. 2 AktG vor, dass die Abgabe der Willenserklärung gegenüber nur einem Vorstandsmitglied ausreicht. Durch das MoMiG ist in § 78 Abs. 2 S. 1 AktG eine neue Regelung hinsichtlich der Passivvertretung der AG hinzugekommen. Für den Fall, dass die Gesellschaft keinen Vorstand hat (Führungslosigkeit, vgl. § 78 Abs. 1 S. 2 AktG) und ihr gegenüber Willenserklärungen und Schriftstücke zugestellt werden, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat passiv vertreten.[90]

82

Bei Überschreiten der Vertretungsmacht gelten die §§ 177 ff. BGB. Das Handeln eines Vorstandsmitglieds, das entgegen der Gesamtvertretungsbefugnis für die Gesellschaft handelt, kann von den übrigen Vorstandsmitgliedern genehmigt werden.[91] Die zur Gesamtvertretung berechtigten Vorstandsmitglieder können gem. § 78 Abs. 4 AktG einzelne Vorstandsmitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften bevollmächtigen.

83

Die Gesamtvertretungsberechtigung in § 78 Abs. 2 AktG ist dispositiv. Einzelnen Vorständen kann Einzelvertretungsbefugnis in der Satzung oder nach entsprechender Satzungsermächtigung durch den Aufsichtsrat übertragen werden. Auch die Vertretung gemeinsam mit einem Prokuristen (unechte Gesamtvertretung) ist möglich. Nicht ausdrücklich erwähnt in § 78 Abs. 3 AktG, aber möglich, ist die gemeinschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch zwei oder mehrere Vorstandsmitglieder.[92] Nicht zulässig ist eine unechte Gesamtvertretung, wenn sie dazu führt, dass die Gesellschaft nicht allein von einem oder mehreren Vorständen vertreten werden kann. Dies wäre z.B. der Fall, wenn die Gesellschaft nur einen Vorstand hat und dieser nur gemeinsam mit einem Prokuristen handeln können soll. Eine solche Einschränkung wäre mit § 82 Abs. 1 AktG und dem Grundsatz der organschaftlichen Vertretung nicht zu vereinbaren.[93]

5 › II › 3. Das Aufsichtsorgan

3. Das Aufsichtsorgan

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Art. 40 Abs. 1 SE-VO bestimmt, dass das Aufsichtsorgan die Führung der Geschäfte durch das Leitungsorgan überwacht und dabei nicht berechtigt ist, die Geschäfte der SE selbst zu führen. Diese Regelung entspricht § 111 Abs. 1 und 4 S. 1 AktG. Weitergehende Regelungen finden sich in der SE-VO nicht, sodass über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO das deutsche AktG weitgehend Anwendung findet. Der deutsche Gesetzgeber hat in dem Bestreben einen möglichst weitgehenden Gleichlauf mit dem nationalen Aktienrecht zu schaffen, nur sehr wenige Regelungen zum Aufsichtsorgan im dualistischen System in das SEAG aufgenommen. Diese Regelungen entsprechen weitgehend dem deutschen Aktienrecht.[94]

3.1 Zahl und Zusammensetzung

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Um den weitestgehenden Gleichlauf zwischen der SE-VO und dem nationalen Aktienrecht zu gewährleisten, entspricht § 17 SEAG auf der Grundlage des Art. 40 Abs. 3 SE-VO den Regelungen in § 95 AktG.[95] Nach § 17 Abs. 1 SEAG besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern, sofern die Satzung nicht eine höhere Zahl festlegt. Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt bei Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu 1,5 Mio. EUR neun, bei einem Grundkapital von mehr als 1,5 Mio. EUR bis 10 Mio. EUR fünfzehn. Die Höchstzahl beträgt 21 Mitglieder. Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder muss gem. § 17 Abs. 1 S. 2 SEAG durch 3 teilbar sein. Die Vereinbarkeit von § 17 Abs. 1 S. 2 SEAG mit Art. 40 Abs. 3 S. 2 SEVO ist umstritten.[96] Ob das sog. Dreiteilungsgebot uneingeschränkt gilt, ist umstritten. Bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats sind die Beteiligungsrechte nach dem SEBG gem. § 17 Abs. 2 SEAG zu wahren,[97] was zu einer teleologischen Reduktion des Dreiteilungsgebots führen können soll, weshalb auch das LG Nürnberg-Fürth eine in der Beteiligungsvereinbarung geregelte Aufsichtsratsgröße von zehn für zulässig hält.[98] Die Aufassung des LG Nürnberg-Fürth ist abzulehnen, da sie gegen die Satzungsautonomie verstößt und in die Organisationskompetenz der Hauptversammlung eingreift.[99] Bestehen Zweifel an der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, sind über Art. 9 I c ii SE-VO die Vorschriften über das Statusverfahren gem. §§ 97 f. AktG auf die SE mit Sitz im Inland anzuwenden. Im Statusverfahren wird rechtsverbindlich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats i.S.d. § 96 AktG festgestellt. Ist der Vorstand der Auffassung, dass der Aufsichtsrat nicht nach den maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und bei der SE zusätzlich nicht entsprechend dem Verhandlungsergebnis (arg.e. § 25 Abs. 1 S. 1 SEAG) zusammengesetzt ist, gibt er gem. § 97 Abs. 1 AktG das seiner Meinung nach anwendbare neue Mitbestimmungsmodell im Bundesanzeiger bekannt. Erfolgt innerhalb eines Monats hiergegen nicht die Anrufung des zuständigen Gerichts, wird nach § 97 Abs. 2 AktG die Zusammensetzung des Aufsichtsrats entsprechend geändert und die Satzung angepasst.[100] Ist die Anwendbarkeit gesetzlicher Vorschriften streitig oder ungewiss, kann daneben einer der in § 98 AktG genannten Beteiligten nach dieser Vorschrift eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen.[101] Im Interesse der Rechtssicherheit ermöglicht ausschließlich das normierte Statusverfahren eine Änderung des Mitbestimmungsstatus. Bis zur Änderung der Zusammensetzung wird der agierende Aufsichtsrat geschützt und die Wirksamkeit seiner Beschlüsse bleibt unberührt.[102]

 

86

Die Satzung kann innerhalb dieser gesetzlichen Vorgaben die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder frei bestimmen. Variable Angaben sind unzulässig.[103]

87

Bei einem Verstoß gegen diese gesetzlichen Regelungen in der Satzung ist die betreffende Satzungsbestimmung gem. § 134 BGB nichtig.[104] Ein Hauptversammlungsbeschluss, in dem weniger als in der Satzung vorgegebene Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden, ist nicht nichtig, sondern anfechtbar. Wählt die Hauptversammlung in § 17 Abs. 1 SEAG, § 95 AktG mehr als die gesetzlich vorgegebene Höchstzahl, so ist die Wahl nichtig.[105]

88

Mitglied des Aufsichtsorgans kann gem. § 100 Abs. 1 AktG nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Sie darf nicht bereits 10 Aufsichtsratsmandate innehaben, wobei aufgrund des Konzernprivilegs des § 100 Abs. 2 AktG bis zu fünf Aufsichtsratssitze bei Tochtergesellschaften nicht mitzählen. Doppelt zu zählen sind gem. § 100 Abs. 2 AktG Aufsichtsratsvorsitze. Gesetzliche Vertreter eines Tochterunternehmens (§ 100 Abs. 2 Ziff. 2 AktG) dürfen ebenso wenig als Aufsichtsorgan gewählt werden, wie gesetzliche Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört (§ 100 Abs. 2 Ziff. 3 AktG, Verbot der Überkreuzverflechtung).

3.2 Bestellung

89

Die Bestellung eines Aufsichtsorgans erfolgt durch Wahl, Entsendung oder gerichtliche Bestellung. Art. 40 Abs. 2 S. 1 SE-VO sieht lediglich vor, dass die Mitglieder des Aufsichtsorgans von der Hauptversammlung bestellt werden. Das SEAG enthält zur Bestellung des Aufsichtsorgans keinerlei Vorschriften, sodass über Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO § 101 AktG Anwendung findet.

3.2.1 Wahl

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Regelmäßig erfolgt die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder durch Wahl der Hauptversammlung (§ 101 Abs. 1 AktG). Für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder besteht Wahlfreiheit. Die Hauptversammlung kann die Aufsichtsratsmitglieder frei und unabhängig von Wahlvorschlägen unter Beachtung der Arbeitnehmermitbestimmung wählen.[106] Eine Einschränkung der Wahlfreiheit ist auch durch die Satzung nicht zulässig. Für die Beschlussfassung gelten die allgemeinen Vorschriften, d.h. der Beschluss kann, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden (§ 133 Abs. 1 AktG).[107]

91

Das Gesetz enthält keine Vorschriften für das anzuwendende Wahlverfahren.[108] Das Wahlverfahren und die Abstimmungsreihenfolge legt der Leiter der Hauptversammlung fest. Er ist dabei an Satzungsbestimmungen und Hauptversammlungsbeschlüsse gebunden.[109] Zur Wirksamkeit der Bestellung muss der Gewählte die Wahl gegenüber dem Hauptversammlungsleiter in der Hauptversammlung oder danach durch Erklärung gegenüber dem Vorstand annehmen. Die Annahme kann auch konkludent durch Aufnahme der Aufsichtsratstätigkeit erfolgen, oder durch die vor der Wahl gegenüber dem Vorstand erklärte Bereitschaft, das Aufsichtsratsmandat zu übernehmen.[110]

3.2.2 Entsendung

92

Außer durch Wahl kann die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied auch gem. § 101 Abs. 2 AktG durch Entsendung erfolgen. Das Entsendungsrecht als Sonderrecht i.S.d. § 35 BGB muss in der Satzung eingeräumt werden. Das Entsendungsrecht kann entweder durch namentliche Nennung des Aktionärs (§ 101 Abs. 2 S. 1, 1. Fall AktG) oder durch nähere Bestimmungen der Aktien, die das Entsendungsrecht vermitteln (§ 101 Abs. 2 S. 1, 2. Fall AktG) bestimmt werden. Bei einer namentlichen Nennung des Aktionärs ist das Entsendungsrecht nicht übertragbar. Die Knüpfung des Entsendungsrechts an bestimmte Aktien setzt voraus, dass es sich um vinkulierte Namensaktien handelt (§§ 101 Abs. 2 S. 2, 68 Abs. 1 und 2 AktG). Die Satzung kann gem. § 101 Abs. 2 S. 4 AktG ein Entsendungsrecht für höchstens ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder einräumen. Entgegenstehende Satzungsbestimmungen sind nichtig. Das Entsendungsrecht wird ausgeübt durch Benennung der Personen, die entsandt werden sollen. Die Erklärung ist an den Vorstand der Gesellschaft zu richten.[111] Ebenso wie bei der Wahl muss das entsandte Aufsichtsratsmitglied die Bestellung annehmen.[112]

93

Das Entsendungsrecht des benannten Aktionärs erlischt, wenn der Entsendungsberechtigte nicht mehr Aktionär der Gesellschaft ist. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 101 Abs. 2 S. 1 AktG, der auf die Aktionärsstellung abstellt.[113] Das an die Aktien geknüpfte Entsendungsrecht erlischt, wenn die vinkulierten Namensaktien in Inhaberaktien umgewandelt werden oder die Vinkulierung entfällt. Hauptversammlungsbeschlüsse hierzu können allerdings nur mit Zustimmung des Entsendungsberechtigten gefasst werden, da es sich bei dem Entsendungsrecht um ein Sonderrecht gem. § 35 BGB handelt.[114]

94

Als höchstpersönliches Recht ist das Entsendungsrecht unvererblich, sofern die Satzung keine Vererblichkeit vorsieht.[115]

3.2.3 Gerichtliche Bestellung

95

Wenn dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder angehören, als nach dem Gesetz oder der Satzung für seine Beschlussfähigkeit erforderlich ist, kann das Handelsregistergericht (§ 145 FGG) auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs gem. § 104 Abs. 1 AktG ein Aufsichtsratsmitglied bestimmen, um die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats herbeizuführen. Die gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieder verlieren ihre Ämter automatisch, sobald der Mangel behoben ist (§ 104 Abs. 5 AktG). Die gerichtliche Bestellung endet somit kraft Gesetzes, sobald der Aufsichtsrat beschlussfähig oder die Unterbesetzung entfallen ist.[116] Auch bei einer gerichtlichen Bestellung muss der Bestellte gegenüber dem Gericht seine Bestellung annehmen.[117]

3.2.4 Amtszeit

96

Die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder beginnt nicht zwingend mit dem Bestellungsakt. Die Bestellung kann auch aufschiebend befristet auf einen späteren Termin erfolgen.[118]

97

Die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder kann in der Satzung durch Hauptversammlungsbeschluss frei bestimmt werden. Die SE-VO schreibt lediglich eine Höchstdauer vor. Nach Art. 46 Abs. 1 SE-VO können Aufsichtsratsmitglieder wie Vorstände[119] höchstens für sechs Jahre bestellt werden. Es ist zulässig, wenn die Satzung bloß eine Höchstdauer, die sechs Jahre nicht überschreitet, festlegt und die Hauptversammlung die konkrete Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds bestimmt.[120]

98

Fraglich ist, ob die Regelungen der AG für den ersten Aufsichtsrat auf die SE anwendbar sind. Für den ersten Aufsichtsrat bei der AG endet die Amtszeit gem. § 30 Abs. 1 S. 1 AktG spätestens mit Beendigung der Hauptversammlung, die gem. § 120 AktG über die Entlastung für das erste Rumpf- oder Vollgeschäftsjahr beschließt. Für eine Anwendung auf die SE könnte der Wille des Gesetzgebers nach einem möglichst weitgehenden Gleichlauf zwischen nationalem Aktienrecht und dem Recht der SE sprechen.[121] Art. 46 Abs. 1 SE-VO enthält aber keine Regelung für den ersten Aufsichtsrat, sondern bestimmt für alle Organe sowohl im monistischen als auch im dualistischen System eine einheitliche Höchstamtszeit von sechs Jahren. Die SE-VO sieht somit keine an die Beschlussfassung der Hauptversammlung anknüpfende Amtszeit vor, sodass auch der erste Aufsichtsrat für sechs Jahre bestellt werden kann.[122]

3.3 Beendigung des Mandats

3.3.1 Wegfall der persönlichen Voraussetzungen

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Außer durch Zeitablauf endet das Aufsichtsratsmandat, wenn nachträglich die persönlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats wegfallen, das Aufsichtsratsmitglied z.B. Organ einer Tochtergesellschaft wird (§ 100 Abs. 2 Ziff. 2 AktG), eine Überkreuzverflechtung eintritt (§ 100 Abs. 2 Ziff. 3 AktG) oder das Aufsichtsratsmitglied zum Vorstand bestellt wird (§ 105 AktG). Bei Arbeitnehmervertretern endet das Aufsichtsratsmandat bei Ausscheiden aus dem Unternehmen (§ 24 Abs. 1 MitbestG).

3.3.2 Niederlegung

100

Obwohl eine gesetzliche Regelung nicht vorhanden ist, ist anerkannt, dass das Aufsichtsratsmitglied sein Amt niederlegen kann, weil kein Aufsichtsratsmitglied gegen seinen Willen zur Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezwungen werden kann. Nach zutreffender h.M. kann der Aufsichtsrat auch ohne wichtigen Grund sein Mandat niederlegen und zwar unabhängig davon, ob er für seine Aufsichtsratstätigkeit eine Vergütung erhält. Dies gilt auch für ein entsandtes Aufsichtsratsmitglied. Lediglich eine Niederlegung zur Unzeit ist unzulässig.[123] Eine Niederlegung zur Unzeit ist aber wirksam. Die Niederlegung kann allenfalls zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen das Aufsichtsratsmitglied führen.[124]

101

Die Niederlegungserklärung bedarf, soweit die Satzung nicht die Schriftform vorschreibt, keiner Form. Richtiger Adressat der Niederlegungserklärung ist unstreitig der Vorstand. Nach umstrittener Ansicht ist auch der Aufsichtsratsvorsitzende empfangszuständig.[125]

102

Ist die Annahme der Aufsichtsratswahl gegenüber der Hauptversammlung erklärt worden, so ist auch diese für die Niederlegungserklärung empfangszuständig. Dies gilt selbst dann, wenn nicht alle Organe der Gesellschaft bei der Hauptversammlung anwesend sind.[126]

3.3.3 Abberufung

103

Von der Hauptversammlung gewählte Mitglieder können von ihr mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen gem. § 103 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG abgewählt werden. Die Satzung kann eine größere oder kleinere Mehrheit bestimmen. Die Beschlussvoraussetzungen müssen jedoch für alle Aufsichtsratsmitglieder einheitlich sein. Eine unterschiedliche Behandlung der Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich der Mehrheitserfordernisse oder der sonstigen Erfordernisse der Abberufung verstößt gegen das Prinzip gleichwertiger Amtsstellung und ist unzulässig.[127] Auch eine Differenzierung des Mehrheitserfordernisses danach, ob die Abberufung mit oder ohne wichtigen Grund erfolgt, ist aus Gründen der Rechtssicherheit unzulässig, da über die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, in der Regel Streit bestehen wird und eine dem § 84 Abs. 3 S. 4 AktG entsprechende Vorschrift für den Aufsichtsrat fehlt.[128]

104

Die Abberufung muss wie die Bestellung als korporationsrechtliches Rechtsgeschäft gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied erklärt werden. Wenn das betroffene Aufsichtsratsmitglied in der Hauptversammlung anwesend ist, geht die Erklärung mit dem Wortlaut des Beschlussergebnisses zu. Gegenüber abwesenden Aufsichtsratsmitgliedern wird die Abberufung durch Mitteilung der Abberufung durch den Vorstand (§ 78 AktG) wirksam. Teilweise wird vertreten, dass es egal sei, durch wen und auf welchem Weg die Abberufung dem Aufsichtsratsmitglied erklärt wird.[129] Um die für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen erforderliche Rechtssicherheit herzustellen, sollte aber eine Erklärung des Vorstands als organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft verlangt werden.[130]

105

Entsandte Aufsichtsratsmitglieder können gem. § 103 Abs. 2 S. 1 AktG von den entsendungsberechtigten Aktionären jederzeit abberufen werden. Wenn das Entsendungsrecht entfallen ist, kann die Hauptversammlung die entsandten Aufsichtsratsmitglieder mit einfacher Mehrheit abberufen (§ 103 Abs. 2 S. 2 AktG). Auch wenn ein wichtiger Grund für die Abberufung entsandter Aufsichtsratsmitglieder besteht, hat die Hauptversammlung keine Abberufungskompetenz. Die Abberufung hat gem. § 103 Abs. 3 S. 3 AktG durch das Gericht auf Antrag eines Minderheitsquorums der Aktionäre zu erfolgen. Die Abberufung durch den Entsender erfolgt in derselben Form wie die Entsendung. Der Entsender erklärt gegenüber dem Vorstand sein Abberufungsverlangen.[131]

 

106

Wenn ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds vorliegt, kann das Gericht gem. § 103 Abs. 3 AktG das Aufsichtsratsmitglied abberufen, wobei es unerheblich ist, ob es sich um ein entsandtes, ein gewähltes oder vom Gericht bestelltes Aufsichtsratsmitglied handelt. Die ganz herrschende Meinung beurteilt das Vorliegen eines wichtigen Grundes wie bei der Abberufung der Vorstandsmitglieder entsprechend § 84 Abs. 3 S. 2 AktG danach, ob die Fortsetzung des Amtsverhältnisses bis zum Ablauf der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist.[132] Antragsberechtigt ist gem. § 103 Abs. 3 S. 1 AktG der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat beschließt mit einfacher Mehrheit über die Antragstellung (§ 103 Abs. 3 S. 1 und 2 AktG).[133]