ÖkoDharma

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Reicht das? Nicht ganz. Die Liste der vom Menschen verursachten Probleme ist lang; einige weitere werden im Folgenden kurz angeführt:

Lester Browns Forschungen über das Grundwasser zeigen, dass der Süßwasserschwund ein weltweites Problem mit gravierenden Folgen vor allem für Asien sowie Nord- und Südamerika ist. Laut der FAO ist die weltweite Pro-Kopf-Verfügbarkeit von Süßwasser weniger als halb so groß wie Anfang der 1960er Jahre. Sinkende Grundwasserspiegel und das Überpumpen von Grundwasserleitern drohen der Landwirtschaft in Trockengebieten wie dem Nahen Osten und dem Südwesten der USA ein Ende zu setzen.

Im letzten Jahrhundert wurden viele Tausend neue Chemikalien entwickelt und in Umlauf gebracht, aber nur sehr wenige davon wurden bezüglich ihrer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt bewertet. Eine der diesbezüglich erforschten Kategorien sind dauerhafte organische Schadstoffe (persistent organic pollutants = POPs). Diese werden nicht natürlich abgebaut, sondern reichern sich oft biologisch an – mit toxischer Wirkung. Einige davon sind als endokrine Disruptoren bezeichnete hormonaktive Substanzen, die Entwicklungsstörungen verursachen; andere sind bekannte Karzinogene – Krebserreger – oder Verursacher anderer chronischer Krankheiten. Beinahe jede und jeder von uns trägt zumindest Spuren von POPs im eigenen Körper. Bisher konzentrierten sich die Bemühungen zur Lösung dieses Problems darauf, die Produktion und Verwendung neuer POPs einzustellen, da niemand weiß, wie die bereits in der Umwelt vorhandenen POPs entfernt werden können. Neuere Forschungen, die in der Zeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurden, haben »außergewöhnliche« Mengen an POPs selbst in jenen Organismen gefunden, die an den tiefsten Stellen der Ozeane leben, dem Marianen- und dem Kermadecgraben.

Bei der katastrophalen Atomexplosion von Tschernobyl in der damaligen Sowjetunion wurden 1986 enorme Mengen an Radioaktivität in die Atmosphäre freigesetzt. Einige von uns erinnern sich noch an die teilweise Kernschmelze von 1979 auf Three Mile Island in Pennsylvania – aber es gab auch schwere Unfälle in Kyshtym in der Sowjetunion 1957, in Windscale in Großbritannien 1957, in Chalk River in Kanada 1952 und in Tokaimura, Japan, 1999. Im März 2011 löste ein Erdbeben der Stärke 9 vor der Küste Japans einen Tsunami aus, der die Kernschmelze von drei Atomreaktoren in der Nähe der Küstenstadt Fukushima verursachte. Einige Jahre und viele Milliarden Dollar später ist die Situation immer noch außer Kontrolle. Die beschädigten Reaktoren erzeugen weiterhin hohe Mengen an radioaktivem Abfall (hauptsächlich kontaminiertes Wasser), und Bemühungen um eine Lösung des Problems haben noch kaum begonnen. Bis Ende 2017 konnte der Betreiber der Anlage, Tepco, noch immer nicht den genauen Ort und Zustand des geschmolzenen Brennstoffs bestimmen. Tepco erwartete, dass die Aufräumarbeiten dreißig bis vierzig Jahre dauern würden, aber Shaun Burnie, ein in Japan stationierter Atomkraftexperte von Greenpeace, sagte, dass ein solcher Stilllegungsplan »nie realistisch oder glaubwürdig« sein könne, weil die Herausforderung »beispiellos und fast unfassbar« wäre.

Zusätzlich zu solchen nuklearen Katastrophen – weitere sind mehr als wahrscheinlich – produzieren die weltweit über vierhundert aktiven Kernkraftwerke jährlich fast 13.000 Tonnen hochgefährlichen Abfall (von Joanna Macy als »vergiftetes Feuer« bezeichnet). In den Vereinigten Staaten gibt es mindestens 108 als verseucht und unbrauchbar ausgewiesene radioaktive Standorte, von denen einige Tausende Hektar umfassen. Manche der radioaktiven Materialien an diesen Standorten haben eine sehr lange Lebensdauer: Plutonium-239 hat eine Halbwertzeit von 24.000 Jahren. Und niemand weiß bis heute, wie man diesen Abfall für solche extrem langen Zeiträume sicher lagern kann.

Und dann ist da noch die Überbevölkerung – ein Thema, über das Politiker*innen nie gerne sprechen, denn es gibt keine Stimmen zu gewinnen, wenn man den Leuten sagt, dass sie weniger Kinder haben sollten. 2020 betrug die Weltbevölkerung schätzungsweise 7,8 Milliarden Menschen, also weit mehr als dreimal so viel wie am Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Das Global Footprint Network hat berechnet, dass die Erde nur etwa zwei Milliarden Menschen nachhaltig mit einem durchschnittlichen europäischen Lebensstandard versorgen könnte – und noch deutlich weniger mit einem US-amerikanischen. Das zeigt: Ökologische Belastungen lassen sich nicht von Fragen der sozialen Gerechtigkeit trennen.

Mit einer einzigen mir bekannten Ausnahme (mehr dazu weiter unten) sind alle großen Religionen der Welt pronatalistisch: Sie ermutigen die Menschen, sich zu vermehren. Das war verständlich, solange unsere Gattung insgesamt wesentlich weniger Einfluss hatte. Die Weltbevölkerung zur Zeit des Buddha betrug wahrscheinlich etwa 100 Millionen Menschen, ungefähr 1,3 Prozent der heutigen Bevölkerung, die weiterhin exponentiell wächst. Es ist schwer vorstellbar, wie ökologische Nachhaltigkeit ohne eine massive Reduzierung unserer Anzahl – beabsichtigt oder nicht – erreicht werden könnte. Es ist fast ebenso schwer vorstellbar, wie diese Reduzierung auf demokratische und gerechte Weise erreicht werden kann.

Die einzige Ausnahme zum Pronatalismus der Religionen ist der Buddhismus. Soweit ich weiß, ermutigen traditionelle buddhistische Lehren die Familien nicht dazu, viele Kinder zu bekommen. In einigen buddhistischen Gesellschaften hat die Betonung eines zölibatären Klosterlebens das Bevölkerungswachstum eher begrenzt.

Die vielleicht beste Zusammenfassung unserer Situation liefert James Gustav Speth auf den ersten Seiten seines Buches The Bridge at the Edge of the World: Capitalism, the Environment, and Crossing from Crisis to Sustainability:

Die Hälfte der tropischen und gemäßigten Wälder der Welt ist nun verschwunden. Die Abholzungsrate in den Tropen setzt sich seit Jahrzehnten mit etwa einem Hektar pro Sekunde fort. Die Hälfte der Feuchtgebiete auf dem Planeten sind verloren. Schätzungsweise 90 Prozent der großen Raubfische sind gestorben, und 75 Prozent der Meeresfischgründe sind heute überfischt oder werden bis zur maximalen Kapazität abgefischt. Fast die Hälfte der Korallen sind verschwunden oder ernsthaft bedroht. Die Arten verschwinden etwa tausendmal schneller als gewöhnlich. Der Planet hat seit dem Verschwinden der Dinosaurier vor fünfundsechzig Millionen Jahren kein derartiges Massenartensterben erlebt. Die Wüstenbildung beansprucht jedes Jahr weltweit eine Produktionskapazitätsfläche von der Größe Nebraskas. In praktisch jedem von uns können heutzutage langlebige giftige Chemikalien gefunden werden.

[Die Vereinigten Staaten] verlieren jeden Tag 6.000 Morgen an Freifläche und jedes Jahr 100.000 Morgen an Feuchtgebieten. Etwa ein Drittel der amerikanischen Pflanzen- und Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Die Hälfte der Seen und ein Drittel der Flüsse in den Vereinigten Staaten erfüllen noch immer nicht die Standards, die bis 1983 gesetzlich hätten erfüllt werden müssen. Und wir haben wenig getan, um unsere verschwenderischen Energiegewohnheiten oder unser enormes Bevölkerungswachstum einzudämmen. … Alles was wir tun müssen, um das Klima und die Flora und Fauna des Planeten zu zerstören und unseren Kindern und Enkeln eine ruinierte Welt zu hinterlassen, ist, weiterhin genauso wie heute zu handeln, auch ohne Bevölkerungsoder Wirtschaftswachstum. Wenn wir weiterhin Treibhausgase im derzeitigen Ausmaß erzeugen, wenn wir weiterhin Ökosysteme im derzeitigen Tempo verarmen lassen und giftige Chemikalien freisetzen, dann wird die Welt in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts nicht mehr lebensfähig sein. Doch die menschlichen Aktivitäten bleiben nicht auf dem gegenwärtigen Niveau – im Gegenteil, sie beschleunigen sich auf dramatische Weise.

Speths Buch erschien bereits 2008. Das bedeutet, dass sich die darin betonten Probleme seitdem beschleunigt haben. Unsere ökologische Situation verschlechtert sich also weiterhin auf dramatische Weise.

Es gibt noch eine weitere Dimension der Umweltkrise, die betont werden muss: die »Schnittmenge« von ökologischen Herausforderungen und Fragen der sozialen Gerechtigkeit, insbesondere Rassismus, ethnische Zugehörigkeit, Neokolonialismus, Geschlecht und Klasse. Die ökologischen Probleme und die ungerechten und hierarchischen Strukturen der meisten menschlichen Gesellschaften sind keine separaten Themen. Es ist kein Zufall, dass zum Beispiel Schwarze und andere benachteiligte Menschen in den Vereinigten Staaten viel eher in der Nähe von Mülldeponien und anderen verschmutzten Standorten leben. Die Lebensweise der 500 Millionen reichsten Menschen der Welt ist für fast die Hälfte aller globalen Kohlenstoffemissionen verantwortlich, und ein Teil dieses Reichtums wird natürlich dafür ausgegeben, sich von den Folgen der Klimakrise zu isolieren, unter denen die weniger glücklichen Menschen bereits leiden.

»Katastrophen sind ebenso undemokratisch wie der Untergang der Titanic«, hat Henry I. Miller, ein Mitglied des Hoover-Instituts an der Universität Stanford, gesagt. »Bei den Passagieren der unteren Decks war der Anteil an Verschwundenen wesentlich höher. Das gleiche Phänomen werden wir in Bezug auf die Erderwärmung sehen.« Justin Lin, ein führender Wirtschaftswissenschaftler der Weltbank, schätzt, dass 75 bis 80 Prozent der durch die Erderwärmung verursachten Schäden von den Entwicklungsländern getragen werden,

»Die Ungerechtigkeit der gesamten Situation ist enorm, wenn man betrachtet, wer dafür verantwortlich ist und wer darunter leidet«, so Rajendra Pachauri, ehemaliger Vorsitzender des Weltklimarats der UNO. Doch Michael Glantz, der am Nationalen Zentrum für Atmosphärische Forschung der USA die Klimagefahren untersucht und mehr Forschung zur Anpassung an die Erwärmung gefordert hat, zweifelt an ernsthaften Bemühungen, den ärmeren Ländern zu helfen: »Die Dritte Welt war bisher auf sich selbst gestellt. Und ich denke, sie wird auch weiterhin großenteils auf sich selbst gestellt bleiben.«

 

Aber es gibt ein wachsendes Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen der Umweltkrise und sozialer Gerechtigkeit, und das eröffnet neue Möglichkeiten. Die Standing Rock Bewegung in North Dakota im Jahr 2016 brachte die »Wasserbeschützenden« von verschiedenen Stämmen amerikanischer Ureinwohner mit nicht indigenen Gruppen wie Kriegsveteranen zusammen und war ein wichtiges Ereignis für die Verknüpfung von ökologischen und Menschenrechtsbelangen.

Natürlich sind hier noch viele weitere soziale Themen hinzuzufügen: Am offensichtlichsten ist die rasch wachsende Kluft zwischen einer kleinen, wohlhabenden globalen Elite und allen anderen. Diese Kluft wird durch sogenannte demokratische Regierungssysteme ermöglicht, die selbst unter Korruption durch einige wenige mächtige Personen und Institutionen leiden. Es sollte uns daher nicht überraschen, dass die Mehrheit der »entwickelten« Länder einen sprunghaften Anstieg des Gebrauchs von Antidepressiva und anderen legalen und illegalen Drogen zu verzeichnen hat; eine Epidemie mit oft tödlichen Folgen.

Kurz gesagt: Auch wenn man den Fokus von den Kohlenstoffemissionen hin zur Gesamtheit der ökologischen Krise verlagert, bleibt das Bild noch unvollständig und einseitig. Tatsächlich steht etwas noch Größeres auf dem Spiel. Um das deutlich zu machen, greife ich die bereits erwähnte Metapher des Eisbergs wieder auf. Wenn der Klimanotstand die Spitze des Eisbergs ist, dann liegt der Rest der ökologischen Krise, einschließlich der Problematik der sozialen Gerechtigkeit, unterhalb dieser Spitze – aber immer noch sichtbar oberhalb der Wasserlinie. Was befindet sich unter der Oberfläche? Alles bisher Besprochene kann als Symptom für ein noch grundlegenderes Problem verstanden werden: das Dilemma einer heute globalen Zivilisation, die trotz ihrer erstaunlichen technologischen Errungenschaften äußerst selbstzerstörerisch zu sein scheint.

Thomas Berry hat diesen Zustand treffend beschrieben: »Wir könnten unsere gegenwärtige menschliche Situation in einer einfachen Feststellung zusammenfassen: Im zwanzigsten Jahrhundert ist der Ruhm der Menschheit zur Verwüstung der Erde geworden, und jetzt wird die Verwüstung der Erde zum Schicksal der Menschheit.«

Üblicherweise sind wir uns nicht bewusst, dass unsere kollektive Beschäftigung mit endlosem Wirtschaftswachstum und Konsum – die entsprechend zu den wichtigsten Zielen der Moderne geworden sind, zum Sinn unserer Zivilisation – unvereinbar ist mit den endlichen Ökosystemen der Erde, von denen wir ein kleiner Teil sind …

Mittel kontra Zwecke

Um die Beziehung zwischen den sichtbaren und den unter Wasser liegenden Teilen des Eisbergs noch besser zu verstehen – wie die ökologische Krise aus etwas noch Problematischerem resultiert –, kehren wir zunächst zu den Ozeanen zurück und wenden uns einem besonders aufschlussreichen Beispiel der Überfischung zu: dem Roten Thunfisch.

Wie Sie vielleicht wissen, lieben Japaner Sashimi (rohen Fisch). Ihr Lieblingsgericht ist der Rote Thunfisch. Leider hat die Überfischung den Roten Thunfisch aber zu einer sehr gefährdeten Art werden lassen. Das Mitsubishi-Konglomerat, eines der größten Firmenimperien der Welt, hat nun eine raffinierte »Lösung« gefunden. Es hat etwa 40 Prozent des Weltmarktes aufgekauft, indem es sich auf legale wie illegale Weise so viel Roten Thunfisch wie möglich beschafft hat, obwohl dessen Population weltweit vom Aussterben bedroht ist. Dieser Bestand übersteigt zwar die gegenwärtige Nachfrage, aber der Thunfisch wird weiter importiert und bei minus 60 Grad Celsius in den Tiefkühlgeräten von Mitsubishi eingefroren, denn er wird bald astronomische Preise erzielen, wenn, wie prognostiziert, der Rote Thunfisch aufgrund der anhaltenden Überfischung demnächst aussterben sollte.

Infolge des Tsunamis und der Zerstörung des Kernkraftwerks Fukushima im Jahr 2011 versagte ironischerweise die Stromzufuhr einiger dieser Tiefkühlgeräte; tausende Tonnen von Rotem Thunfisch tauten auf und verdarben. Die eher zögerlichen japanischen Behörden wurden durch die Aufdeckung von illegaler »Ernte« und Schmuggel veranlasst, einige der Importe zu beschlagnahmen.

Von einem ökologischen Standpunkt aus betrachtet ist Mitsubishis Reaktion auf das abnehmende Angebot an Rotem Thunfisch unmoralisch, ja sogar obszön. Von einem rein wirtschaftlichen Standpunkt aus aber ist sie ganz logisch, ja sogar klug. Denn je weniger Roter Thunfisch im Meer vorhanden ist, desto wertvoller wird der Tiefkühlbestand von Mitsubishi. Und es liegt in der Natur des wirtschaftlichen Wettbewerbs, dass Unternehmen wie Mitsubishi manchmal dazu ermutigt oder »gezwungen« werden, so zu handeln. Wenn es Mitsubishi nicht tut, tut es wahrscheinlich ein anderes Unternehmen. Tatsächlich ist Mitsubishi nicht das einzige japanische Unternehmen, das Roten Thunfisch tiefkühlt, sondern lediglich das auffälligste. So spielt sich die »Tragödie der Gemeingüter« tendenziell im globalen Maßstab ab.

Dieses Beispiel veranschaulicht das grundlegende Problem in der Beziehung zwischen moderner Zivilisation und Natur: die Perversität eines jeden Wirtschaftssystems, das die Biosphäre (zu der natürlich auch die Menschheit gehört) zu einem Mittel zum Erreichen von etwas anderem abwertet. Dieses Problem ist nicht nur Teil des Kapitalismus, denn es war auch in der Sowjetunion und im vorkapitalistischen China vorhanden. Und es ist auch nicht nur der Moderne vorbehalten, denn im Laufe der Geschichte haben viele Zivilisationen (anders als einige bevölkerungsarme indigene Gesellschaften) ihre Umwelt, soweit es ihre Technologien erlaubten, ausgebeutet. Was an unserer heutigen Situation einzigartig ist, ist die Kombination von besonders leistungsfähigen Technologien, einem beispiellosen Bevölkerungswachstum und einem Wirtschaftssystem, das auf ständigem Wachstum basiert, wenn es nicht zusammenbrechen soll.

Die Natur wird dem Ziel der Rentabilität untergeordnet. Der Konzernkapitalismus war und ist erstaunlich kreativ und für viele von uns eine Quelle beachtlicher Freiheiten und Möglichkeiten. Dennoch hat er sehr problematische Züge. Profit bedeutet Geld. Weil wir jeden Tag mit Geld zu tun haben, glauben wir, es zu verstehen. Doch weil seine Verwendung so nahtlos in unseren Alltag integriert ist, sind wir uns normalerweise der Tatsache nicht bewusst, dass Geld an sich wertlos ist. Wir können weder unter den Papierscheinen in unseren Brieftaschen schlafen noch die digitalen Zahlen auf unseren Bankkonten essen. Gleichzeitig aber ist Geld das wertvollste Gut, weil es unser Tauschmittel ist. Es kann gleichzeitig wertlos und das Wertvollste sein, denn Geld ist ein gesellschaftlich konstruiertes (und rechtlich erwirktes) Symbol – und zweifellos unser wichtigstes, denn unsere heutige Zivilisation könnte ohne es nicht funktionieren. Es ist wie Wasser, ein »universelles Lösungsmittel«, das es einem Ding ermöglicht, sich in ein anderes zu verwandeln. Mit Geld können wir fast alles erwerben, was wir begehren, was eine weitere seiner Funktionen begünstigt: die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel, weil wir es ansammeln (das heißt sparen) können.

Der Liebe zum Geld selbst (anstelle der konkreten Dinge, die man damit kaufen kann) haftet etwas Geschmackloses an, denn sie stellt eine Anhaftung an ein Symbol dar, das an sich wertlos ist. Der Anthropologe Weston LaBarre beschreibt den »Geldkomplex« als eine Psychose, die als Normalität gilt, »ein institutionalisierter Traum, den alle gleichzeitig träumen«. Da wir dazu neigen, die Befriedigung unserer Wünsche mit Glück gleichzusetzen, wird Geld psychologisch – und vielleicht unvermeidlich – zu dem, was die Möglichkeit von Glück repräsentiert. Damit wird es ein »reines« Mittel, das alle Ziele verschluckt: »abstraktes Glück« (in Schopenhauers Worten) – und so finden die, die unfähig sind, konkretes Glück zu empfinden, ihre Seligkeit darin, Geld (als »abstraktes Glück«) anzuhäufen. Geld wird zu »eingefrorenem Begehren« – nicht länger das Begehren nach etwas Bestimmtem, sondern nach einem Symbol für die Befriedigung von Begehren allgemein.

Ökologisch gesehen besteht das Problem darin, dass unsere institutionalisierte Fixierung auf Profit und Geldmacherei unsere Wertschätzung der Natur überlagert. Das bedeutet, wir sind davon besessen, den eigentlichen Schatz – eine gedeihende Biosphäre mit gesunden Wäldern und Böden, Ozeane voller Meereslebewesen und so weiter – zu plündern und zu missbrauchen, um Ziffern auf Bankkonten zu maximieren. Am Ende opfern wir alles Reale für ein an sich wertloses Symbol und tauschen das Wertvollste gegen etwas ein, das an sich keinerlei Wert hat. Und aufgrund unserer kollektiven Beschäftigung mit diesem Symbol werden viele der Dinge, die wir damit kaufen wollen, in Zukunft vielleicht nicht mehr erhältlich sein.

Wenn der letzte Baum gefällt, der letzte Fisch gefangen, der letzte Fluss vergiftet ist, werden wir begreifen, dass man Geld nicht essen kann. (Sprichwort der Ureinwohner Nordamerikas)

Dies weist darauf hin, warum die gesamte ökologische Krise symptomatisch für einen noch größeren Notfall ist und die Zwangslage einer Zivilisation offenbart, deren vorrangige Besessenheit unvereinbar mit buddhistischen Werten ist. Die bösartige Logik impliziert, dass unsere kollektive Ausrichtung auf Rentabilität und endloses Wachstum – auf ständig wachsende Produktion und steigenden Konsum, was eine immer größere Ausbeutung »unserer natürlichen Ressourcen« erfordert – früher oder später unweigerlich an die Grenzen des Planeten stoßen muss. »Um einen Klimakollaps zu vermeiden, braucht es einen Rückgang des menschlichen Verbrauchs von Ressourcen; um den Kollaps unseres Wirtschaftsmodells zu vermeiden, braucht es uneingeschränkten Aufschwung. Nur eines dieser Regelwerke kann geändert werden, und es sind nicht die Naturgesetze.« (Naomi Klein) Alle Volkswirtschaften der Welt sind hundertprozentige Tochtergesellschaften der Biosphäre der Erde, aber das haben wir immer noch nicht verstanden.

Etliche buddhistische Lehren werden im Laufe dieses Buches diskutiert werden. Als Vorgeschmack möchte ich die traditionelle Betonung von wechselseitiger Abhängigkeit und Ungetrenntheit erwähnen. Sowohl individuell als auch kollektiv verfolgen wir oft unsere eigenen Vorteile auf Kosten des Wohlergehens anderer. Dabei tun wir dies auf eine Art und Weise, welche die ökologische Krise leugnet, weil wir alle zusammen drinstecken oder (besser) weil wir alle Teile voneinander sind. Ein Planet, der in über zweihundert kleine Götter (Nationen) zerstückelt ist, die nichts Größerem als sich selbst verpflichtet, aber durch die geografischen Grenzen und die Ambitionen der anderen Götter beschränkt sind, wird immer problembehaftet sein: Wenn China Kohle verbrennt, beschränkt sich die Luftverschmutzung nicht auf den chinesischen Himmel, und das radioaktive Wasser der Atomkatastrophe von Fukushima verbleibt nicht in den japanischen Küstengewässern.

Die ökologische Krise stößt uns mit der Nase auf eine grundlegende Tatsache, die wir immer wieder zu ignorieren versuchen: Ob es uns gefällt oder nicht, in der Hauptsache sind wir alle eins.