ÖkoDharma

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Doch welche kollektive Transformation könnte dem vom Buddhismus stets geförderten persönlichen Erwachen entsprechen? »Der Buddha erlangte das individuelle Erwachen. Jetzt brauchen wir eine kollektive Erleuchtung, um die Zerstörung zu stoppen.« (Thich Nhat Hanh) Ist die Idee einer solchen sozialen Transformation angesichts der wirtschaftlichen und politischen Realitäten nicht nur eine Fantasie – oder geschieht sie bereits vor unseren Augen?

In seinem Buch Wir sind der Wandel: Warum die Rettung der Erde bereits voll im Gang ist – und kaum einer es bemerkt dokumentiert Paul Hawken, was vielleicht ein solches kollektives Erwachen sein könnte. Diese »Bewegung der Bewegungen« ist ein weltweites Netzwerk von sozial engagierten Organisationen, das als Reaktion auf die globalen Krisen, die uns heute bedrohen, entstanden ist. Es ist sowohl die größte – mindestens zwei Millionen Organisationen, vielleicht sogar viele mehr – als auch die am schnellsten wachsende Bewegung, die es jemals gegeben hat. Laut Hawken »ist es das erste Mal in der Geschichte, dass eine Bewegung von solchem Ausmaß und solcher Breite aus jedem Land, jeder Stadt und jeder Kultur der Welt entstanden ist, ohne Führer, ohne Regelwerk und ohne zentralen Hauptsitz. … Sie ist riesig, und ihre Themen, im weiten Sinne benannt als soziale Gerechtigkeit und Umwelt, werden keineswegs als getrennt gesehen.«

Hawken sieht diese Bewegung als »Immunantwort« der Menschheit, wie spontan entstanden, um uns und den Planeten vor den Kräften zu schützen, die unsere Welt berauben. Die Organisationen, aus denen sie besteht, sind »soziale Antikörper, die sich an die Pathologien der Macht anheften«. Als Zen-Praktizierender sieht Hawken den Buddhismus als einen wachsenden Teil dieser Bewegung: »Der institutionelle Buddhismus wird sich viel stärker in sozialen Fragen engagieren, denn ich sehe keine Zukunft, in der sich die Bedingungen nicht für uns alle verschlechtern. … Dukkha, Leiden, war schon immer der Schmelztiegel der Transformation für all jene, die praktizieren.« Im Buddhismus geht es nicht darum, Leiden zu vermeiden, sondern durch Leiden transformiert zu werden – was heißt, dass es in unserer Zukunft jede Menge Transformation geben kann.

Trotzdem versagt das Immunsystem manchmal, und »diese Bewegung könnte mit Sicherheit auch versagen«. Krankheiten wie das HI-Virus töten ihren Wirt, indem sie das Immunsystem des Körpers zerstören. Das legt weniger hoffnungsvolle Parallelen nahe, was uns zum nächsten Kapitel bringt.

Der Titel von Kapitel 5 lautet: »Was, wenn es zu spät ist?« James Lovelock, der erste Vertreter der Gaia-Hypothese, warnte 2009 davor, dass die Menschheit am Ende auf kleine Gruppen reduziert werden könnte, die in der Nähe der Pole leben. Er glaubt auch, dass Versuche, den Klimawandel zu bekämpfen, das Problem nicht lösen können, sondern uns nur etwas Zeit verschaffen. Einige Jahre später äußerten sich Fred Guterl in The Fate of the Species und Clive Hamilton in Requiem for a Species noch pessimistischer. Sie argumentieren, dass das Aussterben des Menschen eine sehr reale Gefahr darstelle, denn »indem die Menschheit andere Arten ins Aussterben treibt, ist sie eifrig dabei, den Ast abzusägen, auf dem sie selbst sitzt«, wie der Stanford-Biologe Paul Ehrlich es unverblümt formuliert. Sind solche Vorhersagen nur Fantasien, um uns zum Handeln aufzuschrecken? Nein, das sind sie sicherlich nicht – aber es ist in der Tat eine weitverbreitete Fantasie, dass die Art industrieller Wachstumswirtschaft, wie sie immer noch von den Regierungen aller (über) entwickelten Nationen gefördert wird, unbegrenzt fortgeführt werden kann, ohne die Biosphäre zu zerstören. Die unmittelbare Bedrohung für das Klima sind nicht nur die Kohlenstoffemissionen, sondern auch »Kipppunkte« wie die Freisetzung von Milliarden Tonnen Methangas, die in den gerade schmelzenden Permafrostböden eingeschlossen sind.

Einige wenige zeitgenössische Lehrende haben begonnen, sich mit diesen existenziellen Anliegen auseinanderzusetzen. Joanna Macy betont in »Arbeit, die wieder verbindet«, dass unsere Trauer über das, was mit der Erde geschieht, nicht der endgültige Zusammenbruch unserer Hoffnungen ist. Vielmehr ist diese Trauer notwendig für diejenigen, die danach streben, den Weg des spirituellen Engagements zu gehen. Ihr Buch Hoffnung durch Handeln, 2014 erschienen, integriert diese Trauer in eine transformative Spirale, die wir mit der Dankbarkeit beginnen, welche uns befähigt, unseren Schmerz für die Welt zu würdigen, was dazu führt, mit neuen Augen zu sehen und dann weiterzugehen, um uns auf das einzulassen, was sie »den großen Wandel« nennt. Wir müssen tiefer empfinden, um tiefer verwandelt zu werden.

Thich Nhat Hanhs Antwort auf die Möglichkeit unserer eigenen Auslöschung ermutigt uns, »mit unserem Atem die Ewigkeit zu berühren«. In dieser Ewigkeit gibt es weder Geburt noch Tod. Das ist eine grundlegende buddhistische Belehrung, die umso wichtiger wird, wenn wir nicht nur unsere eigene individuelle Sterblichkeit, sondern auch die unserer Gattung bedenken. Viele Religionen thematisieren die Angst vor dem Tod, indem sie verkünden, dass es eine Seele gibt, die nicht mit dem Körper vergeht. Die buddhistische Ablehnung einer Seele oder eines Selbst (anatta) macht diese Art von Unsterblichkeit unmöglich. Vielmehr ist es für Sie und für mich unmöglich zu sterben, da wir nie geboren worden sind. Wie das Diamant-Sutra besagt: Wenn unzählige Wesen zum Nirvana geführt worden sind, sind letztlich überhaupt keine Wesen zum Nirvana geführt worden.

Obwohl sich solche Lehren traditionell auf unsere individuelle Situation konzentrieren, haben sie doch wichtige Auswirkungen auf unseren kollektiven Umgang mit der ökologischen Krise. Nicht nur Sie und ich sind ungeboren. Alles ist ungeboren, einschließlich jeder Spezies, die sich jemals entwickelt hat, und aller Ökosysteme der Biosphäre. Aus dieser Perspektive geht nichts verloren, wenn Arten einschließlich unserer eigenen aussterben. Und nichts wird gewonnen, wenn unsere Art überlebt und gedeiht.

Und doch ist diese Perspektive nicht die einzige. Wir werden an die prägnante Formulierung des Herz-Sutra erinnert: Form ist nichts anderes als Leerheit, Leerheit ist nichts anderes als Form. Ja, von Seiten der shunyata (Leerheit) gibt es kein Besser oder Schlechter. Aber das negiert nicht die Tatsache, dass Leerheit Form ist. Was wir Leerheit nennen – das unbegrenzte Potenzial, das jede Form annehmen kann, je nach den gegebenen Bedingungen –, hat als dieses eindrucksvolle, unglaublich schöne Geflecht des Lebens Form angenommen, das uns einschließt und das in Ehren gehalten und geschützt werden sollte. Wie auch das Herz-Sutra sagt, gibt es »weder Alter noch Tod, noch ein Ende von Alter und Tod«. Einen spirituellen Weg gehen heißt, dieses Paradox zu leben.

Kapitel 6, »Was sollen wir tun?«, untersucht, was diese Sichtweisen eigentlich hinsichtlich unserer Reaktionen auf die ökologische Krise bedeuten. Die kurze Antwort ist, dass die buddhistischen Lehren uns nicht sagen, was wir tun sollen. Aber sie sagen eine Menge darüber, wie wir es tun sollen. Natürlich hätten wir gerne spezifischere Ratschläge, aber angesichts der sehr unterschiedlichen historischen und kulturellen Bedingungen, unter denen sich der Buddhismus entwickelt hat, ist das unrealistisch. Das durch eine ökologische Krise verursachte kollektive Dukkha ist nie thematisiert worden, weil dieses spezielle Problem bislang so nicht aufgetaucht ist.

Das bedeutet nicht, dass aus buddhistischer Sicht »alles erlaubt« wäre. Unsere Ziele, wie erhaben sie auch sein mögen, rechtfertigen nicht jedes Mittel, denn der Buddhismus hinterfragt diese Unterscheidung. Sein Hauptbeitrag zu unserem sozialen und ökologischen Engagement sind die Grundsätze für geschicktes Handeln aus der Theravada- und der Mahayana-Tradition. Auch wenn diese Grundsätze normalerweise individuell verstanden wurden, ist die in ihnen verkörperte Weisheit ohne weiteres auch auf die eher kollektiven Arten engagierter Praxis und sozialer Transformation anzuwenden, die wir heute brauchen. Am relevantesten sind hier die fünf Grundregeln des Theravada-Buddhismus (und ihre engagierte Variante als fünf Achtsamkeitsübungen bei Thich Nhat Hanh) und die vier »himmlischen Verweilzustände« (brahmaviharas). Die Mahayana-Tradition betont den Weg des Bodhisattva und die sechs »Vollkommenheiten« (Großzügigkeit, Disziplin, Geduld, Eifer, Meditation und Weisheit). Vielleicht am wichtigsten von allem: Der Mahayana-Buddhismus betont die Praxis, ohne Anhaftung an Ergebnisse zu handeln. Zusammengenommen geben uns diese Richtlinien eine Orientierung für unsere Reise auf dem Ökosattva-Pfad.

Soziales Engagement bleibt für viele Buddhist*innen eine Herausforderung, denn die traditionellen Lehren waren auf das Kultivieren der eigenen Geistesruhe ausgerichtet. Andererseits erleben diejenigen, die sich sozialem Engagement verpflichtet haben, oft Erschöpfung, Wut, Depressionen und Burnout. Weil der engagierte Bodhisattva-/Ökosattva-Pfad eine zweifache Praxis beinhaltet, eine innere (wie Meditation) und eine äußere (Aktivismus), spricht er die Bedürfnisse beider Seiten an. Die Kombination ermöglicht ein intensives Engagement mit weniger Frustration. Ein solcher Aktivismus hilft den Meditierenden auch, die Falle zu vermeiden, sich lediglich mit dem eigenen Geisteszustand und ihrem Fortschritt auf dem Weg zur Erleuchtung zu beschäftigen. Da das Grundproblem in einem unabhängigen Selbstsinn besteht, ist ein mitfühlender Einsatz für das Wohlergehen anderer, auch anderer Spezies, ein wichtiger Teil der Lösung. Die Beschäftigung mit den Problemen der Welt ist daher keine Ablenkung von unserer persönlichen spirituellen Praxis, sondern kann ein wesentlicher Teil davon werden.

 

Einsicht und Gleichmut, wie Öko-Bodhisattvas sie kultivieren, unterstützen das unverwechselbare Merkmal des buddhistischen Aktivismus: ohne Anhaftung an Ergebnisse zu handeln. Das kann leicht als Gleichgültigkeit missverstanden werden. Doch es ist unsere Aufgabe, unser Bestes zu geben, ohne zu wissen, was die Konsequenzen sein könnten – sogar ohne zu wissen, ob unsere Bemühungen überhaupt einen Unterschied machen werden. Wir wissen nicht, ob das, was wir tun, wichtig ist. Aber wir wissen, dass es für uns wichtig ist, es zu tun. Haben wir die ökologischen Kipppunkte schon überschritten, und die Zivilisation, wie wir sie kennen, ist dem Untergang geweiht? Wir wissen es nicht, und das ist in Ordnung. Natürlich hoffen wir, dass unsere Bemühungen Früchte tragen. Aber letztlich sind sie unser offenherziges Geschenk an die Erde.

Mir scheint, wenn heutige Buddhist*innen das nicht tun können oder wollen, dann ist Buddhismus nicht das, was die Welt jetzt braucht – dieses Buch versucht jedoch zu zeigen, wie sehr der Buddhismus uns dabei helfen kann, die größte Herausforderung, der die Menschheit je gegenübergestanden hat, zu verstehen und darauf zu reagieren. Und es untersucht auch, was das für den Buddhismus von heute bedeuten könnte.

Alles steht in Flammen.

Der Buddha

Mit diesem globalen Notfall haben wir Neuland betreten, wo »der Normalbetrieb« nicht einfach weitergehen kann. Wir müssen die Initiative ergreifen, um eine sichere Klimazukunft für alle Menschen und alle Arten zu gewährleisten, indem wir diese Welt heilen und beschützen.

Tenzin Gyatso, der Vierzehnte Dalai Lama

Meine Generation hat getan, was keine vorherige Generation tun konnte, weil ihr die technologische Macht fehlte, und was keine zukünftige Generation wird tun können, weil der Planet nie wieder so schön und üppig sein wird.

Thomas Berry

Die Zerstörung von Lebensräumen, invasive Arten, Umweltverschmutzung, Überbevölkerung und Übernutzung verursacht globale Veränderungen. Wenn diese nicht reduziert werden, könnte die Hälfte der Tier- und Pflanzenarten bis zum Ende des Jahrhunderts ausgestorben sein oder sich zumindest unter den »lebenden Toten« befinden, die kurz vor dem Aussterben stehen. Wir verwandeln das Gold, das wir von unseren Vorfahren geerbt haben, ohne guten Grund in Stroh, und dafür werden wir von unseren Nachkommen verachtet werden.

E. O. Wilson

Die Vorstellung, dass die Wissenschaft uns retten wird, ist ein Hirngespinst, das es der heutigen Generation erlaubt, Ressourcen beliebig zu verbrauchen, als würden keine Generationen folgen. Es ist das Beruhigungsmittel, das es der Menschheit erlaubt, so unerschütterlich in Richtung Umweltkatastrophe zu marschieren. Es verhindert die wirkliche Lösung, die in der schwierigen, nicht technischen Arbeit der Veränderung des menschlichen Verhaltens besteht.

Kenneth Brower

Vielleicht ist die Art und Weise, wie wir auf die Krise reagieren, Teil der Krise.

Bayo Akomolafe

Die Wahrheit ist, dass der Konsum von umweltfreundlichen Produkten praktisch keinen Unterschied gemacht hat. Er hat lediglich die Verantwortung von den Schultern der großen Umweltverschmutzer und der Regierungen, die neue politische Strategien einführen müssten, auf die Einzelperson verlagert. Individuen als Bürger*innen – das heißt, als politische Akteure – können sehr effektiv sein, weil wir nur durch einen weitreichenden, mandatierten Politikwechsel eine Antwort von der Art bekommen, wie wir sie brauchen.

Clive Hamilton

Welche Werte begründen unser Engagement für die Idee, dass die globale Erwärmung behoben würde, wenn wir die Kohlendioxidwerte in der Atmosphäre auf 350 Millionstel reduzieren können? Strategischer Umweltschutz bedeutet, Deals in moralischen Abgründen auszuhandeln. Der Vorteil dabei ist, dass man gelegentlich den Sieg erklären und das Wrack verlassen kann, weil Zugeständnisse an die Stelle von Werten getreten sind.

Curtis White

Wir sind eine Star-Wars-Zivilisation. Wir haben steinzeitliche Emotionen. Wir haben mittelalterliche Institutionen, vor allem die Kirchen. Und wir haben gottgleiche Technologien. Und diese gottgleichen Technologien zerren uns auf unvorhersehbare Weise voran.

E. O. Wilson

Mit Mutter Natur lassen sich keine Geschäfte machen.

Mohamed Nasheed

Der Klimawandel ist das größte Marktversagen, das die Welt je gesehen hat.

Nicholas Stern

Die ökonomischen und ökologischen Zusammenbrüche haben die gleiche Ursache: der unregulierte, freie Markt und die Vorstellung, dass Gier gut und die Natur eine Ressource zur kurzfristigen persönlichen Bereicherung ist. Das Ergebnis sind tödliche, giftige Anlagegüter und eine toxische Atmosphäre.

– George Lakoff

Die grundlegende Unreife der menschlichen Gattung zu diesem Zeitpunkt der Geschichte besteht darin, dass unsere Regierungs- und Wirtschaftssysteme es Teilmengen des Ganzen (Einzelpersonen und Unternehmen) nicht nur erlauben, auf Kosten des Ganzen zu profitieren, sondern sie sogar dazu ermutigen.

Michael Dowd

Wenn die Natur eine Bank wäre, hätten wir sie bereits gerettet.

Eduardo Galeano

Eine Lebenseinstellung, die ihre Erfüllung im einzig auf Reichtum gerichteten Streben sucht – kurzum Materialismus –, passt nicht in diese Welt, denn sie enthält in sich selbst kein beschränkendes Prinzip, während die Umwelt, in der sie sich befindet, streng begrenzt ist.

E. F. Schumacher

Im Grunde besteht die Aufgabe darin, nicht nur eine Reihe von alternativen Vorschlägen für politische Inhalte zu formulieren, sondern eine alternative Weltanschauung, die es mit jener, die im Zentrum der ökologischen Krise steht, aufnehmen kann – eingebettet eher in gegenseitiger Abhängigkeit als in Hyperindividualismus, eher in Wechselseitigkeit als in Dominanz und eher in Kooperation als in Hierarchie.

Naomi Klein

Es ist beängstigend, dass wir unsere eigene Regierung bekämpfen müssen, um die Umwelt zu retten.

Ansel Adams

Wenn Leute etwas Ersetzbares und vom Menschen Gemachtes zerstören, werden sie Vandalen genannt; wenn sie etwas Unersetzliches und von Gott Gemachtes vergiften, werden sie Entwickler genannt.

Joseph Wood Krutch

Irgendjemand muss mir erklären, warum dich der Wunsch nach sauberem Trinkwasser zu einer Aktivistin macht und warum der Vorschlag, Wasser durch chemische Kriegsführung zu vergiften, ein Unternehmen nicht zum Terroristen macht.

Winona LaDuke

Wenn ein Mann aus Liebe zum Wald darin den halben Tag spazieren geht, läuft er Gefahr, als Faulenzer betrachtet zu werden. Verbringt er aber seine Tage als Spekulant, der die Wälder abholzt und die Erde kahl macht, gilt er als fleißiger und unternehmungslustiger Bürger.

Henry David Thoreau

Frage: Wie viele Klimaskeptiker braucht es, um eine Glühbirne auszuwechseln?

Antwort: Keine. Es ist zu früh, um zu sagen, ob die Glühbirne ausgewechselt werden muss.

Antwort: Keine. Wir wissen nur, wie man den Planeten »verdreht«.

Anonym

Da die Wurzeln unserer Schwierigkeiten so weitgehend religiös sind, muss das Heilmittel auch religiös sein, ob wir es nun so nennen oder nicht. Wir müssen unsere Natur und unsere Bestimmung neu denken und neu fühlen.

Lynn White junior

Je tiefer ich nach den Wurzeln der globalen Umweltkrise suche, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass sie die äußere Erscheinung einer inneren Krise ist, einer – in Ermangelung eines besseren Wortes – spirituellen Krise.

Al Gore

Der erste Schritt, um sich eine furchtbar missratene Welt neu vorzustellen, wäre, die Vernichtung derjenigen zu stoppen, die eine andere Vorstellung haben – eine Vorstellung, die außerhalb des Kapitalismus wie auch des Kommunismus liegt. Eine Vorstellung, die ein völlig anderes Verständnis davon hat, was Glück und Erfüllung ausmacht.

Arundhati Roy

Was ist, wenn die globale Erwärmung ein großer Schwindel ist und wir umsonst eine bessere Welt erschaffen?

– Frage auf einer Konferenz zum Klimawandel

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IST DER KLIMAWANDEL DAS PROBLEM?

Sagen wir es klar und deutlich: Der Klimawandel ist die größte Herausforderung, mit der die Menschheit jemals konfrontiert war. In der Tat sind seine Konsequenzen so schwerwiegend, dass der Begriff Klimawandel und sein netter Verwandter globale Erwärmung Beschönigungen sind für etwas, das treffender als Klimanotstand zu bezeichnen ist. Dieses Buch betrachtet die Klimakrise durch eine buddhistische Linse und reflektiert dabei die Bedeutung dieser Krise auf die Art und Weise, wie wir den Buddhismus heute verstehen und praktizieren.

Aber geht es nicht um etwas noch Größeres als den Klimanotstand?

Trotz fortdauernder Versuche seitens gewisser Interessengruppen, die Situation zu beschönigen, sind die von zahlreichen wissenschaftlichen Studien gelieferten Beweise schlüssig und werden daher hier nicht diskutiert. Die menschliche Zivilisation entwickelte sich im als Holozän bekannten Zeitalter (ungefähr die letzten 11.700 Jahre), in dem das Klima im Allgemeinen stabil und milde war. Der Ackerbau begann, zufällig oder nicht, vor etwa 11.500 Jahren, als Kulturpflanzen wie Weizen, Gerste, Erbsen und Linsen in der Levante kultiviert wurden. Das Holozän neigt sich nun seinem Ende zu, hauptsächlich aufgrund steigender Kohlendioxidwerte in den Meeren und der Atmosphäre (derzeit deutlich über 400 Teilchen pro einer Million im Vergleich zu etwa 262 Teilchen in der vorindustriellen Zeit). Dieser Anstieg ist vor allem auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen: auf das Verbrennen von fossilen Treibstoffen wie Kohle, Erdöl und Methangas. Heute leben wir im Zeitalter des Anthropozän, von anthropos, dem altgriechischen Wort für »Mensch«, abgeleitet. Und abgesehen von unerwarteten Naturkatastrophen, wie einem Meteoriteneinschlag oder dem Ausbruch von Supervulkanen, scheint die Zukunft der Biosphäre in den nächsten Jahrtausenden davon abhängig zu sein, was die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten tut (und nicht tut) – oder sind es bloß die nächsten paar Jahre?

Anstatt zu wiederholen, was die meisten von uns ohnehin schon wissen, will ich mich hier auf zwei grundlegende Tatsachen bezüglich der Klimakrise beschränken. Erstens ist sie nicht ein Problem von außen, das uns widerfährt, sondern etwas, was wir uns selbst antun – auch wenn gewisse Menschen und gewisse Gesellschaften dafür natürlich mehr Verantwortung tragen als andere. Rund ein Sechstel der Weltbevölkerung ist so arm, dass es keinen bedeutenden Anteil an Treibhausgasen produziert. Tragischerweise sind es jene Menschen in den weniger entwickelten Ländern, hauptsächlich in Afrika und Südasien, die unter den klimatischen Veränderungen am meisten zu leiden haben, während jene in den überentwickelten Ländern in Nordamerika und Europa bisher relativ wenige Beeinträchtigungen erfahren mussten. Wir werden zu den ethischen Konsequenzen dieses Unterschieds zurückkehren, an dieser Stelle geht es mir lediglich um den Hinweis, dass der Homo sapiens sapiens die Schuld am gegenwärtigen Geschehen nicht Naturkatastrophen oder anderen Spezies zuweisen kann. Stellen Sie sich vor, wie wir reagieren würden, wenn außerirdische Raumschiffe auftauchten und begännen, Kohlendioxid in unsere Atmosphäre zu pumpen! Die Wurzeln unseres Problems sind leider nicht so einfach zu identifizieren und anzugehen. Wie Walt Kellys Pogo schon während des Vietnamkriegs gesagt hat: »Wir haben den Feind getroffen, und er ist wir.«

Zweitens möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass unsere gemeinschaftliche Reaktion auf die Klimakrise zwar nicht unbedeutend, aber bei weitem nicht angemessen ist. Weiterhin werden internationale Konferenzen abgehalten und konkrete Verpflichtungen eingegangen (und manchmal gebrochen), und dennoch tun wir nicht, was notwendig wäre, um den Ausstoß von Kohlendioxid ausreichend zu senken. Angesichts der außergewöhnlich bedeutsamen Folgen des Problems müssen wir uns fragen: Warum nicht?

In aller Deutlichkeit gesagt: Die überwältigende Dringlichkeit des Klimakollapses – der nicht mehr nur eine Bedrohung ist, sondern bereits eingesetzt hat – bedarf unserer ungeteilten Aufmerksamkeit und unserer aufrichtigen Anstrengungen. »Klimawandel« ist aber nicht das grundlegende Problem, mit dem wir heute konfrontiert sind. Es geht um eine umfassendere ökologische Herausforderung, die noch viel beängstigender ist.

 

Das zu betonen ist wichtig, da viele Menschen annehmen, dass unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft auf unbegrenzte Zeit so weiterlaufen könnten wie bisher, wenn wir nur auf erneuerbare Energiequellen umstiegen. Ein Problem dieser Denkweise ist, dass es bis zu einer Generation dauern kann, bis die erwärmende Wirkung von neuen Kohlenstoffemissionen erkannt wird, was bedeutet, dass wir viele weitere Jahre intensiver Klimaverschiebungen zu erwarten haben, mitsamt zunehmend ernsthaften sozialen und ökonomischen Konsequenzen, die nur schwer abschätzbar sind. Die Klimakrise ist nur die Spitze eines ökologischen Eisbergs, der noch tiefgreifendere Konsequenzen für die Zukunft der menschlichen Zivilisation birgt. Aus dieser breiteren Perspektive betrachtet haben wir bisher nicht viel mehr unternommen, als Liegestühle auf der Titanic umzuarrangieren – eine müde Metapher, die angesichts der steigenden Zahl von Eisbergen, die nun in der Arktis und Antarktis treiben, allerdings höchst angemessen erscheint.

Denken Sie zum Beispiel daran, was mit den Weltmeeren geschieht. Natürlich hat vieles davon mit der Zunahme von Kohlenstoffemissionen zu tun. Bisher haben die Meere über 90 Prozent der zusätzlichen Wärme absorbiert, die durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstanden ist. Ohne diesen Kühlkörper wäre die durchschnittliche Lufttemperatur auf der Welt einigen Berechnungen zufolge bereits um atemberaubende 36 Grad Celsius gestiegen, und wir wären alle gegrillt. Die Aufnahme zunehmender Mengen von Kohlendioxid hat das Meerwasser versauert (es ist bereits saurer als jemals zuvor in den letzten 800.000 Jahren), was Weichtiere und Plankton am unteren Ende der Nahrungskette daran hindert, Schalen aus Calciumcarbonat zu bilden. Ganz offensichtlich führt die einflussreiche Kombination von Erwärmung und Übersäuerung des Wassers zum Ausbleichen der Korallenriffe (die Heimat eines Viertels aller Meerestiere). Dem Dokumentarfilm Chasing Coral aus dem Jahr 2017 zufolge hat die Welt in den letzten dreißig Jahren bereits etwa die Hälfte ihrer Korallenriffe verloren, und das Absterben der verbleibenden Korallen ist für die nächsten dreißig Jahre zu erwarten. Ereignisse in den Jahren 2016 und 2017 haben zwei Drittel des Großen Barrierriffs vor der Küste Australiens massiv beschädigt, und Meeresforscher haben wenig Hoffnung auf dessen Rettung.

Und es gibt weitere Probleme mit den Meeren. Die weltweiten Fangmengen in Meeresgewässern haben seit 1996 abgenommen, und eine Studie in der Zeitschrift Science prognostiziert, dass die Meere bis 2048 kommerziell abgefischt sein werden. Einem Bericht des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2016 zufolge wird es bis 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren geben. Laut einer Studie des Londoner Guardian aus dem Jahr 2017 wird weniger als die Hälfte der pro Minute verkauften eine Million Plastikflaschen wiederverwertet, und der geschätzte jährliche Verbrauch soll bis 2021 eine halbe Milliarde überschreiten. Seit den 1950er Jahren wurden etwa eine Milliarde Tonnen Plastik weggeworfen, und eine in Science veröffentlichte Untersuchung aus dem Jahr 2015 hat berechnet, dass acht Millionen Tonnen davon jährlich in den Meeren landen. Im Bericht des Weltwirtschaftsforums von 2016 schätzt man außerdem, dass sich heutzutage bereits über 165 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren befinden, vieles davon in einem riesigen Strudel von Mikroplastikteilchen im Pazifischen Ozean, bekannt als der Große Pazifische Müllteppich (ein weiterer existiert im Nordatlantik). Anders als organisches Material ist Plastik nicht biologisch abbaubar; es zerfällt lediglich in immer kleinere Teilchen, die oft von Meeresorganismen selbst in den tiefsten Gräben des Pazifischen Ozeans aufgenommen werden – und von uns. Eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2017 hat in 83 Prozent der weltweiten Leitungswasserproben winzige Plastikfasern entdeckt. Der höchste Anteil an Verschmutzung wurde mit 94 Prozent in den Vereinigten Staaten gemessen.

Es gibt auch ein weltweites Problem mit Eutrophierung, wenn Chemikalien wie Kunstdünger und Waschmittel in Seen und Flüsse fließen, dort die Wasserqualität verschlechtern und schließlich zu riesigen »toten Zonen« in Buchten und Mündungen führen. Algenblüten, die für Pflanzen, Tiere und Menschen giftig sein können, treten häufiger auf und können zu Fischsterben und Artenverlust führen. Eine Studie hat mehr als sechshundert solcher Küstenbereiche auf der ganzen Welt identifiziert. Eine der größten »toten Zonen« befindet sich an der Mündung des Mississippi: Sie variiert zwar in der Größe, dehnt sich aber im Allgemeinen aus. Im Sommer 2017 hatte sie nach Angaben der National Oceanic and Atmospheric Administration eine Rekordgröße von 22.730 Quadratkilometer erreicht.

Alles in allem verändert menschliche Aktivität die chemischen Eigenschaften der Ozeane radikal und rapide, mit endgültigen Konsequenzen, die schwer vorherzusagen sind, sich aber höchstwahrscheinlich weder für das Leben in den Meeren noch für uns als positiv erweisen werden.

Und es gibt viele weitere Herausforderungen.

Die Landwirtschaft ist der Lebensnerv der uns bekannten Zivilisation, doch an den meisten Orten leben Menschen nicht mehr in Familienbetrieben. Die Priorität der industriellen Landwirtschaft ist maximale Produktivität bei minimalen Kosten, was einen intensiven Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Herbiziden erfordert. Wie zum Beispiel Monsantos berüchtigtes Roundup-Pestizid (Glyphosat), von dem man heute annimmt, dass es für Menschen ebenso wie für Honigbienen und viele andere Arten giftig ist. Es gibt jedoch ein weiteres grundlegendes Problem, das das Grantham-Zentrum für nachhaltige Zukünfte der Sheffield-Universität als »katastrophal« bezeichnet: Ein Drittel der weltweiten Ackerfläche ist in den letzten vierzig Jahren verloren gegangen, während zugleich die Nachfrage nach Nahrungsmitteln stark angestiegen ist. »Das ständige Pflügen der Felder, kombiniert mit einem hohen Einsatz von Düngemitteln, hat die Böden auf der ganzen Welt erodieren lassen, so die Forschung, wobei die Erosion bis zu hundertmal schneller vor sich geht als die Bodenbildung.« Aufgrund dieser Verschlechterung prognostiziert die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO), dass die Welt angesichts der derzeitigen landwirtschaftlichen Praktiken im Durchschnitt nur noch sechzig weitere Anbaujahre hat. Um mit der weltweiten Nachfrage nach Nahrungsmitteln Schritt zu halten, schätzt die FAO, dass jedes Jahr etwa fünfzehn Millionen Hektar neues Ackerland gebraucht werden, stattdessen aber gehen jedes Jahr etwa dreißig Millionen Hektar durch die Verschlechterung der Bodenqualität verloren. Als ob das noch nicht genug wäre, hat eine im Jahr 2014 in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie festgestellt, dass die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre zu einem signifikanten Rückgang des Nährwerts von Pflanzen geführt hat, insbesondere von Eiweiß, Eisen und Zink.

Als Zen-Praktizierender habe ich oft das Bodhisattva-Gelübde rezitiert, »alle Lebewesen zu retten«. Und aus buddhistischer Sicht gibt es heute vielleicht kein bedeutungsvolleres Problem als die Tatsache, dass wir uns in einer Zeit befinden, die von wissenschaftlicher Seite als das sechste große Artensterben der Erde bezeichnet wird und die von einem weitreichenden Rückgang der Artenvielfalt durch das Verschwinden vieler Pflanzen- und Tierarten gekennzeichnet ist. Es gibt in der heutigen biologischen Forschung unterschiedliche Ansichten darüber, wie schnell das Aussterben derzeit voranschreitet, aber meist wird es auf das Tausend- bis Zehntausendfache der »natürlichen Rate« geschätzt – jene Geschwindigkeit, mit der Arten ohne menschlichen Einfluss aussterben. Laut einem Bericht des UN-Umweltprogramms von 2010 sind heute jede vierte Säugetierart, jede achte Vogelart, jede dritte Amphibienart und 70 Prozent aller Pflanzenarten auf der Welt gefährdet, hauptsächlich durch Abholzung, industrielle Landwirtschaft, Urbanisierung und globale Erwärmung. In einem Bericht des World Wildlife Fund aus dem Jahr 2016 heißt es, dass die Populationen wildlebender Wirbeltiere zwischen 1970 und 2012 um 58 Prozent zurückgegangen sind, wobei die Verluste bis 2020 wohl auf 67 Prozent steigen werden. Eine Studie über Naturschutzgebiete in Deutschland ergab, dass der Insektenbestand zwischen 1989 und 2017 um 75 Prozent zurückgegangen ist. Am bedrohlichsten ist die Warnung des renommierten Biologen E. O. Wilson von der Harvard-Universität, dass bis 2100 die Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten auf der Erde aussterben oder so geschwächt sein könnten, dass sie bald darauf verschwinden werden.