Schokomayopompadour 5 Les copains d'abord!

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Schokomayopompadour 5 Les copains d'abord!
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Carine Cohen

Schokomayopompadour 5 Les copains d'abord!

Mit Bildern von Sonja Shenouda

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Les copains d’abord!

Impressum

Les copains d’abord!

Ah, les amis! Nichts geht über gute Freunde. Echte Freundschaften überstehen alles: Scheidungen, Kriege, Steuerhinterziehung und Tintenfisch mit Schlagsahne. Freundschaft ist wichtiger als vergängliche Liebeleien, schlammige Medienschlachten und undurchsichtige Korruptionsindexe. Amitié, Freundschaft ist für Franzosen mehr als nur ein hehres Wort. Für Freunde gehen sie auf die Barrikaden, riskieren gerne mal ein blaues Auge und einen Klecks im Führungszeugnis. Ein Freund zu werden bedeutet allerdings Schwerstarbeit und viel Courage, wobei es freilich nicht allen gelingt, die Ehren freundschaftlicher Bande zu erringen. Manche begnügen sich mit trinkseliger Kumpelei oder verzetteln sich in amourösem Tingeltangel. Andere wiederum sind hoch begabt auf einem Feld und minder auf dem anderen. So klagt bereits Cocteau:„Je sais mieux faire l’amitié que l’amour.“ Was so viel heißen soll wie: Mit meinen Kumpels läuft’s besser als im Bett!

Über Schwächen im Liebesleben hat sich die Menschheit lange genug den Kopf zerbrochen. Tantra und Kamasutra bieten brauchbare Hilfestellungen für jedermann. Für die Stabilisierung von Freundschaften sind sie allerdings weniger geeignet. Deshalb haben sich die Franzosen für ihre lieben Freunde etwas ganz Besonderes ausgedacht. Selbstverständlich müssen Freunde gehegt und gepflegt werden, zuallererst müssen sie jedoch auf Herz und Nieren geprüft werden, ob sie unserer Freundschaft wert sind. Und das erfordert eine ausgeklügelte Prozedur. Gespenstergeschichten am Lagerfeuer, Blutsfreundschaft und Frauentausch genügen nicht, um Franzosen auf Gedeih und Verderb zusammenzuschweißen. Es bedarf geheimer Riten und Prüfungen höchsten Schwierigkeitsgrades, die nur hart gesottene Kandidaten mit Erfolg bestehen.

Freunde erster Güte schafft man sich in Frankreich an den Grandes Ecoles, dem höheren Bildungssystem deluxe. Während die Universitäten (abgesehen von ein, zwei Ausnahmen) lediglich als Auffangstation für spätere Studienabbrecher und Akademiker zweiten Ranges gelten, bedeutet die Grande Ecole eine hochprozentige Garantie für eine Karriere in der französischen Wirtschaft oder Verwaltung. Der Weg dorthin ist allerdings lang und beschwerlich. In einer zweijährigen classe préparatoire wird den Bewerbern um einen der begehrten Studienplätze einiges abverlangt. Die Vorbereitung der geistigen Hochleistungssportler auf den concours, eine Prüfung, die über die Aufnahme an den bestplatzierten Grandes Ecoles (Polytechnique, Normale Sup, ENA, HEC) entscheidet, zwingt die zukünftige Elite der Nation zu mancherlei Verzicht. Während sich weniger strebsame Altersgenossen die Nächte in schummrigen Kneipen um die Ohren schlagen und die Welt wortreich zu verbessern suchen, paukt der französische Grande-Ecole-Kandidat, bis ihm das Hirn raucht, schwankt zwischen Aufputsch- und Beruhigungsmitteln und einer Nase Koks und entwirft detaillierte Pläne für seinen beruflichen Werdegang der nächsten dreißig Jahre. So viel Feuereifer ist natürlich nicht jedem vergönnt, weshalb so mancher Möchtegern-CEO nicht selten vorzeitig das Handtuch wirft. Das knallharte Auswahlverfahren lässt nur die zähesten Mitstreiter ans Ziel gelangen. Survival of the fittest!

Die Sieger im algorithmischen Nahkampf bilden eine verschworene Gemeinschaft, die streng darauf bedacht ist, jeglichen der ehrenwerten Familie unwillkommenen Eindringling fernzuhalten und Neuankömmlinge bedingungslos auf ihre Eignung zu testen. Denn wer einmal in den ausgewählten Kreis der Grande Ecole aufgenommen ist, hat die erste Etappe des Wettlaufs um die meist versprechenden Posten gewonnen. Am Ziel ist er allerdings noch lange nicht.

Freunde fürs Leben verdient man sich. Es reicht nicht, den akademischen Mitstreitern an Intelligenz und Ehrgeiz ebenbürtig zu sein. Der Karrieredschungel erfordert mehr als nur ein helles Köpfchen. Biss, Standhaftigkeit, Zähigkeit und unbedingter Gehorsam gegenüber den Altvorderen und den Regeln der Gemeinschaft sind die Erfolgsfaktoren, die Franzosen an einer Grande Ecole unter Beweis stellen müssen. Bizutage heißt der seltsame Initiationsritus, dem Neulinge unterzogen werden, bevor sie in den Schoß der akademischen Gemeinde aufgenommen werden.

Wer sich jetzt unter diesem Ritual Joints paffende, aber natürlich nicht inhalierende zukünftige Präsidenten oder die Business-Führungsriege der kommenden Jahrzehnte beim rhetorischen Schlagabtausch über die besten Investions-Portfolios vorstellt, liegt falsch. Französische Jungakademiker brauchen härteren Stoff, um ein allen Börsenschwankungen trotzendes Netzwerk aufzubauen. Bizutage ist allerdings auch kein klassisches Assessment-Center, in dem Teamfähigkeit, analytische Stärken und Businesstauglichkeit in Rollenspielen und Postkorbübungen getestet werden. Beim Bizutage erwarten den Novizen weit ungewöhnlichere Aufgaben: Von Schlagsahne auf haarigen Männerbeinen über frischen Tintenfisch auf Uniform bis zu Champagner-Perlen auf Striptease-Tangas reichen die denkwürdigen Rituale der französischen Elite.

Ihren Ursprung hat das eigenartige Gruppenritual im Mittelalter, als an der Pariser Universität die Jungscholaren mit Sex, Drugs and Violence begrüßt wurden. In den Wirren der Französischen Revolution ging der Bizutage klanglos unter und wurde erst wieder aus der Vergessenheit geholt, als die noble Ecole Polytechnique, das Flaggschiff französischer Hochschulen, zum Kampf gegen die verhasste Verwaltung aufrief. Um den Studenten der berühmt-berüchtigten Militärakademie den nötigen Schliff zu verpassen und ihnen die strikten Regeln einzutrichtern, erinnerte man sich des mittelalterlichen Gruppenzwangs. Offenbar mit großem Erfolg, denn bis heute konnte der Bizutage nicht ausgerottet werden. Obwohl der Gesetzgeber 1998 ein offizielles Verbot ausgesprochen hat und Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt werden, kommt es immer wieder zu Ausschreitungen. Die Elite schweigt, ordnet sich unter und hofft auf die Solidarität der Mitleidensgenossen und Peiniger in sonnigeren Zeiten, wenn es heißt:

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