Schokomayopompadour 7 Bon appétit!

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Schokomayopompadour 7 Bon appétit!
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Carine Cohen

Schokomayopompadour 7 Bon appétit!

Mit Bildern von Sonja Shenouda

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Bon Appétit

Impressum

Bon Appétit

Nein, Sie können ihm einfach nicht widerstehen! Genießerisch schließen Sie die Augen, sinnlich befeuchten Sie Ihre Lippen, begierig öffnen Sie den Mund. Cremig umhüllt er Ihre Zunge, erquickt Sie mit rassigem Spiel und kitzelt den Gaumen. Genüsslich saugen Sie seinen süßen Duft ein. Ihre Papillen beben und dürsten nach mehr. Schon benetzen Sie die Lippen erneut mit dem köstlichen Nektar und laben sich an seiner unvergleichlichen Süße. Ein herzhafter Biss und ein mild-nussiger Geschmack betört Ihre Sinne. Keine Reue, kein Bedauern: „Je ne regrette rien!“

Und das verlangt auch keiner von Ihnen! Denn nirgendwo auf der Welt hat man mehr Verständnis für die Verzückung der Geschmacksknospen als in Frankreich. Keiner wird Ihnen mit erhobenem Zeigefinger eine harsche Strafpredigt halten, nur weil Sie Gänseleberterrine mit Feigenkompott und einem Glas fruchtigen Sauternes nicht widerstehen können. Detaillierte Ausführungen über die federviehunwürdige Produktion dekadenter Delikatessen bleiben Ihnen erspart. Dafür belohnt man Sie augenzwinkernd mit einem verschwörerischen: Jedem sein pêché mignon! Eine „kleine, süße Sünde“ stehe jedem zu. Unmissverständlich wird Ihnen damit klargemacht, dass sich die Gourmandise, die Schlemmerei, moralischer Betrachtung entzieht. Die kulinarische Geschichte Frankreichs ist lang und gespickt mit Köstlichkeiten, die feinfühligen Makrobiotikern sauer aufstoßen und militanten Verfechtern artgerechter Tierhaltung Magenkrampfe verursachen. Der Franzose zuckt über solch eigenartige Überlegungen lediglich die Schultern und labt sich unbeirrt an Entenleber-Mus auf knusprigem Landbrot.

Der heroische Kampf für die Verbannung zarter Froschschenkel vom Mittagstisch kostet den Franzosen nur ein müdes Lächeln. Beherzt packt er den widerspenstigen Hummer und ergötzt sich an seiner Feuerröte, wenn er in den siedenden Kochtopf gleitet. Mit herzhaftem Biss gräbt er blitzende Zähne in das zarte Fleisch und schwelgt in kulinarischen Hochgenüssen, die den Gegnern französischer Haute Cuisine für immer verwehrt bleiben. Lediglich wenn José Bové südfranzösischer Schafszüchter und Champion kulinarischer Resistance zur Attacke gegen Hamburger, Hotdogs und die Fastfood-Industrie aufruft, knackt er genüsslich die Hummerscheren und bedroht Uncle Sam mit den Qualen französscher Kochkultur.

Was natürlich nicht heißen soll, dass man in Frankreich einen knautschigen Cheeseburger und ein leichenblasses Panino mit angeekeltem Gesicht verschmäht. Die Franzosen wehren sich zwar tapfer gegen die Ausrottung ihrer Esskultur, sind aber weit weniger radikal, wenn es um den eigenen Teller geht. Mittags verschlingen sie genauso wie alle chronisch Gestressten ein Sandwich mit Schinken, Käse und viel Mayonnaise. Im besten Fall verputzen sie bei McDo einen Salatteller und gönnen sich dazu eine Portion Pommes. Denn wer sich die Franzosen zwischen stumpfem Aktenwälzen und öden Zahlenkolonnen bei lukullischen Tafelfreuden vorstellt, irrt gewaltig. Der Großteil begnügt sich im grauen Büroalltag mit strohigem Industriebaguette und einer klebrigen Coke. Daran ändert auch der Trend zum Nobelsandwich nicht viel. Alain Ducasse, der berühmte französische Starkoch und der glorreiche Bäcker Eric Kayser bieten in Ihrer Boulangerie-Epicerie BE Fast Food mit französischem Flair feil. Man muss sich diese Leckerbissen allerdings leisten können, denn acht Euro für ein knuspriges Nussbrot mit Olivenpaste ist nicht jedem Portemonnaie vergönnt. Der Durchschnittsfranzose begnügt sich also wochentags mit pappigem Weißbrot und welken Salatblättchen. Am Abend sieht es nicht viel besser aus: Pizza oder Sushi vor der Mattscheibe. Es sei denn die Familie ruft nach mehr: Tütensuppe, ein schnelles Steak, Schokodanette und eingeschweißter Emmentaler. Ein tristes, Magen verstimmendes Programm mit weltumspannender Reichweite!

Was man natürlich nur zu gut nachvollziehen kann! Denn wer hat schon Lust, jeden Tag nach Feierabend den Kochloöffel zu schwingen und eine Horde ausgehungerter Gören mit Hechtterrine und Soufflé zu verwöhnen? Erstens hat man dazu wirklich keine Zeit, wenn man spätabends von der Metro nach Hause hetzt und zweitens braucht man für solche Delikatessen ein Publikum, dessen kulinarische Grundkenntnisse über Spaghetti Bolo hinausgehen. Doch wehe das Wochenende naht! Der sträflich vernachlässigte Gaumen zuckt und die Französin rafft sich wacker auf, um ihrem kulinarischen Ruf nun doch noch alle Ehre zu machen. Die Kulinarik muss zelebriert werden und darf keinesfalls auf das tägliche, langweilige Eintopfeinerlei herabgewüdigt werden. Die Zeiten, als Kochen eine lästige Hausfrauenpflicht war, sind Gott sei Dank vorbei!

Um so besser für Sie! Jetzt können Sie endlich am Samstag in Jeans und Converse, einen geflochtenen Einkaufskorb à la Jane Birkin am Arm, auf den Markt schlendern und allein am Duft die Qualität der Charantais-Melonen erschnuppern. Dem Fischhändler geben Sie sanft, aber bestimmt zu verstehen, dass er sich seinen Lachs sonstwo, nun, Sie wissen schon was ich meine! Dabei schnappen Sie sich ein frisch geschliffenes Messer und entschuppen und filetieren die fangfrische, schimmernde Goldbrasse, dass es dem armen Monsieur Durand die Sprache verschlägt. Der Metzgermeister ist hingerissen vor Bewunderung, wenn Sie ihm die Vorzüge französischen Lammfleisches gegenüber neuseeländischer Massenproduktion erklären und packt Ihnen gleich noch ein Lendchen extra ein. Der Bäcker weiß natürlich längst, dass Sie Ihre Baguette Tradition keinesfalls trop cuite, zu dunkel gebacken, sondern auf die Nuance goldgelb, eben pas trop cuite wünschen. Jetzt sind Sie in Ihrem Element! Auf die Zutaten kommt es an, meine Damen und Herren! Eine erstklassige Cuisine erfordert knackiges Gemüse, zart marmoriertes Fleisch und Fische, die so biegsam sind, dass sie ganz von alleine in die Pfanne springen. Dafür ist man auch bereit, halb Paris zu Fuß zu durchqueren. Das knusprigste, handgeknetete, perfekt gebräunte Baguette findet sich eben nicht an jeder Straßenecke! Und Ihre Lieblingskartoffelsorte gibt es ohnehin nur auf dem Biomarkt am Boulevard Raspail, wo Sie vielleicht Gelegenheit haben, nicht nur der Einkaufstasche Jane Birkins, sondern der Dame ganz persönlich über den Weg zu laufen.

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