Berufs- und Arbeitspädagogik

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1.2.2.6 Jugendarbeitsschutzrecht

Das Jugendarbeitsschutzgesetz gilt für Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind.

> Kinder sind Personen, die noch nicht 15 Jahre alt sind.

> Jugendliche sind Personen, die 15, aber noch nicht 18 Jahre alt sind.

Soweit Jugendliche noch der Vollzeitschulpflicht unterliegen, finden auf sie die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung.

Die Beschäftigung von Kindern ist verboten. Ausnahmen gelten nur in besonderen Fällen.

Beispiele:

Im Rahmen eines Betriebspraktikums während der Vollzeitschulpflicht.

Ab dem 13. Lebensjahr – bis zu zwei Stunden an bis zu fünf Tagen in der Woche – mit Einwilligung des Personensorgeberechtigten, soweit die Beschäftigung leicht und für Kinder geeignet ist (spezielle Kinderarbeitsschutzverordnung).

Eine Beschäftigung während der Schulferien für höchstens vier Wochen im Kalenderjahr, wenn das 15. Lebensjahr vollendet ist, aber noch Vollzeitschulpflicht besteht.

Nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegende Kinder in einem Berufsausbildungsverhältnis.

Arbeitszeit

Als Arbeitszeit gilt die Zeit zwischen Beginn und Ende der täglichen Beschäftigung ohne die Ruhepausen.

Die zulässige Höchstarbeitszeit für Jugendliche beträgt

> bis zu 8,5 Stunden täglich,

> wöchentlich 40 Stunden.

Wird an einzelnen Werktagen die Arbeitszeit auf weniger als acht Stunden verkürzt, ist die Beschäftigung an den übrigen Tagen derselben Woche bis zu 8,5 Stunden zulässig. In Tarifverträgen oder darauf beruhenden Betriebsvereinbarungen sind Abweichungen (bis zu 9 Stunden täglich, 44 Stunden wöchentlich und 5,5 Tage in der Woche) möglich, jedoch nur unter Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche in einem Ausgleichszeitraum von zwei Monaten.

Die Arbeitszeit von 40 Stunden verteilt sich auf

> 5 Tage in der Woche.

Die beiden wöchentlichen Ruhetage sollen nach Möglichkeit aufeinander folgen.

Schichtzeit

Schichtzeit ist die tägliche Arbeitszeit unter Hinzurechnung der Ruhepausen. Sie darf zehn Stunden – im Gaststättengewerbe, auf Bau- und Montagestellen elf Stunden – nicht überschreiten.

Berufsschultag

> Die Beschäftigung vor einem vor 9 Uhr beginnenden Unterricht ist unzulässig; dies gilt auch für Personen, die über 18 Jahre alt und noch berufsschulpflichtig sind.

> An einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten (einmal in der Woche) dürfen Jugendliche im Betrieb nicht beschäftigt werden. Dies gilt auch in Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens fünf Tagen; zusätzliche betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zu zwei Wochenstunden wöchentlich sind in diesem Fall zulässig.

> Bei Jugendlichen wird wöchentlich ein Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden mit acht Stunden auf die gesetzliche Arbeitszeit angerechnet; Berufsschulwochen mit Blockunterricht im vorgenannten Umfang werden mit 40 Stunden angerechnet. Zu beachten ist: Bei Erwachsenen gibt es keine pauschale Anrechnung, sondern eine (bezahlte) Freistellung für Zeiten, in denen sich Berufsschulzeit und Ausbildungszeit überschneiden.

Für die Teilnahme an Prüfungen und überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen sowie an dem Arbeitstag, der der schriftlichen Gesellen- oder Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht, sind Jugendliche von der Arbeit unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts und Anrechnung auf die Arbeitszeit freizustellen. Wird die Gesellen- oder Abschlussprüfung in zwei auseinanderfallenden Teilen durchgeführt, hat der Jugendliche Anspruch auf insgesamt zwei freie Tage.

Freizeit

Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit muss eine ununterbrochene Freizeit von mindestens zwölf Stunden liegen.

Ruhepausen

Nach einer Arbeitszeit von 4,5 Stunden muss eine Ruhepause gewährt werden.

Sie beträgt bei einer Arbeitszeit

> bis zu 6 Stunden - 30 Minuten täglich,

> bei mehr als 6 Stunden - 60 Minuten täglich.

Als Pausen gelten nur Arbeitsunterbrechungen von mindestens 15 Minuten.

Beschäftigungsverbote

Verboten ist die Beschäftigung:

> mit Mehrarbeit, es sei denn, dass es sich um unaufschiebbare Arbeiten in Notfällen handelt und erwachsene Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen

> während der Nachtzeit von 20.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr früh

Ausnahmen:

 in Betrieben, in denen die Beschäftigten in außergewöhnlichem Grade der Einwirkung von Hitze ausgesetzt sind, in der warmen Jahreszeit ab 5.00 Uhr

Jugendliche über 16 Jahre

 in Bäckereien und Konditoreien ab 5.00 Uhr

 im Gaststättengewerbe bis 22.00 Uhr

 in mehrschichtigen Betrieben bis 23.00 Uhr

Jugendliche über 17 Jahre

 in Bäckereien ab 4.00 Uhr

> an Samstagen; Ausnahmen zum Beispiel in offenen Verkaufsstellen, Bäckereien und Konditoreien, im Friseurhandwerk und Gaststättengewerbe

> an Sonn- und Feiertagen

> am 24. und 31. Dezember nach 14.00 Uhr

> mit Arbeiten, die die physische oder psychische Leistungskraft eines Jugendlichen übersteigen

> mit gefährlichen Arbeiten, es sei denn, dass dies zur Erreichung des Ausbildungszieles erforderlich ist und unter Aufsicht erfolgt

> mit Akkordarbeiten.

Urlaub

Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt, gestaffelt nach Alter, wenn der Arbeitnehmer bzw. Auszubildende zu Beginn des Kalenderjahres:


> noch nicht 16 Jahre alt ist= 30 Werktage(alle Kalendertage mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage)
> noch nicht 17 Jahre alt ist= 27 Werktage
> noch nicht 18 Jahre alt ist= 25 Werktage
> bereits 18 Jahre alt ist= 24 Werktage

Unfallgefahren

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, die zum Schutz der Jugendlichen gegen Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlich sind. Vor Beginn der Beschäftigung, bei wesentlicher Änderung der Arbeitsbedingungen und in angemessenen Zeitabständen, mindestens aber halbjährlich, müssen Jugendliche über die Unfall- und Gesundheitsgefahren im Betrieb unterwiesen werden.

Gesundheitliche Betreuung

Mit der erstmaligen Beschäftigung eines Jugendlichen darf nur begonnen werden, wenn er

> innerhalb der letzten 14 Monate von einem Arzt untersucht worden ist und

> eine von diesem Arzt ausgestellte Bescheinigung dem Arbeitgeber vorlegt.

Ein Jahr nach Aufnahme der ersten Beschäftigung hat sich der Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über die Nachuntersuchung vorlegen zu lassen. Legt der Jugendliche die Bescheinigung nicht rechtzeitig vor, hat ihn der Arbeitgeber innerhalb eines Monats unter Hinweis auf das Beschäftigungsverbot schriftlich aufzufordern, ihm die Bescheinigung vorzulegen. Eine Durchschrift hiervon erhalten der Personensorgeberechtigte und der Betriebsrat.

Nach Ablauf von 14 Monaten nach Aufnahme der Beschäftigung darf der Jugendliche nicht mehr weiterbeschäftigt werden, solange die Bescheinigung nicht nachgereicht wird.

Enthält die Bescheinigung des Arztes einen Vermerk über Arbeiten, durch deren Ausübung die Gesundheit des Jugendlichen gefährdet ist, darf der Jugendliche mit solchen Arbeiten nicht beschäftigt werden. Weitere Nachuntersuchungen sind möglich, aber nicht vorgeschrieben.

Die Untersuchungen sind kostenfrei; es besteht freie Arztwahl. Zur Durchführung der ärztlichen Untersuchung ist der Jugendliche unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Arbeit freizustellen. Die Bescheinigungen hat der Arbeitgeber bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Jugendlichen aufzubewahren.

Die Kammern dürfen Ausbildungsverträge von Jugendlichen nur dann in das Verzeichnis eintragen, wenn die Bescheinigung über die Erstuntersuchung vorgelegt wird. Sie haben die Eintragung wieder zu löschen, wenn die Bescheinigung über die Nachuntersuchung nicht spätestens am Tage der Anmeldung zur Zwischenprüfung oder zum ersten Teil der Gesellen- bzw. Abschlussprüfung zur Einsicht vorgelegt wird.

Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz sind mit einer Geldbuße bis zu 15.000,00 EUR oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht.

Handlungsorientierte, fallbezogene Aufgaben

1. Sie sind Inhaber eines Handwerksbetriebes. Im personellen Bereich treten immer wieder Probleme auf, weil nicht genügend Personal zur Verfügung steht, die qualitative Struktur nicht immer stimmt und die zeitlichen und örtlichen Einsatzmöglichkeiten nicht optimal gegeben sind. Um diese Probleme zu lösen und die Leistungsfähigkeit und die Entwicklungschancen des Betriebes nachhaltig zu verbessern, wollen Sie die Personalbedarfsplanung und die Maßnahmen zur Deckung des Personalbedarfs systematisieren und bestmöglich gestalten.

 

Aufgabe: Stellen Sie dar, wie Sie die beiden Ziele für Ihren Betrieb erreichen können!

>> Seiten 28 bis 29 |

2. Sie haben sich als Betriebsinhaber entschieden, künftig Lehrlinge auszubilden. Deshalb wollen Sie sich zunächst einen Überblick über die für die Berufsausbildung wichtigen Gesetze und Verordnungen verschaffen, nicht zuletzt auch deshalb, um die künftigen Auszubildenden darüber zu informieren.

Aufgabe:

1 Stellen Sie fest, welche Bedeutung das Grundgesetz und die Länderverfassungen dabei haben!

2 Erstellen Sie eine Liste über alle in diesem Zusammenhang wichtigen Gesetze und Verordnungen!

3 Erläutern Sie wichtige Regelungsinhalte des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung, die für Ihre künftige Arbeit wichtig sind!

>> Seiten 29 bis 39 |

3. Sie beschäftigen einen Auszubildenden, der 17 Jahre alt ist.

Aufgabe: Stellen Sie dar, welche Arbeitszeitvorschriften bei diesem Auszubildenden zu beachten sind!

>> Seiten 40 bis 41 |

1.3 Lernsituation: Strukturen des Berufsbildungssystems und seine Schnittstellen darstellen

Kompetenzen:

> Einbindung des Berufsbildungssystems in die Struktur des Bildungssystems beschreiben.

> Anforderungen an das Bildungssystem für die Berufsbildung darstellen.

> Das duale System der Berufsausbildung bezüglich Struktur, Zuständigkeiten, Aufgabenbereiche und Kontrolle beschreiben.

1.3.1 Einordnung des Berufsbildungssystems in das deutsche Bildungssystem
1.3.1.1 Grundstruktur des Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland

Im Rahmen der föderalen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland können die Länder das Bildungswesen im schulischen Bereich in eigener Zuständigkeit regeln.

Deshalb bestehen Unterschiede in den Schulsystemen einzelner Länder. Damit die Abweichungen nicht unvertretbar groß werden, bestehen Koordinierungsinstrumente und Koordinierungsgremien. Als wichtigste Gremien bzw. Kooperationsformen sind zu nennen:

> die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK)

> Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich

> die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern.

Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über die Grundstruktur des Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland. In den einzelnen Ländern bestehen Abweichungen. Außerdem sind einzelne Sonderschulformen weggelassen. Die allgemeine Schulpflicht ist unterschiedlich geregelt.

Die Abbildung verdeutlicht ferner die Stellung der Berufsbildung in der Gesamtstruktur des Bildungswesens.

Grundstruktur des Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland


Durchlässigkeit zwischen den Schulformen ist bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen grundsätzlich gewährleistet. Vollzeitschulpflicht 9 Jahre (in BE und NRW 10 Jahre), Teilzeitschulpflicht 3 Jahre.

1) Sonderschulen mit verschiedenen Sparten entsprechend den Behinderungsarten im Bereich der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen.

2) Nachträglicher Erwerb dieser Abschlüsse für Erwachsene an Abendhauptschulen und Abendrealschulen möglich.

3) Die Fachhochschulreife kann auch z. B. an Berufsfachschulen und Fachschulen erworben werden. Ferner können auch Bewerber mit Meisterprüfung zum Studium an einer Fachhochschule oder Hochschule zugelassen werden. Die Zulassung für Meister kann je nach Länderregelung ohne weitere Voraussetzungen oder über Eignungs- oder Beratungsgespräche, Eignungs-, Einstufungs- oder Zugangsprüfungen, Vorsemester oder ein Propädeutikum oder über ein überdurchschnittlich gutes Meisterprüfungszeugnis erreicht werden. Einzelne Länderregelungen ermöglichen auch Gesellen mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung den fachgebundenen Zugang zu Fachhochschulen oder Hochschulen. Um zu möglichst bundeseinheitlichen Regelungen zu kommen, sind folgende Beschlüsse zielführend: Ein Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06. 03. 2009 sieht ebenfalls für Handwerksmeister die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung, für beruflich Qualifizierte mit abgeschlossener Berufsausbildung (z. B. Gesellen) und mindestens dreijähriger Berufspraxis eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung vor.

4) Dauer 1 – 3 Jahre; einschließlich Schulen des Gesundheitswesens, die für Berufe des Gesundheits- und Pflegedienstes eine berufliche Erstausbildung vermitteln.

5) Einschließlich Hochschulen mit einzelnen universitären Studiengängen (z. B. Theologie, Philosophie, Medizin, Verwaltungswissenschaften, Sport).

Quelle: Grund- und Strukturdaten des Bundesministers für Bildung und Forschung

Erläuterung zu den aufgeführten Bildungsbereichen:

> Elementarbereich: Hier sind familienergänzende Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen nach Vollendung des 3. Lebensjahres bis zum Beginn der Schule vorgesehen.

> Primarbereich: Der in der Regel vier Jahre umfassende Primarbereich führt den Schüler zu den systematischen Formen des schulischen Arbeitens hin.

> Sekundarbereich I: Der Sekundarbereich I baut auf den Primarbereich auf und dauert bis zum 9. bzw. 10. Schuljahr.

> Sekundarbereich II: Der Sekundarbereich II umfasst sowohl Bildungsgänge, die auf einen Beruf vorbereiten, als auch studienbezogene Bildungsgänge und solche, die mit einer beruflichen Qualifikation weiterführende Bildungsgänge im tertiären Bereich eröffnen. Er umfasst zwei bis drei Jahre.

> Tertiärer Bereich: Der tertiäre Bereich umfasst die Hochschulen und andere Ausbildungsstätten mit berufsqualifizierenden Bildungsgängen.

> Weiterbildung: Die allgemeine und berufsbezogene Weiterbildung vollzieht sich in vielfältigen Formen.

Durch die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder im schulischen Bereich können sich in einzelnen Bundesländern Abweichungen zu den Darstellungen im obigen Schema ergeben.

1.3.1.2 Struktur des beruflichen Bildungssystems

Die Berufsausbildung erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland schwerpunktmäßig in Ausbildungsbetrieben und in Berufsschulen (duales System). Nähere Einzelheiten >> Abschnitt 1.3.3.

Für die berufliche Fortbildung stehen insbesondere private und öffentliche Schulen und Bildungseinrichtungen der Wirtschaft sowie Akademien und Hochschulen zur Verfügung. Nähere Einzelheiten >> Abschnitt 4.4.

1.3.2 Grundlegende Anforderungen an das Bildungssystem, insbesondere Chancengleichheit, Durchlässigkeit, Transparenz, Gleichwertigkeit
1.3.2.1 Chancengleichheit

Das allgemeine Recht des Einzelnen auf Bildung setzt für seine Verwirklichung voraus, dass jedem, gleichgültig aus welcher sozialen Schicht und beruflichen Tätigkeit er kommt und unabhängig von der Lage seines Wohnortes, seiner Herkunft und seiner Staatsangehörigkeit oder von seinen Einkommensverhältnissen, grundsätzlich die gleichen Chancen in den verschiedenen Bildungswegen eröffnet werden. Die Chancengleichheit kann durch Kostenfreiheit der Bildungseinrichtungen und/​oder durch gezielte finanzielle Förderung aller Bildungsmaßnahmen erhöht werden.

Eine besondere Rolle für die Chancengleichheit spielen die öffentliche Verantwortung für das Bildungswesen sowie die Differenzierung und Individualisierung.

Die öffentliche Verantwortung für das gesamte Bildungswesen obliegt dem Staat. Er hat dafür zu sorgen, dass das Recht auf eine den individuellen Fähigkeiten entsprechende angemessene Bildung, die freie Wahl des Berufes und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit seiner Bürger gewährleistet ist.

Die öffentliche Hand hat ferner Sorge zu tragen, dass das Bildungssystem eine wichtige Grundlage für eine leistungsfähige Volkswirtschaft ist.

Die öffentliche Verantwortung wird vom Staat selbst unmittelbar getragen oder aber in Teilbereichen auf andere Einrichtungen (zum Beispiel Kommunen, Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft) übertragen. Zur Wahrnehmung der Verantwortung dienen unter anderem folgende Maßnahmen:

> Bau oder finanzielle Förderung von Schulen, Hochschulen und sonstigen Bildungseinrichtungen

> Unterhaltung von Bildungseinrichtungen

> Überwachung der allgemeinen Schulpflicht

> Schulaufsicht

> Aufsicht über sonstige Bildungseinrichtungen.

Die öffentliche Verantwortung für die Berufsausbildung ist entsprechend der Zuordnung im dualen System (Ausbildungsbetrieb und Berufsschule) zweigeteilt.


Ein Bildungssystem ist nur dann chancengerecht, wenn durch Differenzierung und Individualisierung dem Leistungsstand, den Neigungen und den persönlichen Fähigkeiten des Einzelnen entsprochen wird (innere Differenzierung). Das bedeutet, dass innerhalb einer Lerngruppe dem Leistungsgefälle Rechnung getragen wird. Das bedeutet aber auch, dass besondere Begabungen und Leistungen in der Berufsausbildung anerkannt und öffentlich gefördert werden (äußere Differenzierung), zum Beispiel durch Begabtenförderungsprogramme. (>> Abschnitt 4.4.5.4)

1.3.2.2 Durchlässigkeit des Bildungswesens

Chancengleichheit setzt aber auch Durchlässigkeit der Bildungswege voraus.

Die Durchlässigkeit muss beim Übergang von einer schulischen in eine berufliche bzw. betriebliche Ausbildung beginnen.

Sie soll u. a. folgende weitere Übergänge und Verzahnungen ermöglichen:

> von der Einstiegsqualifizierung und von der Berufsausbildungsvorbereitung in die Berufsausbildung

> von der zweijährigen in eine dreijährige Berufsausbildung

> von der normalen Berufsausbildung in Zusatzqualifikationen

> von der Berufsausbildung in die Berufliche Oberschule

> von der Berufsausbildung in die berufliche Fortbildung

> von einer Fortbildung (Fortbildungsabschluss) in aufbauende Fortbildungsmaßnahmen und Abschlüsse

> von der Beruflichen Oberschule in die Fachhochschule

> von der Berufsausbildung in die Fachhochschule oder Hochschule

> von der Beruflichen Oberschule zur Universität

> vom beruflichen Fortbildungsabschluss (z. B. Meisterprüfung) zur Fachhochschule oder Hochschule

> von bestimmten berufsbildenden Qualifikationen zur Hochschulzugangsberechtigung.

Darüber hinaus sollten im beruflichen Bildungswesen erworbene Kompetenzen auf einschlägige Hochschulstudiengänge studienzeitverkürzend angerechnet werden. International gesehen sind bessere Übergänge zwischen den Bildungssystemen in der Europäischen Union anzustreben.

1.3.2.3 Transparenz

Die Gesellschaftspolitik muss dafür sorgen, dass sowohl das allgemeine Bildungswesen als auch die Organisation der beruflichen Bildung überschaubar sind (Transparenz). Dies ermöglicht dem jungen Menschen, zum jeweils richtigen Zeitpunkt die richtige Wahl zu treffen.