Berufs- und Arbeitspädagogik

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1 Handlungsfeld: Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen

1.1 Lernsituation: Vorteile und Nutzen betrieblicher Ausbildung darstellen und begründen

Kompetenzen:

> Ziele und Aufgaben der Berufsausbildung, insbesondere die Bedeutung der beruflichen Handlungskompetenz, für Branche und Betrieb herausstellen.

> Vorteile und Nutzen der Ausbildung für Jugendliche, Wirtschaft und Gesellschaft beschreiben.

> Nutzen der Ausbildung auch unter Berücksichtigung der Kosten für den eigenen Betrieb begründen.

1.1.1 Ziele und Aufgaben der Berufsausbildung
1.1.1.1 Berufliche Handlungskompetenz als grundlegendes Ziel der Ausbildung

Bildung und Ausbildung des Menschen waren – einfach ausgedrückt – im Wesentlichen schon immer darauf ausgerichtet, ihn zu befähigen, sachgerecht in allen privaten Lebenssituationen, aber vor allem in der Ausübung eines Berufes, zu handeln und sich mit seinem Verhalten im Lebensumfeld zurechtzufinden, also ein Höchstmaß an Fähigkeiten zur Lebensbewältigung zu erwerben.

Menschliches Leben erfordert Handeln in vielfältiger Art und Weise, insbesondere in Ausübung beruflicher Tätigkeiten. Zu jeder Handlung braucht der Mensch Kompetenz, die aus Fähigkeiten, Kenntnissen, Fertigkeiten, Erfahrungen und Einstellungen besteht.

Der rasche und umfangreiche technische und wirtschaftliche Wandel wird das Arbeitsleben zukünftig noch stärker beeinflussen und ständig verändern. Technisches Wissen und einmal erworbene berufliche Kenntnisse veralten heute rascher als jemals zuvor. Die Arbeitsteilung wird national und international weiter zunehmen. Damit sind zugleich erhebliche Veränderungen bezüglich der beruflichen Qualifikation während eines Arbeitslebens verbunden.

Die Berufsausbildung kann verständlicherweise nicht bereits alle möglichen Veränderungen eines Arbeitslebens vorwegnehmen und berücksichtigen. Aber sie soll den Auszubildenden befähigen, sich besser mit Veränderungen auseinanderzusetzen und zukünftige Anforderungen besser bewältigen zu können. Berufsausbildung schafft damit auch die Grundlage, ein Leben lang zu lernen.

Ein modernes Ausbildungssystem muss also im Ergebnis des Qualifizierungsprozesses auf berufliche Handlungsfähigkeit ausgerichtet sein. Deshalb ist nach dem Berufsbildungsgesetz (§ 1) im Rahmen der Berufsausbildung berufliche Handlungsfähigkeit in einem Ausbildungsberuf zu vermitteln. Der Gesetzgeber stellt hierbei den Anspruch, dass nach erfolgreich bestandener Gesellen- oder Abschlussprüfung die volle berufliche Handlungsfähigkeit für den jeweiligen Ausbildungsberuf vorhanden ist.

In diesem Zusammenhang spricht die Berufs- und Arbeitspädagogik von der beruflichen Handlungskompetenz. Diese berufliche Handlungskompetenz bezieht sich nicht nur auf die rein fachliche Kompetenz (vielfach auch Methodenkompetenz genannt), sondern auch auf persönliche Eigenschaften und den Umgang mit Kollegen, Kunden sowie Vorgesetzten.

Die berufliche Handlungskompetenz umfasst also mehrere unterschiedliche Einzelkompetenzen. Die drei wichtigsten Teilbereiche sind:

> fachliche Kompetenz

> persönliche Kompetenz

> soziale Kompetenz.

Die einzelnen Kompetenzbereiche können wiederum mit vielfältigen Eigenschaften charakterisiert werden. Man nennt sie auch Schlüsselqualifikationen.

1.1.1.2 Schlüsselqualifikationen

Schlüsselqualifikationen sind Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht nur mit dem eigentlichen Beruf, sondern auch mit anderen Berufsfeldern, Tätigkeiten und Funktionen zusammenhängen, also berufsübergreifend sind. Sie beziehen sich auch auf Fähigkeiten, die nicht nur zur Bewältigung gegenwärtiger, sondern vor allem zukünftiger Anforderungen des Berufslebens geeignet sind.

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Fachkompetenz sind:

> fachliche Fertigkeiten

> fachliche Kenntnisse

> Lern- und Arbeitstechniken

> Problemlösungsstrategien.

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Persönlichkeitskompetenz sind:

> Leistungsbereitschaft

> Zuverlässigkeit

> Sorgfalt

> Lernfähigkeit und -bereitschaft

> Urteilsvermögen, Entscheidungsfähigkeit

> abstraktes, analytisches und logisches Denken

> Kreativität, Flexibilität

> Gesprächsbereitschaft

> Eigeninitiative.

Schlüsselqualifikationen aus dem Bereich der Sozialkompetenz sind:

> Kollegialität

> Kontakt-, Kommunikationsfähigkeit

> Kooperationsbereitschaft, Teamfähigkeit

> Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen

> Toleranz

> Hilfsbereitschaft

> Kompromiss-, Durchsetzungsfähigkeit

> Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Handlungskompetenz ist nicht bereits dann gegeben, wenn ein Bereich möglichst gut ausgeprägt ist, sondern sie erfordert sowohl fachliche wie auch persönliche und soziale Schlüsselqualifikationen.

1.1.1.3 Befähigung zum selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren, prozessorientierte Ausbildung

Handlungskompetenz besitzt, wer selbstständig planen, durchführen und kontrollieren kann. Dies soll erreicht werden, indem der Auszubildende im Lernvorgang selbst bereits diese Schritte der vollständigen Handlung, also planen, durchführen und kontrollieren, umsetzt. In diesem Fall spricht man auch von einer handlungsorientierten Ausbildung.

Die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten sollen so vermittelt werden, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird, die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren an seinem Arbeitsplatz einschließt.

In der konkreten betrieblichen Praxis bedeutet dies:

> Selbstständiges Planen: Der Lehrling soll in der Lage sein, den Arbeitsvorgang bzw. Arbeitsprozess selbst zu planen.

> Selbstständiges Durchführen: Der Lehrling kann den von ihm geplanten Arbeitsablauf auch ohne fremde Hilfe ausführen.

> Selbstständiges Kontrollieren: Der Lehrling lernt, seine eigenen Leistungen selbstkritisch zu prüfen sowie Fehler und deren Ursachen und Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung zu erkennen.

Im Zuge der praktischen Umsetzung der „Prozessorientierung“ als neues didaktisches Konzept in der Ausbildung sehen vermehrt Ausbildungsordnungen (z. B. Metall- und Elektroberufe) zusätzlich vor, dass die notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Qualifikationen auch auf Geschäfts- und Arbeitsprozesse (Abläufe) bezogen zu vermitteln sind. Die Vermittlung soll die Fähigkeit zum Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang einschließen. Die Ausbildung ist somit prozessorientiert und geschäftsprozessbasiert zu planen und durchzuführen.

Diese „prozessbezogene“ Vermittlung von Qualifikationen bedeutet eine veränderte Ausbildungsgestaltung und zusätzliche, neue Anforderungen an das Ausbildungspersonal. Die vorgegebenen Inhalte der Ausbildungsordnungen sind dabei auf betriebliche Geschäfts- und Arbeitsprozesse zu beziehen. In der Ausbildung soll „Prozesskompetenz“, also die Fähigkeit zum sachverständigen Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang und somit die Fähigkeit zur Prozessgestaltung und Prozessveränderung, vermittelt werden. Dabei kommt den Gesichtspunkten Qualitäts- und Effizienzoptimierung eine große Bedeutung zu. Prozesskompetenz bezieht, so gesehen, auch die Fähigkeit, an dieser Optimierung (bestmöglichen Gestaltung) mitzuwirken, ein.

1.1.2 Bedeutung der Ausbildung für Jugendliche, Wirtschaft und Gesellschaft
1.1.2.1 Bedeutung der Berufsbildung für den Jugendlichen

Die Bedeutung der Berufsausbildung für den Einzelnen liegt in folgenden Bereichen:

> wichtiger Einstieg ins Berufsleben

> Sicherung eines Arbeitsplatzes

> Sicherung des Lebensunterhalts und der finanziellen Existenzgrundlage

> stufenweise Einführung in die Berufs- und Arbeitswelt

> Erwerb von Verhaltensformen im Betrieb

> Schaffung einer Grundlage für berufliche Mobilität (örtliche und fachliche Beweglichkeit)

> Lernen von selbstständigem Arbeiten und Handeln

> Persönlichkeitsbildung

> Aneignung von Pflichtbewusstsein, Verantwortung und Zuverlässigkeit

> Voraussetzung für den Einstieg in Weiterbildungsmöglichkeiten.

1.1.2.2 Bedeutung der Berufsbildung für Wirtschaft und Gesellschaft

Jede Gesellschaft muss alle denkbar geeigneten Maßnahmen durchführen, um die berufliche Leistungsfähigkeit zu schaffen und zu erhalten. Die Leistungsfähigkeit des Einzelnen ist auch für eine Gesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen wichtig, weil Menschen, die ihre berufliche Leistungsfähigkeit vorzeitig verlieren, letztlich auf Kosten der übrigen arbeitenden Mitglieder der Gesellschaft mitgetragen werden müssen. Die Erhaltung der beruflichen Leistungsfähigkeit ist ferner ein wichtiges Element für die Stabilität einer Gesellschaftsordnung, weil Arbeitslosigkeit, die auf mangelnde berufliche Leistungsfähigkeit zurückzuführen ist, auf Dauer gesehen eine Gesellschaftsordnung gefährdet.

Die berufliche Leistungsfähigkeit und somit die Stabilität einer Gesellschaftsordnung wird insbesondere erreicht und erhalten durch

 

> eine solide berufliche Ausbildung,

> eine laufende berufliche Fortbildung und

> durch geeignete berufliche Umschulungsmaßnahmen im Bedarfsfall.

Wirtschaftspolitische Bedeutung der Berufsbildung

Der wichtigste Produktionsfaktor „Arbeit“ hängt in einer Volkswirtschaft vom Niveau der Ausbildung aller arbeitenden Menschen ab.

In einem rohstoffarmen Land wie der Bundesrepublik nimmt somit die berufliche Bildung wirtschaftspolitisch die absolute Schlüsselrolle ein.

Sie ist die wichtigste Investition in „Humankapital“, die genauso bedeutsam ist wie die Investition in Sachkapital (Maschinen, Werkzeuge usw.).


Die enge Verflechtung von Problemen der Bildungs-, Gesellschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hat dazu geführt, dass Berufsbildungsfragen auch unter dem Gesichtspunkt sozial- und arbeitsmarktpolitischer Entscheidungen gesehen werden müssen.

Arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Berufsbildung

Am Arbeitsmarkt treffen Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften zusammen. Das oberste Ziel der Arbeitsmarktpolitik muss der Ausgleich von Angebot und Nachfrage sein. Der Arbeitsmarkt wird von folgenden Faktoren beeinflusst:

> technische Entwicklungen

> konjunkturelle und strukturelle Entwicklungen

> lohnpolitische Entscheidungen

> sozialpolitische Entscheidungen

> bildungspolitische Entscheidungen

> Qualität der Berufsbildung.

Einer der stärksten Einflussfaktoren ist die Bildungspolitik und die qualitative und quantitative Situation in der beruflichen Bildung.

Qualitativ gesehen muss das berufliche Bildungssystem dafür sorgen, dass deren Absolventen den technischen und ökonomischen Anforderungsprofilen der beruflichen Arbeit (Fertigkeiten, Kenntnisse, Verhaltensformen, Problemlösungskompetenz) in den Betrieben und somit am Arbeitsmarkt entsprechen. Dabei ist die Ausbildung auf größtmögliche Beweglichkeit (Mobilität) zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen, Branchen und Regionen auszurichten. Quantitativ betrachtet muss in erster Linie die Bildungspolitik (zum Beispiel durch Aufwertung der beruflichen Bildung), aber auch der Bürger in seinem Berufswahlverhalten dafür sorgen, dass genügend fachlich vorgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und der Arbeitsmarkt so ausgeglichen wie möglich ist.

Leider ist dieser Ausgleich in der Bundesrepublik nicht gegeben. Trotz bestehender Arbeitslosigkeit gibt es unbesetzte Stellen in beachtlicher Zahl, weil die Qualifikationen in Angebot und Nachfrage nicht zur Deckung gebracht werden können. Es ist daher mehr als zuvor notwendig, über eine gezielte Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik die qualitativen und quantitativen Ungleichgewichte zu reduzieren.

Sozialpolitische Bedeutung der Berufsbildung

Auch für die Sozialpolitik hat die berufliche Bildung eine wichtige Bedeutung: Ein solides Berufsbildungssystem schafft die wirtschaftlichen Grundlagen für die Sozialpolitik eines Staates, weil nach sozialen Gesichtspunkten gesehen nur das verteilt werden kann, was vorher durch gut ausgebildete Arbeitskräfte erarbeitet wurde. Eine gute Berufsbildungspolitik ist somit auch der Schlüssel für die soziale Sicherung und die soziale Stellung, insbesondere auch sozial schwacher Schichten unserer Gesellschaft.

Wer eine qualifizierte Ausbildung und Weiterbildung durchläuft, kann in der Regel ein höheres persönliches Einkommen erreichen (zum Beispiel im Vergleich zum Ungelernten oder Angelernten). Darüber hinaus erschließt sie auch eine höhere soziale Stellung (zum Beispiel selbstständiger Handwerksmeister).

Gesamtwirtschaftlich betrachtet führt eine qualifizierte berufliche Bildung zu hoher Wirtschaftsleistung sowie einem hohen Beschäftigungsgrad und somit zur Einsparung von sozialen Leistungen an sozial Schwache oder Arbeitslose.

Berufliche Bildung entlastet die Sozialpolitik auch durch berufliche Wiedereingliederung und Ausbildung von Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung.

Handwerkspolitische und einzelbetriebliche Bedeutung der Berufsbildung

Gerade im Handwerk spielt das Niveau der Berufsausbildung eine entscheidende Rolle. Zwar ist auch im Handwerk der Maschinen- und Geräteeinsatz in den letzten Jahren ständig angestiegen, und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Trotzdem bestimmt aber die menschliche Arbeitskraft im Handwerk noch weitgehend das Ergebnis der betrieblichen Leistung. Daher hat das Handwerk noch mehr als andere Wirtschaftszweige dafür zu sorgen, dass auch in der Zukunft eine ausreichende Zahl von Nachwuchsarbeitskräften vorhanden ist und das qualifizierte Niveau der Arbeitskräfte eine ausreichende Leistungsgarantie bietet.

1.1.3 Nutzen und Kosten der Ausbildung für den Betrieb
1.1.3.1 Kosten-Nutzen-Analyse

Im Handwerk hat die betriebliche Ausbildung eine lange Tradition und eine über Jahrhunderte entwickelte Ausbildungskultur. Im Hinblick auf die Ausbildungskosten wird auch im Handwerk immer wieder die Frage gestellt, ob sich Ausbildung für den Handwerksbetrieb unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten überhaupt noch lohne und somit sinnvoll sei.

Wenn auch die Kosten-Ertrag-Rechnung (Gegenüberstellung von Ausbildungskosten und durch die Auszubildenden erwirtschafteten Erträgen) und die Kosten-Nutzen-Situation der betrieblichen Ausbildung in den einzelnen Handwerkszweigen unterschiedlich sind, zeigen Untersuchungen, dass die Vorteile und der Nutzen der Ausbildung in den meisten Betrieben die Kosten überwiegen. Betriebliche Ausbildung ist also eine lohnende Investition in die Zukunft.

Weitere grundsätzliche betriebswirtschaftliche Vorteile sind insbesondere:

> sofort einsetzbare qualifizierte Fachkräfte mit betriebsspezifischer Kompetenz

> keine Kosten für Personalbeschaffung extern ausgebildeter Fachkräfte

> keine Kosten für Einarbeitung und Anpassungsqualifizierung

> Vermeidung von Fluktuation, weniger Kosten durch Personalwechsel

> weniger oder kein Fehlbesetzungsrisiko, Möglichkeit der Bestenauslese

> in der Regel geringere Lohnkosten als bei der Einstellung externer Fachkräfte

> die langfristige Sicherung des Fachkräftebedarfs für einen möglichst rationellen Personaleinsatz

> Unabhängigkeit vom Arbeitsmarkt.

1.1.3.2 Kosten und Finanzierung im dualen System

Die Gesamtkosten der Berufsausbildung werden sowohl im betrieblichen als auch im überbetrieblichen und schulischen Bereich in unterschiedlichen Anteilen von den Trägern der Berufsausbildung und durch Zuschüsse von Bund und Land finanziert.

Der Betrieb trägt in der Regel voll die Kosten, die in der betrieblichen Ausbildungszeit anfallen, und die Kosten der betriebsergänzenden überbetrieblichen Ausbildung, soweit Letztere nicht anderweitig gedeckt werden. Die wichtigsten sind:

Die Kosten für die Berufsschulanteile in der Ausbildung werden – soweit es den Schulbesuch betrifft – von den Berufsschulträgern, also vom Staat oder der Kommune, bzw. von kommunalen Zweckverbänden oder diesen gemeinsam getragen. Die Ausbildungsvergütung während der Berufsschulzeit zahlt der Ausbildungsbetrieb.

Für einige Handwerksberufe gibt es zwischenbetriebliche Finanzierungsregelungen. Eine Sonderregelung besteht für das Schornsteinfegerhandwerk mit der Ausbildungskostenausgleichskasse. Danach muss jeder Bezirksschornsteinfegermeister eine Umlage an die Ausgleichskasse bezahlen und erhält eine Förderung, wenn er einen Lehrling im Schornsteinfegerhandwerk ausbildet.

Im Bereich des Handwerks bestehen in folgenden Berufen tarifvertragliche Finanzierungsregelungen:

> Baugewerbe (Maurer und Betonbauer, Zimmerer, Stuckateur, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Estrichleger, Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer, Straßenbauer, Brunnenbauer, Trockenbaumonteur, Rohrleitungsbauer, Kanalbauer, Gleisbauer)

> Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk

> Dachdeckerhandwerk.

In den aufgeführten Berufsbereichen müssen die Betriebe einen Beitrag auf der Basis der Brutto-Lohnsumme entrichten.

Im Regelfall werden die Mittel im Wesentlichen zur Finanzierung der überbetrieblichen Unterweisung, der teilweisen Erstattung der Ausbildungsvergütung, der Fahrtkosten und der Internatsunterbringung verwendet.

Die Abwicklung der Beitragserhebung und die Auszahlung der Zuwendungen erfolgen über Kassen, die von den Tarifvertragspartnern errichtet wurden.

Für Zwecke der Finanzierung der überbetrieblichen Unterweisung kann nach einhelliger Rechtsprechung die zuständige Handwerkskammer auf der Grundlage der Handwerksordnung einen besonderen Ausbildungsbeitrag sowohl von Ausbildungsbetrieben als auch von Nichtausbildungsbetrieben bestimmter Ausbildungsberufe, für die überbetriebliche Unterweisungsmaßnahmen durchgeführt werden, erheben.

Innungen können sowohl von Innungsmitgliedern als auch von Nichtinnungsmitgliedern unter bestimmten Voraussetzungen eine Lehrlingsbetreuungsgebühr für die tatsächliche Benutzung ihrer Einrichtungen (zum Beispiel überbetriebliche Unterweisungsstätte) verlangen.

Zur Erhöhung des Ausbildungsplatzangebotes in bestimmten Regionen, zur Förderung der Ausbildung im Verbund, zur Förderung der Mobilität und zur Unterbringung von bestimmten Zielgruppen, wie zum Beispiel Förderschülern, Menschen mit Behinderung, Lehrlingen aus in Konkurs gegangenen Betrieben, Bewerbern zur Durchführung von Einstiegsqualifikationen usw., schaffen einzelne Länder, der Bund und die EU bei Bedarf Sonderprogramme. Nach diesen werden Ausbildungsbetrieben und verschiedenen anderen Berufsausbildungseinrichtungen, aber auch Lehrlingen bzw. Teilnehmern an Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Zuschüsse oder Darlehen gewährt.

Handlungsorientierte, fallbezogene Aufgaben

1. Sie sind Ausbilder in einem Handwerksbetrieb und bilden mehrere Lehrlinge aus. Ein grundlegendes Ziel der Ausbildung ist die Vermittlung von Handlungskompetenz, d. h., dass die in der Ausbildungsordnung genannten Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten so zu vermitteln sind, dass die Lehrlinge im Sinne von selbstständigem Planen, Durchführen und Kontrollieren zu einer qualifizierten Berufstätigkeit befähigt werden. Ferner sollen die Lehrlinge Schlüsselqualifikationen erwerben, die sie befähigen, auch in anderen Berufsfeldern, Tätigkeiten und Funktionen im sich verändernden Berufsleben zu bestehen und den Anforderungen zu entsprechen. Diese Grundsätze wollen Sie in der Ausbildung umsetzen.

Aufgabe:

1 Erläutern Sie beispielhaft, wozu Ihre Lehrlinge nach Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen befähigt sein sollen, wenn Sie die Ausbildung wie im Fall beschrieben handlungsorientiert durchführen!

2 Stellen Sie dar, welche Schlüsselqualifikationen Sie bei der Ausbildung Ihrer Lehrlinge in den Bereichen Fachkompetenz und Persönlichkeitskompetenz erreichen wollen!

>> Seiten 17 bis 20 |

2. Sie haben sich als junger Handwerksmeister vor Kurzem selbstständig gemacht. Als aufgeschlossener junger Unternehmer verfolgen Sie die Diskussionen in den Berufsorganisationen des Handwerks, in der Politik und in den Medien über die Gründe, die für eine leistungsfähige und verstärkte berufliche Aus- und Weiterbildung sprechen, sowie über deren Bedeutung aus wirtschafts-, sozial-, arbeitsmarkts- und gesellschaftspolitischer Sicht. Gleichzeitig überlegen Sie auch, welche Gründe für eine Berufsausbildung unter einzelbetrieblichen Aspekten maßgeblich sind. All dies gibt Ihnen Veranlassung zu prüfen und anschließend zu entscheiden, ob Sie in Ihrem Betrieb Lehrlinge ausbilden werden oder nicht. Bei Ihrer Entscheidungsfindung wollen Sie möglichst alle genannten Gesichtspunkte und Betroffenheiten in Ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung berücksichtigen.

 

Aufgabe: Erarbeiten Sie die Argumente für Ihre Entscheidung und gehen Sie dabei auf alle oben aufgeführten Gesichtspunkte ein!

>> Seiten 20 bis 22 |

3. Als Inhaber eines wachsenden Handwerksbetriebes wollen Sie künftig vermehrt in Ihrem Betrieb ausbilden, um den steigenden Personalbedarf auf diesem Weg decken zu können. Davor wollen Sie aber prüfen, ob die Kosten-Ertrag-Rechnung für die Ausbildung betriebswirtschaftlich gesehen vertretbar ist und welche sonstigen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte in die Entscheidung für eine vermehrte Ausbildung mit einzubeziehen sind.

Aufgabe:

1 Geben Sie an, wie Sie bei der Kosten-Ertrag-Rechnung für Ihren Betrieb vorgehen!

2 Beschreiben Sie weitere betriebswirtschaftliche Vorteile, die mit Ihren geplanten Maßnahmen erreicht werden können!

>> Seite 23 |

4. Sie haben vor Kurzem einen Handwerksbetrieb gegründet und würden gerne zwei Lehrlinge ausbilden. Vor einer endgültigen Entscheidung für oder gegen eine betriebliche Ausbildung wollen Sie feststellen, welche Kosten bei der geplanten Ausbildung in den einschlägigen Kostenbereichen (Ausbildungsbetrieb, Berufsschule, überbetriebliche Unterweisungsstätte) entstehen und wer sie jeweils zu tragen hat. Der für den betrieblichen Teil anfallende Kostenanteil ist für Sie ein wichtiges Entscheidungskriterium. Tarifvertragliche oder sonstige überbetriebliche Finanzierungsregelungen für die Berufsausbildung bestehen in dem Handwerkszweig, dem Ihr Betrieb angehört, nicht.

Aufgabe:

1 Stellen Sie die anfallenden Kostenarten im vorliegenden Fall für Ihren Betrieb fest und ordnen Sie diese sachgerecht den einzelnen genannten Kostenbereichen zu!

2 Erläutern Sie anschließend, welche Kosten von Ihnen zu tragen sind und welche Kosten anderweitig finanziert werden!

>> Seiten 23 bis 25 |