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Wegbegleitungen

Gedanken auf dem Weg durch das Jahr


Die vorliegenden Texte sind im Jahr 2014 in der Verdener Sonntagssonntag „Sonntagstipp“ erschienen oder als Verkündigungsbeitrag in den Formaten „kurz und gut“ bzw. „Auf ein Wort“ im Nordwestradio und Radio Bremen1 gesendet worden.

Sie orientieren sich an Themen und Festtagen der jeweiligen Jahreszeit oder an aktuellen Fragestellungen und politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, die das Jahr 2014 an uns stellte.

In einer pluralistischen und funktional ausdifferenzierten Gesellschaft kann sich die Kirche als Wegbegleiter anbieten und versuchen, die verschiedenen Themen aus der Sicht des Evangeliums zu deuten. Aus den biblischen Bildern und Texten lassen sich selten konkrete Handlungsanweisungen ableiten, sehr wohl können sie aber Laternen am Wegesrand sein, die die Straße erhellen und dunkle Ecken ausleuchten.

Die vorliegenden Texte versuchen diesem Anspruch gerecht zu werden.

Impressum:

Copyright: © 2015 Bernd Kösling

Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de ISBN: 078-3-8442-8217-2

Copyright des Titelbildes: © ArtHdesign, www.fotolia.de

Inhalt

Neujahr

Gebetswoche für die Einheit der Christen

Winterolympiade

Karneval

Beurteilungsgespräch

Der werfe den ersten Stein

Ostern

Kraft aus der Erinnerung

Muttertag

Europawahl

Pfingsten

Ins Leben entlassen

Vom Papst lernen

Aus der Geschichte lernen

Ferienzeit

Segen von oben

Erntedank

Bilanz

Herbstzeit

Hilflos

Sehnsucht

Liebe

Wasser

Auszeit

Leben ist immer da

Mauerfall

Es ist Advent

Einmal werden wir noch wach

Predigt Neujahr 2014

Predigt Ostern 2014

Predigt Weihnachten 2014

Zum Autor

Neujahr

Joachim Ringelnatz (1883 - 1934) hat einmal zum Jahreswechsel ein kleines nettes Gedicht verfasst: „Ein Rauch verweht, ein Wasser verrinnt, eine Zeit vergeht, eine neue beginnt.“ Mir helfen diese Zeilen ein altes Jahr hinter mir zu lassen und mit Schwung und Elan in ein Neues Jahr zu gehen.

„Ein Rauch verweht“: immer wieder bin ich bei den Jahresrückblicken im Fernsehen erstaunt, was in einem langen Jahr alles passiert ist. An viele Ereignisse konnte ich mich schon gar nicht mehr erinnern. Ähnlich ging es mir auch im persönlichen Jahresrückblick: vieles ist so schnell vergangen, wie es gekommen ist. Und über vieles, worüber ich mich einmal aufgeregt habe, kann ich heute nur noch lachen. Für das Neue Jahr wünsche ich mir ein gutes Stück mehr an Gelassenheit, denn es gab 2013 doch viel vergehender Rauch.

„Ein Wasser verrinnt“: Nicht alles ist in 2013 fertig geworden. Manche Saat, die ich ausgesät habe, wird erst später aufgehen. Und hin und wieder werde ich in 2014 sogar überrascht darüber sein, dass mancher Einsatz und manches Engagement doch nicht vergebens war. Für das Gelingen vieler Ideen und Aufbrüche muss eben doch viel Wasser die Aller hinunterfließen. Deshalb wünsche ich mir für 2014 mehr Geduld und auch Zuversicht, denn manchmal wächst die Frucht erst dann, wenn schon viel Wasser verrannt ist.

„Eine Zeit vergeht“: Ich habe manche Verletzung und Enttäuschung in das Neue Jahr mitgenommen. Ich kann nicht allem nachspüren und es bearbeiten. Wie gut ist das, dass die vergehende „Zeit viele Wunden heilt!“ Manche Chance ist aber auch vertan und kommt nicht wieder. Viele Menschen sind für ein klärendes Gespräch gar nicht mehr da. Als Christ tut es mir gut zu wissen, dass ich solche vertanen Möglichkeiten der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen darf. Deshalb wünsche ich mir Vertrauen, dass die Wunden und Verletzungen, aber auch die vertanen Chancen meines Lebens bei Gott gut aufgehoben sind. Zeit vergeht eben.

„Eine neue beginnt“: Jedes Jahr beginnt mit neuen Vorsätzen. Auch, wenn ich sie in der Regel nicht einhalten kann, sind sie doch ein Zeichen dafür, dass ein neues Jahr auch neue Chancen bietet. Auf diese Chancen freue ich mich. Ich bin gespannt, was alles auf mich zukommen wird, wovon ich jetzt noch keine Ahnung habe. Ich wünsche mir die nötige Freude und den nötigen Schwung, um diese Chancen zu nutzen. Denn am Neujahrstag begann etwas Neues.

Für das Neue Jahr wünsche ich Ihnen Gelassenheit, Geduld, Zuversicht, Schwung und Freude sowie eine gute Portion Gottvertrauen, damit 2014 ein wirklich „gesegnetes“ Jahr für Sie wird.

Gebetswoche für die Einheit der Christen

Als ich noch Pfarrer in Braunschweig war, berichteten die evangelischen Kollegen und Kolleginnen von einem interessanten Phänomen: wenn es mal wieder kritische oder ärgerliche Berichte über die katholische Kirche gab, traten auch viele evangelische Christen und Christinnen aus ihrer Kirche aus. Sie begründeten dies mit dem Hinweis: „Ihr seid ja doch alle gleich!“

Im ersten Augenblick ärgerten wir uns natürlich über eine solche Wahrnehmung. Denn als Pfarrer bzw. Pastor / Pastorin wissen wir natürlich, was wir an unserer jeweiligen Konfession haben und warum wir eben nicht katholisch bzw. evangelisch sind. Beim genauen Nachdenken haben wir dem Ganzen aber auch positive Seiten abgewinnen können.

Die Schönheit und die künstlerische Aussage eines Bildes kann ich erst dann erkennen, wenn ich mit einigem Abstand auf das Bild schaue und es betrachte. Nur so gewinne ich einen Überblick und kann dann näher heran gehen, um mir einzelne Details genauer anzuschauen. So scheint es auch vielen unserer Mitmenschen zu gehen: Wenn sie auf die christlichen Kirchen schauen, dann nehmen sie zunächst einen Gesamteindruck wahr. Erst wenn man näher kommt, kann man die Vielfalt sowie die unterschiedlichen Traditionen erkennen.

Deshalb ist es ein guter Weg, wenn die verschiedenen christlichen Kirchen so oft wie möglich gemeinsam auftreten. Morgen beginnt z.B. die ökumenische Gebetswoche für die „Einheit der Christen“! In unserer Stadt traditionell die Gebetswoche der evangelischen Allianz. Erinnert sei an die großen ökumenischen Pfingstgottesdienste am Pfingstmontag - bei uns in Verden im Dom, aber auch an vielen anderen Orten im Landkreis. An die Selbstverständlichkeit und unkomplizierte Praxis ökumenischer Trauungen. Die freundschaftlichen Begegnungen in ökumenischen Bibel- oder Gesprächsabenden. Wir dürfen uns freuen, dass wir in unserer Stadt und im Landkreis eine so große Vielfalt an unterschiedlichen christlichen Traditionen haben.

„Ist denn Christus zerteilt?“ - das ist das Motto der diesjährigen Gebetswoche. Ich bin dankbar, dass viele Menschen die Unterschiedlichkeit des christlichen Bekenntnisses nicht in erster Linie als Trennung, sondern als Vielfalt wahrnehmen.

Winterolympiade

Seit etwas mehr als 1 Woche brennt in Sochi das olympische Feuer. Nach einer großen Eröffnungsfeier kämpfen nun die Athleten und Athletinnen um Medaillen, persönliche Bestzeiten oder einfach nur darum ins Ziel zu kommen. Manchmal habe ich bei der Arbeit am Schreibtisch die Gelegenheit, den einen oder anderen Wettkampf beobachten zu können. Natürlich fiebere ich mit den Spitzenreitern mit, besonders wenn es deutsche Athleten bzw. Athletinnen sind.

Aber ich freue mich auch, wenn die Übertragung nach der Medaillenvergabe nicht abbricht, sondern ebenso die zeigt, die kämpfen müssen und nicht auf den ersten Plätzen stehen. Sie haben im Vorfeld wochenlang trainiert, sich vorbereitet und bestimmt genauso ihr Bestes gegeben wie die Sieger und Siegerinnen.

Manchmal portraitieren die Journalisten diese Menschen. Wer sie sind? Welchen Beruf sie ausüben? Welche Träume und Hoffnungen sie haben? Ehrlich gesagt: ich finde die Lebensgeschichten dieser Leute oft interessanter als die der Promis. Mich fasziniert an diesen Menschen vor allem ihre Zufriedenheit mit dem Erreichten. In ihrem Training und ihrer Vorbereitung haben sie sich und ihre Möglichkeiten richtig einschätzen gelernt. Deshalb sind die meisten von ihnen am Ende des Wettkampfes froh und zufrieden, das aus sich herausgeholt zu haben, was im Bereich ihrer Möglichkeiten liegt.

Vielleicht fasziniert mich das auch deshalb so, weil ich in meiner seelsorgerlichen Arbeit oft auf das Phänomen der „Überforderung“ stoße: Kinder und Jugendliche, die mit den von ihnen erwarteten schulischen Anforderungen nicht zurechtkommen. Eltern, die perfekte Eltern sein wollen und an diesem Anspruch scheitern. Mitarbeiter in Betrieben, die Karriere machen wollen, aber eigentlich gar keine Führungspersönlichkeiten sind.

Gerade von den unbekannten Sportlern in Sochi lerne ich: wenn ich meine Möglichkeiten richtig einschätze und das, was ich kann zur Entfaltung bringe, stehe ich vielleicht nicht auf dem ersten Platz, aber ich bin zufrieden und glücklich mit meinem Leben. Ich bilde mir ein, dass es das ist, was Gott von mir will: Ich muss nicht der Erste und Beste sein, ich brauche nur „ich“ selbst zu sein. Das entlastet mich und öffnet meinen Blick für das Gute und Schöne in meinem Leben.

Karneval

Im Jahresablauf erreichen an diesem Wochenende die närrischen Tage ihren Höhepunkt. Morgen sind in den Karnevalshochburgen die großen Umzüge, gefolgt von den abendlichen Karnevalssitzungen der verschiedenen Vereine. Bis dann am Aschermittwoch eben alles vorbei ist.

 

Mit der Fastenzeit beginnen die Vorbereitungen auf das Osterfest. In diesem abrupten Wechsel von ausgelassener Freude und ausschweifendem Vergnügen hin zu einem strengen Fasten und ruhiger Einkehr wird - so glaube ich - ein tiefes Lebenswissen aufbewahrt. Etwas, das uns heute - vielleicht - ein wenig verloren gegangen ist.

Solche tiefgreifenden Wechsel von Stimmungen, Tätigkeiten und Empfindungen strukturieren nämlich unsere Lebenszeit und bringen eine gewisse Orientierung und Ordnung in das Chaos des Lebens. Es gibt Zeiten zum Arbeiten und Zeiten zur Ruhe. Es gibt Zeiten des Prassens und Zeiten des Fastens. Es gibt Zeiten zum Baden und sich Sonnen und Zeiten für Pudelmütze und Schnellballschlachten. So wird mir bewusst, mir steht nicht alles gleichzeitig zur Verfügung.

Auch das „Warten können“ ist eine Tugend des Lebens. Denn nur durch das „Warten“ entwickelt sich die Freude. Die Freude an den Weihnachtsgeschenken entsteht durch die lange Zeit des Wartens im Advent. Die Freude auf die Wärme der Sonne entsteht beim Buchen des Urlaubs im kalten Frühjahr. Der Rhythmus des Lebens ermöglicht mir Orientierung und Ordnung des Lebens, sowie wirkliche Freude und Tiefe meiner Existenz. So hat Gott die Welt erschaffen. Er hat ihr eine Lebensordnung gegeben, die dem Leben des Menschen dient.

Die Erinnerung daran ist in auch in den Faschingstagen aufgehoben. Gut - wir Norddeutschen können manchmal wenig mit dem ausgelassenen Treiben in den Karnevalshochburgen anfangen. Wir können warten. Warten bis zum 31. Mai. Dann heißt es zwar nicht: „Helau“ oder „Alaaf“ - aber: „Prosit Domweih!“ klingt doch auch nicht schlecht.

Beurteilungsgespräch

Seit Mittwoch ist also alles vorbei - zumindest wenn man dem bekannten Karnevalslied Glauben schenken darf: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei!“ Viele haben davon wahrscheinlich gar nichts mitbekommen. Es sei denn der Eine oder die Andere möchte mal wieder etwas abnehmen, für einige Wochen keinen Alkohol trinken oder mal ausprobieren, wie es ohne Fernsehen oder Internet geht.

Mir ist das allerdings ein bisschen zu wenig, wenn ich an die „Fastenzeit“ denke. Denn ich spüre: es tut mir gut, mir Zeit für eine kleine Zwischenbilanz zu nehmen: wo stehe ich in meinem Leben? Welche Ziele habe ich und kann ich mit meiner jetzigen Art zu leben diese Ziele erreichen? Manchmal taucht am Horizont auch die Frage auf: wohin möchte ich mich gerne entwickeln? Was möchte ich noch gerne erreichen? Im Grunde genommen also ein Teil der Fragen, die im beruflichen Kontext in den „Beurteilungsgesprächen“ bzw. in den „Mitarbeitergesprächen“ auftauchen.

Nur, dass es in der Fastenzeit nicht nur um einen Ausschnitt meines Lebens, sondern um meine ganze Existenz geht. Wenn im beruflichen Zusammenhang diese Formen von Gesprächen gut gelingen, dann helfen sie mir wirklich dabei weiter, meinen Beruf mit größerer Freude auszuüben und mich sowohl menschlich als auch fachlich weiter zu entwickeln.

Ähnliches kann eine gut gestaltete Fastenzeit - die tiefer geht, als der Verzicht auf Süßigkeiten oder Fernsehen - in mir bewirken. Dabei wird sie auch die großen Fragen meines Lebens nicht ausklammern: Wer bin ich? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?

Ziel dieser 40 Tage bis Ostern ist: eine größere Lebensfreude, eine größere Tiefe des Lebens zu finden. Wieder in Kontakt mit mir selbst, mit meinem „Ich“ zu kommen! Das „Fasten“ ist dabei ein Teil dieses Weges.

Damit wir dabei aber nicht nur um uns selber kreisen, gehören für Jesus Christus das „Gebet“ und das „Almosen geben“ genauso dazu. Also das, womit die allermeisten Jesus Christus in Verbindung bringen: die Erneuerung der Liebe zu Gott - beten, der Liebe zum Nächsten - Almosen geben und - dann schließlich auch - der Liebe zu mir selbst - das Fasten!

Die Fastenzeit hat gerade erst begonnen und ich habe noch genug Zeit für das ganz persönliche „Mitarbeitergespräch“ mit mir selbst.

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