Buch lesen: «Handbuch des Strafrechts», Seite 31

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a) Kriminalpolitische Rechtfertigung

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Als Rechtsfolge ordnet § 252 StGB die Gleichstellung des Täters mit einem Räuber an. Die hierin zum Ausdruck kommende Gleichsetzung des spezifischen Unrechts- und Schuldgehalts des § 252 StGB mit dem des § 249 StGB wird kontrovers diskutiert.[147] Diese Frage hat auch Auswirkungen auf die Auslegung des § 252 StGB, insbesondere auf das Merkmal des Betroffenseins auf frischer Tat. Hierbei lassen sich verschiedene Erklärungsmodelle für die kriminalpolitische Rechtfertigung unterscheiden.[148] Die eigentlichen (kriminalpsychologischen) Gleichstellungslösungen, denen die Rspr. folgt, gehen davon aus, dass Täter des Raubs und des räuberischen Diebstahls psychologisch und normativ vergleichbar handeln.[149] Dieser (auch historischen) Auslegung[150] liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der die Nötigung zur Beutesicherung einsetzt, sie auch zur Erlangung des Gewahrsams eingesetzt hätte.[151] Der verbrecherische Wille sei damit in beiden Fällen als gleich stark zu bewerten.[152] Dagegen wird in der Literatur mit Recht eingewandt, dass dieser Lösungsansatz täterstrafrechtliche Elemente aufweist und den Einwand einer Verdachtsstrafe provoziert.[153] Zudem wird bei § 249 StGB die Eigentumsverletzung herbeigeführt, bei § 252 StGB nur vertieft (perpetuiert) bzw. dies wird vom Täter beabsichtigt.[154] Der Täter befindet sich in einer spezifischen (von ihm nicht geplanten) Bedrängnissituation und tritt (sich selbst begünstigend) gewissermaßen die „Flucht nach vorne“ an.[155] Damit ist der verbrecherische Wille (die „kriminelle Energie“) eines Räubers, der mit Nötigungsmitteln den Gewahrsam an einer Sache begründen will, und eines räuberischen Diebes, der diesen mit Nötigungsmitteln behalten will, gerade nicht vergleichbar.[156] Der Täter handelt vielfach aus Selbstbegünstigungsmotiven, die an anderer Stelle, z.B. §§ 157, 257 Abs. 3, 258 Abs. 5 StGB, zu Gunsten des Täters in Ansatz gebracht werden.[157] Letztlich können die kriminalpsychologischen Gleichstellungslösungen nicht erklären, warum § 252 StGB – anders als § 249 StGB – als kupiertes Erfolgsdelikt ausgestaltet ist, das keine erfolgreiche Nötigung (sondern nur einen beendeten Nötigungsversuch) voraussetzt.[158]

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Andere Modelle begründen die Gleichsetzung des räuberischen Diebstahls mit dem Raub nicht anhand des Unrechtsgehalts, sondern anhand von besonderen Präventionserwägungen: Zunächst wird die Gleichsetzung von § 249 StGB und § 252 StGB damit erklärt, dass die Notrechte (Notwehr/-hilfe gemäß § 32 StGB, Besitzkehr gemäß § 859 Abs. 2 BGB, Festnahmerecht gemäß § 127 Abs. 1 StPO) des Bestohlenen oder in seinem Interesse handelnder Dritter vereitelt würden.[159] Im Vordergrund steht nach dieser Ansicht nicht der Eigentumsschutz, sondern der Schutz der Notrechte durch § 252 StGB als flankierende strafrechtliche Schutzmaßnahme. Demgegenüber wird eingewandt, dass die Wahrnehmung von Notrechten als solche kein Strafgut sei.[160] Auch sei die Ausübung der Notrechte zumindest teilweise (z.B. bei § 229 BGB) nicht an das Betroffensein auf frischer Tat gebunden.[161]

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Die „Gefährlichkeitslösung“[162] setzt nicht beim Unrechtsgehalt, sondern bei der psychischen Bedrängungssituation des ertappten Diebes an, der aufgrund der verstärkten eskalationsträchtigen Nachtatsituation in erhöhtem Maße und wie ein Räuber gefährlich sei. Dem werde durch die erhöhte Strafdrohung präventiv entgegen gewirkt.[163] Diese in erster Linie am Abschreckungsgedanken orientierte Ansicht lässt sich schwer in Einklang bringen mit der derzeitigen Fassung des § 252 StGB, denn dann wäre nicht zu erklären, warum nur die Vortat eines Diebstahls bzw. Raubes (und z.B. nicht einer Erpressung bzw. räuberischen Erpressung) tatbestandsmäßig und warum eine Besitzerhaltungsabsicht erforderlich ist.[164] Zudem passt das der Abschreckungsdoktrin zugrundeliegende Modell des rational kalkulierenden homo oeconomicus gerade nicht auf den ertappten Dieb.[165]

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Die Lehre verfolgt indes verschiedene Ansätze zur Unrechtsgewichtung.[166] Von einem Teil der Lehre wird behauptet, dass sich in dem räuberischen Diebstahl ein geringerer Unrechtsgehalt manifestiere: Das „Behalten-Wollen“ zeige eine geringere kriminelle Energie als das „Haben-Wollen“.[167] Die Nötigungshandlung eines auf frischer Tat betroffenen Diebes könne als an anderen Stellen des StGB (§§ 20, 21 ff., 213 StGB) als schuldmindernd angesehene „normal-psychologische Affektreaktion“[168] oder als schuldmindernde Selbstbegünstigung verstanden werden.[169] Die h.L. belässt es dennoch bei der gesetzlichen Parallelwertung (Gleichlauf des Unrechtsgehaltes zwischen § 249 StGB und § 252 StGB) und begründet diese – in Abweichung von der Rspr. – durch die mit „Blick auf Tatausführung, Täterpsyche und Opferschutz“ fließende Grenze zwischen beiden Delikten.[170] Zum Teil wird auch darauf verwiesen, dass es oft nur von Zufälligkeiten abhänge, ob die Wegnahme bereits vollendet sei.[171] Wann der Täter Gewalt einsetze (schon bei Beuteerlangung oder erst bei der Beutesicherung), sei bezüglich der Schutzbedürftigkeit des Opfers zufällig. Kindhäuser[172] ergänzt, dass der Unrechtsgehalt des räuberischen Diebstahls dem des § 211 StGB in der Variante des Handelns mit Verdeckungsabsicht entspreche: In beiden manifestiere sich eine besondere Geringschätzung der persönlichen Rechtsgüter des Opfers, sodass sich die Selbstbegünstigungstendenz nicht strafmindernd, sondern strafschärfend auswirke.[173]

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Insgesamt ist festzuhalten, dass eine Gleichstellung von Raub und räuberischem Diebstahl kriminalpolitisch nicht überzeugt, aber de lege lata wohl hinzunehmen ist.[174] Hieraus folgt jedoch zumindest das Gebot einer restriktiven Auslegung des § 252 StGB in strittigen Fragen („Betroffensein auf frischer Tat“, „Besitzerhaltungsabsicht“), die eine Vergleichbarkeit mit dem Raubunrecht vor Augen hat.[175]

b) Systematik und Struktur

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Anders als der Raub, der die Vollendung der Wegnahme voraussetzt, erfordert § 252 StGB keinen Erfolg. Die Erhaltung des Besitzes (also die Beutesicherung) ist – ebenso wie die Zueignung im Rahmen von § 249 StGB – nur überschießende Innentendenz. Auch ein Nötigungserfolg ist nicht erforderlich. Dementsprechend wird der räuberische Diebstahl strukturell als Tätigkeitsdelikt in Form eines „erfolgskupierten Gefährdungsdelikts“ eingeordnet.[176]

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Fraglich ist, ob es sich bei § 252 StGB um ein ein- oder zweiaktiges Delikt handelt. Eine Ansicht argumentiert, dass es sich um ein zweiaktiges Delikt handele, da es sich tatbestandlich aus zwei gleichwertigen Handlungsakten, die zeitlich nacheinander erfolgen, zusammensetze, dem Diebstahl (Wegnahme in Zueignungsabsicht) und dem Einsatz von raubspezifischen Nötigungsmitteln zum Zwecke der Beutesicherung.[177] Nach a.A.[178] handelt es sich um ein einaktiges Delikt. § 252 StGB diene der Verteidigung der Beute aus der Vortat eines Diebstahls mit Raubmitteln. Insofern wird es auch als Delikt mit Anschlusscharakter bezeichnet.[179] Maßgeblich ist jedoch nicht diese vielleicht tatsächlich irreführende Bezeichnung,[180] sondern, ob die Formulierung „bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen“ nur die Tatsituation beschreibt oder auch eine neben dem Einsatz der Nötigungsmittel zweite Tathandlung (mit Konsequenzen u.a. für Täterschaft und Anstiftung). Hier ist Mitsch zuzustimmen, dass die Vortat ein „statisches Element des objektiven Tatbestandes“ ist, das „nicht zu dem dynamischen Tatvollzug“ gehört, „mit dem der räuberische Diebstahl Wirklichkeit wird“, im objektiven Tatbestand hat das „Element ‚Vortat‘ die Funktion, die Ausgangslage zu beschreiben, aus der heraus sich die Tat, ‚räuberischer Diebstahl‘ entwickelt“.[181] Somit handelt es sich um ein einaktiges Delikt.

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Wer einen räuberischen Diebstahl begeht, wird „gleich einem Räuber“ und damit gemäß § 249 StGB „mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“ bestraft. Folglich handelt es sich um ein Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 StGB und ist auch der Versuch strafbar (§ 23 Abs. 1 Alt. 1 StGB). Aus dieser Rechtsfolgenverweisung ergibt sich außerdem, dass auch die Qualifikationen des Raubes (§ 250 Abs. 1, Abs. 2 StGB) sowie die Erfolgsqualifikation (§ 251 StGB) im Rahmen von § 252 StGB Anwendung finden.[182] Zudem sind auf § 252 StGB die Strafzumessungsregeln der §§ 249 Abs. 2, 250 Abs. 3 StGB anwendbar. Nicht anwendbar sind hingegen die besonderen Antragsvoraussetzungen der §§ 247, 248a StGB, die nur für den Diebstahl (§ 242 StGB) und seine Qualifikationen gelten.[183]

3. Geschützte Rechtsgüter

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Wie auch § 249 StGB schützt § 252 StGB nach h.M. das Eigentum und die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung.[184] Hinsichtlich des Eigentums ist zu beachten, dass hier die Eigentumsverletzung bereits durch die Vortat (den Diebstahl) eingetreten ist und durch den Einsatz der Raubmittel (nur) vertieft (perpetuiert) wird (bzw. werden soll).[185] Es handelt sich also um kein Eigentumsverletzungsdelikt. § 252 StGB als Tätigkeitsdelikt ist aber auch kein Freiheitsverletzungsdelikt, weil er tatbestandlich nicht voraussetzt, dass ein Nötigungserfolg (in Form eines Handelns, Duldens oder Unterlassens des Nötigungsopfers) eintritt.[186]

4. Voraussetzungen des § 252 StGB

a) Überblick

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Der räuberische Diebstahl setzt objektiv neben dem Vorliegen einer tauglichen Vortat voraus, dass der Täter auf frischer Tat betroffen Gewalt gegen eine Person verübt oder Drohungen mit einer Gefahr für Leib oder Leben anwendet (qualifiziertes Nötigungsmittel). Auf subjektiver Ebene bedarf es zur Vollendung eines räuberischen Diebstahls des Vorsatzes hinsichtlich der Tatsituation („bei einem Diebstahl“), dem Betroffensein auf frischer Tat sowie dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels. Ferner muss der Täter Besitzerhaltungsabsicht aufweisen.

b) Vortat

aa) Diebstahl als Vortat

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Die Vortat muss eine Wegnahme, gleich ob in Selbst- oder Drittzueignungsabsicht, enthalten.[187] Vortat können unstreitig der Diebstahl und die Diebstahlsqualifikationen (§§ 244, 244a StGB) sein, auch die Fälle der §§ 247, 248a StGB.[188] Wie für den Raub ist daher die Geringwertigkeit der Beute unerheblich.[189] Die Vortat muss objektiv und subjektiv tatbestandsmäßig sowie rechtswidrig, nicht aber schuldhaft gewesen sein.[190]

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Fraglich ist, ob auch der Raub und seine Qualifikationen (§§ 249, 250, 251 StGB) taugliche Vortaten des § 252 StGB sind.[191] Denn der Raub wird üblicherweise als delictum sui generis angesehen (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 36). Dies wird von der Rspr.[192] und der h.L.[193] bejaht, wenngleich dies im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG (Analogieverbot) nicht gänzlich unproblematisch erscheint. Für die Einbeziehung der §§ 249 ff. StGB spricht aber, dass § 249 StGB, i.S.e. logischen Einschlussverhältnisses, sämtliche Tatbestandsmerkmale des Diebstahls enthält[194] und ansonsten Wertungswidersprüche insbesondere im Hinblick auf § 251 StGB auftreten.[195] Zudem ist nach der Rspr. die Zulassung der Raubdelikte als taugliche Vortaten von praktischer Bedeutung, wenn der Täter die qualifizierenden Merkmale der §§ 250, 251 StGB erst nach Vollendung der Wegnahme erfüllt.[196] Keine tauglichen Vortaten sind andere Eigentums- und Vermögensdelikte (wie z.B. Betrug[197], Unterschlagung[198] oder die räuberische Erpressung[199]), sodass auch in diesem Zusammenhang zahlreiche Auslegungs- und Abgrenzungsprobleme relevant werden.[200]

bb) Zeitlicher Anwendungsbereich

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Nach heute absolut h.M. darf die Vortat nicht beendet sein, denn nach einer beendeten Tat kann der Täter nicht mehr in tatbestandsrelevanter Weise „bei einem Diebstahl“ betroffen werden (Wortlautgrenze).[201] Fraglich und strittig ist aber, ob sie vollendet sein muss. Nach h.M. ist eine Vollendung erforderlich.[202] Dies führt dazu, dass bei Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel bis zur Vollendung des Diebstahls stets Raub, danach räuberischer Diebstahl vorliegt. § 252 StGB setzt jedenfalls wegen des subjektiven Tatbestandsmerkmals der (Selbst-)Besitzerhaltungsabsicht bereits erlangten Gewahrsam voraus, was prima facie dafür spricht, dass der Diebstahl vollendet sein muss. Für die h.M. spricht zudem zwar nicht die Formulierung „bei einem Diebstahl“, wohl aber der Wortlaut „gestohlenes Gut“, der sich allerdings nur im subjektiven Tatbestand bei der Besitzerhaltungsabsicht findet.[203] Nach einer Mindermeinung sind aber auch die (seltenen) Fälle erfasst, in denen der Täter durch einen untauglichen Diebstahlsversuch (z.B. bei einer „Diebesfalle“) eine fremde Sache in seinen Gewahrsam bringt.[204] Danach kommt es nicht auf das Vorliegen eines vollendeten Diebstahls, sondern allein auf die Begründung neuen Gewahrsams an. Diese Ansicht sieht die Vollendung des Diebstahls als subjektives Tatbestandsmerkmal an.[205] Damit bestünde zwischen Raub und räuberischem Diebstahl keine objektive Exklusivität in zeitlicher Hinsicht, sondern eine „subjektiv-vorstellungsbezogene“.[206] Diese Ansicht erscheint vorzugswürdig, die „Vollendungslösung“ ist nicht zwingend durch den Wortlaut vorgezeichnet, maßgeblich ist (für eine Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG) vielmehr nur die Erlangung des Gewahrsams durch die Vortat.

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Nach dieser Auffassung soll im Ergebnis aber nur ein versuchter räuberischer Diebstahl vorliegen, da auch die Vortat nur versucht wurde und bei einem Einsatz des Nötigungsmittels vor der Gewahrsamserlangung auch nur ein versuchter Raub vorläge.[207] Dies überzeugt jedoch nicht, da § 252 StGB als einaktiges (Rn. 33) Tätigkeitsdelikt mit überschießender Innentendenz mit Anwendung der Gewaltmittel vollendet ist und anders als der Raub gerade keinen Erfolg voraussetzt. Zu bestrafen ist somit wegen vollendeten räuberischen Diebstahls. Solange der Täter durch den (versuchten) Diebstahl Gewahrsam erlangt, kann das von § 252 StGB erfasste Unrecht der (beabsichtigten) Perpetuierung einer Eigentumsverletzung unabhängig davon verwirklicht sein, ob die Vortat versucht oder vollendet ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Täter Nötigungsmittel einsetzt, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten. Daher kann ein versuchter Diebstahl (bzw. Raub) nur in den Fällen taugliche Vortat eines (vollendeten) § 252 StGB sein, in denen der Täter zumindest Gewahrsam an der Sache erlangt hat. Stellt sich der Täter nur vor, dass er den Gewahrsam an der Sache erlangt hat, so ist §§ 252, 22 StGB verwirklicht. Im Übrigen sind die Fälle, in denen der Täter erkennt, dass der Diebstahl lediglich im Versuchsstadium stecken geblieben ist, im subjektiven Tatbestand zu lösen (Rn. 64).

cc) Persönlicher Anwendungsbereich

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Sowohl an der Vortat wie auch am räuberischen Diebstahl selbst können mehrere Personen beteiligt sein. Letztere Konstellation wirft klassische Beteiligungsfragen auf (Rn. 72 ff.). Eine Frage des objektiven Tatbestandes des § 252 StGB ist es aber, inwieweit die Formulierung „bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen“ eine Subsumtion von Sachverhalten zulässt, in denen der Täter des § 252 StGB entweder Unbeteiligter oder Teilnehmer (also Anstifter oder Gehilfe) der Vortat war. Weitgehend unstrittig ist im Hinblick auf den Wortlaut („auf frischer Tat betroffen“), dass der Täter des § 252 StGB zumindest an der Vortat beteiligt sein muss.[208] Eine andere Auslegung wäre im Hinblick auf an der Vortat gänzlich Unbeteiligte nicht mit dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.

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Str. ist aber, ob Täter des § 252 StGB nur sein kann, wer den Diebstahl als Vortat täterschaftlich begangen hat. Der Einbeziehung von Teilnehmern steht der Wortlaut nicht entgegen. Dementsprechend hält die Rspr. und ein Teil der Lehre einen Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe) des Diebstahls für einen tauglichen Täter eines räuberischen Diebstahls, allerdings nur dann – da bei Teilnahme keine Zurechnung des Beutebesitzes erfolgt – wenn er sich in Besitz der Beute befindet.[209] Dagegen ist nach h.L.[210] eine täterschaftliche Begehung der Vortat erforderlich, wobei eine sukzessive Mittäterschaft genügen soll. Teilnehmer der Vortat können danach (wie gänzlich Unbeteiligte) nicht Täter des § 252 StGB sein.[211] Auch beim Raub setze eine täterschaftliche Begehung voraus, dass sowohl die Nötigung als auch die Wegnahme täterschaftlich begangen worden seien.[212] Dies ist folgerichtig, soweit man, wie z.B. Vogel oder Natus von einer zweiaktigen Struktur des § 252 StGB ausgeht. Nach hier vertretener Ansicht (Rn. 33) handelt es sich jedoch beim räuberischen Diebstahl um ein einaktiges Tätigkeitsdelikt, sodass dieses Argument nicht trägt. Auch das Argument, dass beim Teilnehmer keine „verlängerte Zueignungsabsicht“[213] vorliege und sich ein Wertungswiderspruch ergäbe, da die Täterschaft des § 252 StGB nicht weiter reichen dürfe als die des § 249 StGB (bei fehlender Selbstzueignungsabsicht lag kein Raub vor, wenn der Diebesgehilfe mit Raubmitteln eine Sache wegnahm)[214], ist seit dem 6. StrRG (Rn. 12) obsolet, da nun auch die Drittzueignungsabsicht bei § 249 StGB genügt, sodass bei Beutebesitz des Gehilfen auch eine verlängerte (Dritt-)Zueignungsabsicht vorliegen kann.[215] Letztlich wird darauf verwiesen, dass das Gebot einer restriktiven und raubgleichen Auslegung für die h.L. spräche.[216] Bei dem hier zugrunde gelegten Verständnis des Tatbestandes als einaktiges Delikt, bei dem das Tatbestandsmerkmal „bei einem Diebstahl“ nur die Tatsituation beschreibt (Rn. 33), würde somit einer Erfassung von Teilnehmern des Diebstahls zunächst nichts entgegenstehen. Auch auf subjektiver Ebene lässt sich eine Beschränkung nicht erreichen, da sich eine – bei der Teilnahme am Diebstahl regelmäßig vorliegende – Drittzueignungsabsicht und Selbstbesitzerhaltungsabsicht nicht prinzipiell gegenseitig ausschließen (Rn. 66).[217] Eine solche Auslegung würde auch dem durch das Gesetz zum Ausdruck gebrachten, dem Raub äquivalenten Unrechtsgehalt der Strafvorschrift nicht entgegenstehen.[218] Denn der Unrechtsgehalt des § 252 StGB begründet sich in der unter Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln (beabsichtigten) Perpetuierung einer Eigentumsverletzung, die ganz unabhängig davon zu beurteilen ist, ob der Täter die ursprüngliche Eigentumsverletzung durch die Vortat mitverursacht hat. Auch bei einem Verständnis des räuberischen Diebstahls als einaktiges Delikt können sich damit im Ergebnis der Rspr. und der h.L. folgend Teilnehmer am Diebstahl nach § 252 StGB strafbar machen.

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Auch der sukzessive Mittäter soll grundsätzlich Täter des räuberischen Diebstahls sein können.[219] Würde man, losgelöst von den grundsätzlichen Bedenken gegen die Möglichkeit einer sukzessiven Mittäterschaft, eine solche eines nicht an der Vortat als Mittäter Beteiligten zwischen Vollendung und Beendigung ausreichen lassen, würde dies aber dazu führen, dass die Gewaltanwendung zugleich als Tatbeitrag die Vortatmittäterschaft begründen und die Tathandlung des räuberischen Diebstahls darstellen würde.[220] Mit dem Charakter des § 252 StGB als eines Nachtatdeliktes ist eine solche uno actu erfolgende Vor- und Nachtathandlung unvereinbar.[221] Vergleichbare Probleme begegnet die sukzessive Beihilfe als Vortat des räuberischen Diebstahls.

c) Betroffensein auf frischer Tat

aa) Allgemein

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Das Merkmal „auf frischer Tat betroffen“ beschreibt zum einen eine bestimmte Tatsituation („betroffen“) und dient gleichzeitig der zeitlichen und örtlichen Eingrenzung des Tatbestandes („auf frischer Tat“).[222] Dadurch soll es die Nähe zum Raub und damit die Gleichwertigkeit des Unrechts herstellen.[223] Dem Wortlaut nach bezieht sich das Erfordernis der frischen Tat nur auf das Betroffensein des Täters durch einen anderen, nicht hingegen auf die Tathandlung des räuberischen Diebstahls, also den Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels.[224] Deshalb nimmt z.B. Mitsch[225] an, dass die Tat nur bis zum Betroffensein „frisch“ sein muss, nicht aber bei der anschließenden qualifizierten Nötigung.[226] Im Hinblick auf die gebotene restriktive raubähnliche Auslegung des § 252 StGB (Rn. 31) ist jedoch die Ansicht vorzugswürdig, wonach der Täter nicht nur auf frischer Tat betroffen sein muss, sondern auch das qualifizierte Nötigungsmittel einsetzen muss, solange die Tat noch frisch ist.[227]