Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern – Band 3

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Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern – Band 3
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Benedikt Sturzenhecker, Thomas Glaw, Moritz Schwerthelm

Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern – Band 3

Kooperativ in der Kommune: Demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen fördern (KoKoDe)


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.

Die gendergerechte Sprache wird in diesem Band durch das Setzen des * Gendersternchens gewährleistet.

© 2020 Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

Verantwortlich: Sigrid Meinhold-Henschel

Lektorat: Heike Herrberg

Herstellung: Sabine Reimann

Umschlaggestaltung: Elisabeth Menke

Umschlagabbildung: © Benedikt Sturzenhecker

Satz: werkzwei Detmold

ISBN 978-3-86793-904-1 (Print)

ISBN 978-3-86793-905-8 (E-Book PDF)

ISBN 978-3-86793-906-5 (E-Book EPUB)

www.bertelsmann-stiftung.de/verlag

Inhalt

Vorwort

Anleitung zur Lektüre

Benedikt Sturzenhecker

A | „Kooperativ in der Kommune: Demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen fördern (KoKoDe)“ – Methodisches Konzept, Modellprojekt, Evaluation für Träger und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe

Wie Kinder- und Jugendhilfe kooperativ in der Kommune demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen fördern kann

Benedikt Sturzenhecker

Das Modellprojekt KoKoDe des Nachbarschaftsheims Schöneberg e. V. – Ziele, Arbeitsweisen, Prozesse und Erfahrungen

Thomas Glaw

„Wir und ich im Stadtteil“ – Umsetzung des KoKoDe-Projekts in Steglitz-Nord

Nina Vormelchert

Methodische Vorschläge zur KoKoDe-Umsetzung

Benedikt Sturzenhecker

Die KoKoDe-Qualifizierung von Fachkräften

Moritz Schwerthelm

Evaluation erster Projektschritte: Erfolge und Probleme bei der Umsetzung der GEBe-Methode

Benedikt Sturzenhecker

Dem Netzwerk einen (sozial-)pädagogischen Sinnhorizont geben: Demokratische Bildungslandschaft von unten im Nachbarschaftsheim Schöneberg

Stephan Maykus

B | Ideen zur Weiterentwicklung von GEBe und KoKoDe

Erzeugung von Evidenz und Resonanz: Die andere Seite sozial- beziehungsweise kommunalpädagogischen Handelns – zu den kommunalpolitischen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe

Werner Lindner

Grundsätze der Politikberatung für die kommunale Jugendlobby

Marco Althaus

Identifizierung und Gestaltung von Netzwerken in der Kommune

Herbert Schubert

Differenz und Demokratie im Partizipationsalltag der Kinder- und Jugendhilfe

Melanie Plößer

Methodische Orientierungen von Demokratiebildung in der Kinder- und Jugendhilfe im Umgang mit Ungleichheit

Benedikt Sturzenhecker

Gewaltfreie Kommunikation als Voraussetzung für das Gelingen der GEBe-Methode

Jenka Doris Bühler, Anja Henatsch

Potenziale der GEBe-Methode für Lernprozesse der pädagogischen Fachkräfte aus der Perspektive erfahrungsbasierten Lernens

Alicia Picker

Zur Förderung der GEBe-Methode in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit durch die Jugendpflege eines Landkreises

Annalena Uhlenbrock

Die Autorinnen und Autoren

Abstract

Vorwort

„Ändern kannst du sowieso nichts“ – dieses Lebensgefühl wird von Kindern und Jugendlichen in empirischen Studien immer wieder geäußert. Es bezieht sich allerdings weniger auf ihr Aufwachsen im privaten Umfeld, haben sich doch in Deutschland Aushandlungsprozesse zwischen Erziehenden und Kindern in der Familie weiter etabliert. Die jüngste Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2019 stellt heraus, dass sich das Verhältnis zwischen Kindern und Erziehenden kontinuierlich verbessert.

Ganz anders sieht es für die große Mehrheit der jungen Menschen aus, wenn man auf den öffentlichen Raum schaut. Viele junge Menschen melden dazu in Befragungen zurück, dass ihre Stimme nicht oder nur wenig zählt. Die Gesellschaft erlaubt sich mithin, die in zahlreichen rechtlichen Normen, zum Beispiel der UN-Kinderrechtskonvention, Landes- und Kommunalverfassungen, dem Kinder- und Jugendhilferecht/Sozialgesetzbuch VIII, verbrieften Rechte auf Partizipation in hohem Maße zu ignorieren.

Daran mitzuwirken, Kindern und Jugendlichen eine hörbare Stimme zu geben, ist ein wichtiges Anliegen der Bertelsmann Stiftung, das wir seit vielen Jahren verfolgen. Deshalb wurde im Jahr 2009 die Initiative „jungbewegt – Für Engagement und Demokratie.“ gestartet. Zielsetzung ist es, Kindertagesstätten, Schulen und Jugendarbeit dabei zu unterstützen, jungen Menschen Chancen für die Mitgestaltung ihres Umfeldes zu eröffnen. Von Anfang an standen dabei sowohl die einzelne Einrichtung als auch die Frage der sozialräumlichen und kommunalen Vernetzung im Fokus. Die Herausforderung: Partizipation junger Menschen muss in den Binnenstrukturen der Einrichtungen durch entsprechende Qualifikationen pädagogischer Fachkräfte gestärkt werden – der Blick darf aber an den Türen der Häuser nicht enden, wenn die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen soll. Ein besonderes Anliegen ist es uns, dabei auch diejenigen einzubeziehen, die mit gesellschaftlichen Ausgrenzungen konfrontiert sind, sei es durch ihre ethnische, kulturelle oder soziale Herkunft, ihren Bildungshintergrund, ihre sozioökonomische Lage, ihr Geschlecht oder ihre Religion.

Hier setzt das Konzept „Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern“ (GEBe) an, das auf Initiative der Bertelsmann Stiftung unter wissenschaftlicher Federführung von Professor Dr. Benedikt Sturzenhecker (Universität Hamburg) erarbeitet wurde. Es war zunächst auf die Benachteiligten als wichtigste Zielgruppe der Offenen Kinder- und Jugendarbeit bezogen. GEBe wurde in zwei Phasen entwickelt. In der ersten Phase (2012 bis 2015) wurde erprobt, wie lebensweltliche Themen Anlass der Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen werden können. Darauf aufbauend wurde in der zweiten Phase (2015 bis 2018) der Ansatz im Rahmen einer Exploration mit dem Nachbarschaftsheim Berlin-Schöneberg weiterentwickelt, um Einrichtungen dabei zu unterstützen, sozialräumliche Dimensionen einzubeziehen. Wenn Kindern und Jugendlichen zum Beispiel in ihrem Kiez Freizeitmöglichkeiten fehlen oder sie aus ihren informellen Treffpunkten verdrängt werden, können diese Probleme nur kooperativ mit Akteuren des Sozialraums und der Kommune bearbeitet werden. Hierfür benötigen die Fachkräfte vertiefte Kompetenzen.

So entstand ein erweitertes Konzept. Es fokussiert nicht ausschließlich auf benachteiligte Kinder und Jugendliche, sondern bezieht sich auf alle jungen Menschen, die in Stadtteilen oder Bezirken von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erreicht werden. Es geht nun nicht mehr nur um Offene Kinder- und Jugendarbeit, sondern auch um alle Angebote für Kinder und Jugendliche im jeweiligen Sozialraum, zum Beispiel die Kindertageseinrichtungen, die Ganztagsbetreuung, die Eltern- und Erziehungsberatung, die Schulsozialarbeit, die Jugendkulturarbeit, die Jugendverbände und Vereine oder auch die Hilfen zu Erziehung. Ebenso sind im Sozialraum die lokale Politik und Verwaltung, die Gemeinwesenarbeit, Baugenossenschaften und Geschäftsleute einzubeziehen.

 

Mit den nun drei Bänden zur Förderung gesellschaftlich-demokratischen Engagements von Kindern und Jugendlichen schlagen wir differenzierte und erprobte Praxiskonzepte vor. Sie setzen bei den lebensweltlichen Themen der Kinder und Jugendlichen an und greifen ihre Handlungsstile und politischen Artikulationsweisen auf. Nur so können wir dazu beitragen, dass junge Menschen ihr Recht auf Mitwirkung an Gemeinwesen und Gesellschaft wahrnehmen können.

Unser besonderer Dank gilt an dieser Stelle Professor Dr. Benedikt Sturzenhecker für die langjährige Zusammenarbeit. Seine innovativen Impulse haben unsere Handlungsansätze immer wieder geschärft. Wir danken Thomas Glaw und Moritz Schwerthelm für die engagierte Begleitung der Explorationsphase mit dem Nachbarschaftsheim Berlin-Schöneberg und die Dokumentation ihrer Arbeit in diesem Band, ebenso allen weiteren Autorinnen und Autoren, die mit ihren Beiträgen die Bezüge unserer Arbeit zu den aktuellen fachwissenschaftlichen Debatten herausgearbeitet haben.

Wir freuen uns, wenn diese Publikation Ihnen neue Ideen für Ihre Arbeit gibt, und hoffen, dass Kinder und Jugendliche mehr und bessere Möglichkeiten bekommen, gehört zu werden und demokratisch Einfluss auf die Belange ihres Lebens in Gemeinwesen und Gesellschaft zu nehmen.


Bettina Windau Director Programm Zukunft der Zivilgesellschaft Sigrid Meinhold-Henschel Senior Project Manager Projektleitung „jungbewegt – Für Engagement und Demokratie.“ Programm Zukunft der Zivilgesellschaft

Anleitung zur Lektüre

Benedikt Sturzenhecker

Dieses Buch besteht aus zwei Teilen:

A | der Begründung, dem methodischen Konzept und den konkreten Prozesserfahrungen zum Modellprojekt „Kooperativ in der Kommune: Demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen fördern (KoKoDe)“ sowie

B | einer Vertiefung der GEBe-Methode – Gesellschaftliches Engagement von benachteiligten Kindern und Jugendlichen fördern –, die dem Modellprojekt KoKoDe zugrunde liegt.

Der Band wendet sich vor allem an Fachkräfte aller Felder der Kinder- und Jugendhilfe sowie an die Träger dieser Organisationen. Es geht also um die Kita, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Ganztagsbetreuung, Schulsozialarbeit, Jugendkulturarbeit, Familienbildung, Stadtteilarbeit usw.

Zu Teil A

Für Fachkräfte und Träger wird gezeigt, wie man in den Einrichtungen die lebensweltlichen Themen der Kinder und Jugendlichen entdecken, sie mit diesen dialogisch klären und gemeinsam angehen kann – dafür steht die GEBe-Methode. Auf dieser Basis können die Einrichtungen im Stadtteil, im Dorf, in der Kommune kooperieren und gemeinsam ihre Adressat*innen darin unterstützen, die entdeckten Themen, Konflikte und Problemstellungen selbst vor Ort einzubringen und in der Kommune demokratisch umzusetzen.

Insbesondere der zweite Aspekt wird in diesem Teil des Buches betont: Es geht darum, wie die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ihre Vereinzelung überwinden und ausgerichtet an den Themen und Interessen der jungen Menschen die Kommune als demokratisches Handlungsfeld kooperativ eröffnen können. Die schon lange bestehende Forderung von Partizipationskonzepten, Sozialraumorientierung und Bildungslandschaften, die Kinder und Jugendlichen zu unterstützen, als Subjekte und Bürger*innen nicht nur ihre Einrichtung, sondern auch das gesellschaftliche Leben und Arbeiten vor Ort demokratisch mitzubestimmen und mitzugestalten, wird mit dem KoKoDe-Modell umgesetzt.

Wie grundsätzliche Arbeitsweisen dabei aussehen könnten und wie das alles in einem konkreten Praxisprojekt funktioniert hat, wird im ersten Teil des Buches erläutert.

Zunächst führt Benedikt Sturzenhecker in die konzeptionelle Begründung und in die methodische Arbeitsweise des KoKoDe-Modells ein. Anschließend beschreibt Thomas Glaw die Ziele, die methodischen Schritte und konkreten Erfahrungen, Erfolge sowie Schwierigkeiten der praktischen Realisierung des Modells anhand des Nachbarschaftsheims Schöneberg in Berlin.Thomas Glaw hat das von der Bertelsmann Stiftung geförderte und von Benedikt Sturzenhecker begleitete Projekt als Koordinator geleitet. Möchte man als Fachkraft oder Träger wissen, wie die vorgeschlagenen Arbeitsweisen umgesetzt wurden und ob und wie sie funktioniert haben, sei dieser Text empfohlen.

Auch der dann folgende Beitrag schildert konkrete Praxiserfahrungen. Innerhalb des Modellprojekts KoKoDe fand am Standort Steglitz-Nord des Nachbarschaftsheims Schöneberg ein konkretes Projekt mit unterschiedlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Stadtteil statt. Es hat erprobt, wie man als Kita, als Ganztagsschule oder in der Offenen Jugendarbeit die lebensweltlichen Themen der Kinder und Jugendlichen zusammen entdecken und aufgreifen kann. Nina Vormelchert hat dieses Teilprojekt als Koordinatorin geleitet und stellt die Prozesserfahrungen vor. Die beteiligten Jugendhilfeeinrichtungen entdeckten nicht nur die ihre Adressat*innen betreffenden Themen, sondern kooperierten auch mit anderen Organisationen im Viertel, zum Beispiel mit einer Baugenossenschaft, einer Kirchengemeinde und einer Seniorenwohnanlage, um die Projekte zu realisieren.

Benedikt Sturzenhecker fasst dann die methodischen Vorgehensweisen aus den Projekten zusammen und folgert daraus sehr konkrete Arbeitsschritte und Handlungsweisen für die Praxis, um demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen in der Kommune kooperativ zu realisieren. Fachkräfte und Teams können in diesem Beitrag ganz konkrete Anleitungen und Anregungen für ihre Arbeit finden.

Im KoKoDe-Projekt des Nachbarschaftsheims Schöneberg wurden die Fachkräfte aus den unterschiedlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe des Trägers zunächst in der GEBe-Methode geschult und bei deren Umsetzung im Projekt unterstützt. Moritz Schwerthelm, der diese Fortbildungen mit durchgeführt und die Projekte gecoacht hat, stellt die Methoden und Arbeitsweisen für die Qualifizierung der Fachkräfte vor.

In einem weiteren Beitrag wird reflektiert, welche Probleme und welche Erfolge Fachkräfte bei der Umsetzung der GEBe-Methode auf dem Weg zur gemeinsamen Förderung demokratischen Engagements in der Kommune hatten. In drei Evaluationsprojekten hat Benedikt Sturzenhecker gemeinsam mit Studierenden der Universität Hamburg Fachkräfte zur Realisierung der Arbeitsweise befragt. So entstand eine Auswertung, die offen und ehrlich positive Entwicklungen, aber auch bestehende Schwierigkeiten aus Sicht der Fachkräfte benennt. Daraus ergeben sich wiederum Anregungen für eine Verbesserung der Arbeitsweise und ihrer Implementierung in der Praxis.

Am Schluss des ersten Teils gibt Stephan Maykus als Experte für Bildungslandschaften noch eine konzeptionelle Rahmung. Er zeigt, warum das Modellprojekt des Nachbarschaftsheims Schöneberg und der Bertelsmann Stiftung sehr konkrete Hinweise für eine demokratische Gestaltung von Bildungslandschaften gibt. Damit wird eine eigene theoretische Begründungsperspektive auf eine Kooperation geliefert, die die Kinder und Jugendlichen, ihre Themen, Probleme und Interessen, aber auch ihre Handlungsfähigkeit in der Kommune in den Mittelpunkt stellt.

Zu Teil B

Das Modellprojekt KoKoDe und seine Arbeitsweisen fußen auf der GEBe-Methode. Diese wurde zwar für die Hauptzielgruppe der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – nämlich Benachteiligte – entwickelt, zeigt sich aber als ebenfalls gültig und nützlich für alle anderen Felder der Kinder- und Jugendhilfe und ihre Zielgruppen.

Im zweiten Teil des Buches werden die Arbeitsweisen des Projekts um einen wichtigen Aspekt ergänzt. KoKoDe bezieht sich auf die Unterstützung des demokratischen Handelns der Kinder und Jugendlichen in der Kommune. Die kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Fachkräfte und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe selbst über Konzepte und Kompetenzen für eigenes jugendpolitisches Handeln vor Ort verfügen. Beide Seiten müssen zusammenkommen: die Förderung des demokratischen Handelns der jungen Menschen, ausgehend von deren Lebensweltperspektive, und das politische Handeln der Fachkräfte und Einrichtungen mit Blick auf politische Analysen, Netzwerkstrategien und konkrete Einmischung in Jugendpolitik vor Ort.

Werner Lindner hat in den vergangenen Jahren besonders für die Kinder- und Jugendarbeit pointiert herausgearbeitet, dass und wie sie sich in die kommunale Jugendpolitik einmischen kann und muss. Für dieses Buch hat er dazu einen neuen Text erarbeitet, der den zweiten Teil eröffnet. Darin begründet und beschreibt der Autor, wie die kommunalpolitischen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe beschaffen sind.

Zu diesem Thema hat Werner Lindner zusammen mit Winfried Pletzer vor zwei Jahren ein wichtiges Buch herausgegeben (Kommunale Jugendarbeit, Weinheim 2017). Diesem Band haben wir zwei Texte entnommen, die bedeutende methodische Ergänzungen für politisches Handeln der Kinder- und Jugendhilfe in der Kommune enthalten. Marco Althaus referiert sehr greifbar die Grundsätze der Politikberatung für die kommunale Jugendlobby – was also Fachkräfte wissen und tun müssen, um lokale Politik zu jugendpolitischen Themen beraten und beeinflussen zu können. Herbert Schubert, ein ausgewiesener Experte für Netzwerkgestaltung, gibt Wissen und konkrete methodische Hinweise zur Identifizierung und Gestaltung von Netzwerken in der Kommune.

In den bisherigen Publikationen zur GEBe-Methode wurde ein wichtiges Thema der lebensweltnahen Partizipation von jungen Menschen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nur am Rande erwähnt: wie Differenz und Unterschiedlichkeit mit dem Anspruch auf gleichberechtigte demokratische Teilnahme verbunden werden können. Kinder und Jugendliche sind auf verschiedene Weise unterschiedlich und das hat Folgen dafür, wie sie sich in demokratische Mitentscheidung und Mithandlung einbringen können. Will man gleiche Beteiligung als Recht für alle sichern, muss man Differenz und Ungleichheit erkennen und bewusst damit umgehen.

Wie Differenz und Ungleichheit zusammenhängen und welche benachteiligende Wirkung sie auf unterschiedliche Menschen haben können, erläutern Melanie Plößer und Benedikt Sturzenhecker in ihrem Text zur Differenz und Demokratie im Partizipationsalltag der Kinder- und Jugendhilfe. Es wird gezeigt, dass für den Gleichheitsanspruch von Demokratie die doch real bestehende Ungleichheit reflexiv erkannt und bewusst in der sozialpädagogischen Forderung nach Demokratiebildung berücksichtigt werden muss. Ganz konkrete Reflexionsfragen, die sich für die praktische Nutzung in Teamsitzungen anbieten, prägen diesen Artikel. Benedikt Sturzenhecker geht anschließend noch einen Schritt weiter und schlägt methodische Arbeitsweisen vor, wie in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe konkret eine differenzbewusste Demokratiebildung gefördert werden kann.

In den letzten drei Beiträgen des Buches geht es um Vertiefungen und Erfahrungen mit der Methode. Zwei Fachkräfte, die am Berliner KoKoDe-Modellprojekt des Nachbarschaftsheims Schöneberg teilgenommen haben, Jenka Doris Bühler und Anja Henatsch, entwickeln Verbindungen zwischen der von ihnen angewandten Methode der gewaltfreien Kommunikation und der GEBe-Methode – ganz konkret ausgerichtet an ihren Erfahrungen mit beiden Arbeitsweisen in der Jugendkulturarbeit.

Alicia Picker nutzt die Modelle der Theorien zu erfahrungsbasiertem Lernen aus der Psychologie, um Lernprozesse von Fachkräften im Umgang mit der Methode zu beleuchten. Deutlich werden dabei Krisen und Potenziale solcher Lernprozesse im Umgang mit GEBe.

Schließlich berichtet Annalena Uhlenbrock aus einem Forschungspraktikum, in dem sie zwei Jugendpfleger des Kreises Gütersloh zu deren Erfahrungen mit der GEBe-Methode befragt hat. Sie zeigt, wie ein Kreisjugendamt die Fachkräfte der offenen Jugendeinrichtungen bei der Realisierung der Methode beraten sowie methodisch bewusstes Handeln und fachliche Reflexion nachhaltig stärken kann.