Buch lesen: «Das periimplantäre Weichgewebe»

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ITI Treatment Guide

Band 12

ITI
Treatment
Guide

Herausgeber: N. Donos, S. Barter, D. Wismeijer


Autoren: M. Roccuzzo A. Sculean

Band 12

Das periimplantäre Weichgewebe: Integration und Behandlung

Deutsche Übersetzung: Mag. Wilfried Preinfalk für Triacom Dental-Fachübersetzungen Barendorf/Lüneburg

Deutsche Bearbeitung: Univ.-Prof. Dr. med. dent. Gerhard Wahl, Bonn


Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek

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© 2022 Quintessenz Verlags-GmbH

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Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.


Illustrationen: Ute Drewes, Basel (CH),www.drewes.ch
DeutscheÜbersetzung: Mag. Wilfried Preinfalk für TriacomDental-Fachübersetzungen,Barendorf/Lüneburg (DE),www.triacom.com
Grafikkonzept: Wirz Corporate AG, Zürich (CH)
Produktion: Janina Kuhn, Berlin (DE)

ISBN: 978-3-86867-612-9

Die Informationen im ITI Treatment Guide sind ausschließlich für die Ausbildung und Fortbildung gedacht. Sie enthalten detaillierte Anleitungen für den Umgang mit bestimmten Befunden und Patientensituationen. Die gegebenen Empfehlungen beruhen auf den Schlussfolgerungen der ITI-Konsensuskonferenzen und entsprechen somit der Behandlungsphilosophie des ITI. Dennoch bleiben sie die Meinung der Autoren. Dies gilt auch hins ichtl ich der Beurteilung zur Notwendigkeit von Röntgenbildern, sofern sie nicht eindeutig einer medizinischen Indikation und damit den Grundbedingungen der Röntgenverordnung unterliegen. Die Beteiligten (ITI, Autoren, Übersetzer, Herausgeber und Verlag) geben keine Garantie für die Vollständigkeit oder Genauigkeit der im ITI Treatment Guide publizierten Informationen und übernehmen keine Haftung für deren Verwendung. Die gegebenen Informationen können nicht die zahnärztliche Beurteilung von Einzelfällen ersetzen. Der Behandler ver wendet sie daher auf eigene Verantwortung.

Der ITI Treatment Guide spricht bestimmte Produkte, Methoden, Techniken und Materialien an. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bestimmte Grundsätze, Merkmale oder Behauptungen der betroffenen Hersteller empfohlen oder unterstützt werden.

Alle Rechte vorbehalten. Die Veröffentlichungen im ITI Treatment Guide sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verlages, gleichgültig ob im Ganzen oder in Teilen, ist unzulässig und strafbar. Die hier veröffentlichten Informationen können ihrerseits weiteren Schutzrechten unterliegen. Sie dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des jeweiligen Schutzrechteinhabers nicht weiterverwendet werden.

Bei den Firmen- und Markennamen, die in diesem Buch genannt sind, kann es sich auch dann um eingetragene oder anderweitig geschützte Marken handeln, wenn hierauf nicht gesondert hingewiesen wird. Das Fehlen eines solchen Hinweises darf daher nicht dahingehend interpretiert werden, dass die Benutzung eines derartigen Namens frei möglich wäre.

Der ITI Treatment Guide verwendet das Zahnschema der FDI World Dental Federation.

Ziel des ITI ist …

„ Wir bieten allen in der zahnärztlichen Implantologie tätigen Fachleuten ein globales und kontinuierlich wachsendes Netzwerk, ein qualitativ hochwertiges Fortbildungsangebot für alle Phasen des Berufslebens sowie topaktuelle Forschung zum Wohle des Patienten.“

Vorwort

Die zahnärztliche Implantologie hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Dementsprechend sind Praktikerinnen und Praktiker mit einer wachsenden Nachfrage, aber auch mit steigenden Ansprüchen konfrontiert. Die Erwartungen der Patienten richten sich dabei aber nicht nur auf den Erfolg der Implantatbehandlung an sich, sondern insbesondere auch auf ein langfristig ästhetisches Erscheinungsbild. Dem wiederum stehen als unbestreitbare Realität immer mehr Patienten mit Problemen im Bereich der Weichgewebe gegenüber.

Das vorliegende Buch soll den Leserinnen und Lesern als Nachschlagewerk und Wegweiser zur Behandlung von mukogingivalen Defiziten dienen. Sein Ziel ist die Senkung des Risikos von biologischen und ästhetischen Komplikationen an Dentalimplantaten und die Sicherstellung voraussagbarer sowie langfristig stabiler Therapieergebnisse.

Wie in jedem Band dieser Reihe werden Schritt für Schritt die klinischen Herangehensweisen an ein bestimmtes Thema – diesmal an die Integration und Behandlung der periimplantäre Weichgewebestrukturen – in einer Vielzahl von klinischen Situationen ausgeleuchtet.

Wir hoffen, dass dieser Band für die Behandlerinnen und Behandler hilfreich ist, um einen bestmöglichen Langzeiterhalt eines gesunden periimplantären Weichgewebes und der Ästhetik zu erzielen.


Danksagungen

Die Autoren danken Dr. Kati Benthaus für ihre ausgezeichnete Unterstützung bei der Vorbereitung und Koordination dieses Treatment Guide. Dank gebührt auch Ute Drewes für die professionellen Illustrationen, Janina Kuhn (Quintessence Publishing) für Satz und Koordination der Produktionsabläufe und Per N. Döhler (Triacom Dental-Fachübersetzungen) für das sprachliche Lektorat. Der Institut Straumann AG, Partnerunternehmen des ITI, sprechen wir unsere Ankerkennung für ihre anhaltende Unterstützung aus.

Herausgeber und Autoren

Herausgeber:

Nikolaos Donos

DDS, MS, FHEA, FDSRC, PhD

Professor, Head and Chair, Periodontology and Implant Dentistry

Head of Clinical Research

Institute of Dentistry, Barts and The London School of Medicine and Dentistry

Queen Mary University of London

Turner Street

London E1 2AD

Großbritannien

n.donos@qmul.ac.uk

Stephen Barter

BDS, MSurgDent, RCS

Specialist in Oral Surgery

Honorary Senior Clinical Lecturer/Consultant Oral

Surgeon

Centre for Oral Clinical Research

Institute of Dentistry, Barts and The London School of Medicine and Dentistry

Queen Mary University of London

Turner Street

London E1 2AD

Großbritannien

s.barter@qmul.ac.uk

Daniel Wismeijer

Professor, DMD

Orale Implantologie und Prothetische Zahnheilkunde

Privatpraxis

Zutphensestraatweg 26

6955 AH Ellecom

Niederlande

Danwismeijer@gmail.com

Autoren:

Mario Roccuzzo

DMD, Dr. med. dent.

Privatpraxis (Parodontologie)

Corso Tassoni 14

10143 Torino (TO)

Italien

mroccuzzo@icloud.com

Anton Sculean

Professor, Dr. med dent, Dr. h. c., MSc

Geschäftsführender Direktor und Leiter der

Abteilung für Parodontologie

Zahnmedizinische Kliniken

Universität Bern

Freiburgstrasse 7

3010 Bern

Schweiz

anton.sculean@zmk.unibe.ch

Mitverfasser

Sofia Aroca

Dr. med. dent., PhD

Privatpraxis

35, Rue Franklin

78100 Saint Germain en Laye

Frankreich

sofiaaroca@me.com

Paolo Casentini

DDS, Dr. med. dent.

Privatpraxis

Via Anco Marzio 2

20123 Milano (MI)

Italien

paolocasentini@fastwebnet.it

Raffaele Cavalcanti

DDS, PhD

Außerplanmäßiger Professor für Parodontologie, Universität Catania, CLMOPD, Via S. Sofia 78, 95123 Catania (CT), Italien

und

Privatpraxis

Studio Odontoiatrico Associato Cavalcanti & Venezia

(Parodontologie, Implantologie, Oralchirurgie)

Via Giuseppe Posca 15

70124 Bari (BA)

Italien

raffaelecavalcanti@gmail.com

Nikolaos Donos

DDS, MS, FHEA, FDSRC, PhD

Professor, Head and Chair, Periodontology and Implant Dentistry

Head of Clinical Research

Institute of Dentistry, Barts and The London School of Medicine and Dentistry Queen Mary University of London

Turner Street

London E1 2AD

Großbritannien

n.donos@qmul.ac.uk

Daniel Etienne

Dr. chir. dent., MSc

Privatpraxis

1, Avenue Bugeaud

75116 Paris

Frankreich

etienne@paro-implant.com

Jason R Gillespie

BS DDS MS

Privatpraxis (Prothetik)

105 W El Prado Dr

San Antonio, TX 78212-2024

USA

jason@gillespie.dental

Alfonso Gil

DDS, MS, PhD

Assistenzzahnarzt

Klinik für Rekonstruktive Zahnheilkunde

Zentrum für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstrasse 11

8032 Zürich

Schweiz

alfonso.gil@zzm.uzh.ch

Christoph Hämmerle

Professor, Dr. med. dent., Dr. h. c.

Klinikdirektor

Klinik für Rekonstruktive Zahnheilkunde

Zentrum für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstrasse 11

8032 Zürich

Schweiz

christoph.hammerle@zzm.uzh.ch

Vincenzo Iorio-Siciliano

DDS, MS, PhD

Abteilung für Parodontologie

Universität Neapel Federico II

Via Sergio Pansini 5

80131 Napoli (NA)

Italien

enzois@libero.it

Ronald Jung

Professor, Dr. med. dent., PhD

Leiter Orale Implantologie

Klinik für Rekonstruktive Zahnheilkunde

Zentrum für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstrasse 11

8032 Zürich

Schweiz

ronald.jung@zzm.uzh.ch

Eduardo Lorenzana

DDS, MSc

Privatpraxis (Parodontologie)

3519 Paesano’s Parkway

Suite 103

San Antonio, TX 78231-1266

USA

drlorenzana@yahoo.com

Neil MacBeth

BDS, MFGDP, MGDS RCS, MFDS RCS, FFGDP (UK), MSc, FDS RCS (Rest Dent), CDLM, RAF

Consultant in Restorative Dentistry – Defence Primary Health Care

Clinical Senior Lecturer in Periodontology

Institute of Dentistry, Queen Mary University of London

Institute of Dentistry, Barts and The London School of Medicine and Dentistry

Turner Street

London E1 2AD

Großbritannien

n.d.macbeth@qmul.ac.uk

Kurt Riewe

DDS

Privatpraxis, Stone Oak Dental

335 E Sonterra Blvd

Suite 150

San Antonio, TX 78258-4295

USA

kurt.riewe@gmail.com

Shakeel Shahdad

BDS, MMedSc, FDS RCSEd, FDS (Rest. Dent.) RCSEd, DDS, FDT FEd

Consultant in Restorative Dentistry

Barts Health NHS Trust

The Royal London Dental Hospital

und

Honorary Clinical Professor in Oral Rehabilitation and Implantology

Barts and The London School of Medicine and Dentistry

Queen Mary University of London

Turner Street

London, E1 1DE

Großbritannien

shakeel.shahdad@nhs.net

Daniel Thoma

Professor, Dr. med. dent.

Stellvertretender Direktor

Leiter Rekonstruktive Zahnheilkunde

Klinik für Rekonstruktive Zahnheilkunde

Zentrum für Zahnmedizin

Stellvertretender Vorsteher des Zentrums für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstrasse 11

8032 Zürich

Schweiz

daniel.thoma@zzm.uzh.ch

Pietro Venezia

DDS

Außerplanmäßiger Professor

Abteilung für Prothetik

Universität Catania

und

Privatpraxis

Via G. Posca, 15

70124 Bari (BA)

Italien

pierovenezia@gmail.com

Inhalt

1 Einleitung

M. Roccuzzo

2 Bedeutung der periimplantären Weichgewebestrukturen

A. Sculean

3 Behandlung des Weichgewebes an Tissue-Level-Implantaten

M. Roccuzzo

3.1 Maßnahmen bei der Implantation

3.2 Maßnahmen vor der Implantation

3.3 Maßnahmen im Rahmen der unterstützenden Nachsorge

4 Augmentieren von Weichgewebe nach Implantationen

M. Roccuzzo, A. Sculean

4.1 Verbreitern der keratinisierten Mukosa

M. Roccuzzo

4.2 Materialien zum Ersatz von Weichgewebe

A. Sculean

5 Dehiszenzen im periimplantären Weichgewebe

5.1 Indikationen zur Behebung der Weichgewebsdehiszenzen

M. Roccuzzo

5.2 Methoden zur Behandlung der Weichgewebsdehiszenzen

M. Roccuzzo

5.2.1 Tunnelierendes Verfahren zur Behandlung der Weichgewebsdehiszenzen

A. Sculean

6 Klinische Fallbeschreibungen

6.1 Deckung multipler Gingivarezessionen und Inserieren eines Implantats in der ästhetisch relevanten Zone

S. Aroca

6.2 Behandlung von Dehiszenzen im periimplantären Weichgewebe durch plastische Parodontalchirurgie und prothetische Maßnahmen

P. Casentini

6.3 Augmentieren von Weichgewebe eeinschließlich gesteuerter Knochenregeneration zur Rehabilitation eines explantationsbedingten Weich- und Hartgewebedefekts

R. Cavalcanti, P. Venezia

6.4 Augmentieren von Weichgewebevolumen mit einem Bindegewebetransplantat vom Tuber maxillae

D. Etienne

6.5 Bindegewebetransplantat zur Verbreiterung der keratinisierten Schleimhaut an einem osseointegrierten Implantat

V. Iorio-Siciliano

6.6 Regeneration von Weich- und Hartgewebe für den Ersatz oberer mittlerer Schneidezähne durch implantatgetragene Kronen in einem komplexen Behandlungsfall

R. Jung, A. Gil, C. Hämmerle, D. Thoma

6.7 Anwendung der Tunneltechnik zur Behandlung einer generalisierten Gingivarezession mit autologem Bindegewebe, einzeitiger Frühimplantation und gesteuerter Knochenregeneration zum Ersatz eines oberen Schneidezahns

E. Lorenzana, J. Gillespie

6.8 Autologes Bindegewebe zur vestibulären Gewebeaugmentation für ein Bone- Level-Implantat im Bereich eines oberen Schneidezahns

E. Lorenzana, K. Riewe

6.9 Behandlung einer Fenestration im Weichgewebe der ästhetisch relevanten Zone

N. MacBeth, N. Donos

6.10 Decken einer Dehiszenz im periimplantären Weichgewebe einer unteren Schneidezahnregion

M. Roccuzzo

6.11 Augmentieren von Weichgewebe mit porziner Kollagenmatrix zur Behebung eines vestibulären Defekts nach Extraktion eines oberen Schneidezahns

S. Shahdad

7 Zusammenfassung

M. Roccuzzo

8 Literatur

1 Einleitung

M. Roccuzzo

Es gab eine Zeit, in der für den langfristigen Erfolg von implantatgetragenen Rehabilitationen eine vorhandene Osseointegration als Maßstab genügte. Mit den Jahren wurde jedoch deutlich, dass eine gute Weichgewebeintegration mit frühzeitiger Bildung einer stabilen, langlebigen Schleimhautbarriere erheblich zum biologischen Schutz der periimplantären Strukturen beiträgt. Diese Barriere als stabile Verbindung zwischen „lebendem Gewebe“ und „Fremdkörper“ ist in erster Linie ein Produkt der Wundheilung (Rompen et al. 2006).

Seit etlichen Jahren steht die kontrovers diskutierte Frage im Raum, ob zur langfristigen Erhaltung der periimplantären Gesundheit ein Mindestmaß an keratinisierter Schleimhaut erforderlich ist. Mehrere Autorengruppen fanden mögliche Zusammenhänge zwischen Defiziten an keratinisierter Schleimhaut einerseits und Plaquebildung, Blutungen auf Sondieren, Beschwerden beim Putzen, Rezessionen der Schleimhaut sowie dem Auftreten von periimplantärer Mukositis andererseits (Bouri et al. 2008, Boynueğri et al. 2013, Chung et al. 2006, Roccuzzo et al. 2016). Andere Autoren konnten diese Befunde nicht bestätigen (Frisch et al. 2015) oder hielten, bei gewissenhaft betriebener Mundhygiene und konsequenter Befolgung eines professionellen Erhaltungsprogramms, die Bedeutung der keratinisierten Schleimhaut möglicherweise sogar für nachrangig (Lim et al. 2019).

Umgekehrt sind eine vollständige Osseointegration und perfekte Weichgewebeintegration nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einem ästhetischen Erscheinungsbild des Zahnersatzes. In der Tat müssen in ästhetisch heiklen Kieferregionen als Erfolgskriterien auch noch Messgrößen der periimplantären Schleimhaut sowie der Prothetik und ihrer Beziehung zur umliegenden Bezahnung einfließen (Belser et al. 2004).

Neben den prothetischen Gesichtspunkten steht und fällt die ästhetische Langzeitstabilität der Weichgewebe auch mit dem Vorliegen eines in Breite und Höhe ausreichenden Volumens. Bei bestehenden Defiziten kann es vorkommen, dass man nur über den Weg von geeigneten Augmentationseingriffen zu einer umfassenden Rehabilitation gelangt. Dank den Fortschritten in der zahnärztlichen Implantologie existieren heute diverse Möglichkeiten zur Behandlung von Defekten im periimplantären Weichgewebe. Gleichzeitig sind Augmentationseingriffe ins Weichgewebe mittelgradig bis hoch komplex und können ein erhebliches Risiko von Komplikationen bergen. Verschiedene Eingriffe werden für die Leserinnen und Leser daher Schritt für Schritt skizziert und anhand von individuellen Behandlungsfällen veranschaulicht.

Dieser Band 12 des ITI Treatment Guide soll das Bewusstsein der Behandlerin und des Behandlers für die wachsenden Anforderungen schärfen, die an das Therapieren von immer mehr Patienten mit Problemen im Weichgewebe zu stellen sind. Den Autoren bleibt zu hoffen, dass sie mit diesem Informations- und Nachschlagewerk zu mukogingivalen Deformitäten einen weiteren nützlichen Beitrag zur Senkung biologischer und ästhetischer Komplikationsrisiken sowie zur Sicherstellung voraussagbarer und stabiler Langzeitergebnisse leisten können.

2 Bedeutung der periimplantären Weichgewebestrukturen

A. Sculean

Die Verankerung von Dentalimplantaten kommt zustande durch ein Phänomen des direkten Knochenkontakts im Kiefer, bekannt als Osseointegration (Albrektsson et al. 1981). Nach neuesten Erkenntnissen sind Langzeiterfolg und Verweildauer aber nicht nur eine Frage der Osseointegration, sondern auch der Weichgewebestrukturen, die den transmukosalen Implantatabschnitt umgeben und den periimplantären Knochen von der Mundhöhle trennen. Dieses Weichgewebe umschließt das Implantat wie ein dichter Kragen als sogenannte periimplantäre Mukosa (Lindhe et al. 2008). Das Attachment dieser Weichgewebe am Implantat dient als biologische Barriere, die für gesunde Verhältnisse sorgt und periimplantäre Infektionen in Form einer periimplantären Mukositis oder Periimplantitis verhindert. Somit spielt das periimplantäre Weichgewebe für den langfristigen Verweilerfolg von Implantaten eine wichtige Rolle (Lindhe et al. 2008).

Das Weichgewebe an natürlichen Zähnen entwickelt sich während des Zahndurchbruchs. Es verschließt den Halteapparat (Alveolarkammknochen, Desmodont, Zement) und schirmt ihn gegen die Mundhöhle ab (Bosshardt und Lang 2005). Periimplantäre Schleimhaut bildet sich als Folgeerscheinung des Traumas, das dem Weich- und Hartgewebe im Rahmen eines Implantationseingriffs zugefügt wird. Es folgt ein kurzer Überblick über die wichtigsten anatomischen Merkmale von parodontalen wie auch periimplantären Gewebestrukturen.

Struktur des gesunden Parodonts

Das Parodont umfasst die Gewebestrukturen des Zahnhalteapparates, also (die dem Zahn zugewandten Anteile von) Gingiva, Wurzelzement, Desmodont und Alveolarkammknochen. Beim Knochen in dieser Aufzählung handelt es sich um jenen Teil des Alveolarfortsatzes, der die Alveole, also das Zahnfach, bildet (Schroeder und Listgarten 1997) (Abb. 1 bis 5).

Im Zuge ihrer Entwicklung durchdringen die Zähne das auskleidende Epithel der Mundhöhle und bilden am Ende dieser Entwicklung ein „transmukosales Organ“. Der Wurzelabschnitt ist im Knochen verankert, die Krone ragt in die Mundhöhle. Die wichtigste Funktion der Gingiva liegt im Schutz des darunter liegenden Weich- und Hartgewebes vor Keimen aus der Mundhöhle. Sie endet koronal am Gingivasaum und apikal entweder an der Mukogingivallinie oder im Übergangsbereich zur Schleimhaut des harten Gaumens. Der gingivale Sulkus hat eine Tiefe von rund 0,5 mm, vollständig gesund kann seine Tiefe jedoch klinisch unter der Wahrnehmungsschwelle liegen (Schroeder und Listgarten 1997).

Im Interdentalraum befindet sich die gingivale Papille. Die Gingiva selbst umfasst zwei Abschnitte, nämlich die freie Gingiva und die befestigte Gingiva. Erstere besteht aus dem koronalen Abschnitt der Gingiva, folgt der Kontur der Schmelzzementgrenze und variiert zwischen 1 und 2 mm Breite (Ainamo und Löe 1966). Ihre apikale Grenze wird durch einen gestippelten Linienverlauf akzentuiert, auch eine Gingivafurche kann vorhanden sein. Die befestigte Gingiva erstreckt sich vom Ende der freien Gingiva bis zur alveolären Mukosa oder der Mundbodenschleimhaut. Auf der Gaumenseite existiert keine befestigte Gingiva, da sich die palatinale Schleimhaut dort bis zur freien Gingiva ausdehnt. Die Breite der befestigten Gingiva kann zwischen 1 und 10 mm betragen (Ainamo und Löe 1966).