Schon wieder was zum Lesen

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Anno Dazumal

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Eine Geschichte

Die Verschreibung

Der Schein des Seins

Impressum neobooks

Eine Geschichte

Der Morgen nahte. Er hatte es nicht eilig, denn am Firmament hatte sich der fast schon volle Mond ausgebreitet und in irgendeiner Wohnung in irgendeiner Stadt kam es mal wieder zu einem dieser Dialoge, welche die staatlichen Überwacher schon längst nicht mehr interessierten, denn es gab nichts Langweiligeres als Privatgespräche abhören. „Ich verlasse Dich!“ schrie sie wütend. „Das hast Du mir schon so oft versprochen. Ich verlange Taten statt Worte“, entgegnete er scheinbar gelassen. „Das hier ist meine Wohnung. Verpiß Du Dich!“ „Aber hier ist es gerade so gemütlich und auf der Toilette war ich schon.“ Auf einmal kam sie mit drei richtig großen Messern auf ihn zugesteuert, hielt sie ihm vor die Nase und verlangte: „Dann schärf wenigstens die Dinger hier, bevor Du noch länger sinnlos in der Gegend herumschwitzt und mir die Luft zum Atmen nimmst.“ Er nickte und begann daraufhin damit, ihren Auftrag zu erfüllen.

Sie waren seit drei Jahren ein Paar. Nicht unbedingt ein glückliches, aber davon schien es ohnehin nicht mehr sonderlich viele zu geben. Er war Anlagenelektroniker und sie arbeitete als Kosmetikerin, doch diese Berufe sagten rein gar nichts über ihre Persönlichkeit und seinen Charakter aus. Zwei Scheidungen hatte er bereits hinter sich und da er seinen Samen überall verstreute, dementsprechend viele Kinder gezeugt und Alimente zu bezahlen hatte, hatte er sich den Spitznamen „Kaiser von Dormagen“ erworben. Sie dagegen war eine ganz treue Seele, von daher ergänzten sie sich natürlich ausgezeichnet. Er ging so oft und regelmäßig fremd, daß man es als Seitensprung bezeichnen mußte, wenn er mal mit ihr schlief, aber daran hatte sie sich gewöhnt, denn er liebte nun mal alle Frauen. „Sei froh, daß Du nicht bisexuell bist, sonst würdest Du Dich noch totficken“, pflegte sie manchmal zu scherzen, aber das fand er überhaupt nicht lustig. „Ich hätte doch Mormone werden sollen“, meinte er, andererseits fand er es toll, daß einem die Katholiken alle Sünden verziehen, sofern man sie beichtete und bereute. Sie war hin und wieder etwas cholerisch, beschimpfte dann ihre Kolleginnen, bezeichnete ihre Kunden als „Kunden“, was die Ostdeutschen unter ihnen überhaupt nicht nett fanden und spuckte Gift und Galle. Ansonsten war sie recht umgänglich und wenn sie ihre Tage hatte, war sie richtig gut drauf.

Seine Eltern waren zu Besuch und hatten einen Wunsch. „Wir möchten gerne mal unsere Enkel sehen“, bekannte seine Mutter. „Kein Problem. Da gibt es einen in der Teuschstraße, einen in der Zeisigstraße, eine im Daubenthal, eine in der Lönsstraße und einen in der Raabestraße“, faßte er zusammen. Sie starrten ihn entsetzt an und dann stellte sein Vater die alles entscheidende Frage: „Warum habt Ihr eigentlich keine Kinder?“ Sie schauten dumm aus ihrer dreckigen Wäsche, denn sie haßten ihre Waschmaschine von ganzem Herzen, weshalb sie jene nur ganz selten benutzten und zuckten mit den Schultern. Er suchte nach einer Erklärung: „Wir sind noch nicht so weit. Vielleicht wären wir keine guten Eltern, außerdem habe ich schon fünf Kinder. Und mich regt das ganz schön auf, daß diese Trennungsväter immer rumheulen, sie wären froh, wenn sie ihre Kinder mal wieder sehen dürften. Ich bin froh, wenn ich meine nicht sehen muß. Meine ganze Freizeit verbringe ich damit, die Früchte meiner Lenden zu besuchen. Vielleicht sollte ich arbeitslos werden, dann hätte ich mehr Zeit für sie.“ „Du warst schon als Kind schief gewickelt“, erinnerte sich sein Vater gähnend. Seine Eltern konnten ihren Sohn oft nicht verstehen, was nicht nur an der schlechten Qualität ihrer Hörgeräte lag, sondern auch daran, daß sie völlig anders lebten. Nach wie vor hielten sie ihren Lebensentwurf für gelungen und diskutierten oft und lange darüber, wer am meisten daran schuld war, daß der Apfel so weit wie möglich vom Stamm entfernt herunter geplumpst war. „Meine Eltern sind ganz schön altmodisch“, fand er, nachdem sie sich verzogen hatten, doch sie widersprach: „Das finde ich überhaupt nicht. Wann machst Du mir ein Baby?“ „Das geht nicht, ich kann nicht noch mehr Alimente zahlen, sonst bin ich ruiniert.“ „Du verficktes Arschloch! Jede dahergelaufene Schlampe in Dormagen hast Du geschwängert, aber mir verweigerst Du die Mutterschaft!“ „Moment mal! Ich schwängere aus Prinzip keine Schlampen, denn damit hätten sowohl die als auch ich ein Problem. Meine Gene habe ich wohlüberlegt in der ganzen Stadt verstreut und ich bin sehr gespannt, was aus meinen Kindern mal werden wird.“ „Vater- und vaterlandslose Gesellen“, glaubte sie und zog sich danach in die Küche zurück, wo sie leidenschaftlich vor Wut kochte. Dafür liebte er sie, denn diese Gerichte mochte er am meisten, und so kam es schon manchmal vor, daß er absichtlich einen Streit vom Zaun brach, um etwas Leckeres zu essen zu bekommen. Aber dieses Mal war sie stinksauer, denn sie wünschte sich so sehr ein Baby von ihm, wußte jedoch, daß er viel eher jede andere Frau schwängern würde. Schweinerei!

Adrian war ein ungut aussehender junger Mann, was daran lag, daß ihm der Streß förmlich ins Gesicht geschrieben stand. Hinter seinem Rücken wetteten seine Freunde bereits, ob er vor seinem 35. Geburtstag noch abkratzen würde oder doch eine Chance hatte, wenigstens noch 40 zu werden. Er gehörte zu der Kaste der Manager und an ein Leben nach der Arbeit hatte er noch nie gedacht. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 begrüßte er und er hätte auch nichts dagegen gehabt, bis zu seinem 75. Lebensjahr zu arbeiten, falls er es denn erreichte. Für eine Freundin hatte er keine Zeit, für seine Lieblingsnutten natürlich schon, denn die waren professionell und vertraten wie er die Devise, daß Zeit Geld wäre. Seine Kollegen schätzten ihn, weil er so ein Arbeitstier war, aber sie liebten ihn nicht, was ihn wiederum kein bißchen störte. Es war purer Zufall, daß Adrian gerade an dem Tag in der Bank war, als jene überfallen wurde und hätte er die Bankräuber nicht gefragt, ob es noch lange dauern würde, da er zwei sehr wichtige Termine vor sich hätte, dann hätten ihn jene wohl auch nicht als Geisel mitgenommen. Hätte wiederum die Polizei gewußt, was für ein Menschenbild Adrian vertrat, dann hätte sie sich womöglich nicht so intensiv um seine Freilassung bemüht. Genug konjunktiviert, jedenfalls hatten sie ihn mitgenommen und so saß er gefesselt in einem Kellerloch und beobachtete ein paar Ratten, die anscheinend gerade einen großen Plan schmiedeten. Als einer seiner Entführer die Gruft betrat, sprach er jenen sofort an: „Was seid Ihr denn für Dilettanten? Bankräuber nehmen keine Geiseln“, behauptete Adrian. „Das ist von Fall zu Fall verschieden. Manchmal erfordert die Situation eine gewisse Absicherung“, ließ der Angesprochene verlauten. „Ich werde von Euch Schadensersatz verlangen.“ „Nein, das wirst Du nicht, denn ich habe Dir hier ein Papier mitgebracht, auf dem steht, daß Du auf sämtliche Regreßansprüche verzichten wirst und das unterschreibst Du jetzt.“ „Nein, das tue ich nicht.“ „Bitte!“ „Nein!“ „Na gut, dann eben nicht.“ „Ich finde es sehr unhöflich von Euch, mich hier sinnlos herumsitzen zu lassen, dabei hätte ich so viel zu tun.“ „Du hast jetzt Urlaub, Mann.“ „In diesem Rattenloch?“ „Ich weiß gar nicht was Du willst. So manche Touristen wären froh über so eine Unterkunft, die müssen in ganz anderen Bruchbuden hausen.“ „Normalerweise residiere ich in Luxushotels.“ „Tut mir leid, aber so viel haben wir nicht erbeutet, daß wir es uns leisten könnten, Dich im Kilton unterzubringen.“ Beide lachten. Sollte das der Beginn einer wunderlichen Freundschaft werden?

Der Fußballtrainer wußte nicht so recht, warum der Präsident ihn unbedingt sprechen wollte, doch der war der Boß und so trat er zum Rapport bei ihm an. „Herr Müller, ich muß Sie leider entlassen“, eröffnete ihm der Vereinschef. Jener fiel aus allen Wolken. „Warum das denn?“ platzte es aus ihm heraus. „Wegen zu viel Erfolg. Sie stehlen mir die Show und die Fans lieben Sie mehr als mich.“ „Aber das verstehe ich jetzt nicht.“ „Ich auch nicht. Aber es ist so. Sie sind fast schon so populär wie Ihr Namensvetter, Sie wissen schon, der mit der Milch.“ „Das freut mich ja, aber mir geht einfach nicht in den Kopf, warum Sie mich entlassen wollen.“ „Sie werden mir zu mächtig. Nicht umsonst heißt es in den Medien, ich wäre so eine Art Sonnenkönig und als solcher kann ich natürlich niemanden neben mir dulden.“ „Trotzdem. Ich bin doch keine Gefahr für Sie.“ „Mag sein, aber es hat natürlich auch mit dem Schneehagel-Syndrom zu tun.“ „Was ist denn das nun wieder?“ „König Ottmar wurde 2004 mit Griechenland Europameister und wenn er vernünftig gewesen wäre, dann wäre er auf dem Gipfel des Erfolges zurückgetreten, denn mehr kann er mit der Mannschaft garantiert nicht erreichen. Sie sind mit unserem Klub Pokalsieger geworden und in den UEFA-Cup eingezogen, mehr ist mit dieser Truppe einfach nicht drin. Deswegen wäre es klug gewesen, wenn Sie Ihren Rücktritt eingereicht hätten.“ „Aber Sie haben mich doch gebeten weiterzumachen.“ „So? Hab ich das? Daran kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Wissen Sie, Fritz, ich bin manchmal etwas sprunghaft und launisch. Mein Psychologe hat mir da ein bißchen weitergeholfen und so kann es durchaus sein, daß ich nur nicht wollte, daß Sie zurücktreten, damit ich Sie irgendwann rausschmeißen kann.“ „Hören Sie mir doch mit Ihrem Psychologieschnickschnack auf! Gut, die Mannschaft hat jetzt ein paarmal verloren, aber ohne mich wäre sie nie so weit nach oben gekommen.“ „Das weiß ich doch auch, aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Je höher man aufsteigt, desto tiefer ist der Fall. Und jetzt gehen Sie bitte! Ich muß mich noch auf die Pressekonferenz vorbereiten.“ Der entlassene Trainer schüttelte ungläubig seinen Kopf, stand auf und ging. Er hatte in seiner langen Laufbahn schon so einiges erlebt, aber das war wirklich der Gipfel der Unverschämtheit! Aus einer Gurkentruppe, die zum Abstieg verdammt zu sein schien, hatte er einen Europapokalteilnehmer gemacht und nun sollte ein Anderer die Früchte ernten, die er gesät hatte. Das Leben war manchmal hart und ungerecht. Der Präsident auch.

 

Man sah ihr nicht an, daß sie schon 29 war, es kam bisweilen sogar vor, daß man sie nicht in die Disko lassen wollte, weil man sie für noch nicht volljährig hielt. Einerseits gefiel ihr das, andererseits hatte Jeanette auch damit zu kämpfen, daß man sie nicht ernst nahm und das ärgerte sie schon. Sie arbeitete in einem Call-Center und gehörte dort schon fast zum Inventar, denn sie ging dort bereits seit knapp fünf Jahren ein und aus. Natürlich hatte auch sie gedacht, daß sie mit einem abgeschlossenen Studium zu Höherem bestimmt wäre, aber es konnte nun mal nicht nur Führungskräfte geben. „Ich will eine Gehaltserhöhung“, teilte sie ihrem Vorgesetzten mit. „Und warum?“ fragte jener maliziös lächelnd. „Weil ich schon so lange dabei bin.“ „Was ist denn das für eine armselige Begründung? Wir sind doch hier nicht beim Staat. Eine Gehaltserhöhung gibt es erst, wenn Du mehr Neukunden akquirierst.“ „Das ist Schikane. Ich tue mein Möglichstes und gebe mein Bestes.“ „Genug ist zu wenig.“ „Na gut, dann kündige ich halt.“ Er begann lauthals zu lachen und wollte gar nicht mehr damit aufhören. Sie schaute ihn böse an, er aber rief freudetrunken: „Ha! Wer würde Dich schon einstellen? Du hast fünf Jahre lang in einem Call-Center gearbeitet, Du bist eine Sklavin der Neuzeit.“ Da sah sie ihn traurig an, nickte stumm und ging. Am nächsten Tag kam sie nicht zur Arbeit, statt dessen wurde sie in die Psychiatrie eingeliefert, da sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. „Das wird schon wieder, Schwesterherz“, redete ihr ihr Bruder gut zu, doch sie starrte nur an die Wand. „Keine Sorge, in zwei bis drei Monaten ist sie wieder die Alte“, versprach eine Schwester. „Na hoffentlich nicht. Es wird höchste Zeit, daß sie in ihrem Leben etwas ändert und ihre Krise ist die große Chance dazu. Sie muß endlich raus aus dieser Telefonsekte und ins richtige Leben zurückkehren“, verkündete ihr Bruder. Auf einmal kam einer der Patienten auf ihn zugelaufen, umarmte ihn und rief: „Der Friede sei mit Dir! Jesus liebt Dich.“ „Diese Jesusfreaks sind auch überall“, dachte sich der Umarmte und verließ die geschlossene Anstalt. Derweil lag Jeanette auf ihrem Bett und dachte über ihr bisheriges Leben nach. Viel hatte nicht geklappt, manches war schön gewesen, aber das Gesamturteil fiel sehr negativ aus. Die Depression hatte sie voll im Griff.

„Kennen Sie den Mann?“ wollte der Journalist wissen. „Nein. Ich war doch nur auf dem Volksfest und da fand ich es so lustig, daß der Typ bei einem dunkelhäutigen Ausschenker ein Dunkles bestellt hat. Das war zum Kaputtlachen“, erzählte die ältere Frau. „Aber darum geht es doch überhaupt nicht. Gestern wurde in der Innenstadt ein Neonazi von einem Ausländer verprügelt, jetzt schlagen die Opfer endlich zurück.“ „Na ja, vielleicht hat das ja etwas mit seiner Äußerung zu tun.“ „Glauben Sie wirklich? Also ich halte das für unwahrscheinlich, denn was ist schon dabei: Wenn ich dunkles Bier mag und eins trinken will, dann bestelle ich mir das, ganz gleich ob der Ausschenker schwarz, weiß, rot oder gelb ist.“ „Na ja, es ist halt da momentan ein bißchen Unruhe im Land, wegen dieser Ausländerjagd und da war doch auch noch was beim Fußball ...“ „Stimmt! Ja, die Zeiten haben sich wirklich geändert. Früher nannte man den Schiedsrichter häufig „schwarze Sau“, heute müssen sich das unsere Nationalspieler anhören. Aber wir haben England besiegt.“ „Das hätten wir damals vor 65 Jahren auch gerne. Na ja, man kann nicht alles haben“, seufzte die Frau, nahm ihre Wäsche von der Leine und wollte verschwinden. „Einen Augenblick noch, mir ist da gerade etwas eingefallen! Wohnt in diesem Haus nicht der sogenannte „Kaiser von Dormagen“?“ „Ich weiß nicht wen Sie meinen.“ „Na, den Samenstreuer natürlich!“ „Ach so, der. Ja, der wohnt hier, aber wieso fragen Sie?“ „Na ja, der Mann hat ja einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht und ist deshalb eine Person von öffentlichem Interesse. Können Sie mir nicht ein paar Gerüchte über den Kerl liefern?“ „Na ja, ich weiß nicht so recht, solche Dinge sind ja eigentlich schon vertraulich.“ „Papperlapapp! Schwer verdaulich sind sie meist, aber höchst unterhaltsam. Na kommen Sie schon, plaudern Sie ein bißchen aus dem Nähkästchen, Sie wissen bestimmt am besten von allen hier Bescheid.“ Sie nickte stolz und begann: „Na ja, es heißt, daß er seine jetzige Lebensgefährtin nicht schwängern will.“ „Tatsächlich? Und warum?“ „Weil er sich nicht noch mehr Alimente leisten kann.“ „Der soll sich nicht so haben. Da gibt es doch jetzt das Erziehungsgeld, das ist genau richtig für den. Vielen Dank für Ihre Auskünfte, Frau Schmidt, ich muß jetzt wieder weiter. Einen schönen Tag noch!“ Dann war er fort, der rasende Reporter und die Frau überlegte kurz, ob es wirklich klug gewesen war, so etwas auszuplaudern. Andererseits war es auch nicht verboten.

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