Handbuch Eigentumswohnung

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Handbuch Eigentumswohnung
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HANDBUCH EIGENTUMSWOHNUNG

Annette Schaller Werner Siepe Thomas Wieke


LIEBE LESERIN,
LIEBER LESER

Das Leben in der selbstgenutzten Eigentumswohnung ist in Deutschland weit verbreitet. Etwa 14 Prozent aller Haushalte hierzulande besitzen eine Eigentumswohnung, stellt das Statistische Bundesamt fest. Das sind etwa 5,8 Millionen Wohnungen. Hinzu kommen über vier Millionen weitere, die vermietet sind, also als Kapitalanlage dienen. Der Trend zum „Eigentum auf der Etage“ ist ungebrochen.

Unser Handbuch Eigentumswohnung wendet sich sowohl an Selbstnutzer als auch an Kapitalanleger. Für beide Gruppen von Wohneigentümern steht der individuelle Nutzen ihrer Eigentumswohnung im Vordergrund, wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Wir wollen Ihnen hier alle notwendigen Informationen rund um Kauf, Finanzierung, Verwaltung, Vermietung und Bewertung vermitteln. Tipps aus der Praxis der Autoren sowie nützliche Checklisten, Tabellen und Beispielrechnungen sollen Ihnen dabei helfen.

Wer eine Eigentumswohnung kaufen will, muss sich bei der Suche und Auswahl nach einer geeigneten und preiswerten Eigentumswohnung viel Mühe geben. Der ausführliche Fahrplan für Käufer, der vor allem beim Kauf von älteren Eigentumswohnungen aus zweiter Hand unverzichtbar ist, hilft Ihnen dabei.

Die nun bereits seit Jahren niedrigen Zinsen für Hypothekendarlehen erleichtern Ihnen den Einstieg trotz gestiegener Immobilienpreise. Eine maßgerechte und individuelle Finanzierung über Banken sorgt für Sicherheit. Für Selbstnutzer gibt es darüber hinaus eine Fülle von weiteren finanziellen Hilfen.

Mit dem Kauf und der Finanzierung einer Eigentumswohnung ist es aber nicht getan. An der Verwaltung geht kein Weg vorbei – egal, ob Sie Ihre Eigentumswohnung selbst nutzen oder an Dritte vermieten. In die Art der Nutzung Ihrer Wohnung selbst redet Ihnen grundsätzlich keiner rein. Um das Gemeinschaftseigentum sollten Sie sich als Mitglied der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft im eigenen Interesse aber auch kümmern. Viel Arbeit nimmt Ihnen dabei eine professionelle Hausverwaltung ab.

Wichtig sind für Wohneigentümer verständlicherweise die laufenden Kosten, also das an die Hausverwaltung monatlich zu zahlende Hausgeld sowie die Jahresabrechnung über sämtliche angefallenen Bewirtschaftungskosten, also über Betriebs-, Verwaltungs- und Instandhaltungskosten. Vermieter können zwar die Betriebskosten auf ihre Mieter umlegen, aber nicht die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten.

Was ist Ihr Immobilienanteil eigentlich wert? Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn Sie Ihre Eigentumswohnung später einmal verkaufen möchten. Bei der Bewertung des erzielbaren Marktpreises geht man üblicherweise von Vergleichswerten aus. Zusätzlich spielt bei Wohnungen in Selbstnutzung der Sachwert eine Rolle und bei Kapitalanlegern der Ertragswert.

Welche Maßnahmen zur Werterhaltung und Wertsteigerung zu empfehlen sind, erfahren Sie hier. Dazu gehören die Renovierung, Modernisierung und energetische Sanierung des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums Wohnung.

Und wenn Sie einmal schnell verständliche Erklärungen wichtiger Fachbegriffe rund um die Eigentumswohnung brauchen, schlagen Sie einfach im ausführlichen Glossar nach.

INHALTSVERZEICHNIS

VOM NUTZEN EINER EIGENTUMSWOHNUNG

Wie entstand das Wohnungseigentum?

Die Probleme der Aristokraten

Ein Blick zurück

Vorläufer: Das Stockwerkseigentum

Lösung: Das Wohnungseigentumsgesetz

In der DDR

Wohneigentum als Altersvorsorge

Selbstnutzer oder Kapitalanleger

Förderung des Wohneigentums

Wohneigentum als Schonvermögen in Notlagen

Eingriffe in Wohneigentum bei Sonderfällen

Höhere Steuern und mehr Bürokratie

Vom Mieter zum Selbstnutzer

Selbstgenutzte Eigenheime

Eigentumsförderung

Wohn-Riester-Rente löst Eigenheimzulage ab

Gründe für den Erwerb eines Eigenheims

Eigentumswohnung statt Einfamilienhaus

Hände weg vom Miet- oder Optionskauf

Die vermietete Eigentumswohnung

Mietobjekte

Kapitalanlage in eine vermietete Eigentumswohnung

Anlageziele

Rahmenbedingungen

Schrottimmobilien und geschlossene Immobilienfonds

Wechselnde Nutzungsphasen

Erst Selbstnutzung, dann Vermietung

Erst Vermietung, dann Selbstnutzung

Vorübergehende Vermietung oder Selbstnutzung

SUCHEN UND KAUFEN: DER FAHRPLAN

Der Wohnungsmarkt in Deutschland

Gebrauchte Wohnung oder Neubau?

Besichtigung und Prüfung

Der Musterfahrplan

Alles allein?

Das Käufer- oder Bauherrenprofil

Das eigene Raumprogramm

Gewerbe in den eigenen Räumen?

Das Gebäude

Konstruktion und Material

Bauepochen

Der Standort

Allgemeine Faktoren

In die Zukunft denken

Die eigene Vermögensanalyse

Kassensturz

Wie viel Zeit haben Sie?

Der Preis ist nicht alles

Strategische Analyse

Von der Entscheidung zum Vertrag

Eine Wohnung bauen

Eine Wohnung kaufen

Der Weg zum Vertrag

Was steht im Grundbuch?

 

Rangfragen

Was steht nicht im Grundbuch?

Notartermin

Auflassungsvormerkung (Eigentumsvormerkung)

Die Finanzierung richtig planen

Magisches Dreieck der Finanzierungsziele

Niedriger Zinsaufwand

Aktuelle Zinskonditionen

Die beste Zinsbindung wählen

Hohe Zinsaufschläge vermeiden

Planmäßige Entschuldung

Die tragbare Belastung

Eckdaten für Ihre Finanzierung

Darlehensanfrage und -angebot

Die Kreditverhandlung

Bonitätsprüfung und Schufa-Auskunft

Kreditgespräch auf gleicher Augenhöhe

Beleihungsprüfung der Bank

Der Darlehensvertrag

Bestellung und Eintragung der Grundschulden

Grundschuld statt Hypothek

Persönliche Haftung

Eventuelle Zusatzsicherheiten

Auszahlung des Darlehens

EIGENTUMSWOHNUNG FÜR SELBSTNUTZER

Vergleich „Eigentum statt Miete“

Finanzierung für Selbstnutzer

Hohe Eigenkapitalquote

Eigenkapitalersatzmittel

KfW-Mittel für Selbstnutzer

Finanzierungs-Mix für Selbstnutzer

KfW-Mittel für Sanierung und Energieersparnis

Wohn-Riester

Nachgelagerte Besteuerung der Wohn-Riester-Rente

Finanzielle und steuerliche Hilfen

Steuervergütung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen

Steuerersparnis für häusliches Arbeitszimmer

Denkmal-Abschreibung

Bausparförderung

Lastenzuschuss für bedürftige Selbstnutzer

Bafa-Zuschuss für neue Ökoheizung

Mittel von Ländern, Kommunen und Kirchen

Belastung aus Bewirtschaftung

Betriebskosten

Verwaltungskosten

Instandhaltungskosten und -rücklagen

Belastung aus Bewirtschaftungskosten

Gesamtbelastung aus Bewirtschaftung und Kapitaldienst

Sinkende Belastung durch Sondertilgungen

VERMIETETE WOHNUNG ALS KAPITALANLAGE

Von der Miete zur Rendite

Mietrenditen brutto und netto

Vermietete Wohnung richtig finanzieren

Niedrige Eigenkapitalquote

Niedriger Tilgungssatz

Zinsbindungsdauer 10 Jahre

Belastung aus Kapitaldienst

Steuern sparen als Vermieter

Steuerersparnisse durch Verluste aus Vermietung

Steuern sparen mit Verlusten

Steuerpflichtige Mieteinnahmen inklusive Umlagen

Steuerlicher Schuldzinsenabzug

Steuerlich abzugsfähige Bewirtschaftungskosten

Steuerlich abzugsfähige Abschreibungen (inklusive Denkmalschutz-AfA)

Steuerfreier Veräußerungsgewinn bei Verkauf

Vermietung und Bewirtschaftung

Objektauswahl

Mietersuche und -auswahl

Mietpreiskalkulation

Mietvertrag

Betriebskostenabrechnung und Mietverwaltung

Kündigung wegen Eigenbedarfs des Vermieters

Vorgehen bei Mietrückständen

VERWALTUNG VON EIGENTUMSWOHNUNGEN

Grundlagen für die Verwaltung

Der Aufteilungsplan

Die Teilungserklärung

Die Gemeinschaftsordnung

Das Gemeinschaftseigentum verwalten

Rechtliche Grundlagen

Neue Rechtsbeziehungen in der Gemeinschaft

Die Organe der Verwaltung

Verwaltung durch die Wohnungseigentümer

Bauliche Veränderungen und Kostentragungspflichten

Verwaltung durch den Wohnungseigentumsverwalter

Gesetzlich unabdingbare Aufgaben

Vermögensbericht

Aufgaben und Befugnisse des Verwalters

Verwaltungsmaßnahmen von untergeordneter Bedeutung

Bestellung und Verwaltervertrag

Verwaltung in Eigenverantwortung oder durch den Profi?

Verwaltung durch den Verwaltungsbeirat

Verwaltung des Sondereigentums

WAS IST MEINE WOHNUNG WERT?

Überschlag oder Gutachten?

Wie wird der Wert bestimmt?

Das Vergleichswertverfahren

Das Ertragswertverfahren

Das Sachwertverfahren

Wertmindernde Faktoren

Wertsteigernde Maßnahmen

Die Aufwertung der Wohnung: Planung

Bestandspläne beschaffen

Bestandspläne prüfen

Neue Bestandspläne erstellen

Bestandsplan, Entwurfsplan, Genehmigungsplanung

Fachleute – Sachverständige – Experten

Die Maßnahmen- und Leistungsbeschreibung

Ausführungsplanung

Ausschreibung und Einholen der Angebote

Das Bauvertragsrecht

Die Vergabe der Arbeiten

 

Bauleitung und Qualitätskontrolle

Der Bauzeitenplan

Das Bautagebuch

Bauleitung

Qualitätssicherung

Abnahme und Dokumentation

Dokumentation – mehr als eine Formalie

Energieeffizient im Bestand

Neuralgischer Punkt: Die Fenster

Kontrollierte Wohnraumlüftung

Fassadendämmung oder Innendämmung

Energieausweis im Bestand

Nachrüstpflichten

In guten und in schlechten Zeiten

Was geschieht im finanziellen Härtefall?

SERVICE

Glossar

Literatur

Register

VOM NUTZEN EINER EIGENTUMSWOHNUNG


Unter den Begriff Eigenheim fällt neben dem selbstbewohnten Ein- oder Zweifamilienhaus auch die selbstgenutzte Eigentumswohnung.

Der Trend zum Wohnungseigentum hält an. Nach einer Allensbach-Umfrage vor einigen Jahren liegt das Eigenheim als Baustein der Altersvorsorge sowohl bei der Beliebtheit als auch bei der Frage nach einer besonders sicheren Form der Altersvorsorge bei den Bundesbürgern an erster Stelle.

Unter Eigenheim sind die vom Wohnungseigentümer selbstbewohnten und damit eigenen vier Wände zu verstehen. Zum Eigenheim in diesem Sinne zählt neben dem selbstbewohnten Ein- oder Zweifamilienhaus auch die selbstgenutzte Eigentumswohnung. Drei Viertel der Selbstnutzer wohnen in einem Ein- oder Zweifamilienhaus und ein Viertel in einer Eigentumswohnung.

Erstaunlicherweise liegt die vermietete Wohnimmobilie, also die vermietete Eigentumswohnung oder das Miethaus, bei der Beliebtheit der Altersvorsorgeformen nach dem Eigenheim und Bausparen bereits an dritter Stelle und bei der Bewertung der finanziellen Sicherheit mit immer noch 32 Prozent hinter dem Eigenheim (52 Prozent), der gesetzlichen Rente (45 Prozent) und der betrieblichen Rente (35 Prozent) an vierter Stelle.

WIE ENTSTAND DAS WOHNUNGSEIGENTUM?

Das Eigentum an einer Wohnung ist ein relativ junges Rechtskonstrukt. Es entstand in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit dem Wohnungseigentumsgesetz von 1951 wurden in der Bundesrepublik Deutschland die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen. In der DDR, wo es zwar auch privat genutztes Wohneigentum und in den Fünfzigerjahren sogar zeitweilig das Bausparen gab, war das Privateigentum an einer einzelnen Wohnung hingegen unbekannt.

Das Eigentum an einer Wohnung in einem Gebäude, das mehrere Wohnungen umfasst, wäre nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch eigentlich nicht möglich. Denn – vereinfacht gesprochen – das Gebäude und der Grund, auf dem es steht, bilden eine untrennbare Einheit. Aus § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der „Wesentliche Bestandteile einer Sache“ definiert, geht hervor: „Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.“ Und auf das Verhältnis von Grundstück und Gebäude bezogen heißt es in § 94 BGB ausdrücklich: „Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude … Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.“

Ein Gebäude ist in der Regel (Ausnahmen davon gibt es natürlich) nicht aus einzelnen Wohnungen quasi modular zusammengesetzt, sondern ein Ganzes, das nicht real in mehrere kleinere Einheiten, also eben Wohnungen, zerlegt werden kann. Genauso unmöglich ist, das Grundstück, auf dem das gesamte Gebäude steht, real den einzelnen Wohneinheiten zuzuordnen. Auf welchem Teil des Grundstücks ruht beispielsweise die Wohnung im dritten Obergeschoss rechts? Natürlich auf derselben Fläche wie auch die Wohneinheiten unter dieser Wohnung vom Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss. Eine Realteilung wäre hier gar nicht möglich. Auch dass sich ein Gebäude, das mit dem Grundstück fest verbunden ist, vom Grund und Boden real nicht trennen lässt, ohne das Gebäude wesentlich zu verändern oder gar zu zerstören, leuchtet ein. Von dem Sonderfall, dass man mit aufwendigen technischen Hilfsmitteln ein komplettes Gebäude von seinem Fundament trennen und an eine andere Stelle versetzen kann, darf in diesem Zusammenhang abgesehen werden.

Der § 93 BGB verbietet nun aber, an wesentlichen Bestandteilen einer Sache besondere Rechte zu begründen. Darum hat das Wohnungseigentumsgesetz 1951 eine Abweichung vom BGB ausdrücklich festgeschrieben. Dazu musste zunächst das Wohnungseigentum, das es bis dahin gar nicht gab, juristisch definiert werden. „Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört“, heißt es in § 1 des Gesetzes.

Damit unterscheidet sich die Wohneigentümergemeinschaft substanziell von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer anderen Personengesellschaft. Auch zu Eigentümergemeinschaften in anderen europäischen Ländern gibt es Unterschiede. So existiert in Dänemark neben der ejerbolig (Eigentumswohnung) auch die private andelsbolig (Anteilswohnung) – sie wird manchmal unzutreffend als „Genossenschaftswohnung“ übersetzt. Man erwirbt zum Beispiel für umgerechnet 140 000 Euro Anteile am Vermögen der andelsboligforening (der Wohnungsanteilsgemeinschaft) und damit gleichzeitig das Recht, eine Zweizimmerwohnung von 60 Quadratmetern zu nutzen. Das Nutzungsentgelt im gewählten Beispiel ist wesentlich geringer als der Mietzins für eine vergleichbare Wohnung (im gewählten Beispiel etwa umgerechnet 220 Euro). Der Nutzer erwirbt aber kein Eigentumsrecht an der Wohnung selbst, sondern nur Anteile am Gesamtvermögen der Anteilsgemeinschaft und einen Nutzungsanspruch für die Wohnung.


Eine der ältesten Eigentümergemeinschaften bewohnte die Burg Eltz.

Die Probleme der Aristokraten

Schon im Mittelalter standen Adelsfamilien manchmal vor der Tatsache, dass mehrere Erben ein und dieselbe unteilbare Sache besaßen – seit altdeutscher Zeit existierte das Rechtsinstitut der Ganerbschaft.

Erbten beispielsweise mehrere Zweige einer Familie eine Burg gemeinschaftlich, so konnten sie auch nur gemeinschaftlich darüber verfügen. Auf der sogenannten Ganerbenburg mussten die verschiedenen Erben miteinander auskommen, bis zu einem gewissen Grad kooperieren, um nebeneinander friedlich zu koexistieren. Um den Alltag des Nebeneinanders verschiedener Familienzweige, die Fragen der Zugangswege und der Nutzungsrechte an gemeinschaftlichen Bauteilen zu regeln, wurde meist ein sogenannter Burgfrieden geschlossen – dieses Rechtsinstitut ist als Begriff (beispielsweise für innerbetriebliche Kompromisse) in unseren alltäglichen Sprachgebrauch eingegangen. Burgfriedensverträge entsprachen in mancher Hinsicht den heutigen Teilungserklärungen, die das Wohnungseigentum begründen.

Die vielleicht bekannteste Ganerbenburg ist die Burg Eltz in Rheinland-Pfalz. Ihr Bild zierte einst die Rückseite der 500-DM-Banknote.

Hier erbten 1268 drei Linien der Familie die Burg gemeinschaftlich und mussten sich miteinander arrangieren: Eltz vom Goldenen Löwen (Kempenich), Eltz vom Silbernen Löwen (Rübenach) und Eltz von den Büffelhörnern (Rodendorf). Die drei Familienzweige bewohnten einerseits separate Teile der Burg, nutzten aber auch andere Teile der Anlage als Gemeinschaftseigentum. Die von den Büffelhörnern starben 1440 aus; ihr Anteil wurde unter die beiden Löwenfamilien aufgeteilt. Aber erst 1815 kaufte ein Goldener Löwe die Anteile eines Silbernen Löwen und brachte damit die gesamte Burg in seinen eigenen Besitz.

Ein Blick zurück

Deutschland ist ein Mieterland. Das selbstgenutzte Wohneigentum ist hier weniger verbreitet als bei manchen unserer west- und nordeuropäischen Nachbarn. Das ist zunächst einmal kein Werturteil, sondern nur die Beschreibung europäischer Verschiedenartigkeit. Und diese Verschiedenartigkeit hat historische Ursachen. Für Deutschlands besondere Situation erlangen mindestens zwei dieser Ursachen besondere Bedeutung.

Die erste Ursache liegt im späten 19. Jahrhundert. Nach den Einigungskriegen 1864 (gegen Dänemark), 1866 (gegen Österreich) und 1870/71 (gegen Frankreich) und der Reichsgründung entwickelte sich Deutschland zur Industrienation. Zwischen 1880 und 1900 entstanden die großen industriellen Ballungszentren. Deren Arbeitskräftehunger ließ viele Städte fast explosionsartig anschwellen. Um 1900 war Deutschland schon ein Mieterland. Der Massenwohnungsbau namentlich in den Großstädten, der um 1880 verstärkt eingesetzt hatte, trug dem enormen Arbeitskräftebedarf der forcierten Industrialisierung Rechnung. Die Einwohnerzahl von Berlin überschritt 1877 die Millionengrenze; 1890 wohnten 1 578 794 Menschen in Berlin, 1905 waren es 2 040 148. Nach dem Zusammenschluss mit den umliegenden Städten und Gemeinden zu „Groß-Berlin“ stieg die Einwohnerschaft sprunghaft, 1925 überschritt sie die Viermillionengrenze.

In den meisten Industriestädten zeigte sich ein ähnliches Bild. Die Einwohnerschaft von Essen verdoppelte sich innerhalb eines Jahrzehnts von 1895 bis 1905. Die Einwohnerzahl Hamburgs wuchs von 323 000 im Jahr 1890 auf 705 000 im Jahr 1900 und überschritt 1912 die Millionengrenze.

Die zuziehenden Arbeitskräfte hätten weder genügend Fläche vorgefunden, um sich darauf ihre eigenen Häuser zu bauen, noch wären sie dazu wirtschaftlich in der Lage gewesen. Der Wohnungsbedarf wurde überwiegend mit Geschossbauten befriedigt. Wegen der Gleichförmigkeit der Bebauung, der hohen Bebauungsdichte und der oftmals sehr spartanischen Ausstattung sprach man von Mietskasernen. Ganze Stadtquartiere wurden damit bebaut. Die hygienischen Verhältnisse waren oftmals schwierig, und die Ordnungspolizei hatte mehr als einmal Anlass, gegen unzumutbare gesundheitsschädliche Wohnverhältnisse einzuschreiten. Der Grafiker Heinrich Zille wurde um 1900 zum bekannten künstlerischen Chronisten der prekären Wohnverhältnisse Berlins.

Auch die Akten der Baupolizeibehörden sind voll von Klagen und behördlichen Eingriffen wegen unerlaubter Überbauung, unzureichender Lüftung, miserabler Sanitäreinrichtungen, nicht genehmigter Gewerbebetriebe und vieler anderer Mängel, die das Leben in den Mietskasernen um 1900 kennzeichnen. In den übrigen Großstädten des Deutschen Reiches sah es nicht grundlegend anders aus.

Der Anteil des genossenschaftlichen Wohnungsbaus war bis zum Ersten Weltkrieg noch relativ gering. Die sehr schnelle, gewissermaßen nachzuholende Industrialisierung Deutschlands hatte eine extreme Zunahme der Bevölkerungskonzentration zur Folge, und die wurde in wilhelminischer Zeit überwiegend vom privat finanzierten Mietwohnungsbau aufgefangen. Das ist eine Besonderheit gegenüber den europäischen Nachbarstaaten, in denen sich andere Eigentumsformen auch in den Großstädten schon früher durchsetzten.

Eine zweite Ursache ist der deutsche Mietwohnungsmarkt selbst. Er ist zwar reguliert, aber er funktioniert im europäischen Vergleich außerordentlich gut. Über Jahrzehnte ist es mittels Gesetzgebung und fiskalischer Steuerung gelungen, einen Interessenausgleich zwischen den Marktteilnehmern zu erreichen und dieses Gleichgewicht bei allen Schwankungen und trotz starker Interessenskonflikte in den Ballungsgebieten bis heute zu erhalten. Der Wohnungsmarkt besitzt in Deutschland eine starke soziale Komponente, aber er lebt nicht ausschließlich von diesen Sozialbindungen. Im europäischen Vergleich besitzen Mietwohnungen in Deutschland auch einen hohen Standard.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in den Westzonen für 14,6 Millionen Haushalte nur 9,4 Millionen Wohnungen. Der Fehlbestand war im Grunde noch größer, denn in die Summe der „Wohnungen“ waren Behelfsheime wie Baracken und Gartenlauben eingeschlossen. Fünf Personen teilten sich statistisch gesehen eine Wohnung, pro Person standen 15 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. Drei alternative Wege der Wohnungsbauförderung boten sich an:

Förderung über die Bauträger,

Förderung über das Gebäude (Objektförderung),

Förderung der Mieterkaufkraft (Subjektförderung).

Man entschied sich für den Weg der Objektförderung. Aus Haushaltsmitteln des Bundes wurden zinslose Baudarlehen mit Tilgungsfristen von 30 bis 35 Jahren an private Investoren vergeben. Im Gegenzug verlangte man den Investoren für die Dauer der Förderung eine Sozialbindung ab:

Die geförderten Wohnungen durften nur an solche Haushalte vermietet werden, deren Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschritt.

Anders als in der Zeit vor 1933 war die Förderung nicht mehr nur auf Unternehmen beschränkt, die eine Gemeinnützigkeit langfristig garantierten.

Diese Direktsubventionen trieben den sozialen Wohnungsbau innerhalb kurzer Zeit an. Damit war aber auch der Anteil der privaten Bautätigkeit im Wohnungsbau von Anfang an sehr hoch und stieg in der Folgezeit weiter an: In der Mobilisierung privater Investoren für den Mietwohnungsbau liegt die zweite historische Ursache dafür, dass in (West-)Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ein dynamischer Mietwohnungsmarkt entstand. Dazu trug auch die flexible Handhabung der Mietpreisbindung bei, die in Deutschland die Marktmechanismen nicht aushebelte. Der sozialpartnerschaftliche Kompromiss bestand darin, dass die Investoren etwas verdienen und die Mieter dennoch günstig wohnen konnten. In anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Großbritannien führten starre Regulierungen der Wohnungsmieten dazu, dass sich private Investoren mehr und mehr aus dem Mietwohnungsmarkt zurückzogen und die „Sozialwohnung“ zu etwas Anrüchigem wurde, das ihre Bewohner regelrecht stigmatisierte.