Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert

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Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert
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Annette Riemer

Sachsen-Anhalt, wie es glänzt und dämmert

Reisen zwischen Harz und Heide

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Altjeßnitz

Aschersleben

Bad Bibra

Bad Dürrenberg

Ballenstedt

Barby

Bernburg (Saale)

Biederitz

Bitterfeld-Wolfen

Blankenburg

Braunsbedra

Burg

Coswig (Anhalt)

Dessau-Roßlau

Dieskau

Eichenbarleben

Freyburg (Unstrut)

Genthin

Goethestadt Bad Lauchstädt

Gommern

Gräfenhainichen

Hansestadt Osterburg (Altmark)

Hansestadt Salzwedel

Harzgerode

Holleben

Jerichow

Kemberg

Köthen (Anhalt)

Landsberg

Laucha an der Unstrut

Leuna

Löbejün

Lutherstadt Eisleben

Lutherstadt Wittenberg

Magdeburg

Memleben

Merseburg

Möckern

Mücheln (Geiseltal)

Naumburg (Saale)

Oberharz am Brocken

Oranienbaum

Petersberg

Quedlinburg

Querfurt

Raguhn-Jeßnitz

Sandersdorf-Brehna

Sangerhausen

Schkopau

Schönebeck

Sennewitz

Stendal

Stolberg

Südliches Anhalt

Tangermünde

Teutschenthal

Weißenfels

Wernigerode

Wettin

Wolmirstedt

Wörlitz

Zeitz

Zerbst

Impressum neobooks

Altjeßnitz

Altjeßnitz ist das, was man in Sachsen-Anhalt mit viel Nachsicht als „Mokchen“ bezeichnet: ein kleines, aber recht feines Dorf, in dem rein gar nichts passiert. Dementsprechend hat Altjeßnitz auf den ersten Blick auch kaum mehr zu bieten als ein paar hutzelige Häuser, die entlang der gewundenen Hauptstraße aus der Auenlandschaft herausragen: Hier, entlang der Mulde zwischen Dessau und Bitterfeld, gibt es keine Tankstellen, keine Pensionen, keine Restaurants und nur sehr wenige Einwohner. In wenigen Minuten ist der gesamte Ort zwischen Mühlholzgraben und Seewiesengraben durchschlendert.

Was der Ort touristisch zu bieten hat, scheint ebenfalls auf den ersten Blick sehr überschaubar zu sein: Dass die Dorfkirche unlängst zur Station der Straße der Romanik aufgewertet worden ist, hat nicht gerade für die größten Schlagzeilen gesorgt. Und das Schloss im Ort wurde zwar nach einem Brand einigermaßen originalgetreu restauriert. Es ist aber eben keins dieser opulenten oder wenigstens neckischen Prunkbauten der Anhaltiner: In Altjeßnitz hausten die Ritter von Ende, was sehr viel über die Randlage dieses sächsischen Dorfes besagt.

Mit dem Irrgarten von Altjeßnitz haben es die von Ende jedoch geschafft, den Ort überregional bekannt zu machen. Während die Fürsten von Anhalt im nahen Wörlitz und Oranienbaum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausgedehnte Gartenreiche nach englischem Vorbild schufen – gemeinsam sind sie UNESCO-Welterbe – pflanzten die Ritter von Ende in Altjeßnitz zur gleichen Zeit einen Irrgarten aus Hainbuchen. Heute gilt er als größter Heckengarten der Welt. Zu seiner Entstehungszeit sollte er – typisch Aufklärung – die Menschen zum Nachdenken über den eigenen (Lebens)Weg anregen.

Interessant ist dabei, dass der Irrgarten keine Sackgassen aufweist. Die immer noch sehr moderne Botschaft: Es gibt keine Fehltritte im Leben, nur unterschiedliche Wege zum Ziel. In Altjeßnitz ergeben sich mehrere hundert Optionen, den Aussichtsturm im Zentrum des Irrgartens zu erreichen. Auch das wiederum ist symbolisch: Zuletzt wird aus einer etwas erhobenen, entrückten Position der Blick zurück auf das große Ganze geworfen.

Das herüber wehende Blöken der Ziegen von den umliegenden Weiden relativiert dann allerdings glücklicherweise schnell wieder jede Bedeutungsschwere, bevor sie zu bedrückend wirken könnte. Am Ende ist Altjeßnitz eben doch nur ein herrlich verträumtes Mokchen.

Aschersleben

Eine rundum schöne Stadt, die da irgendwo in der Mitte des Landes und mehr noch tief im allgemeinen Vergessen liegt. Aschersleben zeigt sich von außen her zunächst als grüne Oase mit hundefreien Parks, in denen sich allerhand Bierzelte, Spielplätze und Wasserkunstwerke befinden. Schon wird der Schritt langsamer und der Blick auf die Uhr nachsichtiger – Aschersleben lädt mit sanftem Druck zur Entschleunigung ein: Moderner Zeitgeist trifft auf gepflegte Grünfläche (und trotzdem kann es so anstrengend sein, termingerecht und intensiv zu pausieren!).

Die Namen der ausgedehnten Parks – Herrenbreite, Bestehornpark – deuten schon auf Ascherslebens zweiten großen Schatz hin: Weil die Stadt nie großartiges Industriezentrum und schon immer politisch unbedeutend war, gab es für die Alliierten im Zweiten Weltkrieg keinen Grund, hier ein Flächenbombardement zu veranstalten. Und für die Sozialisten keinen, mit Plattenbauten ganze Arbeiterviertel aus dem Boden und in den Stadtkern zu stampfen. Kurz: Ascherslebens Straßen haben noch immer mittelalterlich anmutende Namen wie Badstuben, Düsteres Tor und Über den Steinen und sind umgeben von dicken Wehrtürmen und Mauerresten, hinter denen hübsch erhaltene Mehrfamilienhäuser aus der Lutherzeit unter Denkmalschutz stehen. Erst außerhalb dieser famosen Altstadt erinnern Carl von Ossietzky, die Geschwister Scholl und Valentina Tereschkowa daran, dass Aschersleben nicht völlig aus der Zeit gefallen ist.

 

Sehr erfrischend, wenn auch ordentlich gewöhnungsbedürftig ist, dass hier Punkt sechs Uhr alle Läden geschlossen werden und sich die Straßen wie auf Kommando leeren. Ein belegtes Brötchen oder ein Gespräch ist plötzlich äußerst schwer zu bekommen, auch am Bahnhof, wo der Bäcker sogar schon zwei Stunden vor dem allgemeinen Zapfenstreich schließt. Und wo es – ein wichtiger Hinweis für Besucher – ganztags keine Toiletten gibt.

Wer sich aber nach der in Aschersleben eben in vielfacher Sicht anders tickenden Zeit richtet und sich in den Stunden zuvor auf den bereitwillig angebotenen Tratsch im Café, den überschaubaren Wochenmarkt und das sehr bemühte, aber eben doch zutiefst provinzielle Sammelsurium des Kriminalpanoptikums einlassen kann, der hat ganz bestimmt eine schöne, ruhige Zeit in einem sehr atmosphärischen Aschersleben.

Traurig nur, dass die vielfach heraufbeschworenen „Leute draußen im Land“ von Aschersleben so gar keine Notiz nehmen. Ja, die Stadt an der Eine wirkt geradezu überflüssig: Als Wiege der einst mächtigen Askanier gehörte Aschersleben schon seit 1315 nicht mehr zu deren anhaltischen Herrschaftsgebiet. Als geografisches Tor zum Harz ist die Stadt an den weitestgehend flachen Salzlandkreis gebunden, der auch noch vom in jeder Hinsicht fernen Bernburg dominiert wird. Wenn nicht – ausgerechnet! – die Polizeihochschule des Landes hier läge, könnte die älteste und wenigstens drittschönste Stadt des Landes glatt vollkommen unbemerkt aus der Welt fallen.

Bad Bibra

Im Süden Sachsen-Anhalts hört die Welt genau an dieser Stelle gleich hinter Naumburg auf. Freyburg gehört noch ein bisschen dazu, wegen der Rotkäppchen Sektkellerei und der mindestens ebenso berühmten Neuenburg. Nebra vielleicht auch, weil dort die allseits bekannte Himmelsscheibe geborgen wurde. Aber dann hört die Welt hier wirklich endgültig auf. Mitten in der Verwaltungsgemeinde An der Finne.

Die Finne, das ist ein kleines Stück Hügel zwischen anderen Hügeln, hinter denen im Westen gleich Thüringen liegt. Diesseits davon erstreckt sich der Burgenlandkreis als südlicher Zipfel von Sachsen-Anhalt bis an das Leipziger Land heran. Im Burgenlandkreis leben mehr Menschen als in der doppelt so großen Altmark im Norden. Es gibt hier Städte von immerhin einigem Rang wie Weißenfels, Naumburg oder Zeitz. Aber von der Finne aus sind sie alle gleich weit weg und aus der Welt – also in der Welt –, hier heißt die größte Stadt Bab Bibra und bringt etwa 2.000 Einwohner auf die Waage. Mehr ein Dorf also.

Bad Bibra, zwischen den Gemeinden Kaiserpfalz und An der Poststraße gelegen, ist Sitz der Verwaltungsgemeinde. Diese sitzt in einer Bahnhofstraße ohne Bahnhof, denn die Deutsche Bahn kommt nur bis nach Eckartsberga, der zweiten Stadt in der Verbandsgemeinde, und die Burgenlandbahn macht in Nebra Halt. Oder in Laucha. Aber eben nicht in Bad Bibra.

Und so bleibt ausgerechnet die Metropole in der Verbandsgemeinde ohne geschienten Verkehrsanschluss. Nur ein paar Busse pendeln. Entsprechend ruhig ist es in der Stadt, die sich aufs Kneippen versteht. Und äußerst beschaulich: Die Stadtteile Altenroda, Golzen und Thalwinkel liegen irgendwo außerhalb, versteckt im hügeligen Umland, und selbst Bad Bibras Kernteile Kalbitz, Steinbach und Wallroda sind auf fünfzig Quadratkilometer Feld und Wiesen verteilt zu suchen. Bad Bibra kann also gar nicht anders als ländlich daherkommen (der größte Arbeitgeber ist – wie passend – eine Molkerei).

Stadtteil Wallroda zum Beispiel. Hat einen Dorfplatz mit alten Gehöften darum. Eine Dorfkirche mit vier Gräber – nein, hier lebt es sich nicht so gesund, dass kaum jemand stirbt. Hier leben nur noch so wenige. Die letzten Bewohner sitzen mit Bier und Tussi in einer Garageneinfahrt, beneidenswert braungebrannt vom Alltag halbnackt. Man ist ja unter sich.

Und so sieht der Stadtteil aus: Mancher Hof ist in Schuss, bei vielen anderen wächst Moos auf dem Dach, ist das Tor nur noch ein Stück Rost. Solche Gehöfte gibt es hier schon für wenige tausend Euro zu haben, nebst mehrere tausend Quadratmeter Garten, in dem die Brennnessel meterhoch wuchert.

Inmitten dieses Wildwuchs steht auch eine Bushaltestelle. Morgens kommt der Schulbus, nachmittags auch.

Für diese paar Minuten, in denen der Bus hält, gehört Wallroda tatsächlich zu Bad Bibra, ist Stadtteil in Randlage. Den Rest des Tages aber ist es, was es schon immer war: ein Dorf hinterm Ende der Welt.

Bad Dürrenberg

Bad Dürrenberg hat ein Gradierwerk und sonst nichts. Das ist traurig, aber nicht zu sehr, denn andere Städte im Umkreis – nennen wir Leuna – haben noch weniger, also gar nichts.

An den üblichen Wochenenden lässt es sich in aller Ruhe durch „Dörrnberch“ schlendern, entlang der Saale vielleicht oder durch den höher gelegenen Kurpark. Im Restaurant Altes Badehaus prangen Audrey Hepburn und Kollegen nicht ganz stilecht neben ländlichen Küchengeräten an einer Wand, deren Farbe mit dem Kupferglanz der Tiegel und Backformen dafür umso mehr harmoniert. Dass hier insgesamt eher Landidylle als Hollywood vorherrscht, beweist die Kellnerin, die duzend und mit mütterlichem Wohlwollen serviert. Aber die Mütterlichkeit kommt von keiner lieben, guten Matrone, sondern von einer teilnahmslosen Servicekraft mit kaltem Aschegeruch. Und es gibt hier auch nur wenig Kuchen, noch weniger Gäste, trotzdem die Kellnerin versichert, dass welche da seien. Nur eben gerade zur Kaffeezeit nicht im Café. Man spaziere wohl lieber durch die Kuranlage, die sich aber auch als menschenleer erweist, wenngleich das hier nicht stört.

Zum Glück hat ja Bad Dürrenberg sein Gradierwerk! Wo sonst – eben an den üblichen Wochenenden – verträumt gesalzene Luft inhaliert werden kann, findet einmal im Jahr das Brunnenfest statt. Seit 250 Jahren inzwischen. Zum diesjährigen Jubiläum haben sich die Veranstalter etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Eintrittsgelder.

Denn das ist ja ein ganz hässlicher Trend hier im Land: Die Merseburger Schlossfestspiele, das Naumburger Hussiten-Kirschfest, das Querfurter Burgfest, das Bad Lauchstädter Brunnenfest und nun auch das Bad Dürrenberger: Alle Volksfeste in der Region sind plötzlich kostenpflichtig. Um die Qualität der Veranstaltung zu gewährleisten, sagen die Städte und reiben sich die Hände. Und um das Ganze überhaupt zu finanzieren. Zum Beispiel die Kassenhäuschen an den Zugängen zum Kurpark.

Armes Deutschland, wenn Volksfeste schon so flächendeckend zu Volkswirtschaftsfesten werden! Armes Bad Dürrenberg, dass die Fressbuden und – noch schlimmer – die Handtaschen, Herrenschuhe und Fensterreiniger trotzdem Zugang zum qualitätsgesicherten Brunnenfest gefunden haben! Am Gradierwerk stinkt es heute nach Klostein und lackiertem Kunstleder, Plüschhunde wackeln mit dem batteriebetriebenen Kopf. Auch Kittelschürzen gibt es hier zu kaufen.

Aber reißen wir uns zusammen, suchen wir nicht die Nadel im Heuhaufen: Was also hat das Brunnenfest, was hat Bad Dürrenberg heute zu bieten? Einen Aufmarsch der gewesenen Bergarbeiter aus Zielitz bei Magdeburg. Das Dauerwerbeprogramm einer Laienspielgruppe aus Weißenfels. Sächsische Kanoniere aus dem Dreißigjährigen Krieg ohne Kanone. Ritter, die sich ohne Schwerter verhauen. Eine Country-Band.

Und der Brunnen? Und Bad Dürrenberg? Die gibt es heute nicht, auf dem 250. Brunnenfest in Bad Dürrenberg, das ja nur ein Gradierwerk hat und eben nur das (als Kulisse) zum Fest beisteuern kann.

Ballenstedt

Gerade weil im Harz eigentlich immer schlechtes Wetter ist (fragen Sie mal Joseph Roth danach), weil es hier oft regnet und windet oder die Hexen mal wieder umgehen, sollte man sich gut überlegen, welcher Ort hier wirklich einen Besuch wert ist. Der Brocken, Quedlinburg, Wernigerode – ja. Ballenstedt hingegen ist nicht selten nicht die erste Wahl in einschlägigen Reiseführern.

Die kleine Stadt im Unterharz besitzt ein Schloss, einen dazugehörigen Park, eine Allee und einen kleinen Marktplatz. Offiziell wird die Stadt als Residenzstadt und Erholungsort beworben, aber Erholung (und einen Schnupfen) kann man sich überall im Harz holen. Und Residenzen gibt es auf jedem Berg im Umland: in Harzgerode, in Hoym, in Gernrode und Falkenstein – überall saß irgendwann irgendwer und befahl über irgendwen.

In Ballenstedt gibt es wahrlich nicht viel zu sehen, dafür umso mehr zu empfinden: nämlich die ganz große Geschichte. Hier steht die (inzwischen überbaute) Wiege der Askanier, die einst über Sachsen und Brandenburg geherrscht haben und später das Herzogtum Anhalt als Rudiment ihrer einst riesigen Territorien zum Land Sachsen-Anhalt beisteuerten.

Hier residierte der legendäre Albrecht der Bär, spielte Franz Liszt am Theater und schrieb Wilhelm von Kügelgen seine wunderbaren „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“.

Aber all das kann man natürlich nicht sehen, das muss man erst wissen und dann empfinden. Und wem dafür der Tiefgang oder die Muße fehlt, der mag sich beim Flanieren um den Schlossteich daran erinnern, dass hier, an diesem für die mitteldeutsche Geschichte so bedeutsamen Ort, auch eine anhaltinische Prinzessin geboren wurde, die nicht nur einen Preußenprinzen heiratete, sondern auch jenen Saunabetreiber adoptierte, der den Namen Anhalt nach Hollywood brachte. Sie wissen schon, dieser Frédéric.

Barby

Einen Satz wissen alle Grundschüler im Land gleichermaßen gebetsmühlenartig herunterzuleiern: „Die Saale fließt bei Barby in die Elbe.“ Wo die Bode, die Unstrut und die Weiße Elster in die Saale münden, wo die Mulde, die Ohre und die Schwarze Elster in die Elbe fließen – das wissen die Leute vor Ort, wo auch immer der sein mag. Barby aber ist landesweit berühmt für das dortige Zusammengehen der beiden größten Flüsse, die durch Sachsen-Anhalt ziehen. Für mehr allerdings auch nicht, sodass Barby die bekannteste unbekannte Stadt des Landes ist, noch vor Egeln und Oebisfelde-Weferlingen.

Was nicht weiter wundert, denn das kleine Landstädtchen an Elbe und Saale ist tatsächlich ziemlich unbedeutend, im geografischen wie im geschichtlichen Sinn. Zwar zieht sich Barby auf eine Fläche hin so groß wie keine andere Stadt oder Gemeinde im Salzlandkreis, doch den Einwohnern nach – ach herrje! Da stehen ein paar Häuser zwischen Kirchgasse und Küstergasse, zwischen Lindenstraße und Lindenallee – und weit draußen im westelbischen Flachland bringen zehn eingemeindete Dörfer den Stadtcharakter von Barby restlos zum Verschwinden.

Ja, früher natürlich! Da gab es die Edlen von Barby, die einmal über das so viel größere Zerbst geboten und dann doch zwischen dem Magdeburger Erzbistum und den Anhaltinern zerrieben wurden, bis die Grafschaft Barby schließlich an Sachsen fiel. Seitdem – das war ziemlich genau 1659 – war Barby nur noch eine nachgestellte Handelsstadt, ein etwas größeres Fischerdorf (woran heute noch das Fischertor und die Fischerhäuser dem Namen nach erinnern).

Was aber hat Barby zu bieten außer zwei recht große Flüsse und etwas herrliche Landschaft, was beides ja auch ohne dem Städtchen da wäre? Da ist zunächst einmal das Rathaus, das recht malerisch mit zwei Kirchen über Eck den Marktplatz umsäumt. Dann gibt es da noch ein Schloss, ein ehemals herzogliches Schloss sogar, wenngleich auch nur des Herzogtums Sachsen-Weißenfels – Die Kleinstaaterei lässt grüßen. Und der deutsche Behördenwahn: Im Schloss sitzt das Grundbucharchiv des Landes.

Es bleiben in Barbys zentralem Ortsteil Barby (Elbe) nur noch Prinz und Prinzeßchen. Und das ist wirklich eine recht verdrehte Angelegenheit: Das Prinzeßchen nämlich ist ein alter Wehrturm, hübsch restauriert und mit dem ansehnlichen Fachwerk zweifellos das schönste Stück der noch erhaltenen Stadtmauerreste. Der Prinz hingegen ist – ein Teehaustürmchen, draußen feister Barock, drinnen verspielter Rokoko. Wer über dieses kleine gender crossing hinaus etwas erleben möchte in Barby, muss über Barby (Elbe) hinaus gehen. Die Heimatstube von Lödderitz, die Bockwindmühle von Sachsendorf, die Rosenburg von Groß Rosenburg – Das alles ist ohne Zweifel sehenswert, betont aber eher die jeweilige dörfliche Eigenart der Ortsteile, ohne dass Barby selbst an Profil gewänne. Und so wundert es nicht weiter, dass Breitenhagen im Südosten seine eigene Elbfähre hat und Gnadau im Nordwesten weitaus besser an den Regionalverkehr angebunden ist als die Kleinstadt, nein das Großdorf Barby, wo die Saale in die Elbe mündet.