Nie wieder: Liebeskummer!

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Nie wieder: Liebeskummer!
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Andreas Poppe



Nie wieder: Liebeskummer!





Dieses ebook wurde erstellt bei






Inhaltsverzeichnis





Titel







Nie wieder: Liebeskummer!







Triggerwarnung







Was???







Wie man sich einen kräftigen Liebeskummer verschafft







Wie man Liebeskummer „heilt“







Impressum neobooks







Nie wieder: Liebeskummer!





Jeder Mensch ist es wert geliebt zu werden - aber kein Mensch ist es wert, dass man sich wegen ihm das Leben zur Hölle macht.





von Andreas Poppe





Triggerwarnung



Dieses Buch beschreibt die Probleme heterosexueller Männer und Frauen, die sich auch als Männer und Frauen fühlen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass meine Schilderungen auch für Menschen hilfreich sind, die nicht heterosexuell sind und die sich nicht als dasjenige Geschlecht fühlen, welches ihnen „bei der Geburt zugewiesen“ wurde.



Ich glaube, dass ich allgemeinmenschliche Probleme beschreibe. Ich schreibe nicht über Diversität, weil sie mich nicht interessiert, ich gendere nicht, weil ich keinen Sinn darin sehe. Und solange Gesetze und Allgemeine Geschäftsbedingungen mir eine Wahl lassen, schreibe ich was ich will und drücke mich auch so aus, wie ich es für richtig halte.



Wer damit leben kann, ist gern eingeladen, zu überprüfen, ob das Geschriebene trotz Nicht-Diversität hilfreich ist. Wer das für unerträglich hält, muss das Buch nicht lesen.



Natürlich gibt es Menschen, die ein solches Buch zielgerichtet lesen, um sich zu erregen und einen Shitstorm entfachen.



Auch ein Lebensentwurf.





Oh help me, please doctor, I'm damaged







There's a pain where there once was a heart (Keith Richards / Mick Jagger)







Oh helfen Sie mir, bitte Doktor, ich bin verwundet







da ist ein Schmerz wo früher ein Herz war.





Es gibt eine bestimmte Art von Liebeskummer, bei dem man glaubt, die eigene Existenz ist bedroht. Oder es ist ein Liebeskummer, bei dem wir keinen Sinn mehr im Leben entdecken können, wie es der Romantiker Eichendorff schrieb:





Hör’ ich das Mühlrad gehen:







Ich weiß nicht, was ich will —







Ich möcht’ am liebsten sterben,







Da wär’s auf einmal still!





Ich schreibe in diesem Buch nicht über den verständlichen Trennungsschmerz, nicht über eine nachvollziehbare Kränkung - ich schreibe über den

vernichtenden

 Liebeskummer. Denn im Unterschied zu Gefühlen, die sich auf einen bestimmten Menschen beziehen, ist der vernichtende Liebeskummer vermeidbar.





Was???



Liebeskummer ist vermeidbar? Der vernichtende Schmerz, der mein ganzes Leben erschüttert, ist vermeidbar? „Was hat der Typ geraucht“, werden sich jetzt einige Leser fragen.



Ich muss Sie leider enttäuschen: 2004 habe ich mir das Rauchen abgewöhnt, und Cannabis ist überhaupt nicht meine Droge.



Ich bin im Gegenteil sehr stolz darauf, auch ohne die Hilfe bestimmter Chemikalien auf absurde Ideen zu kommen. Einige dieser Ideen sind einfach Blödsinn, andere geben einen guten Gag, und die dritte Kategorie ist es wert, dass ich mir einige ernsthafte Gedanken darüber mache. Diese dritte Kategorie hilft mir, ein Problem von einer mir bisher unbekannten Perspektive aus zu betrachten. Und nicht selten komme ich damit einer Lösung näher.




Mit dem Liebeskummer ist es ähnlich. Seit meiner Pubertät hat er mich in unterschiedlichen Formen heimgesucht. Und erst im Jahre 2019 - da war ich schon 58 Jahre alt - fiel mir eine neue Perspektive auf, die das Desaster befriedigend erklärt und hoffentlich eine Lösung bietet. Und natürlich fiel mir die Perspektive erst dann auf, als ich wieder unter einem unangenehmen Liebeskummer litt. Ich fühlte mich irgendwie fremd und unpassend in meinem aktuellen Leben, wollte ausbrechen und lernte eine Frau kennen, welche genau das Leben repräsentierte, zu dem ich mich hingezogen fühlte. Heute weiß ich, dass das - außer einer kurzen Affäre - gar nichts werden konnte. Ein anderer Mensch ist keine Krücke, kein Pflaster, mit dem ich die Wunden meines Lebens bedecken kann. Wenn ich nicht im Frieden mit meinem aktuellen Leben bin, stößt das interessanterweise die meisten Frauen ab.



Und Männer: wenn ihr eine Frau kennenlernt, welche sich permanent über ihr aktuelles Leben beschwert, sollten auch bei euch die Alarmglocken klingen. Ansonsten habt ihr eine gute Chance, zum Pflaster, zur Krücke oder gar zum Retter in der Not zu werden. Und so romantisch es klingt, die Jungfrau aus den Klauen eines Drachen zu retten - der Drache in ihrem Inneren entzieht sich eurem scharfen Schwert. Den kann die Jungfrau nur selbst töten.




Mit 58 Jahren! Als ich mich von dem Schock erholt hatte, dass mir mein ganzes Leben hindurch eine so wichtige Tatsache entgangen war, fiel mir gleich etwas aus meiner etwas jüngeren Vergangenheit auf. 2014/ 2015 habe ich mich beruflich verändert, was mit einem deutlichen Verlust an sozialem Status einher ging. Während dieser Zeit begann ich zwei kurze Affären mit Frauen, die im Status etwas über meinem aktuellen (aber auch klar unter meinem vorherigen) Status standen. Beide Affären hielten keine zwei Wochen, bevor ich sie beendete. Offensichtlich war ich mit meiner beruflichen Veränderung so zufrieden, dass ich den Statusverlust erst einmal ganz gut verschmerzen konnte. Es war eher ein Phantomschmerz, der mich zu diesen Affären trieb.




Mein Liebesleben besteht zum Glück nicht nur aus Kummer. Aber die verzweifelten Momente hatten alle einen Kontext, in dem mir in meinem Leben irgendwas fehlte, was ich durch eine Partnerschaft ersetzen wollte: selber schuld, also.




Als ich soweit gekommen war, machte ich mich daran, die Lebens- und Liebesgeschichten von Patienten, Klienten, Freunden und Bekannten zu durchforsten, um zu prüfen, ob sich da nicht ähnliche Muster fänden.



Wie zu erwarten wurde ich fündig - aber jede neue Geschichte war für mich aufregend, weil ich so viele Möglichkeiten entdeckte, sich einen kräftigen Liebeskummer zu verschaffen. Und weil ich von der Vielfalt so begeistert bin, möchte ich Ihnen einige dieser Gescheiten erzählen.






Wie man sich einen kräftigen Liebeskummer verschafft



Wie gesagt - ich habe bei der Niederschrift dieses Buches nichts geraucht und auch sonst keine Drogen genommen. Aber ich finde die Erkenntnis, für den eigenen Liebeskummer zu hundert Prozent verantwortlich zu sein, derart aufregend, dass ich unbedingt darüber schreiben muss. Dabei scheint meine Erkenntnis gar nicht so originell zu sein. YouTube und einschlägige Bücher sind voll mit dem Gedanken: „Wenn du eine glückliche Beziehung willst, bringe zunächst dein Leben in Ordnung. Kein anderer Mensch kann das für dich tun.“




Aber was heißt das? Wie hängen Faktoren, die an meinem Leben nicht stimmen, mit meinem Liebeskummer zusammen?



Früher dachte ich, ich müsse beruflichen Erfolg und Status erringen, dann würde schon alles nach Wunsch verlaufen. Es war für mich außerordentlich bitter zu erkennen, dass ich nach Erreichen dieser Ziele genauso unglücklich war wie vorher.



Ich kenne Frauen, die meinen, ihr Leben sei dann in Ordnung, wenn sie ihre äußere Erscheinung verbessern.



Aber es ist nicht die Krönung meines Lebens, die Traumfrau zu heiraten, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Ehe mit einem Traummann die ultimative Erfüllung für eine Frau ist.




Seitdem mein Sohn auf dieser Erde wandelt, weiß ich, was bedingungslose Liebe ist. Ich würde daher gar nicht bestreiten wollen, wie sehr Kinder und Familie Bestimmung ins Leben bringen. Aber sie können nur dann die Krönung sein, wenn der Rest des Lebens am richtigen Ort ist. Das Bedürfnis, für meinen Sohn da zu sein, war für mich ein sehr wichtiger Antrieb, auch in verzweifelten Situationen weiterzumachen. Das ist eine Konstante meines Lebens, die sich

richtig

 anfühlt.



Nur: der Rest meines Lebens wird dadurch nicht automatisch geheilt. Und auch die Schmerzen, die entstehen, wenn ich mich in die falsche Frau verliebe, sind nicht weniger geworden.






Was mich am Glück hindert, steckt leider in mir selbst.






Solange ich nicht den für mich passenden Platz im Leben gefunden habe, werde ich nicht so recht glücklich sein können. Wenn ich jetzt Liebeskummer erfahre, dann weiß ich, dass dieser nichts anderes als ein Hinweis darauf ist, was mit meinem Leben immer noch nicht stimmt. Das macht dieses furchtbare Gefühl irgendwie wertvoller als es das früher für mich war. Es bekommt einen Sinn und ist besser zu ertragen.




Ich möchte Sie einladen, mich auf dieser Reise zu begleiten. Sie hat mir geholfen, aus der Opferrolle herauszutreten und auch die Verantwortung für die widrigen Erlebnisse zu übernehmen und einen Sinn in jeder Erfahrung - sei sie „gut“ oder „schlecht“ - zu finden.

 




Zwei schmerzhafte Erlebnisse fallen mir ein, welche erst jetzt einen Sinn für mich ergeben.



Das erste: vor vielen Jahren inszenierte ich im Ausland und verliebte mich irgendwann - natürlich unglücklich - in eine der Schauspielerinnen, mit denen ich zu tun hatte. Aus meiner heutigen Perspektive könnte ich sagen, dass ich mich in meinem Leben in Deutschland irgendwie gefangen fühlte und gern ausgebrochen wäre. Ich hätte bestimmt innerhalb Deutschlands ausbrechen können oder aber in ein anderes Land ziehen können. Für beides fehlten mir aber offensichtlich die Eier. Hätte ich die Liebe dieser Schauspielerin errungen, dann wäre ein Grund da gewesen, der mir den letzten Kick hätte geben können. Und ein zweiter Aspekt fällt mir ein: die betreffende Schauspielerin kam immer mal auf mich zu und erklärte, dass sie glaubt, endlich mit mir den Weg zu einem wahrhaftigen schauspielerischen Ausdruck zu finden. Sie war für mich sozusagen auch ein Symbol dafür, wie wichtig mein Beitrag für die Theaterkultur dieses Landes werden könnte. Die Liebe dieser Frau hätte mir - meiner unbewussten Überzeugung nach - den Weg aus meinem „falschen“ Leben in eine Welt zeigen können, in der mein Beitrag wichtig gewesen wäre. Es wäre ein Weg an einen Ort gewesen, an den ich wirklich gehöre. Diesen Weg mit all seinen Risiken allein zu beschreiten, fehlte mir offenbar der Mut.



Eine zweite schmerzhafte Erfahrung ergibt auch erst jetzt für mich einen Sinn. Ich verliebte mich - ebenfalls unglücklich - in eine Psychologin. Ich war nicht bei ihr in Therapie, aber wir hatten eine Art freundschaftliches Verhältnis zueinander, so dass wir recht häufig miteinander sprachen. Es war die erste Frau, von der ich mich wirklich „gesehen“ und verstanden fühlte. Bei ihr musste ich mich nicht verstellen, konnte all meine Schattenseiten offenbaren und hatte den Eindruck akzeptiert zu werden. Heute weiß ich, warum ich von der Liebe zu ihr nicht lassen konnte - auch dann, als sie mir klar mitteilte, dass mehr als eine Freundschaft nicht zu machen sei. Mein Unbewusstes war davon überzeugt, dass ihre Liebe mir gezeigt hätte, dass ich auch mit meinen Schattenseiten ein liebenswerter Mensch bin. Dabei bin ich doch der einzige Mensch, der meine Schattenseiten lieben lernen kann. Niemand kann mir diese harte Arbeit abnehmen.




Partnerwahl ist also offenbar kein ausschließlich biologischer Vorgang. Gerade diese beiden zuletzt beschriebenen Erlebnisse haben mir gezeigt, dass Partnerwahl auch eine unbewusste Abkürzung auf einem Weg sein kann, der eigentlich hätte persönliches Wachstum werden sollen.



Der systemische Therapeut Jay Haley beschrieb einmal eine notwendige Voraussetzung für eine unglückliche Beziehung: Man muss sich aus den falschen Gründen den falschen Partner wählen (Jay Haley: „Die Jesus-Strategie“, 5. Auflage, Heidelberg 2018).



Als ich diese Worte zum ersten Mal gelesen hatte, konnte ich mich vor Lachen kaum halten, obwohl ich gerade in einer öffentlichen Bibliothek saß. Ich musste so sehr lachen, weil ich die tiefe Wahrheit dieser Aussage spürte. Und ich wusste, dass dies nicht nur für unglückliche Partnerschaften galt, sondern eben auch dann, wenn es gar nicht zu einer Partnerschaft kommt, wenn die Liebe nicht erwidert wird.




Was also führt uns zu einer Partnerwahl, die nicht gut für uns ist und uns Kummer bereitet? Und was hat diese Partnerwahl mit den Defiziten unseres Lebens zu tun?



Und jetzt löse ich mein Versprechen ein und berichte nicht nur über meine Erlebnisse, sondern auch über die meiner Freunde, Bekannten, Patienten und Klienten. Anhand dieser verschiedenen Geschichten erzählt sich für mich die Vielfalt, mit der die Partnerwahl die Flecken des eigenen Lebens überdecken soll. Natürlich interessiert es mich auch, ob es Unterschiede gibt, was die Partnerwahl von Männern und Frauen betrifft.





Wie Frauen ihre Partner wählen



Die erste Geschichte, die ich Ihnen erzählen möchte, hat keinen sichtbaren Moment schmerzhaften Liebeskummers in sich. Sie schildert im Gegenteil ein ziemlich normales Leben. Und genau deshalb möchte ich den Reigen mit ihr eröffnen:






Irina ist eine junge Frau mit normaler Schulbildung und einer abgeschlossenen Lehre als Verkäuferin. Ihr sozialer Status entspricht dem ihrer Familie und dem ihrer Freunde, was nicht weiter überrascht. Sie ist schon seit Jahren mit einem Mann zusammen, der zwar nicht der Vater ihres Kindes ist, aber sich bereit erklärt hatte, die Vaterrolle zu übernehmen. Der eigentliche Vater steckt immer wieder in Schwierigkeiten und hat nie genügend Geld, Alimente zu bezahlen. Er hat auch keinen Kontakt zu seiner Tochter. Der Neue verdient als Gebäudereiniger „einigermaßen gut“ - vor allem aber beständig und ist im Gegensatz zum Kindesvater zuverlässig. Nach Jahren stellt sich jedoch heraus, dass er eine Spielsucht hat und daher verschuldet ist. In dieser Situation belastet er die kleine Familie zwar nicht, hat ihr aber auch nicht mehr zu bieten als seinen Anteil zu Miete und Haushaltsgeld. Er sieht gut aus, so dass Irina sich immer gern mit ihm fotografieren lässt und von ihm als ihren Mann spricht. Ansonsten hat er wenig Interessen, kaum Freunde und wird von ihr als „nicht besonders helle“ beschrieben. Über eine Freundin lernt sie einen Mann kennen, der besser verdient, im sozialen Status höher steht und viele Reisen unternimmt. Eine Partnerschaft mit ihm würde ihr Leben sehr bereichern. Sie meint, er könne ihr viel beibringen. So ist die Entscheidung, sich zu trennen und dem anderen Mann Avancen zu machen, schnell getroffen. Der Andere lässt sich kurz auf das Spiel ein, hat dann aber kein weiteres Interesse an ihr. Interessanterweise ist sie darüber kaum traurig und kann diese Zurückweisung mit einem Schulterzucken ad acta legen. Wenige Wochen später beginnt sie ein Verhältnis mit einem 15 Jahre älteren Mann, der finanziell noch besser da steht und sogar ein Boot sein eigen nennt. Hier kann sie sich noch mehr „veredeln“ ihr Leben noch mehr verbessern. Und so dauert es nicht lange, bis sie sich eine neue, besser bezahlte Arbeit sucht.






Ist es nicht erfrischend, wie aufschlussreich ein ganz normales Leben sein kann? Da hält es eine abenteuerlustige Frau, die gern Techno-Parties besucht, mit einem Mann aus, den sie für stinklangweilig hält und der zu allem Überfluss auch noch gern Schlager hört. Und solche Verhältnisse sind wahrscheinlich eher die Normalität! Irina hat vielleicht keinen Liebeskummer - aber so richtig glücklich mit ihrem Leben ist sie weiß Gott nicht. Was ist in sie gefahren, sich einen Mann zu suchen, der auf keiner Ebene wirklich zu ihr passt und es mit diesem auch noch mehrere Jahre auszuhalten? Nebenbei bemerkt: der Sex mit ihm war weder häufig noch gut.



Mir ist die statistische Relevanz der Erlebnisse, die ich mit bestimmten Paaren habe, nicht klar - aber manchmal bin ich bei Ehepaaren zu Besuch, von denen ich den Eindruck habe, dass sie sich nicht leiden können, ja sogar gegenseitig verachten. Was ist da los? Ich kenne auch Paare, die sich mögen und sich trotzdem so sehr streiten, dass sie keinen Weg mehr zueinander finden. Diese Menschen leiden natürlich auch - aber es ist ein krasser Unterschied zu der gegenseitigen Verachtung, die ich bei anderen Paaren spüre.



Wenn man daneben sitzt, stellt man sich schon die Frage: wie kommt jemand dazu, sich an einen Menschen zu binden, den er nicht leiden kann?



Daran muss ich denken, wenn ich von Irinas langjähriger Partnerschaft mit einem Langweiler höre.



Ist da nicht vielleicht bei der Partnerwahl etwas so richtig schief gegangen? Die beiden haben fast keine Gemeinsamkeiten und völlig verschiedene Vorstellungen von einem schönen Leben. Wieso hat Irina diesen Mann gewählt?




Und da komme ich zum lustigen Teil der Partnerwahl - lustig zumindest für den, welcher nicht persönlich davon betroffen ist. Wie heißt es doch bei Wilhelm Busch?



Ist fatal!“ bemerkte Schlich.



Hehe! Aber nicht für mich.“



Schadenfroh sind Menschen nur bei Vorfällen, von denen sie glauben, dass ihnen so etwas nie passieren wird. Aber auch der böse Schlich bei Wilhelm Busch ist am Ende betroffen. Wir haben uns relativ schnell über unsere Unverwundbarkeit gegenüber Missgeschicken getäuscht. So richtig lustig wird es dann für mich, wenn ich bemerke, wie anfällig ich selbst für all das bin, von dem ich in diesem Buch schreibe. Das Zurücktreten, die Distanz ist dann oft hilfreich und die Pforte zu einer heilenden Erkenntnis.




Irina sagte immer wieder: „Mein Mann sieht richtig gut aus“. Das war ihr, nach der Häufigkeit dieses Satzes zu schließen, extrem wichtig. Ich kenne das natürlich auch von mir. Und neben dem ästhetischen Vergnügen an der Frau in meinem Bett ist der Neid meiner Freunde auch eine gute Motivation. Das schein auch bei Irina ein großer Faktor gewesen zu sein. Auch ihre Freundinnen sind lange neidisch gewesen.



Empfehle ich Ihnen stattdessen, einen Partner zu wählen, der so hässlich ist, dass sich „der Gast mit Grausen“ wendet? Unterstütze ich die Empfehlung eines bekannten Calypso-Songs?



If you want to be happy living a king's life





Never make a pretty woman your wife









From a logical point of view







Always marry a woman uglier than you“





Nö - ich freue mich über eine gut aussehende Freundin genauso, wie Irina sich über das Äußere ihres langweiligen Partners gefreut hat. Aber während ich in meinem kleinen Glashaus mit Steinen werfe, muss ich mich doch fragen, ob die Anerkennung meiner Freunde wertvoll genug ist, um mich die Hölle daheim ertragen zu lassen. Das kann natürlich nur jeder Mensch für sich selbst entscheiden. Aber unter Umständen ist die Partnerwahl nach dem Neid der Freunde ein falscher Grund für die Wahl des falschen Partners. Sind der Neid der Freunde und das Erfüllen eines gerade aktuellen Schönheitsideales wichtiger als guter Sex und eine spannende Zeit miteinander?



Da könnte man durchaus einmal über Prioritäten nachdenken.



Das gilt umso mehr für eine unerfüllte Liebe. Warum schmachte ich einer Schönheit hinterher, die nichts von mir wissen will? Wem will ich da etwas beweisen? Mir? Warum?



Das ist einer der Fälle, welche zum Schreien komisch sind, solange man selbst davon nicht betroffen ist. Mit Abstand betrachtet: ich glaube, dass ich meinen Status oder meinen Selbstwert durch eine Beziehung mit einem „schönen“ Menschen verbessern könnte und wähle mir einen, der nichts von mir wissen will! Das ist an Absurdität kaum zu überbieten.




Irinas Partner sah nicht nur gut aus, er war der Tochter auch ein Ersatzvater. „Meine Tochter sagt ‚Papa‘ zu ihm.“, erzählte sie manchmal lächelnd. Für eine alleinerziehende Mutter kann das ein Hauptgewinn sein. Es ist keine große Überraschung, dass sie an dem ungeliebten Mann so lange festgehalten hat. Mit vielen Grüßen aus dem Glashaus folgendes Erlebnis: Ich habe einmal an einer gescheiterten Partnerschaft noch ein quälendes halbes Jahr festgehalten, weil die Frau eine schöne Wohnung hatte und wir ein gemeinsames Auto besaßen. Ein halbes Jahr lang versuchte ich die Unbequemlichkeit einer Trennung zu vermeiden. Wie blöd ist das denn? Meine schöne Lebenszeit!



Ein Ersatzvater für die Tochter hat zugegebenermaßen mehr Gewicht als ein gemeinsames Auto. Das muss ich - glaube ich - gar nicht weiter erläutern.




Der biologische Vater des Kindes war permanent in finanziellen Schwierigkeiten, konnte also noch nicht einmal Unterhalt für seine Tochter bezahlen. Ein Mann, der etwas mehr verdiente als sie und die finanzielle Situation der kleinen Familie zu stabilisieren half, war schon ein kleiner sozialer Aufstieg für Irina. Und solange die Finanzen stabil schienen, habe ich aus Irinas Mund nie ein böses Wort über „ihren Mann“ gehört. Auch nach der Offenbarung seiner Spielsucht gab sie sich eher romantisch und sagte ihm ihre volle Unterstützung zu. Und dann - so ganz allmählich - änderte sich der Ton, in dem sie von ihm sprach. Seine mangelnde Intelligenz, die eingeschränkten Interessen und der Erziehungsstil der Tochter wurden wichtige Punkte der Kritik an ihm. Ihre Freundinnen versuchten, sie immer aggressiver mit anderen Männern zu verkuppeln. Und schließlich gab sie nach.




Die wenigen Tage, die sie brauchte, um sich dann wirklich für eine Trennung zu entscheiden, erzählte sie wiederholt, dass ihre Beziehung ihr wie ein Gefängnis vorkäme.

 



Irina ist nun weiß Gott nicht der einzige Mensch, dem eine Beziehung wie ein Gefängnis erscheint. Auch hier winke ich solidarisch aus dem Glashaus.




Was für ein Gefängnis ist das?



In Deutschland hat kein Mann das Recht, seine Frau wie eine Gefangene zu halten. Umgekehrt auch nicht. Äußere Bedingungen haben Irina nicht gefangen gehalten, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Sich aus dem Elend zu erlösen, konnte sie nur selber tun, denn das Gefängnis war in ihrem Kopf. Sie war gefangen davon, dass sie um ihren gutaussehenden Mann beneidet wurde, dass sie einen Ersatzvater für die Tochter gefunden hatte, der ihr ein wenig finanzielle Sicherheit gewährte. Als diese letzte Säule ihrer Partnerwahl ins Schwanken geriet, waren die anderen nicht mehr stark genug, um das Gefängnis zu halten. Krach - Irina war frei.




Irinas inneres Gefängnis hatte sie jahrelang im Unglück gehalten, Was nun aber mit der Freiheit beginnen? Natürlich sich den nächsten Mann wählen, der schon bereit stand - der Bruder einer Freundin. „Your’re Nobody ´til Somebody Loves You“, sang Dean Martin: „Du bist niemand, bis dich jemand liebt.“ Irina suchte keine Freiheit, sie wollte endlich einen Mann nach ihrem Geschmack: vielseitig interessiert, abenteuerlustig, gut verdienend und von ihren Freundinnen akzeptiert.



Und ausgerechnet der weist sie zurück.



Von Kränkung oder gar Liebeskummer keine Spur. Sie wirkt einen Tag lang ein wenig traurig, das ist alles. Und drei Wochen später hat sie dann eine neue Beziehung. Mit einem Mann, der 15 Jahre älter ist als sie.




Wenn man weiß, dass ihr eigener Vater die Familie verlassen hat und dass sie immer eine platonische Affinität zu väterlichen Freunden hatte, denen sie sich quasi als Schülerin andiente, so erscheint die Wahl eines älteren Partners weniger überraschend. Der fehlende eigene Vater hatte in ihrem Leben schon immer eine Lücke hinterlassen. Sie sehnte sich nach männlichen Figuren, von denen sie lernen konnte, sie wollte die fehlende liebevolle Orientierung ihrer Kindheit ersetzen. So ist es verständlich, dass sie nach Trennung, Zurückweisung und dadurch drastisch veränderten Lebensumständen, sich einen Partner sucht, der für sie selbst die Vaterrolle übernehmen kann.




Dass ein Mann, der knapp 50 ist, gut verdient und ein interessantes Leben hat, immer noch Single ist und eine enge Beziehung zu seiner Mutter pflegt, scheint Irina nicht zu irritieren. Die Möglichkeit, dass dieser Mann sich vielleicht gar nicht für längere Zeit an eine Frau binden möchte, hat Irinas Bewusstsein nicht erreicht. Er kann bestimmt ihre Sehnsucht nach neuen Erfahrungen befriedigen - was aber ist mit ihrer Sehnsucht nach einem geordneten Leben? Was wird Irina auf Dauer wichtiger sein?




Neulich sagte mir eine Freundin, sie halte es für die wichtigste Aufgabe im Leben, der zu werden, der man wirklich ist.




Wer ist Irina wirklich?




Mir kommt es immer wieder so vor, dass jeder Liebeskummer, jede unglückliche Beziehung, Hinweise darauf sind, dass wir uns selbst nicht kennen. Wir laufen vor unseren inneren Konflikten davon, indem wir sie idealerweise nicht wahrnehmen. Wir spüren nicht, dass unsere Wünsche sich häufig widersprechen.



Sei vorsichtig mit dem, worum du die Götter bittest - sie könnten dir den Wunsch erfüllen.

 So ähnlich habe ich es in Fantasy-Romanen gelesen. Irina beispielsweise hat sich nach den chaotischen Erfahrungen mit dem biologischen Vater das absolute Gegenteil dieses Mannes gewünscht. Die Götter haben ihren Wunsch erhört und einen Langweiler gesandt.



Wenn wir uns selbst nicht kennen, dann gehen unsere Wünsche eben manchmal nach hinten los. Wir wünschen uns buchstäblich das Falsche - oder besser gesagt: nicht das, was wir wirklich wollen. Auf die eine oder andere Weise werden wir damit unglücklich.




Clara verdient gut und hat aus eigener Kraft eine durchaus gesicherte Existenz. Ihr Partner steht in der Hierarchie höher und verdient auch mehr. Gemeinsam können sie sich einen Lebensstandard leisten, der beispielsweise ein eigenes Haus beinhaltet. Sie fliegen zusammen in einem Sportflugzeug - eine Aktivität, die Clara sehr liebt und die sie alleine nicht verfolgen könnte. Ihr Partner ist emotional zurückhaltend, worunter sie sehr leidet, denn sie fühlt sich nicht geliebt und immer weniger geachtet. Ihre Freundinnen erzählen ihr seit längerer Zeit, dass sie mit dem falschen Mann zusammen lebt. So entsteht schon aus den sozialen Faktoren eine schwer zu ertr

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?