Verteidigervergütung

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Aus der Reihe: Praxis der Strafverteidigung #39
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2. Verstöße gegen §§ 305-310 BGB – AGB-Kontrolle

47

Als zivilrechtlicher Vertrag ist die Vergütungsvereinbarung, soweit vorformulierte Vertragsbedingungen enthalten sind (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 305 Abs. 1 BGB), auch hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 305-310 BGB zu überprüfen.

48

Dabei ist zwischen Verbraucher- und Unternehmerverträgen zu unterscheiden: Um einen Verbrauchervertrag handelt es sich nach § 13 BGB, wenn der Anwaltsvertrag zu einem Zweck abgeschlossen wird, der weder der gewerblichen noch der selbständigen beruflichen Tätigkeit des Mandanten zugerechnet werden kann. In diesem Fall finden die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen bereits bei der einmaligen Verwendung vorformulierter Vertragesbedingungen Anwendung, sofern der Mandant auf deren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Handelt es sich jedoch um einen Unternehmervertrag, gelten die AGB-Regungen nur für die Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und dem Mandanten bei Vertragsschluss gestellt wurden. Darüber hinaus finden §§ 308 und 309 BGB nur Anwendung, wenn zugleich ein Verstoß gegen § 307 BGB anzunehmen ist.

49

Um überraschende Klauseln i.S.d. § 305c BGB zu vermeiden, sind die Bedingungen so zu formulieren, dass der Vertragspartner die Folgen jeder Klausel ohne besondere Anstrengungen versteht. Die einzelne Klausel muss dabei nicht transparenter formuliert werden als die zugrunde liegende gesetzliche Regelung des RVG. So ist eine Klausel zulässig, die bestimmt, dass entgegen Nr. 4102 VV eine einzige Terminsgebühr nicht für bis zu drei, sondern nur für bis zu zwei Termine im vorbereitenden Verfahren gilt.[43] In der Vereinbarung enthaltene Lücken gehen im Zweifel zu Lasten des Rechtsanwalts. Fehlt es etwa an einer Regelung über Auslagen können diese nicht verlangt werden![44]

Hinweis

Sollen Auslagen und Umsatzsteuer zusätzlich abgerechnet werden, was wohl überwiegend beabsichtigt sein dürfte, ist dies ausdrücklich in der Vergütungsvereinbarung festzulegen, und zwar selbst dann, wenn sich der Verteidiger auf die gesetzlichen Auslagentatbestände der Nrn. 7000 ff. VV beschränken möchte.[45]

50

Ist eine Klausel mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, insoweit nicht zu vereinbaren, als der Mandant dadurch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird, so ist sie unwirksam. Bei einer Vereinbarung einer höheren als der gesetzlichen Vergütung ist das nicht der Fall, solange die vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht so unangemessen hoch ist, dass eine Herabsetzung nach § 3a Abs. 2 RVG in Betracht kommt.

Hinweis

Bei der Stundensatzvereinbarung ist auf den Abrechnungsmodus zu achten: So entschied bspw. das OLG Düsseldorf, eine (formularmäßige) Zeittaktklausel (volle Abrechnung eines eventuell gerade erst begonnen Zeittaktes) von 15 Minuten verstoße gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB,[46] weil die Klausel strukturell zu Lasten des Mandanten in erheblicher Weise sich kumulierende Rundungseffekte entfalte. Der BGH wies die dagegen gerichtete Nichtzulassungbeschwerde als unzulässig ab: Ein 15-Minuten-Intervall könne missbräuchlich sein, ob ein Verstoß gegen § 242 BGB vorliege, sei aber eine Frage des Einzelfalles.[47] Das OLG Karlsruhe stellte klar, ein Viertelstundentakt sei jedenfalls nicht als im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB üblich anzusehen und müsse daher ausdrücklich vereinbart werden (offen blieb, ob das – mit Blick auf § 307 BGB – formularmäßig geschehen kann).[48] Ganz auf der sicheren Seite ist man jedenfalls mit einer minutengenauen Abrechnung.[49]

51

Zu achten ist bei der Stundensatzvereinbarung als AGB-Klausel weiterhin auf den Nachweis der anwaltlichen Tätigkeit. Die Beweislast für den Umfang der Tätigkeit kann nicht dem Mandanten auferlegt werden. Darin läge ein Verstoß gegen § 309 Nr. 12a BGB. Gültig ist hingegen eine Regelung, wonach die abgerechneten Stunden als anerkannt gelten, wenn der Mandant nicht innerhalb einer genannten Frist widerspricht.[50]

52

Fingiert werden kann außerdem das Einverständnis des Mandanten mit einer Vergütungserhöhung, wenn der Rechtsanwalt eine ausreichende Erklärungsfrist einräumt und auf die Bedeutung des Schweigens besonders hinweist.[51]

53

Zwingend zu beachten ist, dass im Falle der vorzeitigen Mandatskündigung eine vollständigen Abbedingung des § 628 BGB dergestalt, dass einem Rechtsanwalt in jedem Fall das vollständige (Pauschal-)Honorar zusteht, gegen § 308 Nr. 7a BGB verstößt.[52]

54

Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen ergeben sich aus § 306 BGB: Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Soweit die Bestimmungen demnach nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften. Schließlich ist der Vertrag unwirksam, wenn das Festhalten an ihm selbst unter Berücksichtigung der vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

3. RVG: Vergütungsrechtliche Grenze – § 3a Abs. 2 RVG: Angemessenheit

55

Weiterhin wird die Vergütungsvereinbarung durch § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG eingeschränkt: Eine vereinbarte Vergütung kann im Rahmen eines Rechtsstreits auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist. Eine solche gerichtliche Überprüfung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Rechtsanwalt Zahlungsklage erhebt oder der Auftraggeber auf Rückzahlung des überhöhten Betrages klagt. Nicht immer, sondern nur wenn das Gericht die Vergütung herabsetzen will, ist von Amts wegen ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, § 3a Abs. 2 Satz 2 RVG.

56

Anders als im Falle der Sittenwidrigkeit bleibt die Vergütungsvereinbarung auch nach richterlicher Herabsetzung wirksam, allerdings kann der Rechtsanwalt nur noch den reduzierten Betrag verlangen. Nach Zahlung der höheren Vergütung steht dem Auftraggeber der Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB zu.

a) Frage der Angemessenheit

57

Wann eine vereinbarte Vergütung unangemessen hoch ist, ist nur schwer festzustellen. Das Gesetz gibt lediglich vor, dass alle Umstände berücksichtigt werden müssen. Naheliegend ist es, die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG heranzuziehen.[53] Dieser nennt einige Modalitäten, die bei der Bestimmung der konkreten Gebühr aus einer gesetzlichen Rahmengebühr zu berücksichtigen sind.

aa) Bundesgerichtshof

58

Konkreter verhielt sich der BGH zur Angemessenheit einer vereinbarten Strafverteidigervergütung in einer Aufsehen erregenden Entscheidung aus dem Jahr 2005.[54] Bei der Prüfung seien namentlich zu beachten die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber, das Ziel, das der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebte, in welchem Umfang das Ziel durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts erreicht wurde, die Stellung des Rechtsanwalts und die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.

59

Im Grunde ist dieser Ansatz zunächst durchaus nachvollziehbar. Umso verwunderlicher war die Festlegung des BGH auf eine feste Grenze für die Tätigkeit des Strafverteidigers, bei deren Überschreiten regelmäßig davon auszugehen sei, das Honorar sei unangemessen hoch. Vereinbare ein Strafverteidiger eine Vergütung, die mehr als das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühr betrage, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, sie sei unangemessen hoch. Diese Vermutung könne nur entkräftet werden, wenn der Verteidiger ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlege, die es möglich erscheinen ließen, die Vergütung sei unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte eben doch nicht als unangemessen hoch anzusehen.

bb) Kritik

60

Die Entscheidung stieß in der Literatur zu Recht auf breite Kritik. Die Bezugnahme auf die gesetzliche Vergütung ist bereits deshalb verfehlt, weil die gesetzliche Vergütung des Strafverteidigers kein auskömmliches Einkommen sicherstellen kann: Die gesetzlichen Gebühren beruhen auf der Idee einer Mischkalkulation. Und eine Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber bezweckt gerade die Loslösung von den gesetzlichen Gebühren.[55]

61

Insbesondere führte die Begrenzung in einer Vielzahl von Fällen zu einer unangemessen niedrigen Vergütung des Verteidigers.[56] Das wird besonders deutlich, bringt der Verteidiger das Verfahren durch seine Arbeit noch vor Anklageerhebung zur Einstellung. Nach Maßgabe des BGH läge der Höchstbetrag dann bei 5.250 € (die Entscheidung erging vor dem 2. KostRMoG). Im Fall einer aufwändigen Tätigkeit zur Erreichung dieses Ziels bliebe dem Rechtsanwalt alsdann nur die vage Hoffnung auf Entkräftung der vom BGH genannten Vermutung (mittels extremer Umstände des Einzelfalles).[57]

 

62

Vor allem steht eine starre Grenze im Widerspruch zur gesetzlichen Verpflichtung einer Einzelfallprüfung. Der gesetzliche Abwägungsauftrag wird auf diese Weise untergraben.[58] Zumal die Hürde, die der Bundesgerichtshof zur Entkräftung der von ihm vorgesehenen Vermutung aufstellte (ungewöhnliche einzelfallbezogene Umstände), so sehr hoch ist, dass sie der Verteidiger kaum jemals (verlässlich vorhersehbar) wird überwinden können. Das widerspricht dies allen Realitäten des Strafverfahrens.[59]

cc) Weitere Rechtsprechung

63

Die Rechtsprechung reagierte in unterschiedlicher Weise auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Während sich das OLG Frankfurt nah an den BGH anlehnte,[60] hält das OLG Hamm die Grenzziehung insbesondere mangels gesetzlicher Grundlage für bedenklich im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG. Jedenfalls sieht es die Entscheidung als nicht anwendbar auf die Vereinbarung reiner Zeithonorare.[61] In einer weiteren Entscheidung betonte das OLG Hamm noch einmal die gesetzliche Verpflichtung zur Berücksichtigung aller Umstände, was eine allgemein verbindliche Höchstgrenze ausschließe.[62]

64

Der BGH bestätigte alsdann in einer Entscheidung vom 12.2.2009 seine Auffassung über die grundsätzliche Höchstgrenze beim Fünffachen der gesetzlichen Gebühren: Der Rechtsanwalt könne die Vermutung der Unangemessenheit nur durch ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände entkräften.[63]

dd) Bundesverfassungsgericht

65

Auf die Verfassungsbeschwerde desjenigen Strafverteidigers, dessen vereinbarte Vergütung wegen Unangemessenheit gerichtlich herabgesetzt wurde, befasste sich das BVerfG in der Entscheidung vom 15.6.2009 mit der Frage der Angemessenheit der Strafverteidigervergütung.[64] Der Rechtsprechung des BGH wurde eine deutliche Absage erteilt: Verfahrensgegenständlich war eine Stundenhonorarvereinbarung in Höhe von 320 € je Arbeitsstunde, die im Ergebnis natürlich zu einer Vergütung führte, die erheblich über dem Fünffachen der gesetzlichen Höchstgebühren lag.

66

Ausgangspunkt des BVerfG war die grundgesetzlich garantierte freie Berufsausübung: Art. 12 Abs. 1 GG schließe die Freiheit ein, das Entgelt für berufliche Leistungen frei auszuhandeln. Das gelte auch für den Beruf des Rechtsanwalts. Der beim Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lasse regelmäßig auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, der vom Staat zu respektieren sei. Ferner stellten eine Vergütungsvereinbarung, die eine adäquate Vergütung sicherstellen solle, sowie die gesetzliche Vergütung, der insbesondere der Grundsatz einer Mischkalkulation zugrunde liege, ganz unterschiedliche Vergütungskonzepte dar. Die Höhe der gesetzlichen Vergütung könne daher schwerlich zum Maßstab der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung gemacht werden.

67

Besonders kritisierte das BVerfG, in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle werde nach Überschreiten der Vermutungsgrenze des BGH den Gemeinwohlbelangen pauschal der Vorrang vor der Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts eingeräumt. Im Einzelfall sei vielmehr – aufgrund der auf die Hauptverhandlung ausgerichteten Gebührenstruktur – noch nicht einmal gesichert, etwa wenn sich die Verteidigung auf umfangreiche Aktivitäten im Ermittlungsverfahren beschränke, dass der Rechtsanwalt mit dem Fünffachen des gesetzlichen Vergütungssatzes auch nur kostendeckend arbeiten könne. Es sei zu besorgen, der Verteidiger werde bei Überschreiten der Grenze nicht mehr die an sich erforderliche Zeit in das Mandat investieren oder gar aus Vergütungsgründen seine Bemühungen in das Hauptverfahren verlagern.

68

Folglich, so das BVerfG, werde das Vertrauen des Rechtssuchenden selbst bei einer mehrfachen Überschreitung der gesetzlichen Vergütung dann nicht beeinträchtigt, wenn der Nachweis gelinge, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Leistungen und des Aufwands des Rechtsanwalts sowie den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers gleichwohl angemessen ist. Die Möglichkeit, diesen Nachweis zu führen, dürfe dem Anwalt nicht genommen werden.

b) Ergebnis

69

Dem BVerfG ist zuzustimmen: Eine kaum überwindbare Kappungsgrenze beim Mehrfachen der gesetzlichen Gebühren ist verfassungswidrig und weder zum Vorteil des Mandanten noch des Verteidigers. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben müssen bei der Prüfung der Angemessenheit alle maßgeblichen Umstände Berücksichtigung finden. Das schließt nicht aus, dass die Höhe einer vereinbarten Vergütung unangemessen i.S.d. § 3a Abs. 2 RVG sein kann. Wann dies der Fall ist, kann aufgrund der erforderlichen Einzelfallprüfung nicht generell festgelegt werden. Auch die in § 14 RVG beschriebenen Umstände dürften weiterhin heranzuziehen sein.

70

Der BGH reagierte auf die Entscheidung des BVerfG wie Folgt: Es verbleibe bei einer tatsächlichen Vermutung für die Unangemessenheit im Falle der mehr als fünffachen Überschreitung der gesetzlichen Höchstgebühren. Die Entkräftung dieser Vermutung dürfe indes nicht von überzogenen Anforderungen abhängig gemacht werden. „Als zu berücksichtigende Umstände kommen die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber und das Ziel, das der Auftraggeber mit dem Auftrag angestrebt hat, in Betracht. Außerdem ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang dieses Ziel durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts erreicht worden ist, wie weit also das Ergebnis tatsächlich und rechtliche als Erfolg des Rechtsanwalts anzusehen ist. Ferner sind die Stellung des Rechtsanwalts und die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers in die Bewertung einzubeziehen.“[65] Das bedeutet, der Rechtsanwalt muss die Angemessenheit begründen; d.h., er sollte – gerade bei der Vereinbarung eines Pauschalhonorars – viel Sorgfalt auf die Berechnung gem. § 10 RVG verwenden und detailliert ausführen, welcher Aufwand wofür angefallen ist.[66] Denn diese Rechtsprechung bedingt eine Umkehr der Beweislast. Nachdem eben dieser Dokumentationsaufwand mittels des Pauschalhonorars ja vermieden werden sollte, sollte man von vornherein Stundenhonorare vereinbaren.[67]

Soweit einige Kollegen deshalb vorauseilend alle preisbildenden Faktoren des Einzelfalls in einer Art Präambel der Vergütungsvereinbarung aufnehmen, erscheint das überflüssig. Möglicherweise ist vielmehr zu besorgen, der Mandanten könne dadurch erst verbösert werden, sollten sich nachträglich Umstände in anderem Licht darstellen.

71

Nur exemplarisch soll auf einige Entscheidungen hingewiesen werden, in denen die Vergütung als angemessen beurteilt wurde: 1.500 € je Verhandlungstag,[68] 35.000 € in einem Ermittlungsverfahren wegen Betrugs bei einem Aktenumfang von 100 Leitzordnern,[69] 75.000 € für ein erstinstanzliches Verfahren wegen Abrechnungsbetrugs,[70] Stundenhonorar in Höhe von 200 €, 250 €[71] oder 300 €.[72] Das OLG Celle stellte fest, dass Stundensätze von weniger als 150 € nicht mehr angemessen sein dürften, während ein Stundensatz von bis zu 500 € nicht per se unangemessen sei.[73] Das OLG Frankfurt beanstandete Stundesätze bis 500 € bei einer Großkanzlei und ausreichender Aufklärung des Auftraggebers nicht.[74] Ein weiteres Kriterium stellt die Spezialisierung des Verteidigers auf das Wirtschaftsstrafrecht dar, bspw. sei dann jedenfalls ein Stundensatz von 260 € und von 225 €[75] (bzw. 250 €)[76] für einen angestellten Rechtsanwalt nicht zu beanstanden.

Nachdem die Höhe des Stundenhonorars aber immer im Einzelfall beurteilt, und teilweise zusammen mit anderen Kriterien eine Art Gesamtbetrachtung angestellt werden wird,[77] sollte man sich definitv davor hüten, den Arbeitsaufwand künstlich aufzubauschen. Die Erstellung von Inhaltsverzeichnissen, Übersichtstabellen, Zeitskizzen, graphischer Darstellungen oder inhaltlicher Zusammenfassungen wird bei (sehr) umfangreichen Akten hier aber als voll zulässig erachtet. Im Ergebnis wird der Rechtsanwalt mit der verbleibenden Unsicherheit leben müssen.

Anmerkungen

[1]

Mayer/Kroiß-Teubel RVG, § 3a Rn. 15.

[2]

Burhoff Anm. zu LG Görlitz Urt. v. 1.3.2013 –1 S 51/12, AnwBl. 2013, 939 = StRR 2013, 280, 280; Mayer/Kroiß-Teubel RVG, § 3a Rn. 20.

[3]

Schneider/Wolf-Onderka RVG, § 3a Rn. 35; der Adressat muss jedoch mit einer solchen Übermittlung einverstanden sein, was im Zweifel vom Verteidiger zu beweisen ist.

[4]

OLG Karlsruhe Urt. v. 28.8.2014 – 2 U 2/14, AGS 2015, 9.

[5]

Burhoff Anm. zu BGH Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 47/11, StRR 2012, 117, 118.

[6]

Burhoff-Burhoff RVG, Teil A, Vergütungsvereinbarung, Rn. 2206.

[7]

OLG Karlsruhe Urt. v. 20.1.2015 – 19 U 99/14, AnwBl. 2015, 350.

[8]

BGH Urt. v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, NJW 1996, 1964 f.

[9]

Rehberg/Schons/Vogt u.a. RVG, V, Vergütungsvereinbarung 1.1.

[10]

BT-Drucks. 16/8384, S. 12.

[11]

Zum Erfolgshonorar vgl. Rn. 36 ff.

[12]

Burhoff Anm. zu BGH Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12, AnwBl. 2014, 758 = StRR 2014, 358, 360; Beck-Bever BRAK-Mitteilungen 2015, 116, 118.

[13]

BT-Drucks. 16/8384, S. 16.

[14]

BGH Urt. v. 31.1.1991 – III ZR 150/88, NJW 1991, 3095 ff.

[15]

Rehberg/Schons/Vogt u.a. RVG, V, Vergütungsvereinbarungen, 4; Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curcovic/Mathias/Uher-Bischof RVG, § 4b Rn. 5.

[16]

Vgl. Rn. 44 und 120.

[17]

Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curcovic/Mathias/Uher-Bischof RVG, § 4b Rn. 5.

[18]

BGH Urt. v. 8.6.2004 – IX ZR 119/03, NJW 2004, 2818; BGH Urt. v. 17.10.2002 – III ZR 58/02, NJW 2002, 3772; OLG Koblenz MDR 2004, 55.

[19]

Einen Überblick über die Historie gibt: Burhoff-Burhoff RVG, Teil A, Erfolgshonorar, Rn. 737 f.; betreffend Vergütungsvereinbarungen in BerHG-Sachen bzw. pro bono-Tätigkeiten vgl. Rn. 1138.

[20]

Gründe für eine verhaltene Nutzung des Erfolgshonorars durch die Anwaltschaft: Kilian AnwBl. 2014, 815 ff.

[21]

Burhoff-Burhoff RVG, Teil A, Erfolgshonorar, Rn. 759.

 

[22]

Mayer/Kroiß-Teubel RVG, § 4a Rn. 19.

[23]

BGH Urt. v. 25.9.2014 – 4 StR 586/13, NJW 2014, 3669 ff. m. Anm. Johnigk; Römermann/von der Meden AnwBl. 2014, 1000 ff.

[24]

BT-Drucks. 16/8384, S. 10.

[25]

BT-Drucks. 16/8384, S. 14.

[26]

Mayer/Kroiß-Teubel RVG, § 4a Rn. 29.

[27]

Gerold/Schmidt-Mayer RVG, § 4a Rn. 13; Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curcovic/Mathias/Uher-Bischof RVG, § 4a Rn. 14.

[28]

BGH Urt. v. 25.9.2014 – 4 StR 586/13, NJW 2014, 3669 ff. m. Anm. Johnigk; Römermann/von der Meden AnwBl. 2014, 1000 ff.

[29]

Burhoff- Burhoff RVG, Teil A, Erfolgshonorar, Rn. 751.

[30]

Burhoff Anm. zu BGH Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12, StRR 2014, 358, 359.

[31]

OLG Düsseldorf RVGreport 2012, 255.

[32]

Vgl. Rn. 55 ff.

[33]

BGH Urt. v. 27.1.2005 – IX ZR 273/03, NJW 2005, 2142 f.

[34]

BGHZ 184, 209, 210 = Urt. v. 4.4.2010 – IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 ff.; mangels Überrumpelungseffekt verneinend, wenn dem Mandanten zuvor ein Entwurf per E-Mail übersandt wurde: Burhoff Anm. zu OLG Saarbrücken Urt. v. 31.8.2011 – 1 U 505/10-151, StRR 2012, 39, 40.

[35]

AG Butzbach JurBüro 1986, 1033.

[36]

Schneider Rn. 1764; vgl. auch Rn. 118 ff.

[37]

LG Karlsruhe MDR 1991, 548.

[38]

Burhoff Anm. zu BGH Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 138/11, StRR 2013, 278, 279.

[39]

Vgl. Rn. 120.

[40]

BGH AGS 2000, 191.

[41]

BGH NJW 2005, 2142, 2144.

[42]

BGH NJW 2005, 2142.

[43]

Hinne/Klees/Müllerschön/Teubel/Winkler-Teubel § 1 Rn. 390.

[44]

Schneider Rn. 684 ff.

[45]

Vgl. Rn. 102 ff.

[46]

BGH Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 37/10, StV 2011, 234, 235; OLG Düsseldorf AGS 2006, 530, 534; OLG Düsseldorf Urt. v. 18.2.2010, I – 24 U 183/05, StV 2010, 261; Burhoff Anm. zu OLG Düsseldorf Urt. v. 7.6.2011 – I-24 U 183/05, StRR 2012, 156, 157; a.A. OLG Schleswig Urt. v. 19.2.2009 – 11 U 151/07, AnwBl. 2009, 554.

[47]

BGH Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZR 144/06, AnwBl. 2009, 554.

[48]

OLG Karlsruhe Urt. v. 28.8.2014 – 2 U 2/14, AGS 2015, 9.

[49]

Vgl. Rn. 83 ff.

[50]

Schneider Rn. 736; kritisch: Hinne/Klees/Müllerschön/Teubel/Winkler-Teubel § 1 Rn. 406.

[51]

Schneider Rn. 734; Gerold/Schmidt-Mayer RVG, § 3a Rn. 66; Mayer/Kroiß-Teubel RVG, § 3a Rn. 109.

[52]

OLG Köln AGS 2013, 268.

[53]

Vgl. Rn. 381 ff.

[54]

BGH Urt. v. 27.1.2005 – IX ZR 273/02, StV 2005, 621.

[55]

Klemke/Elbs Rn. 277; Römermann MDR 2004, 421, 422; Tsambikakis StraFo 2005, 446, 447.

[56]

Vgl. Beispielrechnungen: Lutje NJW 2005, 2490 ff.

[57]

Henke AnwBl. 2005, 585.

[58]

Beulke/Müller-Müller S. 161, 164.

[59]

Tsambikakis StraFo 2005, 446, 448.

[60]

OLG Frankfurt Urt. v. 22.12.2005 – 16 U 63/05, StraFo 2006, 127 ff..

[61]

OLG Hamm Urt. v. 5.12.2006 – 28 U 31/05, StV 2007, 474 ff.

[62]

OLG Hamm Urt. v. 13.3.2008 – 28 U 71/07, AnwBl. 2008, 546.

[63]

BGH Urt. v. 12.2.2009 – IX ZR 73/08, StRR 2009, 236 m. Anm. Hansens; BGH Urt. v. 19.5.2009, IX ZR 174/06.

[64]

BVerfG Beschl. v. 15.6.2009, 1 BvR 1342/07, AnwBl. 2009, 650 = StV 2010, 89 ff. = StRR 2009, 318 m. Anm. Hansens; BRAK-Mitt. 2009, 175 m. Anm. Schons.

[65]

BGH Urt. v. 4.2.2010, IX ZR 18/09, NJW 2010, 236 = StV 2011, 234 f.

[66]

Burhoff-Burhoff RVG, Teil A, Vergütungsvereinbarung, Rn. 2222.

[67]

Burhoff-Burhoff RVG, Teil A, Vergütungsvereinbarung, Rn. 2223.

[68]

LG Karlsruhe AnwBl. 1982, 262.

[69]

OLG München Urt. v. 15.7.2004 – 6 U 3864/03, NJW-RR 2004, 1573 ff.

[70]

OLG Köln Urt. v. 21.2.2001, 17 U 17/00; unangemessen jedoch nach OLG Düsseldorf OLGR 1996, 211: 14.500 € für eine durchschnittliche BtM.-Sache.

[71]

OLG Koblenz Beschl. v. 26.4.2010 – 5 U 1409/09, StV 2011, 237, 237.

[72]

LG Köln AGS 99, 179; AG Köln zfs 2006, 227; AG Hamburg AGS 2000, 81; nach OLG Düsseldorf Urt. v. 18.2.2010, I – 24 U 183/05, jedoch nicht mehr als 180 € für eine durchschnittliche Wirtsschaftsstrafsache (wenig überzeugend).

[73]

OLG Celle Urt. v. 18.11.2009, 3 U 115/09, AGS 2010, 5, 6; Mayer/Kroiß-Teubel RVG, § 3a Rn. 163.

[74]

OLG Frankfurt Urt. v. 12.1.2011 – 4 U 3/08, AnwBl. 2011, 300 ff.

[75]

OLG München Urt. v. 30.6.2010 – 7 U 1879/10, StRR 2010, 323.

[76]

OLG Koblenz Beschl. v. 26.4.2010 – 5 U 1409/09, StV 2011, 237 f.

[77]

Nach OLG Düsseldorf Urt. v. 18.2.2010, I – 24 U 183/05, ist die Angemessenheit eines Zeithonorars danach zu beurteilen, ob im konkreten Fall die Honorarform, der Stundensatz und die Bearbeitungszeit angemessen sind und in welchem Verhältnis das abgerechnete Honorar zur gesetzlichen Vergütung steht.