Verteidigervergütung

Text
Aus der Reihe: Praxis der Strafverteidigung #39
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

2. Rechtsfolgen und Beweislast

30

Gemäß § 4b RVG führen Verstöße gegen die Formvorschriften der § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 4a Abs. 1 und 2 RVG[11] dazu, dass der Verteidiger keine höhere als die gesetzliche Vergütung verlangen kann. Diese Rechtsfolge gilt indes nicht für alle vorstehend genannten Formvorschriften, sondern nur diejenigen, die in § 4b RVG aufgeführt sind. Für die erfolgsunabhängige Vergütungsvereinbarung handelt es sich also um die Fehlerquellen: Textform, Bezeichnungsweise, Absetzung von anderen Vereinbarungen sowie Trennung von der Vollmachtsurkunde.

31

Eine Vergütungsvereinbarung, die gegen diese Anforderungen verstößt, ist gleichwohl nicht nichtig i.S.d. § 125 BGB, sondern bleibt wirksam! Aus ihr kann indes nur die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühr gefordert werden.[12] Ist die vertraglich vereinbarte Vergütung niedriger als die gesetzlichen Gebühren, kann nur die niedrigere Vergütung begehrt werden. Der geschlossene Anwaltsvertrag bleibt ebenfalls unberührt respektive wirksam.[13]

32

Kann der Rechtsanwalt nur noch die gesetzliche Vergütung fordern, hat er selbstverständlich eine ordnungsgemäße Abrechnung (§ 10 RVG) zu erstellen! Nur im extremen Ausnahmefall, etwa wenn der Auftraggeber selbst und bewusst den Formmangel verursachte, um sich später darauf berufen zu können,[14] mag der Rechtsanwalts die Einrede nach § 242 BGB erheben.

33

Während die Vorgängervorschrift, § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a.F. noch einen Ausschluss der Kondizierbarkeit für den Fall vorsah, dass der Mandant freiwillig und ohne Vorbehalt geleistet hat, gilt das heute nicht mehr. Gemäß § 4b Satz 2 RVG bleiben die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung unberührt. Das heißt, bis zum Eintritt der gesetzlichen Verjährung kann der Auftraggeber den Vergütungsteil, der über die gesetzliche Vergütung hinausgeht, zurückverlangen. Hieraus folgt eine erhebliche und kritikwürdige Unsicherheit für den Rechtsanwalt,[15] weshalb der Einhaltung der Formvorschriften besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.

34

Das Rückforderungsrecht des Auftraggebers ergibt sich in der Regel aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 BGB. Dann ist indes ebenfalls § 814 BGB anwendbar. Hiernach ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber bei der Zahlung wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. Es kann folglich sinnvoll sein, den Mandanten bei Zahlung dahingehend zu informieren und dies für Beweiszwecke zu dokumentieren. Insbesondere sollte ein entsprechendes Vergütungsgespräch nicht in Zwangssituationen geführt werden, da anderenfalls die Freiwilligkeit der Zahlung in Zweifel gezogen werden kann.[16]

35

Die Beweislast ist wie Folgt verteilt: Den Nachweis für die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsvereinbarung muss der Auftraggeber führen, der seine Vergütungsschuld auf die Höhe der gesetzlichen Vergütung reduziert sieht.[17] Somit ist der Auftraggeber für die Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs beweispflichtig. Für den Einwand aus § 814 BGB muss hingegen der Rechtsanwalt beweisen, dass sein Auftraggeber die vereinbarte Vergütung freiwillig und in Kenntnis der Nichtschuld erbrachte.[18]

Teil 2 Vergütungsvereinbarung › A. Gesetzliche Anforderungen an die Vergütungsvereinbarung › II. Sonderfall: Erfolgshonorar

II. Sonderfall: Erfolgshonorar

36

Grundsätzlich sind Erfolgshonorare unzulässig (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO), es sei denn das RVG bestimmt ein Anderes. § 4a RVG normiert die Bedingungen von Ausnahmen.[19] Vor dem Hintergrund des Instituts der notwendigen Verteidigung erscheint hier die Bedeutung in Strafsachen als marginal;[20] in Bußgeldsachen gilt der drohende Fahrerlaubnisentzug eines finanzschwachen Berufskraftfahres ohne Rechtsschutzversicherung als Musterbeispiel.[21] Die Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Satz 1 RVG sind:


ein Einzelfall,
der Auftraggeber würde aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse
bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung des Erfolgshonorars (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO) von der Rechtsverfolgung abgehalten.

Zumal die zugegebenermaßen etwas resignative Besorgnis, die Persönlichkeitsstruktur des durchschnittlichen Mandanten respektive die menschliche Natur könnten alsdann zu überflüssigen Weiterungen führen, ebenfalls nicht gänzlich zu vernachlässigen sein dürfte: Ist der Erfolg nämlich ersteinmal herbeigeführt, mögen die ursprünglichen Nöte der Mandantschaft in anderem Licht erscheinen respektive in Vergessenheit geraten. Ob das Anmahnen der Ratenzahlung, das Anhörenmüssen von Vertröstungen sowie das Androhen bzw. Realisieren gerichtlicher Geltendmachung und das Tragen des Insolvenzrisikos wirklich lohnenswert erscheinen, sollte im Vorfeld bedacht werden.

37

Das Gesetz bestimmt den Begriff des Erfolgshonorars in § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO. Danach sind Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird (Erfolgshonorar) oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages erhält (quota litis), unzulässig, soweit das RVG nichts anderes bestimmt. Das heißt: Die anwaltlichen Dienste müssen unterm Strich zu demjenigen Ergebnis (Freispruch, Einstellung, Strafaussetzung zur Bewährung, Vermeidung einer Hauptverhandlung)[22] geführt haben, von dem die Vergütung bedingt wird.

38

Im Einzelnen sind nachfolgende Voraussetzungen zu erfüllen: Es muss sich um eine Vereinbarung für den Einzelfall handeln, was vor allem ein generell dahingehendes Geschäftsmodell, also betreffend bestimmte Mandate oder Mandanten, als unzulässig erklärt. Des Weiteren ist ein Erfolgshonorar nur dann gestattet, wenn andernfalls der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung des Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Damit dürften – nach hiesigem Bewerten – die Fälle notwendiger Verteidigung (§ 140 StPO) ausscheiden. Denn hier wird gerade niemand von der Rechtsverfolgung abgehalten. Ebenfalls ist die notwendige Verteidigung nicht in § 4a Abs. 1 Satz 3 RVG aufgeführt. Dass sich die Justiz im Streitfall davon überzeugen lassen wird, der Pflichtverteidiger habe zur Rechtsverfolgung nicht ausgereicht und deshalb habe auf der Basis eines Erfolgshonorars ein Wahlverteidiger eingeschaltet werden müssen, wird hier aktuell bezweifelt. Ebenso sollte man sich – m. E. – vor Übertreibungen mit Blick auf die dem Mandanten denktheoretisch drohenden Rechtsfolgen hüten. Wie noch im Rahmen der Belehrungspflicht über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung zu zeigen sein wird, ist die Justiz nicht zögerlich mit der Annahme einer Betrugsstrafbarkeit (bspw. durch Unterlassen).[23] Zu betrachten ist jedenfalls der individuelle Mandant.[24] Und nicht etwa ein gedachter Durchschnittsmandant. Schließlich sind nicht allein die grundsätzlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten zu berücksichtigen, sondern auch die individuelle Bewertung der finanziellen Risiken der Rechtsverfolgung.[25] Ungeachtet des Umstandes, dass der Rechtsanwalt ohnehin die wirtschaftliche Situation des Mandanten zumindest in groben Zügen erfragen muss (§ 16 BORA), gilt das hier desto mehr: Eine bloßes subjektives Empfinden des Rechtssuchenden bzw. seine Erklärung, er wolle sein Recht nur dann verfolgen, wenn der Anwalt sich an den Kosten beteilige, genügt nämlich nicht.[26]

Hinweis

Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind in der Erfolgshonorarvereinbarung explizit aufzuführen!

39

Nach § 4a Abs. 1 Satz 2 RVG darf in einem gerichtlichen Verfahren für den Fall des Misserfolgs vereinbart werden, dass keine oder eine geringere als die gesetzliche Vergütung zu zahlen ist, wenn für den Erfolgsfall ein angemessener Zuschlag auf die gesetzliche Vergütung vereinbart wird. Die Höhe dieses Zuschlags steht im Ermessen des Rechtsanwalts, richtet sich insbesondere nach den Erfolgschancen in der Sache und dürfte im Durchschnittsfall einer Erfolgschance von 50 % (also Obsiegen in jedem zweiten Fall) mit 100 % als angemessen anzusetzen sein.[27]

Hinweis

Neben dem eigentlichen Erfolg in der Hauptsache (z.B. Freispruch) sollte ebenfalls die Kostenerstattung (z.B. § 153 StPO mit Kostenerstattung) aufgenommen werden, damit anschließend die Kostenerstattung nicht unterhalb der gesetzlichen Gebühren liegt.

40

Im Fall der Vereinbarung eines Erfolgshonorars müssen (neben den Formvorschriften des § 3a Abs. 1 RVG) weitere Formvorschriften beachtet werden: Die Vereinbarung muss gem. § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG die voraussichtliche gesetzliche Vergütung enthalten (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG begründet kraft Gesetzes eine Garantenstellung des Rechtsanwalts, der vor Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung seinen Mandanten über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung aufzuklären hat. Unterlässt er das, kann eine Strafbarkeit wegen versuchten Betruges begangen durch Unterlassen in Betracht kommen)[28] und ggf. die erfolgsunabhängige vertragliche Vergütung, zu der der Rechtsanwalt bereit wäre, den Auftrag zu übernehmen. Zu Beginn des Mandats, wenn die Vergütungsvereinbarung zustande kommt, wird es häufig unmöglich sein, die genaue gesetzliche Vergütung zu prognostizieren. Hier kann sich der Rechtsanwalt nur dadurch helfen, dass er auf die gesetzlichen Gebühren in bestimmten realistisch zu erwartenden Fallkonstellationen (Modell- oder Musterberechnung)[29] hinweist. Denn entwickelt sich das Mandat anders als erwartet, darf das dem Rechtsanwalt nicht zum Nachteil gereichen.

 

Ferner muss die Vereinbarung zwingend die Angabe enthalten, welche Vergütung bei Eintritt welcher Bedingung verdient sein soll. Die Vergütungshöhe lässt sich etwa durch ein bestimmtes Mehrfaches der gesetzlichen Gebühren oder durch eine Pauschale konkretisieren. Bei der Frage der Bedingung, die die Vergütung auslöst, ist es angezeigt, den Erfolgsfall möglichst genau zu beschreiben, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, dazu gehören auch Klarstellungen möglicher Zweifelsfälle, wie etwa das Erreichen eines Teilerfolgs oder der Fall, dass nach vorzeitiger Mandatsbeendigung der Erfolg dennoch eintritt.

Endlich bedarf es der Angabe der wesentlichen Gründe, die für die Bemessung des Erfolgshonorars bestimmend sind, § 4a Abs. 3 Satz 1 RVG, sowie des Hinweises, dass die Vereinbarung selbstverständlich keine Auswirkungen auf die seitens des Auftraggebers ggf. zu zahlenden Gerichts- oder Verwaltungskosten und die von ihm zu erstattenden Kosten anderer Beteiligter hat.

41

Werden die Formvorschriften des § 4a Abs. 1 und 2 RVG nicht eingehalten, bleibt der Anwaltsvertrag davon unberührt, und der Verteidiger kann gem. § 4b RVG keine höhere als die gesetzliche Vergütung fordern.[30] Nach Treu und Glauben wird ihm die gesetzliche Vergütung aber zu versagen sein, wenn er bei dem Auftraggeber den Eindruck erweckte, eine Vergütung nur bei Erfolgseintritt bezahlen zu müssen.[31] Ein Verstoß gegen die Hinweispflichten des § 4a Abs. 3 RVG kann Schadenersatzansprüche auslösen.

42

Muster 2 Erfolgshonorarvereinbarung


Erfolgshonorarvereinbarung
zwischen
Herrn Ralf Müller, Bahnhofsstraße 1, Köln,
im Folgenden: Auftraggeber,
und
Rechtsanwalt …
im Folgenden: Rechtsanwalt.
I.) Mandatierung Der Auftraggeber bevollmächtigte am … den Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung in dem Ermittlungsverfahren (Az.) vor der Staatsanwaltschaft in … wegen des Verdachts des … II.) Annahmen Auftraggeber und Rechtsanwalt sind einander einig, dass 1. der Vorwurf des …, die aktuelle Sach- und Rechtslage, jedenfalls in Kombination mit der Unbestraftheit des Auftraggebers, nicht die Voraussetzungen des § 140 StPO erfüllen, ein Fall der notwendigen Verteidigung mithin nicht gegeben ist. 2. die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers sich wie Folgt darstellen: (Einkommen/Belastungen/Fixkosten/Unterhaltsverpflichtungen pp.) Über sonstiges Vermögen zu seiner freien Verfügung verfügt der Auftrageber nicht. Eine Rechtsschutzversicherung besteht ebenfalls nicht. Die Beauftragung eines Wahlverteidigers kommt alsdann nur in Betracht, wenn das Verfahren ohne öffentliche Hauptverhandlung beendet wird, da nur so ein ihm irreparabel erscheinender Verlust an Ansehen und Reputation in der Kleinstadt … bei öffentlichem Bekanntwerden der Vorwürfe vermieden werden kann. Der Auftraggeber bekleidet nämlich das öffentliche Ehrenamt des … und ist zudem aktuell mit seiner Selbständigkeit als … in Existenzgründung befindlich. Insofern stellen eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens (mit oder ohne Auflagen und Weisungen) bzw. eine Beendigung der Verfolgung (mit oder ohne Auflagen und Weisungen) oder ein Strafbefehl einen Erfolg im Sinne dieser Erfolgshonorarvereinbarung dar. 3. die Entwicklung des Ermittlungsverfahrens gegenwärtig nicht sicher antizipiert werden kann, weil (…). Insofern ist auch die Gewährung von Akteneinsicht in das Parallelverfahren zum Aktenzeichen … gegen Herrn … abzuwarten. (…) III.) Es wird vereinbart, dass der Rechtsanwalt anstelle der gesetzlichen Vergütung eines Wahlverteidigers nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) eine Vergütung nur dann erhält, wenn das Ermittlungsverfahren mit einem Erfolg im oben unter Ziffer II.) 2. beschriebenen Sinne, also ohne öffentliche Hauptverhandlung, beendet werden kann. Für den Fall dieses Erfolgseintritts erhält der Verteidiger eine Pauschalvergütung für das Ermittlungsverfahren in Höhe von netto 3.000,00 € (in Worten: dreitausend Euro) zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer. IV.) Hinweise 1. Der Auftraggeber wird darauf hingewiesen, dass die Staatskasse im Fall einer Kostenerstattung nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen erstattet. Das hier vereinbarte Erfolgshonorar wird nicht erstattet werden. 2. Der Auftraggeber wird ferner darauf hingeweisen, dass diese Vereinbarung seine Verpflichtung zur Leistung von Gerichts- sowie Verwaltungskosten unberührt lässt und auch keinen Einfluss auf die von ihm zu erstattenden Kosten anderer Beteiligter hat. 3. Der Auftraggeber wird endlich darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts ohne diese Erfolgshonorarvereinbarung sich anhand Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG bemisst. Danach können in einem Ermittlungsverfahren die Gebührentatbestände der Nrn. 4100, 4102, 4104, 4141 VV entstehen. Diese Gebühren sehen einen Rahmen wie Folgt vor: Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV: 40,00 bis 360,00 € Terminsgebühr gem. Nr. 4102 VV: 40,00 bis 450,00 € Verfahrensgebühr gem. Nr. 4104 VV: 40,00 bis 290,00 € Verfahrensgebühr gem. Nr. 4141 VV: 40,00 bis 290,00 € Innerhalb dieser Rahmen würde die richtige Gebühr, angesichts der unter Ziffer II.) 2. genannten Umstände sicher jeweils mindestens die Mittelgebühr, gefunden werden. Danach entstünden dem Rechtsanwalt ohne diese Erfolgshonorarvereinbarung Gebühren in Höhe von zirka 775,00 € netto zzgl. Umsatzsteuer und Auslagen (Kopierkosten, Reisekosten, Abwesenheitsgelder, Pauschale für Post- und Telekommunikation pp.). V.) Auslagen Alle Auslagen, wie Umsatzsteuer, Reisekosten, Tagesgelder, Abwesenheitsgelder, Pauschale für Post- und Telekommunikation sind mit der vereinbarten Vergütung nicht abgegolten und werden gesondert abgerechnet. Die Höhe richtet sich nach dem RVG. VI.) Vertragsdauer Dieser Vertrag kann von jeder Partei zu jedem Zeitpunkt gekündigt werden. Betreffend die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gelten die Bestimmungen der §§ 626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Fall vorzeitiger Beendigung des Vertrages sind diejenigen Gebührentatbestände gem. dem RVG zu vergüten, die bis zu diesem Zeitpunkt entstanden sind.

Teil 2 Vergütungsvereinbarung › A. Gesetzliche Anforderungen an die Vergütungsvereinbarung › III. Vertragsrechtliche Grenzen

III. Vertragsrechtliche Grenzen

1. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) respektive Anfechtbarkeit (§ 123 BGB) und Schadenersatz (§ 311 BGB)

43

Wie jeder Vertrag ist auch die Vergütungsvereinbarung an den zivilrechtlich zwingenden Bestimmungen zu messen. So kann sie unter bestimmten Umständen gem. § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Dies ist jedoch nicht mit der Angemessenheitsprüfung i.S.d. § 3a Abs. 2 RVG[32] gleichzusetzen: Während letztere auf den Zeitpunkt der Mandatsbeendigung abstellt, kommt es bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an.[33]

44

Zur Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung können sowohl besondere Umstände bei ihrem Zustandekommen führen als auch ihr Inhalt. Eine Vereinbarung kann sittenwidrig sein, wenn der Verteidiger bei Abschluss eine besondere Zwangslage des Auftraggebers ausnutzte. Grundsätzlich wird eine Mandatsniederlegung zur Unzeit als problematisch angesehen, dies vor allem im Zusammenhang mit einer Haftsituation des Mandanten; zur Annahme einer Zwangslage bei Abschluss kann weiterhin die unmittelbar bevorstehende Hauptverhandlung[34]. oder gar das Plädoyer[35] führen. Grundsätzlich ausgeschlossen ist ein Vertragschluss in einer solchen Situation aber nicht, der Verteidiger muss sich nur übermäßigem Druck enthalten. Dabei können bspw. unrichtige Angaben über die Höhe der gesetzlichen Gebühren[36] oder die anwaltliche Drohung, eine Mandatsniederlegung werde vom Gericht zu Lasten des Mandanten gewertet werden,[37] in einer Gesamtbetrachtung zur Annahme von Sittenwidrigkeit führen.

Gleichwohl sind die Hürden zur Annahme von Sittenwidrigkeit hoch: Der Gesamtcharakter muss das Geschäft im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung als sittenwidrig erscheinen lassen. Im Regelfall wird das eher zu verneinen sein. Näher liegt vielmehr eine Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) mit der weiteren Folge eines Schadenersatzanspruchs aus § 311 Abs. 2 BGB aus Verschulden bei Vertragsschluss auf Befreiung von der eingangenen Verbindlichkeit. Der Schaden des Mandanten läge also im Abschluss der abgepressten Vergütungsvereinbarung.[38] Es ist darauf zu achten, dass der Mandant ausreichend Zeit hat, einen anderen Anwalt zu konsultieren.[39]

45

Auch ein besonders krasses Missverhältnis zwischen dem Wert der anwaltlichen Dienstleistung und der vereinbarten Vergütung kann zur Sittenwidrigkeit führen, wenn der Rechtsanwalt dabei die Unterlegenheit oder Unerfahrenheit des Mandanten bzw. dessen Zwangslage bewusst ausnutzte. Das subjektive Moment wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch das besondere Missverhältnis indiziert,[40] ferner lehnt der BGH die Feststellung des Missverhältnisses an die Angemessenheitsprüfung des § 3a Abs. 2 RVG an.[41] Ist der Mandant jedoch geschäftsgewandt oder bereits anwaltlich vertreten, so kann nicht unmittelbar ein Ausnutzen durch den Verteidiger vermutet werden.[42]

46

Die Sittenwidrigkeitsprüfung unterscheidet sich ebenfalls in der Rechtsfolge von der der Unangemessenheit nach § 3a Abs. 2 RVG: Eine Herabsetzung der Vergütung auf einen noch angemessenen Betrag kommt nicht in Betracht. Vielmehr hat die Feststellung der Sittenwidrigkeit die Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung zur Folge. Ergebnis ist, dass der Verteidiger einen Anspruch nur noch auf die gesetzliche Vergütung hat. Der Anwaltsvertrag selbst besteht fort.