In der Stadt

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Aus der Reihe: Natur erleben #5
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In der Stadt
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Andreas JaunIn der Stadt


Andreas Jaun

In der Stadt

Natur erleben – beobachten – verstehen

www.naturerleben.net


Andreas Jaun ist Biologe mit einem eigenen Büro in Spiez/Schweiz. Neben verschiedenen Projekten in den Bereichen Naturschutz, Artenförderung und Landschaftsplanung ist er auch in der Umweltbildung tätig.

1. Auflage 2012

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-258-47718-3

Alle Rechte Vorbehalten

Copyright © 2012 by Haupt Berne

Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig.

Gestaltung und Satz: pooldesign.ch

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

www.naturerleben.net in Partnerschaft mit www.naturgucker.net

www.haupt.ch

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorbereitung für eine Entdeckungstour in der Stadt

Städte. Eine Einleitung

Städte als Lebensraum für Flora und Fauna

Stadt und Dorf als Ersatzlebensraum

Parkanlagen und Stadtwälder

Gärten

Gebäude und Brücken

Baustellen

Industriebrachen

Randbereiche von Verkehrswegen

Die Kraft der Natur – oder die Rückeroberung

Umweltfaktoren in der Stadt

Frühling

Einleitung Frühling

Die Feuerwanze

Amsel, Sperling und Co.

Achtbeinige Fassadenkletterer

Blauäugiger Kulturfolger

Huflattich

Wollschweber – Fliege oder Hummel?

Kräftiges Grün

Kurzinformation Frühling

Sommer

Einleitung Sommer

Faszinierende Flugkünstler

Schneller Luftjäger und seine Verwandten

Gefährlich, lästig oder harmlos? (Hornissen, Wespen und Co.)

Lauerjäger und Fallensteller (Ameisenlöwen und Sandlaufkäfer)

Problematische Gartenpflanzen

Sonnenhungrige Kletterer und andere Reptilien

Konzert oder Nachtruhestörung?

Nacht und trotzdem nie ganz dunkel

Kurzinformation Sommer

Herbst

Einleitung Herbst

Wildtiere in der Stadt – Stadtfüchse

Festgewachsen und trotzdem mobil und beweglich

Ausbreitungsstrategien

Putzige Parkbewohner mit Pinselohren

Unscheinbares Grün – Algen, Moose und Flechten

An städtischen Gewässern

Die Hecke

Kurzinformation Herbst

Winter

Einleitung Winter

Winterzeit – Beobachtungszeit

Übernachten in der Gruppe

Achtbeinige Untermieter

Wintergrüne Kletterpflanze

Stadttauben – geliebt und gehasst

Heimliche Nager

Kurzinformation Winter

Anhang

Fragen und Antworten

Bildnachweis

Dank

Vorwort

Städte haben nicht nur für Menschen eine große Anziehungskraft: Auch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten fühlen sich wohl im urbanen Raum. So zum Beispiel zahlreiche Vogelarten, die felsige Habitate bevorzugen und Häuser, Straßenschluchten und Einzelbäume gerne als neuen Lebensraum annehmen. Auch das große Nahrungsangebot zieht viele Tiere an – sowohl einheimische als auch Neuzuzüger aus anderen Klimazonen. Ein besonders prominentes Beispiel ist der Halsbandsittich, der mittlerweile in zahlreichen Städten Mitteleuropas anzutreffen ist und dank dem verhältnismäßig warmen Klima im städtischen Raum auch harte Winter überleben kann.

Runter vom Sessel, hinein in die Natur! Erleben Sie die Natur in der Stadt, entdecken Sie die überraschende Vielfalt der urbanen Flora und Fauna, spüren Sie den Zusammenhängen zwischen uns Menschen und unseren tierischen Mitbewohnern nach, beobachten Sie, wie Pflanzen sich jede Ritze im Asphalt zurückerobern und wie raffiniert sich die Natur im städtischen Raum eingerichtet hat. Dafür werden keine besonderen biologische Kenntnisse vorausgesetzt – was Sie für Ihre Erkundungen benötigen, wird durch das vorliegende Buch (und die anderen Bände der «Natur erleben»-Reihe) vermittelt. Besonders hilfreich sind dabei die Beobachtungstipps, die Sie stets am Ende der einzelnen Kapitel finden.

Und weil die Natur nichts Statisches ist, sondern das Resultat von Vernetzungen und gegenseitigen Abhängigkeiten und weil das Erkunden ja auch Spaß machen soll, finden Sie überall Verweise auf andere, verwandte Themen im Buch sowie auf Geräusche, Filme und zusätzliche Bilder auf der Website www.naturerleben.net. Den nachtaktiven Siebenschläfer kriegt man selten zu Gesicht – hören Sie sich die entsprechende Tonspur an, um die typischen Kratzgeräusche zukünftig dem kleinen Raubtier zuordnen zu können. Oder schauen Sie sich den Film über die Greifvögel im Stadtgebiet an und achten Sie zukünftig darauf, was neben den Tauben und Sperlingen sonst noch am städtischen Himmel herumfliegt. Wenn Sie eigene Beobachtungen oder Fotos mit anderen teilen möchten, können Sie dies dank unserer Partnerschaft mit www.naturgucker.net auch ganz einfach über unsere Website tun.

 

Film

Tonspur

Fotos

Ab all dem Kreuz und Quer und Hin und Her zwischen Buchkapiteln und Website soll auch etwas hängen bleiben – mit den Quizfragen können Sie locker prüfen, wie viele Geheimnisse Sie schon gelüftet haben.

Seit November 2011 gibt es noch eine weitere Dimension zu entdecken: Mit der iPhone-App zur Buchreihe können zum Beispiel die häufigsten Tier- und Pflanzenarten in den mitteleuropäischen Städten bestimmt und das Auge und die Ohren durch die Beantwortung von Quizfragen für die Natur geschärft werden.

Viel Spaß beim Beobachten, Entdecken und Erleben der Natur wünschen der Autor und Ihr Haupt Verlag!

Vorbereitung für eine Entdeckungstour in der Stadt

Tiere

Behandeln Sie alle Tiere, die Sie beobachten möchten, sehr sorgfältig und mit Respekt. Wollen Sie Tiere zum näheren Beobachten fangen, ist besondere Vorsicht geboten. Die Tiere sollten nur kurz in einem Glas oder einer Becherlupe gehalten werden. Wassertiere müssen natürlich immer im Wasser und wenn möglich im Schatten betrachtet werden. Aber auch Landtiere dürfen in der Becherlupe nicht in die Sonne gestellt werden. Wichtig ist auch, dass alle Tiere wieder am jenem Ort freigelassen werden, an dem sie gefangen wurden.

Pflanzen

Pflanzen lassen sich meistens gut betrachten, ohne dass Teile oder ganze Pflanzen ausgerissen werden müssen. Auch abgestorbene Pflanzenteile bieten vielen Arten Unterschlupf oder dienen als Überwinterungsverstecke. Solche Überwinterungsplätze sind besonders im Siedlungsbereich oft selten und entsprechend wertvoll.

Abfälle

Das Liegenlassen von Abfällen ist bekanntermaßen ein Dauerproblem. Viele stadtbewohnende Tierarten (Kulturfolger) nutzen organische und andere Abfälle als Nahrungsquelle oder als Baumaterial für ihre Nester. Solche Siedlungsabfälle sind aber oft nicht nur ungeeignet, sondern können sogar zu Todesfällen führen.

Hunde

Hunde sind faszinierende und meistens liebenswürdige Begleiter von uns Menschen. Trotzdem sollten sie für Beobachtungstouren besser zu Hause gelassen werden: Oft braucht es etwas Geduld und ein Verharren an Ort, was eher schlecht mit dem Bewegungs- und Spieldrang von Hunden zu vereinbaren ist. Hinweise zur Leinenpflicht sind unbedingtzu beachten.

Ausrüstungsliste


Natürlich sind Beobachtungen auch ohne Spezialausrüstung möglich, doch mit ein paar Hilfsmitteln machen Naturbeobachtungen noch mehr Spaß. Besonders geeignet sind:


Notizbuch und Schreibzeug
Lupe (Becherlupe)
Wassernetze
Durchsichtige Fangbehälter (z. B. ein Marmeladenglas)
Fernglas
Kamera (idealerweise spritzwasserdicht oder wasserdicht)
Pflanzen- und Tierbestimmungsbücher
Taschenmesser
Apotheke mit Desinfektions- und Insektenschutzmittel
Zwischenverpflegung
An den jeweiligen Lebensraum angepasste Kleidung (z. B. Stiefel, Sonnenschutz etc.)



Städte als Lebensraum für Flora und Fauna

Löwenzahn, Gänseblümchen, Amseln und Stadttauben gehören zu den prominentesten Pflanzen und Tieren unserer Städte. Sie sind allesamt wahrlich keine Publikumsmagneten. Und trotzdem sind gerade Städte für Naturbeobachtungen besonders geeignet: Haben Sie gewusst, dass viele davon zu den besonders artenreichen Lebensräumen zählen?

Stadttauben

Natürlich tragen Tierparks oder Botanische Gärten zur hohen Artenvielfalt bei. Ein bedeutender Teil der städtischen Artenvielfalt ist auch auf die vielen, oft exotischen Arten, die in unseren Häusern und Wohnungen leben, zurückzuführen. Schließlich sollte man auch die zahlreichen durch Handel und Tourismus eingeschleppten Neophyten und Neozoen nicht vergessen. Ein ganz beträchtlicher Anteil des Artenreichtums sind aber auch mitteleuropäische Arten, die sich auf städtischem Gebiet angesiedelt haben oder dieses zumindest temporär nutzen. Untersuchungen haben ergeben, dass dies bei mehreren Hundert Tierarten der Fall ist. Wieso kommen aber Tiere und Pflanzen in die Stadt?

«Problematische Gartenpflanzen»

Städte bestehen nicht nur aus vom Menschen geschaffenen und intensiv genutzten Strukturen (Siedlungen, Industrie, Verkehrswege etc.), sondern umfassen auch Waldgebiete, Gewässer und naturnahe Parkanlagen. Zudem sind Städte durch sehr viele unterschiedlich genutzte Teilflächen geprägt, was zu einer großen Heterogenität städtischer Lebensräume führt. Aus diesem Grunde finden auf kleinem Raum viele Arten eine Nische zum Leben. Entsprechend sind sogar dicht verbaute Innenstädte und Industriezonen manchmal erstaunlich artenreich. Vielerorts sind es vor allem die Spezialisten unter den Tieren und Pflanzen, die Städte zu besiedeln vermögen, weil die durch Beton und Asphalt versiegelten Flächen hohe Anforderungen an sie stellen. Spezialisten sind oftmals sogar in grünen und vordergründig naturnahen Parkanlagen gefragt, weil die intensiv gepflegten «Englischen Rasenflächen» für die meisten Arten wenig wertvoll und aufgrund der intensiven Pflege schwer zu besiedeln sind. Wesentlich leichter ist dies hingegen in «verwilderten» Gärten und gewissen Industriebrachen. Schliesslich müssen Wildtiere auch mit den Störungen durch die vielen Menschen und deren Haustiere zurechtkommen.

«Stadt und Dorf als Ersatzlebensraum»

Alle diese Flächen und Gebiete sind bei Weitem keine natürlichen Lebensräume. Aber unterscheiden sie sich wirklich so grundsätzlich von ländlichen Regionen? Auch Blumenreiche Wiesen, Weiden und Hecken und sogar die meisten Wälder sind in ihrer heutigen Form durch den Menschen geschaffen worden oder sehr stark durch diesen geprägt; auch hier kann die Natur nicht in ihrer ursprünglichen Form beobachtet und erlebt werden.

«Die Hecke»

Vielleicht sollten wir einmal ganz grundsätzlich die Vorstellung hinterfragen, dass die Stadt ein unnatürlicher Lebensraum ist. Es sind ja nicht nur Menschen, die «künstliche» Strukturen schaffen; Vögel, Ameisen und Dachse tun mit ihren Nestern, Haufen und Bauten genau dasselbe. Und da liegt auch ein zentraler Diskussionspunkt: nämlich die Frage, ob wir uns selber als einen Teil der Natur oder davon losgelöst betrachten wollen. Aus Sicht von Tieren und Pflanzen werden unsere Städte hingegen kaum als naturfremd wahrgenommen, sondern als relativ neuer und schnell wachsender Lebensraum. Einige Arten konnten sich an diesen anpassen und sogar von neuen Möglichkeiten profitieren, während viele andere weichen mussten und sich in die verbleibenden ursprünglichen Lebensräume zurückzogen. Dies ist ein Prozess, der nicht nur in städtischen Lebensräumen geschieht, sondern überall da, wo es zu Veränderungen kommt – seien diese nun natürlich oder «künstlich». Mit diesen Gedanken soll aber keinesfalls die oftmals verantwortungslose Zerstörung der ursprünglichen Lebensräume legimitiert werden. Vielmehr gilt es, mit einer angepassten Raumplanung und entsprechenden Maßnahmen auch in Städten wertvolle Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu schaffen.

Dachs


Das Gänseblümchen (Bellis perennis) ist in Städten häufig zu finden.

Viele Stadtteile weisen eine ausgeprägte horizontale und vertikale Gliederung auf.

Stadt und Dorf als Ersatzlebensraum

Obwohl Städte Tiere und Pflanzen nicht einfach automatisch ausschließen, sind in den sehr intensiv genutzten und dicht überbauten Zonen kaum seltene Arten zu erwarten. Es ist aber die für Städte typische heterogene und kleinräumige Struktur, die zahlreichen Arten eine Nische bietet. Sie gleichen dabei mitunter den früher in Europa vorherrschenden kleinräumigen Landwirtschaftsflächen, die in den vergangenen Jahrzehnten aber zunehmend durch Monokulturen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu außerordentlich artenarmen und schwer zu besiedelnden Flächen geworden sind. Viele der ursprünglich dort heimischen Arten sind daher in die Dörfer und Städte abgewandert, wo sie aufgrund der außerordentlichen Strukturvielfalt auf relativ kleinem Raum einigermaßen geeignete Ersatzlebensräume finden konnten. Viele Pflanzen- und Tierarten, die auf diese Weise in die von Menschen bewohnten Zonen vorgedrungen sind, werden entsprechend als «Kulturfolger» bezeichnet.

Tiere in der Stadt


Auch auf kleinem Raum lassen sich Lebensräume für Schmetterlinge, Heuschrecken, Käfer und andere Kleintiere schaffen.

«Blauäugiger Kulturfolger»

«Wildtiere in der Stadt – Stadtfüchse»

Parkanlagen und Stadtwälder

Parkanlagen und Stadtwälder sind oft die naturähnlichsten Lebensräume in städtischen Gebieten. Manchmal ist die Abgrenzung zwischen baumreichen Parkanlagen und Stadtwäldern nicht ganz eindeutig zu ziehen. Parkanlagen umfassen meistens sowohl Grünflächen mit Blumenbeeten als auch Baumbestände. Je nach Größe, Architektur, Nutzungs- und Erschließungsgrad können sich die Artenzusammensetzung und die Vielfalt solcher Anlagen stark unterscheiden. Geometrisch angelegte, mit Zierpflanzen und Zierteichen versehene und intensiv gepflegte Pärke sind oft relativ arm an einheimischen Tier- und Pflanzenarten. Für interessante Naturbeobachtungen am erfolgsversprechendsten könnten hier allenfalls vorhandene alte Baumbestände oder Teiche sein. Am anderen Ende des ökologischen Spektrums sind die Stadtwälder anzusiedeln, die sich manchmal kaum von Wäldern auf dem Land unterscheiden. Oft liegen sie auch in peripheren Bereichen der Städte und sind daher mit dem Umland vernetzt. Aufgrund ihrer Struktur und Baumzusammensetzung bieten sie vielen typischen Waldarten Lebensraum. Die Nutzung als Naherholungsraum kann aber für störungsempfindlichere Arten oft zu intensiv sein. Es gibt mittlerweile auch immer mehr Stadtverwaltungen, die zumindest gewisse Teile ihrer Parkanlagen bewusst sehr zurückhaltend pflegen lassen und somit auch verschiedenen Tieren und Pflanzen Lebens- und Rückzugsraum bieten. Je nach Zustand und Größe von Parkanlagen können neben den weitverbreiteten und häufigen Siedlungsarten unter Umständen auch seltenere Arten, wie beispielsweise der Wendehals (Jynx torquilla) beobachtet werden. Entscheidend ist auch die Lage solcher Parks: Von intensiv genutzten Siedlungsgebieten umgebene Parkanlagen weisen meistens eine geringere Vielfalt auf als Anlagen mit einer Vernetzung zu anderen naturnahen Lebensräumen. Sehr mobile Arten wie Vögel oder Fluginsekten können aber natürlich auch isolierte Standorte erreichen. Daher lassen sich zum Beispiel der Kleiber (Sitta europaea), aber auch Grünspecht (Picus viridis), Dohle (Corvus monedula) und der Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) vielerorts beobachten. Über blumenreichen Wiesen gaukeln an schönen Tagen oft auch zahlreiche Schmetterlingsarten wie der Hauhechelbläuling (Polyommatus icarus) oder der Schwalbenschwanz (Papilio machaon). Wo es naturnahe Gewässer gibt, die möglichst auch mit dem Umland vernetzt sind, können auch verschiedene Libellen- und Amphibienarten oder gar die Ringelnatter (Natrix natrix) leben.

 

Stadtpark

«An städtischen Gewässern»


Stadtwälder sind oft von einem dichten Wegnetz durchzogen.

Kleiber (Sittia europaea) sind typische Bewohner von Eichen und Buchen, wie sie oft in Parkanlagen und Stadtwäldern vorkommen. Anders als andere Vogelarten, läuft der Kleiber auch kopfüber den Stamm hinunter.


Der Vierfleck (Libellula quadrimaculata) ist eine häufige und verbreitete Großlibelle, benannt nach den schwarzen Flecken auf den Flügeln (am Nodus). Sie ist eine Charakterart pflanzenreicher Stillgewässer.

Wendehals

Kleiber

«Sonnenhungrige Kletterer und andere Reptilien»

Naturgärten können auch auf kleinem Raum eine große Artenvielfalt aufweisen.

Gärten

Unter dem Sammelbegriff «Garten» werden ganz unterschiedliche Lebensräume zusammengefasst. Das Spektrum reicht vom Englischen Rasen mit Zierrosenbeet und exotischen Sträuchern über den produktiven Gemüsegarten bis zum alten und oft verwildert wirkenden Naturgarten. Entsprechend sieht es auch mit der zu erwartenden Artenvielfalt aus : In weitgehend unterschlupffreien Ziergärten werden sich nur wenige Generalisten unter den Tieren verirren. Zudem sind die hier zu beobachtenden Tiere meist nur vorübergehend da, weil sie kaum die benötigten Strukturen zur Entwicklung und Überwinterung finden. Solche Flächen mögen zwar nach ästhetischen Gesichtspunkten gefallen, sind aber eigentlich als «ökologische Wüsten» zu bezeichnen.

Thujahecke in «Die Hecke»

Bei den Nutzgärten kann man verallgemeinernd zwei Kategorien bilden: So gibt es die sehr aufgeräumten Gärten mit intensivem Anbau und Einsatz von diversen Hilfsstoffen. Hier werden meistens nur die reinen Nutzpflanzen zugelassen. In permakulturähnlichen Gärten hingegen sind auch Wildpflanzen geduldet, weshalb sie wesentlich artenreicher sind. Wenn vereinzelt Gemüse auch zum Blühen kommt, sind sie gut besuchte Nektar- und Pollenquellen.

Einen besonderen Stellenwert punkto Artenvielfalt nehmen die Naturgärten ein. Sie sind – trotz Eingriffen der Menschen – am «natürlichsten». Entsprechend können hier immer wieder neue und oft überraschende Entdeckungen gemacht werden. Naturgärten sind allerdings der Öffentlichkeit kaum je zugänglich. Vielleicht besitzen Sie aber selber einen naturnahen Garten in urbaner Umgebung oder kennen jemanden, der Zugang zu einem solchen Garten hat.

Igel

Entsprechend der oben aufgezeigten Vielfalt an Gartentypen ist auch das Spektrum an möglichen Gartenbewohnern sehr groß. Zu den typischen Gartenbewohnern gehören neben zahlreichen Wirbellosen (Insekten, Spinnentiere, Schnecken) die Amsel (Turdus merula), Kohlmeisen (Parus major) und Haussperlinge (Passer domesticus), aber auch Eidechsen, Blindschleichen, verschiedene Amphibien und kleinere Säugetiere.


Der Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella septempunctata) ist eine der häufigsten Marienkäferarten und in fast allen Gärten zu finden.

«Konzert oder Nachtruhestörung?»

Vielfalt im Kompost

Eine außerordentliche Dichte und Vielfalt an Lebewesen lässt sich im Kompost entdecken. Da es sich dabei vorwiegend um kleinere Bewohner des Bodens oder der Streuschicht handelt, sieht man viele von ihnen nur bei genauem Hinschauen. Nimmt man sich die Zeit dazu, so kann man die zahllosen Würmer, Asseln, Schnecken, Käferlarven und Tausendfüßer bei der Zersetzung des organischen Materials beobachten. Neben diesen gut sichtbaren Wirbellosen gibt es aber unzählige Kompostlebewesen, die von bloßem Auge kaum oder gar nicht sichtbar sind. Neben Spinnentieren und Springschwänzen gehören vor allem auch Pilze und Bakterien dazu. Nicht alle diese Lebewesen ernähren sich aber direkt von den Gartenabfällen. Gewisse Pilze und Bakterien sind bei den ersten Abbauschritten beteiligt. Viele Wirbellose wie Asseln und Schnecken fressen das unzerkleinerte Grünmaterial. Von den Nährstoffen in deren Ausscheidungen leben wiederum die sogenannten Koprophagen (Kotfresser). Weiter gibt es die räuberisch lebenden Arten und die Parasiten. Der letzte Abbauschritt zu den mineralischen und somit wieder den Pflanzen verfügbaren Nährstoffen erfolgt schließlich durch Bakterien.

Leben im Kompost

Gebäude und Brücken

Grünflächen und andere natürliche Strukturen wie Bäume sind offensichtlich wichtige Elemente für die Artenvielfalt einer Stadt. Es gibt aber noch verschiedene andere Strukturen, die gerne von bestimmten Tier- und Pflanzenarten besiedelt oder genutzt werden. So dienen Gebäudefassaden, aber auch Bauwerke wie Brücken zahlreichen Arten als Lebensraum, Versteck oder Niststandort. Viele dieser Arten lebten oder nisteten früher fast ausschließlich an Felswänden und haben somit an Gebäuden und Brücken geeignete Ersatzlebensräume gefunden. Typische Bewohner solcher «Felswände» sind Felsenbrüter wie Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), Mauersegler (Apus apus) und Wanderfalke (Falco peregrinus).

Hausrotschwanz

Mauersegler

Wanderfalke

An Gebäuden finden aber auch Arten aus verschiedenen anderen Lebensräumen Unterschlupf und Neststandorte. Dazu zählen auch manche Waldarten, die ursprünglich in oder an Bäumen brüten und nun in Dörfern und Städten vergleichbare Strukturen auch an Gebäuden finden. Besonders wertvoll sind in dieser Hinsicht alte Gebäude mit oftmals reich strukturierten Fassaden, Nischen und Dachvorsprüngen. An neuen oder energetisch sanierten Gebäuden fehlen hingegen die wertvollen Nischen und Zugänge oft. Vielerorts wurden aber durch Naturschutzorganisationen oder Einzelpersonen auch wieder künstliche Nisthilfen angebracht. Sind diese fachgerecht ausgeführt und gut positioniert, werden sie in der Regel gerne angenommen.


Alte Bauten bieten verschiedene Verstecke und Unterschlupfmöglichkeiten.

Nest eines Hausrotschwanzes (Phoenicurus ochruros) mit Nestlingen in einer Gebäudenische

Neben den Gebäudefassaden können auch Dächer Ersatzlebensräume bieten. Sie sind der Sonneneinstrahlung, aber auch Wind, Niederschlägen und Kälte stark ausgesetzt. Auf den Dächern kommt es daher zu extremen Schwankungen bezüglich Temperatur und Feuchtigkeit. Mit solchen stark und schnell wechselnden Bedingungen kommen nur besonders angepasste Arten zurecht, insbesondere Flechten, Moose, aber auch einige höhere Pflanzen. Neben der Nutzung durch Vögel als Sing- oder Jagdwarte können besonders alte Dächer mit ihren Nischen auch als Niststandorte dienen. Eine Sonderstellung nehmen die Flachdächer ein: Werden diese nicht von Menschen genutzt, so sind sie oft mit Kies oder einer extensiven Begrünung bedeckt. Derart «unberührte» Standorte können eine erstaunliche Artenvielfalt entwickeln. Auf großen ausgedehnten Flachdächern wurden sogar schon verschiedene bodenbrütende Vogelarten, u.a. der vielerorts seltene Kiebitz (Vanellus vanellus), nachgewiesen.

«Unscheinbares Grün»

Verschiedene Tierarten besiedeln nicht nur die Gebäudehülle, sondern auch das Gebäudeinnere. Während einige nur in selten benutzten Teilen wie Dachstock oder Keller anzutreffen sind, gibt es auch solche, die sogar in unseren Wohnungen leben und mit denen wir das Bett teilen.

«Achtbeinige Untermieter»

Wo gebaut wird, entstehen immer wieder neue Materialdepots und Rohbodenflächen. Diese werden von Pflanzen meist rasch besiedelt.

Baustellen

Es gibt wohl keine Stadt, wo nicht stets irgendwo mindestens eine große und viele kleine Baustellen in Betrieb sind. Besonders auf größeren Baustellen, die längere Zeit bestehen, siedeln sich gerne bestimmte Tiere und Pflanzen an. Charakteristisch für Baustellen sind die offenen und durch den fehlenden Humus auch nährstoffarmen Bodenoberflächen. Dort gibt es trockene und sandige, aber auch schlammige Bereiche oder sogar temporäre Gewässer. Meistens gibt es auch Bereiche, wo längere Zeit nicht gearbeitet wird und daher auch potenzielle Bewohner nicht gestört werden. Arten, die unter den kargen Baustellenbedingungen leben können, werden als Pionierarten bezeichnet. Unter diesem Begriff fasst man Tiere und Pflanzen zusammen, die erst kürzlich entstandene Lebensräume besiedeln. Sie kommen mit dem knappen Nährstoffangebot und den harschen und schnell wechselnden Lebensbedingungen besonders gut zurecht. Ohne neue Störungen des Lebensraumes werden sie aber in der Regel bald einmal durch nachfolgende Arten verdrängt. Pionierarten sind daher auf immer neue Pionierstandorte angewiesen. Sie sind in der Regel auch sehr mobil. Die Pflanzen unter den Pionierarten verfügen hierzu über entsprechend angepasste Ausbreitungsstrategien. Typische Pionierarten sind Klatschmohn (Papaver rhoeas) und gewisse Schmetterlingsblütler. Letztere können durch eine Symbiose mit Bakterien den Luftstickstoff in den Bodenporen zu mineralischem Stickstoff umwandeln. So erhalten die Pflanzen auch auf kargen Böden genügend Nährstoff. Als Gegenleistung erhalten die an den Wurzeln lebenden Knöllchenbakterien von der Pflanze Zuckerstoffe.

Fuchs auf Baustelle

«Ausbreitungsstrategien»

Der Klatschmohn (Papaver rhoeas) ist eine Pionierart, die oft auf Baustellengeländen zu finden ist.

Vorteile durch Symbiose

Rohböden, wie sie auf natürlichen Pionierstandorten oder auch auf Baustellen zu finden sind, zeichnen sich meistens durch Nährstoffknappheit aus. Einer dieser knappen, aber wichtigen Pflanzennährstoffe ist Stickstoff. Stickstoff ist mit rund 78 % der Hauptbestandteil unserer Luft und daher auch im trockenen Porenraum des Bodens überall vorhanden. Aber dieser elementare Stickstoff (N2) kann von den Pflanzen nicht genutzt werden. Über die Wurzeln können ihn die Pflanzen nur in mineralischer Form (z.B. Nitrat) aufnehmen. Durch die Symbiose mit bestimmten Bakterien, den sogenannten Knöllchenbakterien, können die Pflanzen aber den Stickstoff in der Bodenluft nutzen. Nach der «Infektion» der Wurzelzellen mit den Bakterien, veranlassen diese eine Teilung und Vergrößerung der Wurzelzellen. Dies führt zu knöllchenartigen Verdickungen der Wurzeln, an denen die Bakterien den elementaren Stickstoff in pflanzenverfügbaren mineralischen Stickstoff umwandeln. Im Gegenzug zu dieser «Dienstleistung» erhalten sie von der Pflanze organische Kohlenstoffverbindungen. Durch den Abbau dieser Verbindungen können die Bakterien die Energie gewinnen, die sie zum Leben benötigen.

Industriebrachen


Nicht mehr genutzte Industrieareale werden erstaunlich schnell von Pflanzen und Tieren besiedelt.

Zu einer Stadt gehört fast immer auch Industrie, und damit Industriebrachen, die zumindest vorübergehend nicht mehr oder nur noch teilweise genutzt werden. Der Verfall und oft auch die problematischen Altlasten aus jahrzehntelanger Produktion und Nutzung bergen oft große ökologische Risiken und Gefahren. Gleichzeitig laufen hier aber auch sehr interessante ökologische Prozesse ab. Auf Industriebrachen kann man beispielsweise sehen, wie sich Tiere und Pflanzen wieder ansiedeln und solche Areale zurückerobern. Dabei ist es oft erstaunlich, wie schnell dieser Prozess vor sich geht: Erste Pflanzen suchen sich Wege durch Mauerwerk, Straßenbeläge und Betonplatten, vom Wind oder Regenwasser angesammeltes mineralisches und organisches Material ermöglichen zusammen mit Mikroorganismen Bodenbildungsprozesse, und verstopfte Abflüsse lassen Stillgewässer entstehen, die rasch von ersten Wassertieren besiedelt werden. Das Artenspektrum in solchen Gebieten ist oft groß und kann je nach vergangener Zeit neben den Pionierarten auch zahlreiche andere Arten umfassen. Abhängig vom Standort und Sukzessionsgrad sind ganz unterschiedliche Arten anzutreffen. In den frühen Stadien sind es oft Moose, Mauerpfefferarten und bestimmte Gräser. Bald einmal folgen auch auffälligere Blütenpflanzen wie der Gewöhnliche Natternkopf (Echium vulgare), Greiskräuter (Seneccio sp.) und Goldruten (Solidago sp.). Schon früh treten die ersten Gehölzarten auf, wie Weiden (Salix sp.), Birken (Betula sp.), aber auch Neophyten wie Sommerflieder (Buddleja davidii) oder die Gewöhnliche Robinie (Robinia pseudoacacia). Unter den Tieren gibt es zahlreiche wirbellose Arten wie Spinnen und Insekten, die sich von den Pflanzen ernähren oder andere Wirbellose jagen. Unter den Wirbeltieren können Arten wie die Mauereidechse (Podarcis muralis) sehr häufig sein. Aber auch zahlreiche Vogelarten, Mäuse und Füchse (Vulpes vulpes) leben gerne in solchen Gebieten.

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